Doppelpatentierung

Three_Weather

Vielschreiber
Hallo werte Kollegen,

ich hätte eine kurze Frage bezüglich Doppelpatentierung.

Wenn ein Anmelder zunächst ein Patent basierend auf einer europäischen Patentanmeldung mit dem Prioritätstag X und basierend auf einem unabhängigen Anspruch 1 (Merkmale A, B, C und D) erteilt bekommt und dann anschließend eine Teilanmeldung einreicht, wobei der unabhängige Anspruch 1 der Teilanmeldung lediglich die Merkmale A, B und C aufweist, würde dann ein durch die Teilanmeldung erteiltes Patent dem Grundsatz des Doppelschutzverbotes widersprechen?

Im EPÜ ist das Doppelschutzverbot ja nicht dediziert geregelt. Es kann nur auf die Art. 97 und 125 EPÜ verwiesen werden.

Ferner habe ich nur in den Richtlinien für die Prüfung G. IV. 5.4 (Doppelpatentierung) (https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/g_iv_5_4.htm) gefunden, dass dass der Anmelder kein legitimes Interesse an einem Verfahren hat, das zur Erteilung eines zweiten Patents für denselben Gegenstand führt, für den er bereits ein Patent besitzt.

Ferner findet sich in der Rechtssprechung der Beschwerdekammern II. F. 5 (Doppelpatentierung) (https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/caselaw/2016/d/clr_ii_f_5.htm), dass eine bloße (teilweise) Überschneidung der Erteilung eines Patents nicht entgegensteht.

Ferner findet sich auch noch folgendes:

https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/caselaw/2016/d/clr_ii_f_5_2.htm

das in einem Verständnis auch wieder nur aussagt, dass es der gleiche Schutzbereich sein muss, um gegen das Doppelschutzverbot zu verstoßen.


Ich frage mich nun aber, ob es tatsächlich ausreichend ist, dass der Schutzbereich nicht genau gleich ist. In dem obigen Fall ist der Anspruch mit den Merkmalen A, B und C ja breiter als der Anspruch A, B, C und D. Somit würde der Schutzbereich, der durch die Teilanmeldung erlangt werden würde ja den Schutzbereich des bereits erteilten Patents einschließlichen.

Art. II § 8 IntPatÜG scheint mir auch nicht weiterzuhelfen, da hier ja nur der Fall beschrieben wird, dass eine Anmeldung beim DPMA und eine beim EPA eingereicht wurde.

Ich wäre euch sehr dankbar, wenn jemand ein wenig aufklären könnte, ob, im obigen Beispiel, der Schutzbereich der Teilanmeldung wirklich nur "anders", i.e., nicht ident sein muss, oder ob ein Anspruch der diesen Schutzbereich definiert auch mind. ein Merkmal enthalten muss, dass sich nicht im Anspruch 1 des erteilten Patent, welches durch die Stammanmeldung erlangt wurde, wiederfindet.

Besten Dank für eure Hilfe und beste Grüße
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Die von dir zitierten Stellen geben doch schon eine Antwort, insbesondere sagt ja die T 307/03 "Darüber hinaus könne ein Einwand wegen Doppelpatentierung auch dann erhoben werden, wenn der Gegenstand des erteilten Anspruchs im Gegenstand des später eingereichten Anspruchs enthalten sei, d. h. wenn der Anmelder den Gegenstand des bereits erteilten Patentanspruchs erneut patentieren lassen wolle und zusätzlich Patentschutz für einen anderen Gegenstand begehre, der im bereits erteilten Patent nicht beansprucht wird." Das trifft m.E. auf deinen Fall zu.

Allerdings zeigt die Praxis, dass das EPA in vielen Fällen weniger strikt ist und solche, den bereits patentierten Anspruch umfassenden, Ansprüche durchaus auch mal akzeptiert; falls nicht, kann man den Einwand ggf. durch Aufnahme eines mehr oder weniger unbedeutenden Merkmals E (das den Anspruch der Teilanmeldung formal auf einen lediglich teilüberlappenden Gegenstand verschiebt) abwehren. Das größere Problem ist dabei aber oft die Patentfähigkeit, denn das Merkmal D wurde in der Stammanmeldung in der Regel aufgenommen, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Die von dir zitierten Stellen geben doch schon eine Antwort, insbesondere sagt ja die T 307/03 "Darüber hinaus könne ein Einwand wegen Doppelpatentierung auch dann erhoben werden, wenn der Gegenstand des erteilten Anspruchs im Gegenstand des später eingereichten Anspruchs enthalten sei, d. h. wenn der Anmelder den Gegenstand des bereits erteilten Patentanspruchs erneut patentieren lassen wolle und zusätzlich Patentschutz für einen anderen Gegenstand begehre, der im bereits erteilten Patent nicht beansprucht wird." Das trifft m.E. auf deinen Fall zu.

Allerdings zeigt die Praxis, dass das EPA in vielen Fällen weniger strikt ist und solche, den bereits patentierten Anspruch umfassenden, Ansprüche durchaus auch mal akzeptiert; falls nicht, kann man den Einwand ggf. durch Aufnahme eines mehr oder weniger unbedeutenden Merkmals E (das den Anspruch der Teilanmeldung formal auf einen lediglich teilüberlappenden Gegenstand verschiebt) abwehren. Das größere Problem ist dabei aber oft die Patentfähigkeit, denn das Merkmal D wurde in der Stammanmeldung in der Regel aufgenommen, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen.

Die T307/03 ist eine Einzelentscheidung mit einer - vorsichtig formuliert - sehr kreativen Begründung. Sie wird nicht mehr angewendet. Die relevanten Entscheidungen zur Doppelpatentierung sind T877/06 und T1391/07, die sich genau auf die hier geschilderte Konstellation beziehen und sie für zulässig halten. Es sei legitim, schnell Schutz für einen klar patentierbaren Anspruch zu erhalten, und die Prüfung eines breiteren Anspruchs in einer Teilanmeldung zu verfolgen.

Im Übrigen sagen das auch die Richtlinien an der vom TE zitierten Stelle:
"Ein Anmelder kann zwei Anmeldungen mit derselben Beschreibung prüfen lassen, die nicht denselben Gegenstand beanspruchen (siehe auch T 2461/10). Es könnte z. B. sein, dass er zunächst an einem raschen Schutz für eine bevorzugte Ausführungsform interessiert ist und die allgemeine Lehre in einer Teilanmeldung weiterverfolgen will (siehe G 2/10)."
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ein "Verbot der Doppelpatentierung" als gesetzliche Norm gibt es nicht. Soweit identische Rechte aus einem EP-Patent und einem nationalen Patent erwachsen, ist keineswegs die "Patentierung" eingeschränkt, sondern nur die Wirkung der Patente, indem das nationale Patent in dem Umfang seine Wirkung verliert, wie diese bereits aus dem EP-Patent hervorgeht.

Ein "effektives" Verbot einer Doppelpatentierung folgt nur aus dem Grundsatz, dass (wie für jedes Patent bzw. für jedes Verwaltungshandel) ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen muss. Aber es sind ausgesprochen selten hinlängliche Voraussetzungen gegeben, um dieses einem Patentanmelder abzusprechen. Das Absprechen des Rechtschutzbedürfnisses, wenn sonst kein Zurückweisungsgrund vorliegt, ist jedenfalls eine Einzelfallentscheidung.

Z.B. ist m.E. selbst dann ein Rechschutzbedürfnis gegeben, wenn zwei Anmeldungen (gleicher Anmelder, gleicher Anmeldetag und identische Offenbarung vorausgesetzt) mit identisch lautenden Ansprüchen aber unterschiedlicher Beschreibung beantragt werden, da ja im Verletzungsfall die (unterschiedlichen) Beschreibungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sind.

Wenn dafür jemand zahlen möchte, dann mag er es tun. Die Zurückweisung einer der beiden Anmeldungen ist deshalb wohl kaum zu befürchten.

Im Übrigen: Wenn man von "Doppelschutz" spricht, so dürfte es darum gehen, dass ein und derselbe vom Patentinhaber genutzte Gegenstand in den Schutzbereich zweier (oder mehrerer) seiner Patente fällt und so auch dann noch geschützt ist, wenn eines der Patente wegfällt. Das ist sicher nicht nur nicht verboten, sondern sogar ganz übliche Praxis.
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Aus meiner Sicht ist die T 1423/07 die mit Abstand deutlichste Entscheidung in der sich gegen ein Doppelpatentierungsverbot ausgesprochen wird. Ich verweise regelmäßig darauf, wobei ich insgesamt (rein subjektiv) seltener einen Doppelpatentierungseinwand erhalte. Dies mag daran liegen, dass, wie schon von den Vorrednern gesagt, ein Rechtsschutzbedürfnis i.d.R. leicht zu begründen ist. Gemäß der T 1423/07 ist dies sogar gänzlich entbehrlich. Hier die wesentlichen Zitate:

"2.2.5 As a consequence, irrespective of whether or not the EPC lacks procedural provisions in connection with double patenting (see point 2.2 (c) above), Article 125 EPC does not provide a basis for refusing a European application on the ground of double patenting."

"2.3.2 [...] This board cannot see how Article 60 EPC could serve as a basis for refusing a European application under Article 97(2) EPC for double patenting, it cannot agree that Article 60 EPC can be interpreted such that the inventor or his successor in title has a right to the grant of one and only one patent from the EPO for a particular invention, with the consequence that claims comprising subject-matter included in the claims of an already granted patent of the same applicant are refused no matter whether or not the applicant has a legitimate interest in the grant of the subsequent application.[...]"

"2.3.4 As a consequence, the contested application cannot be refused under Article 60 EPC for double patenting."

Die T 307/03 wird dort übrigens auch explizit erwähnt und deren Begründung abgelehnt.

VG
 
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