EPÜ Computerimplementierte Verfahren - Art. 52(2)

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo,

existiert ein Grund dafür, dass in den Richtlinien 2018 G-II, 3.6 Computerprogramme, immer noch T 1173/97 in Zusammenhang mit dem Erfordernis einer "weiteren technischen Wirkung" erwähnt wird, um nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen zu werden?

In den RiLis wird an der nachfolgend aufgeführten Stelle zwar A 52(2) nicht ausdrücklich genannt, aber die Formulierung "von der Patentierbarkeit ausgeschlossen", sollte dies doch implizieren. Unter dem gleichen Abschnitt wird, aber explizit T 424/03 iVm G 03/08 aufgeführt (nachfolgend aufgeführt), welches eindeutig darauf hinweist, dass ein "weiterer technischer Effekt" nicht gefordert ist, wenn mindestens ein technisches Merkmal enthalten ist. Wird der "weitere technische Effekt" gemäß T 1173/97 seit T 424/03, bestätigt durch G 03/08, nicht mittlerweile im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit abgehandelt?

Zu T 1173/97
"Um technischen Charakter aufzuweisen und damit nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen zu sein, muss ein Computerprogramm beim Ablauf auf einem Computer eine "weitere technische Wirkung" erzeugen. Eine "weitere technische Wirkung" ist eine technische Wirkung, die über die "normale" physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm (Software) und dem Computer (Hardware), auf dem es läuft, hinausgeht. Die normalen physikalischen Wirkungen der Ausführung eines Programms, z. B. das Fließen elektrischer Ströme im Computer, reichen allein noch nicht aus, um einem Computerprogramm technischen Charakter zu verleihen (T 1173/97 und G 3/08)."


Zu T 424/03
"Gegen Ansprüche, die auf ein computerimplementiertes Verfahren, ein computerlesbares Speichermedium oder eine Vorrichtung gerichtet sind, kann kein Einwand nach Art. 52 (2) und (3) erhoben werden, weil jedes Verfahren, das die Verwendung technischer Mittel (z. B. eines Computers) umfasst, wie auch das technische Mittel selbst (z. B. ein Computer oder ein computerlesbares Speichermedium) technischen Charakter haben und damit eine Erfindung im Sinne von Art. 52 (1) darstellen (T 258/03, T 424/03, G 3/08)."
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Es geht hier um den genauen Anspruchswortlaut.

Die berühmte Meilensteinentscheidung T 1173/97 war der erfolgreiche Versuch von IBM, Beauregard-Claims auch am EPA durchzusetzen. Siehe z.B. Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_patent_claim_types

Claims of this type have been allowed by the European Patent Office (EPO). However, a more general claim form of "a computer program for instructing a computer to perform the method of [allowable method claim]" is allowed, and no specific medium needs to be specified.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Meiner Ansicht nach ist der Unterschied zwischen den beiden Entscheidungen folgender:


T 424/03 betrifft "Ansprüche, die auf ein computerimplementiertes Verfahren, ein computerlesbares Speichermedium oder eine Vorrichtung" gerichtet sind. Dies sind per se technische Gegenstände (Verfahren auf einem Computer, Speichermedium, Vorrichtung); ein weiterer technischer Effekt zur Überwindung von Art. 52(2) ist daher nicht erforderlich.


T 1173/97 betrifft dagegen ein Computerprogramm, das per se nicht-technisch ist (abstrakte Handlungsanweisungen, die nicht notwendigerweise mit einem technischen Gerät verknüpft sind). Dieses Computerprogramm wird erst technisch, wenn es bei der Ausführung einen "weiteren" technischen Effekt hervorruft.


Allerdings gebe ich zu, dass man bei dieser Betrachtung auch von einem computerimplementierten Verfahren einen "weiteren" technischen Effekt fordern könnte ...
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Allerdings gebe ich zu, dass man bei dieser Betrachtung auch von einem computerimplementierten Verfahren einen "weiteren" technischen Effekt fordern könnte ...

Der wird dann nach der EPA-Logik aber erst bei Art. 56 benötigt, da beim computerimplementierten Verfahren der Computer als technisches Merkmal schon untrennbar im Anspruch steht. Die T 1173/97 betrifft aber Ansprüche auf Computerprogramme, die aber eben nicht "als solche" ausgeschlossen sind, wenn der Anspruch auf das Computerprogramm den bewirkten technischen Effekt mit erfasst.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Der wird dann nach der EPA-Logik aber erst bei Art. 56 benötigt, da beim computerimplementierten Verfahren der Computer als technisches Merkmal schon untrennbar im Anspruch steht. Die T 1173/97 betrifft aber Ansprüche auf Computerprogramme, die aber eben nicht "als solche" ausgeschlossen sind, wenn der Anspruch auf das Computerprogramm den bewirkten technischen Effekt mit erfasst.

"...wenn der Anspruch auf das Computerprogramm den bewirkten technischen Effekt mit erfasst."

Was bedeutet dies genau? Stellst du auf den weiteren technischen Effekt ab, der sich im Wortlaut des Anspruchs widerspiegeln müsste? Sollte dies nach T 424/03 und G 3/08 bei der Prüfung von A52(2) nicht unerheblich sein? Sind die Richtlinien diesbezüglich nur ungenau oder ist ein Widerspruch erkennbar?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Was bedeutet dies genau? Stellst du auf den weiteren technischen Effekt ab, der sich im Wortlaut des Anspruchs widerspiegeln müsste?

Damit der Ausschluss nach Art. 52(3) EPÜ (Programm für Datenverarbeitungsanlage als solches) vermieden wird, wird für den Schutzbereich des Patentanspruchs der technische Effekt benötigt, den das Computerprogramm bei Ausführung auf dem Computer bewirkt. Es müssen daher bis auf den bekannten Computer alle wesentlichen Merkmale angegeben werden, die zur Erreichung des Effekts notwendig sind. Das wird in der Praxis ganz simpel dadurch realisiert, dass der Computerprogrammanspruch einfach auf die Ansprüche auf das computerimplementierte Verfahren rückbezogen wird ("a computer program for instructing a computer to perform the method of [allowable method claim]").
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Kann die Richtlinie des EPAs als widersprüchlich angesehen werden oder lediglich als unklar?

Wo soll denn bloß der Widerspruch sein?

Wenn es für Dich unklar ist, muss das ja nicht objektiv so sein. Natürlich kann man diskutieren, ob sich durch ausführlichere Darstellungen die Verständlichkeit verbessern lässt. Allerdings ist das bei einer Richtlinie wegen der damit verbundenen rechtlichen Implikationen nicht ungefährlich.
 
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