DE BGH - Okklusionsvorrichtung ... ohoh...

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hallo!

Ich habe gestern mit großem Interesse die BGH-Entscheidung "Okklusionsvorrichtung" gelesen (http://juris.bundesgerichtshof.de/c...0b58329ae4fc802ddeb0609c&nr=56437&pos=0&anz=1).

Zunächst ist festzustellen, dass der BGH hier Herrn Kühnen vom OLG DüDo m.E. richtig abwatscht. Dieser hatte sich mit der Annahme einer wortsinngemäßen Verletzung sehr weit aus dem Fenster gelehnt und seine Meinung sehr von sich überzeugt dann auch in diversen Seminaren als Fallstudie vorgetragen. Offensichtlich, um eine Entscheiodung des OLG über mögliche Äquivalenz von vornherein zu vermeiden, hat der BGH hier auch durchentschieden :)

Viel krasser ist aber m.E. der zweite Leitsatz, der nicht nur relativ unmotiviert aus der Entscheidung hervorgeht sondern auch ein sehr klares Ausrufezeichen bzgl. den Anforderungen an die Gleichwertigkeit bei einer äquivalenten Verletzung setzt bzw. diese stark beschränkt.

Man wird sich in Zukunft sehr genau überlegen müssen, welche ggf. als gleichwirkend zu erachtenden Ausführungsbeispiel man offenbart, da diese ja ggf. im Prüfungsverfahren aus dem unmittelbaren Schutzumfang fallen können und dann noch dazu schwarze Löcher in den Äquivalenzbereich stanzen können.

Somit habe ich eigentlich die m.E. äußerst unbefriedigende Situation, dass der Verlauf des Prüfungsverfahrens bei der späteren Beurteilung der Äquivalenz eine bedeutende Rolle spielen könnte....

Ob der BGH dies wirklich alles zu Ende gedacht hat ? Und warum hat man es nicht bei einem orbiter dictum gelasen sondern hat das auch noch zum Leitsatz gemacht ????

Ich freue mich auf Rückmeldungen / Diskussionen,

Grüße

Ah-No Nym
 
Zuletzt bearbeitet:

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Man wird sich in Zukunft sehr genau überlegen müssen, welche ggf. als gleichwirkend zu erachtenden Ausführungsbeispiel man offenbart, da diese ja ggf. im Prüfungsverfahren aus dem unmittelbaren Schutzumfang fallen können und dann noch dazu schwarze Löcher in den Äquivalenzbereich stanzen können.

Diese Problematik sehe ich nicht so - die angegriffene Ausführungsform wäre nach der Argumentation des BGH stets aus dem Äquivalenzbereich gefallen, unabhängig davon, ob sie im Patent offenbart war oder nicht.

Einziges Bedenken könnte sein, dass man den Leser des Patents ggf. auf eine Umgehungslösung hinweist. Aber wenn man davor Angst hat, dann muss man sich auch fragen, warum der Anspruch so formuliert wurde, dass eine bestimmte Ausführungsform nicht darunterfällt. Vielleicht weil der Gegenstand dann nicht mehr neu oder erfinderisch wäre? Dafür kann man aber auch keinen Schutz beanspruchen ...
 

Rex

*** KT-HERO ***
Im Hauptanspruch des Klagepatents war eine Vorrichtung mit zwei Klemmen an ihren entgegengesetzten Enden beansprucht. Der vermeintlich verletzende Gegenstand wies dagegen nur eine Klemme an einem Ende auf.
Das OLG hatte dennoch eine wortsinngemäße (!) Verletzung festgestellt.
Da kann man sich nur ungläubig an den Kopf fassen...

Der BGH hat nun eine Verletzung verneint. Ich halte dies für schlüssig und nachvollziehbar.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Das OLG hatte dennoch eine wortsinngemäße (!) Verletzung festgestellt.
Da kann man sich nur ungläubig an den Kopf fassen...

Der BGH hat nun eine Verletzung verneint. Ich halte dies für schlüssig und nachvollziehbar.

Ich stimme dir voll und ganz zu...

Ich hatte das Vergnügen, Hern Kühnen im Seminar "Fallstudien zur Patentverletzung" genau zu diesem Fall ausführlich zuhören zu müssen. Meine ungläubige Frage, wie er bei diesem Sachverhalt auf wortsinngemäße Verletzung komme, da ich hier (wenn überhaupt) allenfalls anfangen würde, mir über Äquivalenz Gedanken zu machen, wurde einfach vom Tisch gewischt :)

Umso mehr jetzt die Schadenfreude....

Grüße

Ah-No Nym
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Diese Problematik sehe ich nicht so - die angegriffene Ausführungsform wäre nach der Argumentation des BGH stets aus dem Äquivalenzbereich gefallen, unabhängig davon, ob sie im Patent offenbart war oder nicht.

Einziges Bedenken könnte sein, dass man den Leser des Patents ggf. auf eine Umgehungslösung hinweist. Aber wenn man davor Angst hat, dann muss man sich auch fragen, warum der Anspruch so formuliert wurde, dass eine bestimmte Ausführungsform nicht darunterfällt. Vielleicht weil der Gegenstand dann nicht mehr neu oder erfinderisch wäre? Dafür kann man aber auch keinen Schutz beanspruchen ...

Ich stimme dir teilweise zu, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man eine Anmeldung mit einem relativ weiten Umbrella-Anspruch verfasst, der mehrere gleichwirkende Lösungen umfasst, und man dann im Prüfungsverfahren gezwungen ist, sich auf eine festzulegen (nicht unbedingt wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit o.ä.).

Ich meine nur, dass durch "Okklusionsvorrichtung" die bisherige Rechtsprechung zur Frage der Gleichwertigkeit deutlich verschärft wird. Vorher wurde als Anzeichen mangelnder Gleichwertigkeit angesehen, dass die Erfindung auf das Austauschmittel gerade verzichten will. Dies ist m.E. eine viel stärkere Anforderung als das einfache Offenbaren des Austauschmittels ohne konkrete Beanspruchung.

Ich bin jedenfalls mal auf die ersten Kommentare in der Literatur gespannt...

Ah-No Nym
 

union

*** KT-HERO ***
Diese Problematik sehe ich nicht so - die angegriffene Ausführungsform wäre nach der Argumentation des BGH stets aus dem Äquivalenzbereich gefallen, unabhängig davon, ob sie im Patent offenbart war oder nicht.

Das mag ja im konkreten Fall stimmen. Dennoch bleibt nun der zweite Leitsatz stehen. Und hinsichtlich der damit verbundenen allgemeinen Gültigkeit, dass die Benutzung ausgenommener Ausführungsformen generell keine Äquivalenz begründen sollen, seh ich ehrlich gesagt die gleiche Problematik wie Ah-No Nym.

Ich glaube so langsam kann man das Thema Äquivalenz aus den deutschen Kandidatenlehrplänen streichen...
 

Rex

*** KT-HERO ***
Ich glaube so langsam kann man das Thema Äquivalenz aus den deutschen Kandidatenlehrplänen streichen...

Das ist ja so nicht richtig, denn der Leitsatz sagt lediglich, dass eine Äquivalenz regelmäßig nicht begründet wird, er sagt nicht, dass sie im Einzelfall ausgeschlossen ist.

Außerdem glaube ich, und das ist jetzt meine ganz persönliche Meinung, dass Äquivalenz sowieso ein fragwürdiges Konzept ist und nur Rechtsverwirrung schafft, wie ja der vorliegende Fall zeigt. Wenn man möglichst weit gefasste, klare Ansprüche formuliert, braucht man keine Äquivalenz.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Das ist ja so nicht richtig, denn der Leitsatz sagt lediglich, dass eine Äquivalenz regelmäßig nicht begründet wird, er sagt nicht, dass sie im Einzelfall ausgeschlossen ist.

So habe ich den Leitsatz auch verstanden: Alleine die Tatsache, dass das Patent eine (nicht unter den Wortsinn des Anspruchs fallende) Alternative zu einem Anspruchsmerkmal offenbart, bedeutet noch nicht, dass diese Alternative automatisch als äquivalent zu betrachten ist. Das heisst aber nicht, dass eine Äquivalenz dadurch regelmäßig ausgeschlossen würde.

In der Tat hat sich der BGH in dieser Entscheidung ja auch den üblichen "Schneidmesser"-Fragen gewidmet und ist zu dem Schluss gekommen, dass keine Gleichwertigkeit vorliegt (und eben, dass die Beschreibung der Alternative im Patent diese auch nicht impliziert). Die Begründung, warum keine Gleichwertigkeit gegeben ist, war aber unabhängig von der Offenbarung des Patents (sondern bezog sich bspw. auf die Herstellung der jeweiligen Gegenstände). Eine signifikante Verschärfung der Kriterien sehe ich hier noch nicht.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Das ist ja so nicht richtig, denn der Leitsatz sagt lediglich, dass eine Äquivalenz regelmäßig nicht begründet wird, er sagt nicht, dass sie im Einzelfall ausgeschlossen ist.

Wenn aber eine Benutzung der übrigen im Patent genannten Möglichkeiten regelmäßig keine äquivalente Verletzung begründet, dann muss ich mich schon sehr anstrengen, um ein Gericht im Einzelfall von einer Ausnahme dieser Regel zu überzeugen.

Vor dieser Entscheidung hatte zumindest ich das Gefühl bzw. die Vorstellung, dass ein Richter eher von einer Äquivalenz zu überzeugen ist, wenn der Anmelder das äquivalente Mittel in der Anmeldung selbst (natürlich neutral und nicht negativ oder nachteilig oder nicht zur Erfindung gehörend) beschreibt. Das dürfte jetzt eher ins Gegenteil umschlagen...

Ah-No Nym
 

Rex

*** KT-HERO ***
Wenn aber eine Benutzung der übrigen im Patent genannten Möglichkeiten regelmäßig keine äquivalente Verletzung begründet, dann muss ich mich schon sehr anstrengen ...

Es ist effektiver, die Anstrengung in die ordentliche Ausarbeitung der Anmeldung zu investieren.

Wer (wie in diesem Fall) den Hauptanspruch so schlecht formuliert, dass nicht einmal die beschriebenen Ausführungsformen darunter fallen, der verdient nicht das Mitleid des Verletzungsrichters.
 

upupa

GOLD - Mitglied
Es ist effektiver, die Anstrengung in die ordentliche Ausarbeitung der Anmeldung zu investieren.

Wer (wie in diesem Fall) den Hauptanspruch so schlecht formuliert, dass nicht einmal die beschriebenen Ausführungsformen darunter fallen, der verdient nicht das Mitleid des Verletzungsrichters.

Das ist richtig. Am besten ist immer, wenn man alle möglichen Verletzungsformen vom Wortlaut des ersten unabhängigen Anspruchs erfasst hat.

Und generell sollte man sich natürlich bemühen, einen Anspruch zu formulieren, der auf einen Gegenstand zielt, welcher neu, erfinderisch, gewerblich anwendbar und dabei klar ist, nicht von einem Patentierungsverbot ausgenommen ist und auch allen sonstigen Vorschriften des EPÜ, des PatG, U.S.C etc. genügt.

Nur so als Tipp am Rande...
 

Fip

*** KT-HERO ***
Also, am allerbesten schreibt man gleich von Anfang an einen Anspruch, der einen erteilbaren Gegenstand/ein erteilbares Verfahren definiert, elegant sämtlichen Stand der Technik umschifft, den Schutzbereich optimal ausnutzt und keine Lücken für Umgehungslösungen lässt, wobei man durch richtige Auswahl der Begriffe im Anspruch und die präzise Auswahl von Ausführungsbeispielen außerdem noch sämtliche denkbare Äquivalenzprobleme geschickt so mit einbezieht, so dass man Probleme, wie sie in der hier diskutierten BGH Entscheidung offenkundig werden, von Anfang an vermeidet.

So mache ich es jedenfalls immer ... Und wer das nicht kann, der hat mein Mitleid nicht verdient!
 

candidate

BRONZE - Mitglied
Hochinteressante Entscheidung!

Der zweite Leitsatz betrifft ja nicht die Äquivalenz von Lösungen, die der Anmelder in den ursprünglichen Unterlagen nicht (!) offenbart hat.

Ist der Gedanke hinter der Entscheidung nicht folgender:
Bei Ausführungen, die in den Anmeldeunterlagen offenbart waren, die aber im Anspruch keinen Niederschlag gefunden haben, kann dann im Nachhinein nicht doch ein Patentschutz bestehen (im Rahmen von Äquivalenz). Da der Gegenstand ursprünglich offenbart war, hätte der Anmelder ihn ja (wenn die Patentierungsvoraussetzungen vorliegen) durchaus beanspruchen können. Der Verzicht auf diese offenbarten Ausführungsformen bei Einschränkung der Ansprüche ist endgültig. Es besteht nicht die Möglichkeit, den Schutzbereich der "engeren" Ansprüche auf alle offenbarten Ausführungsformen auszudehnen (selbst wenn sie äquivalent sind).

Dahinter ist doch auch eine gewisse Logik zu erkennen, oder seht ihr das anders? Für alles was der Anmelder offenbart, kann er (wenn es denn patentfähig ist) Patentschutz bekommen. Wenn er aber freiwillig darauf verzichtet (weil nicht mit beansprucht), ist das nicht das Problem des Verletzers.

Eine äquivalente Lösung, die der Anmelder freiwillig nicht beansprucht hat, ist frei. Eine äquivalente Lösung, die der Anmelder bei Anmeldung nicht offenbart hat (weil nicht in Betracht gezogen oder weil nicht jede x-beliebige gleichwirkende Sache aufgezählt werden sollte), kann jedoch sehr wohl verletzen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Das Thema ist zwar schon ein paar Tage alt, aber nachdem in diesem Thread das ein oder andere Wort zu dem Vorsitzenden des Patentsenats des OLG Düsseldorf gefallen ist und weil diese Entscheidung sicherlich von allgemeiner Bedeutung ist, empfehle ich die Lektüre in GRUR 8/2011,701,705. Hier macht Herr Dr. Kühnen Anmerkungen zur BGH Entscheidung.

Eine kurze Kostprobe zur Einstimmung:

"So sehr eine Harmonisierung der Rechtsprechnungin Europa auch wünschenswert ist, so kann sie doch keine Rechtfertigung dafür sein, bei der eigenen Rechtsanwandung den Boden einer sachlich und methodisch einwandfreien Patentauslegung zu verlassen."

Wer den sonstigen Umgangston und die Gepflogenheiten in der wichtigsten Fachzeitschrift des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland kennt und wer berücksichtigt, das jeder mit Rang und Namen in der "Szene" dies lesen wird, weiß eine solche Ausdrucksweise schon richtig einzuordnen. Dem BGH vorzuwerfen, eine sachlich und methodisch einwandfreie Rechtsanwendung dem Interesse an der Harmonisierung der Rechtssprechung zu opfern, ist schon sehr deutlich. Man darf (und sollte, wenn man anderer Meinung ist) natürlich schon kritisieren, aber so?

Ich habe im Übrigen mit der Entscheidung de BGH auch so meine Probleme. Aber was ich durchaus begrüße ist, dass man sich darauf verlassen kann, dass der BGH - anders als die Düsseldorfer Vorinstanzen - kein "Schutzrechtinhabergericht" ist, das nach dem Motto urteilt: "Patentinhaber, klagt bei uns, hier bekommt ihr - wenn es sich nur irgendwie rechtfertigen lässt - Recht - Düsseldorf macht's möglich". Der Eindruck, dass in Düsseldorf das Eigeninteresse des Gerichts, attraktiver Gerichtsstandort für Verletzungsklagen zu sein, sich seinen Weg in die Ermessensentscheidungsfindung gebahnt hat, beschleicht mich schon lange. Der BGH hingegen schaut sich insbesondere "enge Kisten" wesentlich sorgfältiger an und und berücksichtigt nicht nur die Interessen des Schutzrechtsinhabers, sondern wägt wesentlich sorgfältiger und mit deutlich mehr Bedacht ab.

Ich tippe mal, die nächste Ausgabe von Herrn Dr. Kühnens Buch "Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis" (außerordentlich gutes Buch, wie ich finde), in dem dieser Fall als Beispiel für eine wortsinngemäße Auslegung besonders hervorgehoben wird, wird etwas anders aussehen.
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich bin nicht so der wahnsinnige BGH-Urteils-Leser, aber ich habe schon längere Zeit das Gefühl, dass sich Düsseldorf und BGH irgendwie nicht so richtig mögen, Mannheim und insbesondere München hingegen zu den Lieblingsschülern des BGH gehören. Bei Düsseldorf muss der BGH jedenfalls nach meiner Wahrnehmung öfter mal korrigierend eingreifen, während sich BGH-Urteile zu Fällen der Münchener eher nach der Art "wie schon das OLG München sehr richtig festgestellt hat..." lesen.

In "eigener" Angelegenheit bin ich jedenfalls sehr gespannt, ob der Trend anhält. In Düsseldorf ist ein Dritter verurteilt worden und eingeknickt, wir sind nach zwei Siegen in den Vorinstanzen jetzt demnächst vor dem BGH...
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also der Vorsitzende des X. Senats des BGH stellt in seinen aktuellen Vorträgen zur Entscheidungspraxis des BGH diese Entscheidung in eine Linie mit der BGH Entscheidung Bauschalungsstütze (GRUR 2009, 837) in dem er sagt:

"Die Auslegungsarbeit ist im Verletzungsprozess ebenso wie im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren zu leisten und führt (idealerweise) zu übereinstimmenden Ergebnissen".

Unter diesem Gesichtspunkt scheint mir die BGH Entscheidung Okklusionsvorrichtung doch recht schlüssig zu sein. Zumindest hat sich Kühnen in seiner Stellungnahme mit diesem Aspekt überhaupt nicht auseinandergesetzt. Die Argumentation von Kühnen in seiner Stellungnahme scheint mir jedenfalls nicht geeignet, übereinstimmende Ergebnisse zu gewährleisten.
 
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