Bekannte Vorrichtung mit neu entdeckter Eigenschaft: Patent?

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

Angenommen, bei einer bekannten Vorrichtung V wird eine Eigenschaft E entdeckt, die
plötzlich einen erweiterten Anwendungsbereich A für die Vorrichtung erschließt. Vorliegend ist es so, dass ausgerechnet eine Billigausführung einer bekannten Vorrichtung eine unerwartet hohe Festigkeit aufweist, die die Einsatzmöglichkeiten der Vorrichtung erweitert.

Der Patentanspruch der neuen Patentanmeldung lautet dann:

"Vorrichtung V mit besonders hoher Festigkeit F zum Einsatz A, die Vorrichtung aufweisend die Merkmale X, Y, Z."

Dabei ist die beanspruchte Vorrichtung jedoch unverändert gegenüber der bekannten Vorrichtung; auch die Merkmale X, Y, Z sind bei der bekannten Vorrichtung vorhanden. Vor dem Anmeldetag der neuen Patentanmeldung war nur einfach noch nicht bekannt, dass auch die bekannte Vorrichtung die besonders hohe Festigkeit F aufweist (obwohl die bekannte Vorrichtung die Eigenschaft F natürlich schon immer aufgewiesen hat).

Ist die bekannte Vorrichtung nun erneut patentfähig?

Die EPA-Richtlinien meinen dazu:

"Wird eine neue Eigenschaft eines bekannten [...] Erzeugnisses festgestellt, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar ist, weil eine Entdeckung als solche keine technische Wirkung hat und damit keine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) ist. Wird für diese Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist. Beipielsweise würde die Entdeckung, dass ein bestimmtes bekanntes Material stoßfest ist, nicht patentierbar sein; aus diesem Material hergestellte Eisenbahnschwellen könnten jedoch durchaus patentierbar sein."

Gemünzt auf dieses Beispiel: was wäre, wenn entdeckt würde, dass hohle Eisenbahnschwellen bei schweren Güterzügen viel länger halten als massive Eisenbahnschwellen, wobei hohle Eisenbahnschwellen jedoch längst bekannt und bei leichten Straßenbahnen im Einsatz sind.

Könnte man nun

"Hohle Eisenbahnschwellen mit besonders langer Haltbarkeit, geeignet zum Einsatz auf Güterzugstrecken"

patentieren?

Ich meine, nein, da keinerlei Unterschiede zu den bekannten Eisenbahnschwellen vorhanden sind, und da sich der Einsatzzweck nicht radikal von dem bekannten Einsatzzweck unterscheidet, sondern nur erweitert ist.

Als Minimalversion, wäre denn dann der folgende Patentanspruch schutzfähig:

"Verwendung von hohlen Eisenbahnschwellen für Güterzugstrecken"?

Fragt sich
Marc.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Als Minimalversion, wäre denn dann der folgende Patentanspruch schutzfähig:

"Verwendung von hohlen Eisenbahnschwellen für Güterzugstrecken"?
Ich sehe hier den Verwendungsanspruch als gangbaren und sinnvollen Weg.

Nach Busse müsste dieser zumindest als neu gelten, siehe §3 Rn138: "Verwendung eines Erzeugnisses offenbart andere Verwendungen nicht, selbst wenn deren Realisierung sich von der offenbarten nicht unterscheidet" und §3 Rn 162: "bei Verwendungsansprüchen ist die bisher unbekannte Wirkung als funktionelles technisches Merkmal neuheitsbegründend, selbst wenn sie schon inhärent aufgetreten ist".

Es wäre natürlich zu prüfen, inwieweit die neue Verwendung für den Fachmann nahegelegen haben könnte oder was ihn ggf. davon abgehalten haben könnte. Bei einer bisher unbekannten Eigenschaft eines Erzeugnisses, ohne die es für die Verwendung nicht in Frage käme (und kam), dürfte durchaus erfinderische Tätigkeit vorliegen.

Um in Deinem Eingangsfall zu bleiben:

"Verwendung der Vorrichtung V, umfassend die Merkmale X, Y, Z, zum Einsatz A"

sollte also funktionieren, wobei ggf. ein abhängiges Patent entsteht, nämlich wenn V (umfassend X, Y, Z) geschützt ist.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Auch mE klarer Fall eines Verwendungsanspruchs.

Was sagen denn die Chemiker dazu? Bei denen tritt das doch öfter mal auf, bspw. bei der zweiten medizinischen Indikation.
 
A

anonymer Komiker

Guest
Das EPA siehts derzeit sehr locker, ich bin in einer Verhandlung vom Stuhl gefallen (Chemie, aber Vorrichtungsanspruch) als mir der Vorsitzende der E-abteilung nett sagte (ich war Einsprechender), tjo, die Vorrichtung ist zwar vorbekannt, wird aber NEU(!!!), weil die Chemie, die man damit machen kann so geil ist, dass das nur damit geht. Da dies niemand vorher bemerkt hat, hei, geben wir jetzt das Patent . Na ja, jetzt sind wir im beschwedreverfahren und ich bin gespannt, was die Bk dazu sagt.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Zufällig gerade beim Selbststudium gefunden und mich an diese Frage erinnert:

T 892/94: "Eine neu entdeckte technische Wirkung ist keine Neuheit, wenn Verwendung und Stoff bekannt."

Habe die Entscheidung nicht im Detail studiert, vielleicht hilft sie.
 
G

Gert

Guest
Klarer Fall, Verwendung. Der "Chemiker"-Fall oben ist krass aber durchaus keine Seltenheit. Kommt immer wieder mal vor, dass im E-Verfahren Verfahrensmerkmale in einem Vorrichtungsanspruch als einschränkend angesehen werden (das ist der analoge Fall in der Mechanik).

Das mit dem Verwendungsanspruch funktioniert dafür universell, manchmal sogar selbst wenn die beanspruchte Wirkung (Verwendung ... zur..,) im Stand der Technik vorhanden aber nicht bekannt war (sozusagen aus Versehen).
 
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