Beitrag nichttechnischer Merkmale zur Patentierbarkeit

Kurt

*** KT-HERO ***
Daher ist man dazu übergegangen, den Anspruchsgegenstand in seiner Gesamtheit auf Technizität zu prüfen und ihn dann unter dem Gesichtspunkt der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zurückzuweisen, weil die einzig neuen Merkmale ja eben nichttechnisch sind und damit keinen Beitrag zum Stand der Technik (sic) leisten können. Das heißt also, keinen technischen Fortschritt begründen.

Das ist es ja, hier werden Sachen zusammengeworfen, die nicht zusammengehören, nämlich Technizität und "Fortschritt". Wie Du hier schreibst, fängt man an, auf Technizität zu prüfen, und kommt dann über die Zwischenstation soweit neu leider nichttechnisch zur mangelnden Erfindungshöhe als Ergebnis...

Wenn das man nicht "verwirrend" und "unbegreiflich" ist.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Und dann hier noch ein "Rundumschlag", stammt aus der T 0258/03 (Auktionsverfahren/HITACHI):

Zur Überprüfung, ob eine Erfindung technischen Charakter hat, wurde in der früheren Rechtsprechung der sogenannte [ominöse™] Beitragsansatz entwickelt. Diesem Ansatz liegt die Überlegung zu Grunde, dass eine Patentierung nur «in den Fällen, in denen die Erfindung einen Beitrag zum Stand der Technik auf einem vom Patentschutz nicht ausgeschlossenen Gebiet leistet», zugelassen ist. Ob eine Erfindung einen Beitrag zum Stand der Technik leistet oder nicht, kann praktisch nur im Rahmen einer Art Neuheitsprüfung bzw. Prüfung auf erfinderische Tätigkeit untersucht [durcheinandergeworfen™] werden. Der Beitragsansatz nimmt also die materielle Patentierbarkeitsprüfung in gewissem Masse bereits bei der Patentfähigkeitsprüfung vorweg. Dazu gibt es jedoch im EPÜ keinen Anlass.

Dies wurde von der neueren Rechtsprechung korrigiert:

T 1173/97(Computerprogrammprodukt), ABl. EPA 1999, 609, Nr. 8 der Entscheidungsgründe: «Die Ermittlung des technischen Beitrags, den eine Erfindung zum Stand der Technik leistet, ist daher eher ein probates Mittel zur Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit als zur Entscheidung der Frage, ob das Patentierungsverbot nach Art. 52 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ [Technizität] greift.

T 931/95 (Steuerung eines Pensionssystems), ABl. EPA 2001, 441, Leitsatz IV: «Das EPÜ entbehrt jeder Grundlage, bei der Prüfung, ob die fragliche Erfindung als eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 Abs. 1 EPÜ anzusehen ist [Technizität], zwischen ‹neuen Merkmalen› und Merkmalen der Erfindung, die aus dem Stand der Technik bekannt sind, zu unterscheiden. Daher fehlt auch die Rechtsgrundlage, hierbei den sogenannten Beitragsansatz anzuwenden.»

In jüngeren Entscheidungen der Kammern wurde befunden, daß bei der Prüfung auf Vorliegen einer Erfindung [Technizität] jeglicher Vergleich mit dem Stand der Technik unangemessen ist.

"Kein Anlass, unangemessen, entbehrt jeder Grundlage", dieser omi.... "Beitragsansatz"!
 

grond

*** KT-HERO ***
Das ist die hier wohl überwiegend bekannte und verstandene Entwicklung der Rechtsprechung zur Prüfung der Technizität, wie sie vor ca. 10 Jahren vollzogen wurde. Was ist jetzt genau noch einmal das Problem?
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Kein Problem, nur den omi... Spruch vom "Beitrag nichttechnischer Merkmale zum Stand der Technik" nicht mehr verwenden.
 

grond

*** KT-HERO ***
Kein Problem, nur den omi... Spruch vom "Beitrag nichttechnischer Merkmale zum Stand der Technik" nicht mehr verwenden.

Nichttechnische Merkmale haben doch noch nie zum Stand der Technik beigetragen? Technische Merkmale haben hingegen schon immer zum Stand der Technik beigetragen und tun das auch heute noch. Sogar wenn sie im Rahmen einer Patentanmeldung mit Neuheit und Erfindungshöhe präsentiert werden.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wenn man das so versteht, dann könnte man meinen, dass alles technisch ist, was neu und erfinderisch ist. Wozu existiert dann das Kriterium der Technizität überhaupt?

Das ist ja auch so. Alles, was erfinderisch ist, ist ja auch technisch, weil nur technische Merkmale einen erfinderischen Schritt begründen können.

Und es spiegelt sich in der neuen Rechtsprechung wieder. Der Ausschluss von Art. 52 greift ja so gut wie nie, weil sich immer irgendwas Technisches im Anspruch findet, und dieser dann später bei der erfinderischen Tätigkeit abgebügelt wird, wenn alle technischen Merkmale vorbekannt sind. Man könnte sich die vorherige Prüfung auf Technizität also in der Tat sparen.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Da stimme ich nicht zu.

Ein Merkmal (abgerundete Tischkante) kann neu und nicht nahegelegt (Formulierung Art. 56) sein.

Das heißt aber noch lange nicht, dass das Merkmal auch technisch ist. Erst durch die Angabe der technischen Wirkung wird ein Merkmal technisch. Technizität ist von Art. 54 und 56 unabhängig.

Der Aufgabe-Lösungsansatz prüft nun mal nicht nur Neuheit und erfinderische Tätigkeit, sondern bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe auch Technizität ab:
http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/g_vii_5_4_1.htm

Wenn man zu dem Merkmal abgerundete Tischkante keine sinnvolle objektive technische Aufgabe formulieren kann, dann ist das zwar nicht nahegelegt, aber halt auch nicht technisch.

Ich verstehe die Verwirrung für jemanden, der nicht täglich damit konfrontiert ist, durchaus.
 

grond

*** KT-HERO ***
Der Ausschluss von Art. 52 greift ja so gut wie nie, weil sich immer irgendwas Technisches im Anspruch findet, und dieser dann später bei der erfinderischen Tätigkeit abgebügelt wird, wenn alle technischen Merkmale vorbekannt sind. Man könnte sich die vorherige Prüfung auf Technizität also in der Tat sparen.

Jein, aber die Tendenz stimmt schon. Ich finde das bei der Technizität auch nicht tragisch, weil es letztlich zum selben Ergebnis kommt. Eine parallele Rechtsprechung bei den Ausschlüssen nach Art. 53 EPÜ wäre eine andere Sache, ist aber mangels einer Entsprechung zu Art. 52(3) EPÜ nicht zu befürchten.


Ein Merkmal (abgerundete Tischkante) kann neu und nicht nahegelegt (Formulierung Art. 56) sein.

Das heißt aber noch lange nicht, dass das Merkmal auch technisch ist.

Art. 52(1) EPÜ spricht von "Erfindungen auf allen Gebieten der Technik" und führt dabei die Rechtsbegriffe "neu" und "auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend" ein. Diese Rechtsbegriffe sind daher ausschließlich auf Erfindungen - also technische Gegenstände - anzuwenden. Wenn nur etwas Nichttechnisches bei der Sachprüfung überbleibt, dann erfüllt der beanspruchte Gegenstand ja gerade nicht die Patentierungserfordernisse. Mithin kann etwas nur dann neu und erfinderisch sein, wenn es zugleich technisch ist. Ist der Gegenstand in seiner Gesamtheit nichttechnisch, dann greift ja bereits Art. 52(2) und (3) EPÜ, weil es sich um einen ausgeschlossenen Gegenstand "als solchen" handelt. Gab es technische Merkmale, greift der Ausschluss der mangelnden Technizität hingegen nicht. Dann beginnt die Sachprüfung, bei der die nichttechnischen Merkmale aber nicht Neuheit und erfinderische Tätigkeit begründen können.


Erst durch die Angabe der technischen Wirkung wird ein Merkmal technisch.

Wieso eigentlich "Angabe"? Tatsächlich genügt doch schon durch das Vorhandensein einer technischen Wirkung. Aber auch das ist bei fast allen vorstellbaren Gegenständen der Fall. Beispielsweise wäre das Schreiben auf einem Blatt als technisch anzusehen. Das Schreiben eines bestimmten Romans wäre dann ein technischer Gegenstand und nicht schon durch Art. 52 EPÜ ausgeschlossen. Der Roman selbst ist aber das einzige, was nicht vorbekannt ist ("neu" im allgemeinsprachlichen Sinn), kann aber Neuheit und erfinderische Tätigkeit im patentrechtlichen Sinn nicht begründen.


Der Aufgabe-Lösungsansatz prüft nun mal nicht nur Neuheit und erfinderische Tätigkeit, sondern bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe auch Technizität ab

Damit sagst Du doch selbst, dass Technizität der aus dem SdT unbekannten Merkmale eine Voraussetzung dafür ist, um die Patentierungserfordernisse zu erfüllen?
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Wieso eigentlich "Angabe"? Tatsächlich genügt doch schon durch das Vorhandensein einer technischen Wirkung. Aber auch das ist bei fast allen vorstellbaren Gegenständen der Fall. Beispielsweise wäre das Schreiben auf einem Blatt als technisch anzusehen.
Nein, deswegen das Beispiel mit den abgerundeten Ecken als Merkmal.

Beansprucht jemand einfach nur abgerundete Ecken, wäre das Design. Erst mit der Angabe, dass es sich um eine Unfallvermeidungsmaßnahme handelt macht dies zu einem technischen Merkmal.

In den meisten Fällen ist das eine Spitzfindigkeit.

Damit sagst Du doch selbst, dass Technizität der aus dem SdT unbekannten Merkmale eine Voraussetzung dafür ist, um die Patentierungserfordernisse zu erfüllen?

An der Stelle verstehst Du mich falsch. Technizität ist eine Patentierungsvoraussetzung. Sie ist aber unabhängig von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu prüfen. Oder anders ausgedrückt, was neu und erfinderisch ist, muss noch lange nicht technisch sein.

Das man mit dem Aufgabe-Lösungsansatz alles in einem Aufwasch macht ist doch praktisch, oder? (Na gut, Neuheit prüft der Aufgabe-Lösungsansatz nicht abschließend ...)
 
Zuletzt bearbeitet:

grond

*** KT-HERO ***
Nein, deswegen das Beispiel mit den abgerundeten Ecken als Merkmal.

Beansprucht jemand einfach nur abgerundete Ecken, wäre das Design. Erst mit der Angabe, dass es sich um eine Unfallvermeidungsmaßnahme handelt macht dies zu einem technischen Merkmal.

Ach so? Du bekommst aber ohne Probleme ein Patent auf eine Anmeldung der Art: "Durch göttliche Eingabung wurde mir [beliebige Erfindung] offenbart." Du musst in der Anmeldung die technischen Wirkungen weder kennen noch benennen.


An der Stelle verstehst Du mich falsch. Technizität ist eine Patentierungsvoraussetzung. Sie ist aber unabhängig von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu prüfen.

Ja.


Oder anders ausgedrückt, was neu und erfinderisch ist, muss noch lange nicht technisch sein.

Nein, wie soll das gehen? "Erfinderisch" ist ein Eigenschaftswort zu "Erfindung" oder "Erfinder". Das impliziert bereits Technizität.


Das man mit dem Aufgabe-Lösungsansatz alles in einem Aufwasch macht ist doch praktisch, oder?

Kann man nicht, da der (in der Praxis wenig relevante) Prüfungsschritt auf mangelnde Technizität "als solche" noch vor dem Aufgabe-Lösungsansatz erfolgt. Genauso übrigens wie die Prüfung auf gewerbliche Anwendbarkeit. Du prüfst also im Ergebnis zweimal auf mangelnde Technizität, was auch eigentlich logisch ist, da es in Art. 52 EPÜ einmal den Ausschluss und dann die Ausnahme vom Ausschluss gibt.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Nein, wie soll das gehen? "Erfinderisch" ist ein Eigenschaftswort zu "Erfindung" oder "Erfinder". Das impliziert bereits Technizität.
Nun gemäß Artikel 56 EPÜ prüfst Du erfinderische Tätigkeit nicht nach dem Wort "erfinderisch", sondern nach den Wörtern "nicht naheliegend":
"Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt."

Wenn Du Artikel 56 EPÜ richtig liest, wird das Vorliegen einer Erfindung und damit auch Technizität bei der Prüfung von erfinderischer Tätigkeit vorausgesetzt.

Wie gesagt, praktisch denken wir wahrscheinlich in der selben Weise. Nur für jemanden, der sich in die Sache neu reinarbeitet ist das alles schwer verständlich.

Kann man nicht, da der (in der Praxis wenig relevante) Prüfungsschritt auf mangelnde Technizität "als solche" noch vor dem Aufgabe-Lösungsansatz erfolgt.
Wie gesagt, das sehe ich nicht so. Besonders, weil es die Rechtsprechung erlaubt, nichttechnische Merkmale bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit außer Acht zu lassen. Das ist auch richtig so, denn sonst wäre der folgende Anspruchsgegenstand eine technische Erfindung:
"Fahrzeug, dadurch gekennzeichnet, dass es rot ist".

Ein Fahrzeug ist technisch. Technizität liegt vor.
Angenommen rote Fahrzeuge sind aus dem Stand der Technik nicht bekannt, also ist es neu.
Es gibt keine Anregung im Stand der Technik Fahrzeuge rot anzumalen, also liegt auch erfinderische Tätigkeit vor.
 
Zuletzt bearbeitet:

grond

*** KT-HERO ***
Nun gemäß Artikel 56 EPÜ prüfst Du erfinderische Tätigkeit nicht nach dem Wort "erfinderisch", sondern nach den Wörtern "nicht naheliegend":
"Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt."

Wenn Du Artikel 56 EPÜ richtig liest, wird das Vorliegen einer Erfindung und damit auch Technizität bei der Prüfung von erfinderischer Tätigkeit vorausgesetzt.

Äh, ja? Aber Du sagtest doch, dass (Neuheit und) erfinderische Tätigkeit auch bei nichttechnischen Merkmalen gegeben sein könne?

Vielleicht reden wir aneinander vorbei, weil es eben zwei Prüfungen auf Technizität gibt, von denen aber die erste fast keine praktische Relevanz hat.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Äh, ja? Aber Du sagtest doch, dass (Neuheit und) erfinderische Tätigkeit auch bei nichttechnischen Merkmalen gegeben sein könne?
Äh? wo denn? :eek:

Ich sagte, dass eine technische Wirkung ein vermeintlich nicht-technisches Merkmal technisch macht.

Vorheriges Beispiel:
Fahrzeug, dadurch gekennzeichnet, dass es rot ist -> nicht technisch
Fahrzeug, dadurch gekennzeichnet, dass es weiß ist -> könnte mit der Angabe, dass es sich im Sommer nicht so schnell aufheizt, wie schwarze Autos und man damit Klimaanlagenenergie spart technisch sein.
 

grond

*** KT-HERO ***

Hier:

Ein Merkmal (abgerundete Tischkante) kann neu und nicht nahegelegt (Formulierung Art. 56) sein.

Das heißt aber noch lange nicht, dass das Merkmal auch technisch ist. Erst durch die Angabe der technischen Wirkung wird ein Merkmal technisch. Technizität ist von Art. 54 und 56 unabhängig.

"unabhängig" habe ich als wechselseitig aufgefasst, also so, dass Art. 54 und 56 angeblich Technizität nicht voraussetzen. Du meintest das aber vermutlich so, dass Technizität eine eigenständige Voraussetzung ist. Das wurde aber durch die Aussage verschleiert, dass Du in den ersten beiden zitierten Sätzen meinem Verständnis nach sagst, dass Art. 56 durch ein Merkmal erfüllt sein kann, ohne dass auch Technizität dieses Merkmals gegeben ist.


Ich sagte, dass eine technische Wirkung ein vermeintlich nicht-technisches Merkmal technisch macht.

Ja, alles zustimmungsfähig.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Dann hast Du mich falsch verstanden. Ich sagte, dass Art. 56 EPÜ Technizität bei der Prüfung von erfinderischer Tätigkeit vorausgesetzt wird.

Deine Aussage war, dass es ausreicht zu schreiben: "Durch göttliche Eingabung wurde mir [beliebige Erfindung] offenbart".

Ich wende das Beispiel auf das weises Fahrzeug an: "Durch göttliche Eingabung wurde mir ein weises Fahrzeug offenbart". Meines Verständnisses reicht das nicht. Aber das würde reichen: "Durch göttliche Eingabung wurde mir ein weises Fahrzeug offenbart, weil es im Sommer Klimaanlagenenergie spart".

Ich glaube, dass der eigentliche Unterschied zwischen uns darin liegt, dass ich meine eine Erfindung setzt sich aus Merkmalen des Anspruchs und der damit verbundenen technischen Wirkung zusammen. Ich habe den Eindruck, dass Deiner Meinung nach eine Erfindung allein durch den Anspruchsgegenstand bestimmt wird. Kann das sein?
 
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Kurt

*** KT-HERO ***
Fahrzeug, dadurch gekennzeichnet, dass es rot ist -> nicht technisch
Fahrzeug, dadurch gekennzeichnet, dass es weiß ist -> könnte mit der Angabe, dass es sich im Sommer nicht so schnell aufheizt, wie schwarze Autos und man damit Klimaanlagenenergie spart technisch sein.

Schönes Beispiel, bei dem die Zweistufigkeit/Zweimaligkeit (©grond) der Technizitätsprüfung klar wird. Wobei sich nach der Formulierung der objektiven Aufgabe natürlich auch "rot" dann wieder als "technisch" herausstellen könnte.

Die Zweistufigkeit der Technizitätsprüfung geht auch hier hervor, aber leider wieder nicht ganz klar und daher wieder tendenziell verwirrend™:

RiLI G VII 5.4 -- Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes auf Mischerfindungen

[...]

i) Die Merkmale [und zwar auch nichttechnische, nur welche das sind (weiß? rot?) weiß man nicht], die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen, werden auf der Grundlage der im Kontext der Erfindung [äh? Vermutlich gemeint: auf Basis der subjektiven Aufgabe] erzielten technischen Wirkungen bestimmt.

[...]

iii) Die Unterschiede gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik werden ermittelt. Die technischen Wirkungen dieser Unterschiede werden im Kontext des Anspruchs als Ganzes [äh? Vermutlich gemeint: auf Basis aller Anspruchsmerkmale, auch der vermeintlich nichttechnischen wie weiß und rot] bestimmt, um anhand dieser Unterschiede festzustellen, welche Merkmale [weiß(+) rot(-)] einen technischen Beitrag leisten und welche nicht.

[...]

Die Bestimmung der Merkmale, die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen, sollte für alle Anspruchstypen in Schritt i) durchgeführt werden (T 172/03, T 154/04). Allerdings kann der Prüfer in der Praxis die Ermittlung in Schritt i) aufgrund der Komplexität dieser Aufgabe in der Regel nur prima facie durchführen [sic], während zu Beginn von Schritt iii) eine ausführlichere Analyse möglich ist.

MfG Kurt
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Und um noch auf die Eingangsfrage zurückzukommen:

Kann man aus dem eingangs genannten Zitat aus den Beschwerdekammern im Umkehrschluss folgendes ableiten:

Nichttechnische Merkmale, die nicht mit dem technischen Gegenstand des Anspruchs zur Lösung einer technischen Aufgabe zusammenwirken , d. h. nichttechnische Merkmale "als solche", leisten keinen technischen Beitrag zum Stand der Technik und werden daher bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht berücksichtigt.

Mit anderen Worten:

Nichttechnische Merkmale [weiß] mit technischer Wirkung [spart Klimaleistung] werden bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit berücksichtigt.

Ist das so?

Nein, dass ist nicht so.

Dass iss also doch so.
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich wende das Beispiel auf das weiße Fahrzeug an: "Durch göttliche Eingabung wurde mir ein weißes Fahrzeug offenbart". Meines Verständnisses reicht das nicht. Aber das würde reichen: "Durch göttliche Eingabung wurde mir ein weißes Fahrzeug offenbart, weil es im Sommer Klimaanlagenenergie spart".

Es hätte in einer Welt, in der weiße Fahrzeuge vollkommen unbekannt sind, auch gereicht: "weil ich mich darin wohler fühle". Die technische Lehre muss den Wirkzusammenhang weder angeben noch erklären. Es muss sich lediglich um eine nacharbeitbare technische Lehre handeln, den technischen Effekt kannst Du auch erst im Prüfungsverfahren angeben, wenn es darauf ankommt. Das geschieht in der Praxis ja auch sehr häufig, da Du einerseits nicht wissen kannst, welche Merkmale denn nun bekannt sind und welche nicht, und andererseits schwerlich für jedes Merkmal eine technische Wirkung angeben kannst.


Ich glaube, dass der eigentliche Unterschied zwischen uns darin liegt, dass ich meine eine Erfindung setzt sich aus Merkmalen des Anspruchs und der damit verbundenen technischen Wirkung zusammen. Ich habe den Eindruck, dass Deiner Meinung nach eine Erfindung allein durch den Anspruchsgegenstand bestimmt wird. Kann das sein?

Soll sich der Widerspruch auf die Nennung der technischen Wirkung in der Anmeldung beziehen? Dass Merkmale ohne technische Wirkung nicht zum Erfindungscharakter beitragen, haben wir ja nun ausgiebig diskutiert.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Es hätte in einer Welt, in der weiße Fahrzeuge vollkommen unbekannt sind, auch gereicht: "weil ich mich darin wohler fühle".
Dann hab ich Dich doch nicht falsch verstanden.

Eine für eine Person rein subjektive Wirkung ist Gestaltung und kein technischer Effekt. Wie willst Du sowas je auf gleichwirkende Mittel hin untersuchen. Bei gelb fühlen sich die Leute wohl, bei rot nicht mehr?
 

grond

*** KT-HERO ***
Eine für eine Person rein subjektive Wirkung ist Gestaltung und kein technischer Effekt.

Die Person fühlt sich wohler, weil es in der Karre nicht so warm ist, kennt diesen Zusammenhang aber selbst nicht. Es würde reichen, diesen technischen Effekt im Prüfungsverfahren zu erläutern, weil dann ein schlauer Patentanwalt mit dicken Brillengläsern mit der Sache befasst ist und seine Arbeit gut macht.


Wie willst Du sowas je auf gleichwirkende Mittel hin untersuchen. Bei gelb fühlen sich die Leute wohl, bei rot nicht mehr?

Und das wird leichter, wenn ich in die Anmeldung schreibe, dass Weiß erfreulich viel Wärme zurückstrahlt? Weiß ich dann, ob "Beige" oder "orange" noch gleichwirkend sind?
 
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