Als ich 2007 zum ersten Mal mit dem gewerblichen Rechtsschutz in Berührung kam, wurde streng zwischen den „beiden Gattungen“ Patent und Gebrauchsmuster sowie Marke und Design (damals noch Geschmacksmuster) unterschieden. Die Priorität eines Patents für ein Design zu beanspruchen oder umgekehrt war so gesehen ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Anekdote hierzu aus dem Jahr 2008/2009:
In meinem letzten Ausbildungsjahr zur Patentanwaltsfachangestellten erinnere ich mich noch gut an die Anmeldung einer Bratpfanne zum Design. Diese Bratpfanne hatte nicht nur eine besondere Form, sondern auch einen besonderen Sandwichboden, der eine sehr gleichmäßige Hitzeverteilung ermöglichen sollte. Die Designanmeldung wurde zuerst eingereicht und die Priorität des Designs für die Patentanmeldung in Anspruch genommen. Daraufhin folgte eine Diskussion zwischen dem DPMA und dem Patentanwalt bzgl. der beanspruchten Priorität. Von amtlicher Seite wurde argumentiert, dass es nicht der gängigen Praxis entspräche, eine Priorität aus einem Design für eine Patentanmeldung in Anspruch zu nehmen [ vgl. J 0015/80 ] . Der zuständige Patentanwalt, mein damaliger Ausbilder, hielt dagegen, dass es in der PVÜ keine Einschränkung im Sinne von „man darf nur Prioritäten aus Patent(anmeldung)en und Gebrauchsmuster(anmeldunge)n für Patentnachanmeldungen in Anspruch nehmen“ gäbe [ PVÜ Art.4 A-I ]. Bedauerlicherweise habe ich den Ausgang der Debatte nicht mehr erfahren, da meine Ausbildung endete.
Diese strenge Trennung ist auch heutzutage noch vielerorts greifbar, denn in der Regel sind in Firmen und Kanzleien der Patentbereich und der Marken/Designbereich zwei verschiedene Abteilungen, bestenfalls mit wenig, meist jedoch ohne Berührungspunkte.
Seit ein paar Jahren gerät diese strikte Trennung jedoch ins Wanken, denn auch die Ämter sind zwischenzeitlich deutlich offener geworden, was die Verlinkung der Schutzrechte untereinander betrifft. Die Akzeptanz, dass Designs ebenfalls technische Neuerungen offenbaren können, hat zugenommen. Selbst in Einspruchsverfahren wurden Designs bereits als neuheitsschädlicher Stand der Technik angeführt und zugelassen [siehe hier und hier ]. Der Erfolg oder Misserfolg soll an dieser Stelle nicht betrachtet werden, sondern allein die Aufnahme von Designs als Entgegenhaltung im Einspruchsverfahren ist bemerkenswert und wurde noch vor zehn Jahren nicht so gehandhabt.
Bevor man sich genauer mit Sinn oder Unsinn einer ergänzenden Design- und/oder 3D-Markenrechercherche zu einer Patentrecherche befasst, sollte zunächst ein Blick auf das Markengesetz geworfen werden:
§3 MarkenG
(1) Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Klänge, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
(2) Dem Markenschutz nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus Formen oder anderen charakteristischen Merkmalen bestehen,
1. die durch die Art der Ware selbst bedingt sind,
2. die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind oder
3. die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen.
Es wird an dieser Stelle explizit die dreidimensionale Gestaltung einschließlich der Form einer Ware erwähnt. Ein kurzer Blick ins deutsche oder EU Markenregister verrät uns, dass darunter ganze Autos, Werkzeuge und andere Gebrauchsgegenstände fallen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Designgesetz:
§1 DesignG
Im Sinne dieses Gesetzes
1. ist ein Design die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt;
2. ist ein Erzeugnis jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, einschließlich Verpackung, Ausstattung, grafischer Symbole und typografischer Schriftzeichen sowie von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen; ein Computerprogramm gilt nicht als Erzeugnis;
3. ist ein komplexes Erzeugnis ein Erzeugnis aus mehreren Bauelementen, die sich ersetzen lassen, so dass das Erzeugnis auseinander- und wieder zusammengebaut werden kann; […]
Zweidimensionale Designs sind z.B. die Designs von Tapeten oder Logos. Dreidimensionale Designs sind z.B. die Designs von Möbelstücken, Gläsern, aber auch von Werkzeugen und einzelnen Komponenten z.B. von Autos.
Ferner ist zu beachten, dass auch ein nichteingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder „unregistered design“ (Großbritannien) zum Stolperstein für eine Patent- oder auch Marken- bzw. Designanmeldung werden kann. Denn Art. 11 GGV sieht auch den Schutz eben dieser nichteingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor, sofern diese die selben Voraussetzungen erfüllen wie ein eingetragenes Design (Musterfähigkeit, Neuheit, Eigenart, keine Schutzausschließungsgründe).
Was durch ein (eingetragenes) Design geschützt wird, ist in §2 Abs. 3 DesignG ausgeführt:
§2 DesignG
(1) Als eingetragenes Design wird ein Design geschützt, das neu ist und Eigenart hat.
[…]
(3) Ein Design hat Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Design bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. 2Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs berücksichtigt.
Was bedeutet an dieser Stelle Gesamteindruck? Ein Design definiert sich über die Abbildung, welche bei der Anmeldung hinterlegt wurde. Die (Locarno) Klassifikation, für die das Design eingetragen wurde, muss dabei nicht berücksichtigt werden. Ein Beispiel hierfür ist der Trocknerball mit igelartigen Noppen und ein Massageball mit derselben Formgebung.
Könnte der bekannte Trocknerball auch ein Patent betreffen? Natürlich, z.B. ein verbessertes Verfahren zur Trocknung von Wäsche in Wäschetrocknern mit Hilfe eines solchen Wäschetrocknerballs. Wie verhält es sich dann mit dem Massageball, ist dieser neuheitsschädlich? Nun, der Schutzumfang definiert sich über die Ansprüche, in selbigen werden die technischen Merkmale des Balls umfassend mit all seinen Eigenschaften und dem dazugehörigen Verfahren beschrieben und sehr wahrscheinlich auch mit einer Figur bekräftigt. Technische Merkmale und Verfahren sind, bei Designs zumindest, unerheblich, maßgeblich wären in diesem Fall tatsächlich die Wiedergabe und der dadurch ausgelöste Gesamteindruck. Würde man bei der Vorlage eines Designtreffers, der 1 zu 1 die Erfindung wiedergibt, weiterhin zu einer Patentanmeldung raten?
Zusätzlich noch ein weiteres Beispiel aus der Praxis:
Bei einer der Patentrecherche vorangehenden Grobrecherche zur Ermittlung des Aufwands gab es eine nichtzufriedenstellende Menge an Treffern. Auch nicht bei einer unverhältnismäßigen Erweiterung des Recherchespektrums. Ein Umstand, der aufgrund der sonst üblichen Treffermenge nicht sein konnte. Ein Blick in das Designregister des EUIPO brachte die Auflösung und den 100%igen Treffer, der genau die Merkmale der erfindungsgemäßen Lehre offenbarte. Man kann letztlich nur mutmaßen, was den Wettbewerber angetrieben hat, nicht mehr patentrechtlichen, sondern designrechtlichen Schutz zu suchen.
Zwar sind wir beim Design grundsätzlich in der Betrachtung des Gesamteindrucks und beim Patent bei einzelnen Komponenten, dennoch kann, wie bei oben genanntem Beispiel, in einem Gesamteindruck eine Einzelkomponente offenbart werden, die patentrechtlich geschützt werden soll.
Es gilt bei ergänzenden Design- und/oder 3D-Markenrecherchen eine differenzierte Betrachtungsweise. Sie haben zum einen das Produkt als Ganzes und außerdem ggf. die Einzelkomponente, um die es explizit geht. Um eine weiträumige Abdeckung gewährleisten zu können, muss also zwangsläufig in mehreren Bereichen recherchiert und dabei eine gewisse Kreativität an den Tag gelegt werden (siehe Trocknerball).
Abschließend noch ein Blick auf den umgekehrten Fall für eine zu scharfe Abgrenzung und außer Acht lassen eventueller absoluter Schutzhindernisse. Gemeint ist die strittige Marke des „Rubik’s Cube“. Zunächst rufen wir uns kurz § 3 Abs 2 Nr. 2 MarkenG zurück ins Gedächtnis, demgemäß rein technisch bedingte Formen dem Markenschutz nicht zugänglich sind. Gemäß Urteil wurde der technische Aspekt, der sich hinter der 3D-Marke verbirgt, bei der Anmeldung völlig ausgeblendet. Dieser hätte jedoch von vorneherein berücksichtigt werden müssen, so dass die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union recht eindeutig ausfällt.
Wie man anhand dieser Beispiele aus der Praxis unschwer feststellen kann, kann das Ausblenden allein eines Gesichtspunktes unter Umständen weitreichende Folgen haben, so dass man grundsätzlich alle Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes im Blick behalten sollte. Die Grenzen der Rechercheaufträge sind mithin nicht mehr so deutlich zu ziehen, wie noch vor ein paar Jahren, sie werden fließender. Ferner können sich Anmeldestrategien ändern, also gilt es diese zu beobachten und einen gegebenen Trend zu erkennen. Wenn die Treffer bei einer Recherche unbefriedigend sind, sei es auch nur die jüngere Vergangenheit betreffend, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass sich der Fokus auf ein anderes Schutzmedium verlagert hat.