EPÜ Zwei Anspruchsmerkmale durch ein einziges Element vorweggenommen?

Smith-O

SILBER - Mitglied
Ein Patentanspruch verlangt z.B.

(1) ein Gehäuse und
(2) eine Unterlage für ein weiteres Teil X der Vorrichtung.

Im Stand der Technik findet sich ein Dokument, welches ein Gehäuse zeigt, wobei das Gehäuse gleichzeitig als Unterlage für das weitere Teil X dient.

Ist der Anspruch (vor dem EPA) neuheitsschädlich getroffen?

D.h., kann ein strukturelles Element im Stand der Technik zwei Anspruchsmerkmale gleichzeitig offenbaren? Ich habe Patentansprüche eigentlich immer so gelesen (d.h. breit). Aber kennt jemand Rechtsprechung, die das mal so entschieden hat? (Ist irgendwie schwer zu recherchieren in der EPA Entscheidungsdatenbank.)

Danke im Voraus.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Ein "strukturelles Element" kann ja beliebig komplex aufgebaut sein, sogar dann, wenn es einteilig ausgebildet ist. Insofern kann es nach meiner Meinung auch zwei Anspruchsmerkmale offenbaren.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Smith-O,

da schließe ich mich Rex an. Um ein ganz plattes Beispiel zu nehmen: Eine Entgegenhaltung beschreibt ein Gefäß aus rotem Glas. Also ein strukturelles Element mit mindestens drei Merkmalen (1. Form Gefäß 2. Farbe rot 3. Werkstoff Glas).

Diese eine Entgegenhaltung offenbart natürlich den Anspruch "Gefäß aus rotem Glas" neuheitsschädlich mit allen drei Merkmalen, da kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass es dazu noch einer Präzedenzentscheidung bedarf.

Die Sachlage mag sich ändern, wenn bei Deinem Beispiel das Gehäuse und die Unterlage aus irgendwelchen genialen, hocherfinderischen Gründen gerade nicht von dem gleichen einstückigen Element gebildet werden sollen. Dass gibt Deine Anspruchsformulierung imho aber nicht her.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 
  • Like
Reaktionen: pak

pak

*** KT-HERO ***
Hallo Smith-O,

Aber kennt jemand Rechtsprechung, die das mal so entschieden hat? (Ist irgendwie schwer zu recherchieren in der EPA Entscheidungsdatenbank.)

Tatsächlich dürfte es schwer sein, gezielt nach einer passenden Entscheidung zu suchen. Diese Problematik tritt jedoch eigentlich regelmäßig auf, wenn eine Komponente einer Vorrichtung eine Doppel- oder Mehrfachfunktion hat.

Die Sachlage mag sich ändern, wenn bei Deinem Beispiel das Gehäuse und die Unterlage aus irgendwelchen genialen, hocherfinderischen Gründen gerade nicht von dem gleichen einstückigen Element gebildet werden sollen. Dass gibt Deine Anspruchsformulierung imho aber nicht her.

Mit anderen Worten solltest Du die Beschreibung (inkl. Zeichnungen) Deiner Anmeldung durchforsten, um das Merkmal einer separat von dem Gehäuse (und somit nicht einstückig mit dem Gehäuse) ausgebildeten Unterlage für das Teil X zu finden, und den Anspruch entsprechend anpassen. Ob dies eine erfinderische Tätigkeit zu begründen vermag, kann ich jedoch ebenso wenig wie Blood voraussagen. Aber beim EPA ist bekanntermaßen vieles möglich ;)

Gruß

pak
 

upupa

GOLD - Mitglied
Hallo Smith-O,

da schließe ich mich Rex an. Um ein ganz plattes Beispiel zu nehmen: Eine Entgegenhaltung beschreibt ein Gefäß aus rotem Glas. Also ein strukturelles Element mit mindestens drei Merkmalen (1. Form Gefäß 2. Farbe rot 3. Werkstoff Glas).

Diese eine Entgegenhaltung offenbart natürlich den Anspruch "Gefäß aus rotem Glas" neuheitsschädlich mit allen drei Merkmalen, da kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass es dazu noch einer Präzedenzentscheidung bedarf.

Was ist aber wenn der Anspruch lautet:

Vorrichtung umfassend:
- ein Gefäß aus rotem Glas und
- ein Gefäß aus blauem Glas.

Und die Entgegenhaltung offenbart:

Ein einziges Gefäß aus blauem und rotem Glas (z.B. gestreift).

?
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Der Anspruchsgegenstand ist neu, upupa. Die Entgegenhaltung offenbart ein Gefäß aus "Mischglas" und nicht eines aus rotem und eines aus blauem Glas wie im Anspruch.

Bei so einer klaren Formulierung sehe ich überhaupt keine Probleme, der Anspruch definiert eindeutig zwei Gefäße.
 

pak

*** KT-HERO ***
Was ist aber wenn der Anspruch lautet:

Vorrichtung umfassend:
- ein Gefäß aus rotem Glas und
- ein Gefäß aus blauem Glas.

Und die Entgegenhaltung offenbart:

Ein einziges Gefäß aus blauem und rotem Glas (z.B. gestreift).

Dann sollte sich anhand der Beschreibung, die der Auslegung des Patentanspruches dient, schnell klären lassen, ob hier zwei Gefäße unterschiedlicher Farbe oder lediglich ein Gefäß mit beiden Farben beansprucht wird. Gegebenenfalls könnte der entsprechende Anspruch anhand der Offenbarung konkretisiert/einschränkt werden, falls der Prüfer den geltenden Anspruch anders/weiter auslegt. Dann wäre die Entgegenhaltung, die lediglich ein Gefäß offenbart, nicht neuheitsschädlich.

pak
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wie ist das bei Chemieerfindungen?

Beispiel:
Patentanspruch richtet sich auf ein Gemisch umfassend einen Alkohol und ein C2-C6-Amin. Die Entgegenhaltung offenbart Ethanolamin. Anspruch neuheitsschädlich getroffen?
 

upupa

GOLD - Mitglied
Der Anspruchsgegenstand ist neu, upupa. Die Entgegenhaltung offenbart ein Gefäß aus "Mischglas" und nicht eines aus rotem und eines aus blauem Glas wie im Anspruch.

Bei so einer klaren Formulierung sehe ich überhaupt keine Probleme, der Anspruch definiert eindeutig zwei Gefäße.
Sehe ich auch so.

Und wie schaut's aus, wenn der Anspruch lautet:

Vorrichtung umfassend:
- ein Gefäß, eingerichtet zur Aufnahme von Wasser und
- ein Gefäß, eingerichtet zur Aufnahme von Sand.

Und die Entgegenhaltung offenbart:

Ein einziges Gefäß, welches Wasser und Sand aufnehmen kann (gleichzeitig oder nacheinander).

?
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo

@maroubra,
ist das wirklich eindeutig? Was bedeutet denn für dich der Begriff "aus"? Anscheinend, dass das Gefäß vollständig aus nur einem Material, bzw. einem Material einer Farbe besteht? Wo steht dies, dass "aus", "vollständig bestehend aus" heißt ;-) ? Was ist ein „Gefäß“ für dich? Wo fängt es an, was macht es aus? Außerdem was ist, wenn dasselbe Gefäß unter "normalen Licht" rot und unter UV-Licht blau ist? Wie sieht es dann aus? Noch gemeiner. Was ist, wenn es ein inneres "blaues Gefäß" und ein äußeres "rotes Gefäß" gibt ;-) ?

Zusammenfassend meine Meinung:
Solange es keine logischen Widersprüche gibt, ist ein Element, das alle geforderten Eigenschaften aufweist, die in einem Anspruch gefordert werden, neuheitsschädlich für jede beliebige Verteilung der Eigenschaften im Anspruch. Das ergibt sich auch schon oft daraus, dass man in einer Anmeldung selten beschreibt, wodurch denn ein Element gebildet wird, d.h. abschließend aufzählt, was zu einem Element gehört und was nichtmehr. Damit ergibt sich aber immer die Möglichkeit der Umdefinition, wo ein Element anfängt und wo ein Element aufhört und die Möglichkeit jedes Element in zwei oder mehr Elemente zu unterteilen.

Umgekehrt wird schließlich auch gerne versucht, in einer Verletzungsform mehrere der Merkmale/Eigenschaften durch ein Element als erfüllt anzusehen. Oder habt ihr den Versuch noch nie gestartet ;-) ? Also muss es für die Neuheit auch gelten. Sonst könnte man ja nachträglich eine bereits öffentlich bekannte Vorrichtung, die die Eigenschaften in einem Element aufweist (damit wäre sie nicht neuheitsschädlich), noch in den Schutzbereich eines nachträglich angemeldeten Patents, dass die Eigenschaften mittels zweier Elemente beschreibt, bekommen ;-).

Aus dem Grunde sollte man immer sicherheitshalber zumindest in der Beschreibung offenbaren, dass die Elemente des Anspruchs auch getrennt voneinander vorgesehen werden können, zwei getrennte Elemente sind oder irgendetwas in der Art, um im Zweifelsfall die Offenbarung zu haben, was man haben will. Oder noch sauberer, wenn man sowieso nur zwei Elemente haben will, dies dann auch deutlich schreiben, in der Art wir "... aufweisend zwei getrennte Elemente, wobei ein erstes der zwei Elemente... und das zweite der zwei Elemente ...". Ich liebe einfach saubere Anspruchsformulierungen :).


@asdevi
Ob das neuheitsschädlich ist, hängt in erster Linie davon ab, was der Fachmann nach Lesen der Beschreibung unter dem Begriff „Gemisch“ versteht. Wenn man eine chemische Verbindung auch als „Gemisch“ versteht, dann ja, wenn man unter „Gemisch“ versteht, dass es ein Gemenge von zwei getrennten chemischen Komponenten/Verbindungen ist, dann nicht. Da würde nämlich genau ein logischer Widerspruch entstehen, dass die Anmeldung sagt „Gemisch“ gleich Gemenge von zwei oder mehr getrennte Komponenten/Verbindungen und in der Entgegenhaltung nur eine Komponente/Verbindung offenbart wird. Ohne Definition in der Anmeldung würde ich davon ausgehen, dass ein Fachmann unter dem Begriff "Gemisch" ein Gemenge von zwei getrennten Komponenten/Verbindungen versteht. Also wäre es für mich nicht neuheitsschädlich. Das liegt aber nur an dem Begriff "Gemisch" nicht an der Aufzählung "Alkohol" und "C2-C6 Amin".


@upupa
Eindeutig neuheitsschädlich, da kein Widerspruch vorhanden.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Vorrichtung umfassend:
- ein Gefäß, eingerichtet zur Aufnahme von Wasser und
- ein Gefäß, eingerichtet zur Aufnahme von Sand.

Und die Entgegenhaltung offenbart:

Ein einziges Gefäß, welches Wasser und Sand aufnehmen kann (gleichzeitig oder nacheinander).

@upupa
Eindeutig neuheitsschädlich, da kein Widerspruch vorhanden.

Sehe ich nicht so: M.E. beinhaltet die beanspruchte Vorrichtung zwei (separate) Gefäße ("und"), während die Entgegenhaltung nur eines offenbart. Also neu, wenn auch eT fraglich ist ...

Die Auslegung des Anspruchs (z.B. die Frage, ob auch ein einziges Gefäß umfasst sein soll) kann aber natürlich von der Beschreibung abhängen, wie oben schon von pak ausgeführt.
 
Zuletzt bearbeitet:

pak

*** KT-HERO ***
Sehe ich nicht so: M.E. beinhaltet die beanspruchte Vorrichtung zwei (separate) Gefäße ("und"), während die Entgegenhaltung nur eines offenbart. Also neu, wenn auch eT fraglich ist ...

Die Auslegung des Anspruchs (z.B. die Frage, ob auch ein einziges Gefäß umfasst sein soll) kann aber natürlich von der Beschreibung abhängen, wie oben schon von pak ausgeführt.

Ergänzend hierzu vielleicht noch die Anmerkung, dass "eingerichtet zur Aufnahme von ..." einen Verwendungshinweis im Sinne von "zur Aufnahme von ..." darstellt und zunächst einmal keine Einschränkung darstellt. Vielleicht allenfalls eine Einschränkung dahingehend, dass Gefäße, die durchlässig sind und somit Sand oder Wasser nicht "dauerhaft" aufnehmen können, nicht in den Schutzbereich fallen, jedoch besagt der Anspruch eben nicht, dass die Gefäße "zur dauerhaften Aufnahme von ..." eingerichtet sind.

pak
 

Rex

*** KT-HERO ***
...jedoch besagt der Anspruch eben nicht, dass die Gefäße "zur dauerhaften Aufnahme von ..." eingerichtet sind.pak

Eine Randnotiz dazu: Ich hatte in einen Anspruch als Merkmal ein "Befestigungsmittel" aufgenommen. Der Prüfer hielt mir ein Dokument als neuheitsschädlich entgegen, in dem ein Mittel offenbart war, das als Befestigungsmittel nach meiner Ansicht objektiv nicht geeignet war, weil es den zu befestigenden Gegenstand höchstens einen Sekundenbruchteil gehalten hätte.

Der Prüfer entgegnete auf diesen Einwand, der Begriff "Befestigungsmittel" sage ja nichts über die Zeitdauer der Befestigung aus. Selbst wenn das Mittel nur geeignet sei, eine Millisekunde zu befestigen, sei trotzdem ein Befestigungsmittel offenbart.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
@asdevi
Ob das neuheitsschädlich ist, hängt in erster Linie davon ab, was der Fachmann nach Lesen der Beschreibung unter dem Begriff „Gemisch“ versteht. Wenn man eine chemische Verbindung auch als „Gemisch“ versteht, dann ja, wenn man unter „Gemisch“ versteht, dass es ein Gemenge von zwei getrennten chemischen Komponenten/Verbindungen ist, dann nicht. Da würde nämlich genau ein logischer Widerspruch entstehen, dass die Anmeldung sagt „Gemisch“ gleich Gemenge von zwei oder mehr getrennte Komponenten/Verbindungen und in der Entgegenhaltung nur eine Komponente/Verbindung offenbart wird. Ohne Definition in der Anmeldung würde ich davon ausgehen, dass ein Fachmann unter dem Begriff "Gemisch" ein Gemenge von zwei getrennten Komponenten/Verbindungen versteht. Also wäre es für mich nicht neuheitsschädlich. Das liegt aber nur an dem Begriff "Gemisch" nicht an der Aufzählung "Alkohol" und "C2-C6 Amin".

Ja, ok.

Abwandlung: Die Entgegenhaltung offenbart eine Lösung von Ethanolamin in Wasser, damit unzweifelhaft ein "Gemisch". Neuheitsschädlich?
 
Oben