Zwei Anmeldungen an einem Tag, welche weiterverfolgen?

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

angenommen ein Mandant kommt zu mir, und teilt mir mit, dass er vor 2 Monaten eine Patentanmeldung eingereicht hat, und zwar zweimal am gleichen Tag, allerdings in zwei leicht unterschiedlichen Versionen, und nun möchte er, dass ich die Vertretung übernehme.

In einer der Versionen hat er den Erfindungsvorgang sehr detailliert beschrieben und dabei im Prinzip dargelegt, dass die Erfindung lediglich aus einer an sich logischen Kombination der im Stand der Technik vorkommenden Merkmale besteht.

In der anderen Version hat er die Herleitung der Erfindung weniger detailliert beschrieben und den Erfindungsvorgang einer zufälligen Vertauschung von Prozessschritten zugeordnet, sowie deren Entdeckung bei der Suche nach der Ursache der überraschenden Eigenschaften.
Allerdings hat er in dieser Version ein paar Ausführungsbeispiele nicht aufgeführt, die in der anderen Version enthalten sind, und evtl. für die ausreichende Offenbarung wichtig sein könnten.

Jetzt wäre ich natürlich in der Zwickmühle, welche Anmeldung weiterverfolgt, bzw. welche zurückgenommen werden sollte.
Oder bestünde evtl. eine Möglichkeit, beides zu haben, erstens die vollständigen Ausführungsbeispiele und zweitens das Unterbleiben des Hinweises auf die eigentlich logische und somit nicht erfinderische Herleitung der Erfindung?

Gruß
Gerd
 

upupa

GOLD - Mitglied
...und teilt mir mit, dass er vor 2 Monaten eine Patentanmeldung eingereicht hat, und zwar zweimal am gleichen Tag,...
...
Oder bestünde evtl. eine Möglichkeit, beides zu haben, erstens die vollständigen Ausführungsbeispiele und zweitens das Unterbleiben des Hinweises auf die eigentlich logische und somit nicht erfinderische Herleitung der Erfindung?

Noch ist nichts offengelegt, somit scheint das Zurücknehmen beider Anmeldungen und das Einreichen einer neuen Anmeldung noch möglich.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Jepp, das wäre möglich. Allerdings scheint er sich mit der Konkurrenz in einem ziemlichen Wettlauf zu befinden, weshalb der Erhalt des Anmeldetages auch recht wichtig ist.

Gruß
Gerd
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Ich würde beide nicht selbständig weiterverfolgen und beide Prioritäten in Anspruch nehmen. Dann kannst Du einen passenden Anmeldetext formulieren und die beiden in Anspruch genommenen Anmeldungen sind lediglich indirekt sichtbar.

Alex
 

upupa

GOLD - Mitglied
Ich würde beide nicht selbständig weiterverfolgen und beide Prioritäten in Anspruch nehmen. Dann kannst Du einen passenden Anmeldetext formulieren und die beiden in Anspruch genommenen Anmeldungen sind lediglich indirekt sichtbar.

Alex

Aber einem Einsprechenden oder einem Nichtigkeitskläger könnte es später bei der Argumentation zur Erfindungshöhe große Freude bereiten, dass der Anmelder selbst in einer seiner Prio-Anmeldungen sauber dargestellt hat, dass der Erfindungsgegenstand lediglich aus einer an sich logischen Kombination der im Stand der Technik vorkommenden Merkmale besteht.

upupa
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Das stimmt, aber ein Tod muss gestorben werden. Zudem mag das ja eine schöne Argumentation sein und der Auffassung des Anmelders entsprechen, dies hat aber nichts damit zu tun, ob die Lehre für EINEN Fachmann nahegelegen hat.
 
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pak

*** KT-HERO ***
Aber einem Einsprechenden oder einem Nichtigkeitskläger könnte es später bei der Argumentation zur Erfindungshöhe große Freude bereiten, dass der Anmelder selbst in einer seiner Prio-Anmeldungen sauber dargestellt hat, dass der Erfindungsgegenstand lediglich aus einer an sich logischen Kombination der im Stand der Technik vorkommenden Merkmale besteht.

Ist natürlich unschön, aber was für den Anmelder/Erfinder eine logische Kombination ist, muss es für den Fachmann noch lange nicht sein. Ich denke, diese Formulierung ist wie ein Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung einzuordnen, den es gar nicht gibt.

Mein Vorschlag in diesem Fall wäre auch eine anständige Nachanmeldung einzureichen, die beide Prioritäten in Anspruch nimmt.

pak
 

upupa

GOLD - Mitglied
Das stimmt, aber ein Tod muss gestorben werden. Zudem mag das ja eine schöne Argumentation sein und der Auffassung des Anmelders entsprechen, dies hat aber nichts damit zu tun, ob die Lehre für EINEN Fachmann nahegelegen hat.

Aber wenn's für den Fachmann nicht nahe liegend ist (und die Aussage in der Anmeldung kein Problem darstellt), warum sollte dann überhaupt noch eine weitere kostenpflichtige Anmeldung eingereicht werden?

Unter diesen Voraussetzungen ist doch die eine Anmeldung mit allen Ausführungsbeispielen (und der problemlosen Aussage) ausreichend, oder nicht?
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Im Prinzip hast Du recht und es kommt auf den Fall darauf an.

Aber auf hoher See und vor Gericht....
In dem einen Fall hast Du nur ein Problem bei einem Einspruch, da der Einsprechende eventuell recherchiert.
Im anderen Fall steht da noch der (vielleicht eigensinnige) Prüfer, sodass es gar nicht zu einem Einspruch kommt.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ist natürlich unschön, aber was für den Anmelder/Erfinder eine logische Kombination ist, muss es für den Fachmann noch lange nicht sein. Ich denke, diese Formulierung ist wie ein Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung einzuordnen, den es gar nicht gibt.

Mein Vorschlag in diesem Fall wäre auch eine anständige Nachanmeldung einzureichen, die beide Prioritäten in Anspruch nimmt.

pak

So ein SdT in der Beschreibungseinleitung kann allerdings für eine eventuelle US-Nachanmeldung tödlich sein. Ich habe schon Zurückweisungen vom USPTO basierend ausschliesslich auf AAPA (applicant admitted prior art) gesehen, wobei dieser vermeintliche SdT nicht auffindbar war ...

Ansonsten schliesse ich mich dem Vorschlag an, eine neue Anmeldung mit Inanspruchnahme beider Prioritäten einzureichen. Ob man damit dem potentiellen AAPA-Einwand des USPTO begegnen kann, weiss ich allerdings nicht.
 
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pak

*** KT-HERO ***
So ein SdT in der Beschreibungseinleitung kann allerdings für eine eventuelle US-Nachanmeldung tödlich sein. Ich habe schon Zurückweisungen vom USPTO basierend ausschliesslich auf AAPA (applicant admitted prior art) gesehen, wobei dieser vermeintliche SdT nicht auffindbar war ....

Schon klar, beim "Double-A-Country" ;) muss man diesbezüglich vorsichtig sein ...

pak
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

ein "eigensinniger Prüfer" ist auch das Szenario, was mir am meisten Bauchschmerzen macht.

Was mir zu den Ausführungsbeispielen noch eingefallen ist.
An sich sind die schon vorhanden, nur eben nicht so detailliert wie in der anderen Version.
Es ist z.B. beschrieben, welche Prozessschritte durchgeführt werden, aber diese nicht bis ins kleinste Detail aufgedröselt. Stattdessen wird z.B. auf Broschüren der Hersteller der Prozessmaterialien verwiesen, in denen deren Anwendung detailliert beschrieben ist.

Ist halt die Frage, ob das als ausreichend offenbart durchgeht...

Gruß
Gerd
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Es gibt noch eine weitere Option.

Du nimmst nur die Prio der vielleicht nicht vollständig offenbarten Erfindung in Anspruch und arbeitest eine schöne Anmeldung aus. Für den alten Inhalt erhältst Du die Prio den Rest kannst Du einfügen. Hier verschiebt sich das Risiko auf das was StdT ist (sprich die Wettbewerberposition ist entscheidend).
 

upupa

GOLD - Mitglied
Es gibt noch eine weitere Option.

Du nimmst nur die Prio der vielleicht nicht vollständig offenbarten Erfindung in Anspruch und arbeitest eine schöne Anmeldung aus. Für den alten Inhalt erhältst Du die Prio den Rest kannst Du einfügen. Hier verschiebt sich das Risiko auf das was StdT ist (sprich die Wettbewerberposition ist entscheidend).

Aber beachte: Was nicht ausführbar offenbart = nicht offenbart = keine Prio!
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Ja, ABER wieviele Patente habt Ihr kaputtgemacht oder kaputtgemacht bekommen aufgrund von mang. Ausführbarkeit? Das schäuen die Ämter und Gerichte wie der Teufel das Weihwasser.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

angenommen ich nehme die nicht ganz so vollständige Anmeldung als Prioritätsunterlage und ergänze die Beispiele mit den detaillierten Prozessbeschreibungen, achte dabei aber darauf, dass ich nur Prozessbeschreibungen verwende, die ich in Dokumenten finde, welche vor dem Prioritätsdatum öffentlich zugänglich waren.
Im Prinzip wird dadurch ja die Offenbarung nicht erweitert, da die hinzugefügten Passagen nur aus dem bereits bekannten Stand der Technik entnommen sind, also dem Fachmann ohnehin zur Verfügung gestanden haben, um die Erfindung auszuführen.

Angenommen es wurde ein Material eingesetzt, welches dem benannten Material eines benannten Herstellerst ähnlich ist, aber aus einer anderen Grundsubstanz besteht.

Es wäre auch angegeben, dass zum Erzeugen des Materials aus der anderen Grundsubstanz die gleichen Prozessschritte verwendet werden, welche auch bei der normalerweise verwendeten Grundsubstanz zur Anwendung kommen, und diese Prozesschritte wären im Stand der Technik bekannt.

Beispielsweise im Priodokument "zur Ausbildung des Sockels wird ein abbindeverzögerter Beton verwendet, bei dem statt Portland-Zement als Bindemittel Pulver XY eingesetzt wird".

In der Nachanmeldung wird das Beispiel dann erweitert in "zur Ausbildung des Sockels wird ein Beton verwendet, bei dem statt Portland-Zement als Bindemittel Pulver XY eingesetzt wird. Wie bei Maier und Müller "Betone in der Bauwirtschaft" beschrieben wird das Bindemittel zu Partikeln mit Durchmesser <50µm vermahlen, mit der fünffachen Menge Sand und der dreifachen Menge Kies vermischt, die doppelte Menge Wasser und 3% Abbindeverzögerer zugesetzt"

Kommt mir zumindest irgendwie unzuläsig erweitert vor, oder was meint Ihr?
Und in der ursprünglichen Form evtl. nicht detailliert genug offenbart.

Gruß
Gerd
 

ip_kandidat

GOLD - Mitglied
Rein formal stellt sich die Situation für mich wie folgt dar:

Es existiert eine erste Anmeldung A und eine zweite Anmeldung B.

Annahme: es wird eine Nachanmeldung C eingereicht, die beide Prioritäten in Anspruch nimmt.

Angenommen, es käme bei der Nachanmeldung C jetzt im weiteren Verlauf darauf an, dass ein Merkmal aus A durch die Offenbarung aus B gestützt werden muss (et vice versa), so hätte man in jedem Fall das Problem, dass für die Kombination A+B gerade keine Priorität in Anspruch genommen werden kann. Folglich wäre dann so oder so auf den Anmeldetag von C abzustellen.

Oder übersehe ich etwas?
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

die Merkmale sind in beiden Anmeldungen gleich. Die eine hat lediglich detailliertere Ausführungsbeispiele und dadurch weniger Risiko wegen mangelnder Offenbarung Schiffbruch zu erleiden.
Dafür leitet sie die Erfindung aber so anschaulich her, dass eventuell die Gefahr besteht, dass sie als naheliegend bezeichnet werden und deshalb nicht erteilt werden könnte. Die andere basiert eher auf dem Überraschungsmoment.

Was haltet Ihr davon, wieder zwei Anmeldungen gleichzeitig einzureichen, welche jeweils die Priorität einer der ursprünglichen Anmeldungen beanspruchen?
Dann erstmal nur Prüfungsantrag für die überraschende Version stellen, und den Prüfer irgendwie nett fragen, ob das mit den nicht so detaillierten Beispielen im Prioritätsdokument ein großes Problem darstellt.
Sollte das so sein, kann man immer noch die andere Anmeldung verfolgen. Sollte es kein Problem sein, kann man die andere Anmeldung mit der kritischen Herleitung vor deren Veröffentlichung immer noch zurücknehmen.

Irgendwelche Einwände oder etwas, das ich übersehen habe?

Gruß
Gerd
 
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