Weiterbehandlung EPA/DPMA

Sousse

BRONZE - Mitglied
Ich habe zwei Fragen zur Weiterbehandlung am DPMA im Patentrecht und am EPA.

Am DPMA sind nach §123a PatG nur mit Beschluss zurückgewiesene Patentanmeldungen weiterbehandelbar. Patentanmeldungen, die per Fiktion als zurückgenommen gelten, sind damit nach meinem Verständnis nicht weiterbehandelbar. D.h., versemmelt man die Einreichung der deutschen Übersetzung auf eine fremdsprachige Anmeldung, ist die Anmeldung nach drei beziehungsweise zwölf Monaten tot.

Ist mein Verständnis hier richtig? Kennt jemand hier schon Rechtsprechung?

Am EPA ist es genau umgekehrt. Hier sind Anmeldungen, die per Rechtsfiktion als zurückgenommen gelten weiterbehandelbar. Anmeldungen, die zurückgewiesen werden beispielsweise wenn man auf Mängel in der Eingangs- und Formalprüfung nach Art. 90 EPÜ nicht reagiert, sind nicht weiterbehandelbar. Hier gibt es nur den Weg über die Beschwerde.

Allerdings kann man am EPA den Prioanspruch endgültig verlieren wenn man beispielsweise den Priobeleg nicht einreicht, weil die Anmeldung hier nicht zurückgewiesen wird sondern nur der Prioanspruch per Fiktion nach Art. 90(5) EPÜ erlischt. Wäre es am EPA denkbar, den Prioanspruch über eine Teilanmeldung wiederzubeleben und dort den Priobeleg einzureichen? Gibt es hier Rechtsprechung?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Im DPMA wird unterschieden zwischen gesetzlichen Fristen und Fristen, die das Amt setzt. Werden gesetzliche Fristen versäumt, so tritt die im Gesetz festgelegte Rechtsfolge ein, und danach ist die - ebenfalls im Gesetz (§ 123) geregelte - Wiedereinsetzung möglich, die insbesondere erfordert, dass die Frist nicht schuldhaft versäumt wurde. Weiterbehandlung (§ 123a) ist hier nicht anwendbar.

Versäumte Fristen, die das DPMA gesetzt hat, haben keine unmittelbaren Folgen, sondern sie ermöglichen nur die Zurückweisung der Anmeldung durch Beschluss der Prüfungsstelle, wobei die (abgelaufene) Frist sicherstellt, dass "rechliches Gehör" (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt wurde. Gegen einen solchen Beschluss kann, wie gegen jeden Beschluss, Beschwerde eingelegt werden. Die Prüfungsstelle kann dann der Beschwerde abhelfen (§ 73 Abs. 3), wenn der Zurückweisungsgrund nicht mehr vorliegt, also ggf. wenn die versäumte Handlung nachgeholt wurde. Wird nicht abgeholfen, geht die Akte zum BPatG. Neben der Beschwerde gibt es seit 2004 die Möglichkeit, die Weiterbehandlung zu beantragen, die aber auf Fälle beschränkt ist, in denen eine vom Prüfer gesetzte Frist versäumt wurde (§123a). Das ist wohl in 99% aller Fälle eine Frist zur einer Äußerung. Das Problem bei der Weiterbehandlung ist, dass idR neben einem Weiterbehandlungsantrag keine Bescherde eingelegt wird, und wenn der Weiterbehandlungsantrag schief geht (z.B. wenn die versäumte Äußerung nicht nachgeholt, sondern nur eine Frist dafür beantragt wird), dann ist auch die Beschwerdefrist vobei, und die Akte ist endgültig tot. Denn der Weiterbehandlungsantrag hemmt die Beschwerdefrist gegen die Zurückweisung nicht.

Das EPA kennt die Unterscheidung zwischen "gesetzlichen" und anderen Fristen nicht. Vielmehr ist es in der AO für jeden Fall einzeln geregelt, wenn ein Antrag auf Weiterbehandlung nach Art. 121 unzulässig ist, und die entsprechenden Regelungen und Voraussetzungen sind über die ganze AO verstreut.
 
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Sousse

BRONZE - Mitglied
@Hans35

Eigentlich hatte sich meine Frage auf die Rechtsfolgen von Fristen und nicht auf die Art der Fristen bezogen.

Sowohl am EPA als auch am DPMA gibt es Fristen, die eine Rechtsfolge bei Ablauf automatisch fingieren - i.e. es bedarf keiner aktiven Zurückweisung durch den Prüfer mehr. Während das EPÜ hier Weiterbehandlung vorsieht, sieht es das PatG meines Verständnisses nach gerade nicht vor.

Mich würde interessieren, ob jemand bereits Rechtssprechung hierzu kennt.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Meines Erachtens hat Hans die Frage eindeutig beantwortet: Wenn eine nach PatG (DE) gesetzlich bestimmte Frist mit vorgesehener Rechtsfolge (ob fingiert oder nicht) versäumt wird, gibt es keine Weiterbehandlung. Benkard (10. Aufl., §123a Rn 5) bestätigt dies ohne Angabe von RS.

Andererseits existiert bei vom Patentamt gesetzten Fristen die Weiterbehandlung, aber dem Gesetzeswortlaut nach auch nur dann, wenn die Anmeldung daraufhin zurückgewiesen wurde.


Schulte 10. Aufl. nennt einige BPatG-Entscheidungen zu §123a (z.B. BPatG GRUR 09, 95 "Weiterbehandlung"), vielleicht findest Du hier, was Du suchst (zum Thema "gesetzliche Frist" unter Rn 17 aber nur einen Verweis auf EPA Abl 88, 177 und J0042/89).
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Beim EPA kann Wiedereinsetzung (Art. 122) oder Weiterbehandlung (Art. 121) beantragt werden, je nachdem, ob der Anmelder an der Einhaltung der Frist trotz aller Sorgfalt gehindert war. Wird Wiedereinsetzung oder Weiterbehandlung abgelehnt, so ist dagegen die Beschwerde möglich.

Beim DPMA ist eine Beschwerde nur gegen Beschlüsse der Prüfungsstelle möglich (§ 73 Abs. 1); ob das Versäumen einer Frist den Beschluss ausgelöst hat, spielt keine Rolle. Treten die gesetzlichen Folgen einer versäumten gesetzlichen Frist ein und ist der Anmelder der Auffassung, dass das Gesetz hier nicht oder anders anzuwenden ist, so dass er gar keine Frist schuldlos versäumt hat, für die er Wiedereinsetzung beantragen könnte, so kann er beantragen, dass die Prüfungsstelle einen (beschwerdefähigen) Feststellungsbeschluss über den Eintritt der Rechtsfolgen (z.B. die Rücknahmefiktion) fasst. Aber auch die Ablehnung einer gleichwohl beantragten Wiedereinsetzung ist ein beschwerdefähiger Beschluss, der die Feststellung der eingetretenen gesetzlichen Rechtsfolgen enthält. Erst wenn der Anmelder einen solchen Beschluss der Prüfungsstelle vorliegen hat, kann er sich fristgemäß beschweren. Gegen die bloße Mitteilung über eingetretene gesetzliche Rechtsfolgen (z.B. automatisch oder durch einen Sachbearbeiter) ist beim DPMA weder eine Beschwerde noch ein Weiterbehandlungsantrag oder sonst ein Rechtsmittel gegeben.
 

Sousse

BRONZE - Mitglied
Beim DPMA ist eine Beschwerde nur gegen Beschlüsse der Prüfungsstelle möglich (§ 73 Abs. 1); ob das Versäumen einer Frist den Beschluss ausgelöst hat, spielt keine Rolle.
Ich weiß nicht, warum Du auf das Pferd mit der Beschwerde am DPMA aufgesprungen bist. Das war gar nicht das Thema.

Ich wollte wissen, ob deutsche Rechtsprechung die Weiterbehandlung von fingiert beendeten Anmeldeverfahren im PatG als ausgeschlossen ansieht. Als Beispiel habe ich die Frist zur Einreichung der Übersetzung einer fremdsprachigen Anmeldung nach §35a PatG angeführt, zu dem mich Pat-Ente ja dankenswerter Weise noch einmal mit der Nasenspitze darauf gestoßen, dass dies entgegen 123a PatG keine vom Patentamt bestimmte Frist ist und somit grundsätzlich von der Weiterbehandlung ausgeschlossen sein dürfte.

Ich füchte, dass PatG-Fristen mit einer gesetzlich definierten Rechtsfolge von der Weiterbehandlung definitiv ausgeschlossen sind. Insofern scheint das EPÜ an dieser Stelle freundlicher zu sein.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Zitat von Sousse
Ich füchte, dass PatG-Fristen mit einer gesetzlich definierten Rechtsfolge von der Weiterbehandlung definitiv ausgeschlossen sind. Insofern scheint das EPÜ an dieser Stelle freundlicher zu sein.
So ist es. Weiterbehandlung gibt es nur nach einem Beschluss, und die Frist dafür läuft parallel zur Beschwerdefrist.

Wenn (bei einer gesetzlichen Frist) Wiedereinsetzung nicht möglich ist, weil keine Schuldlosigkeit vorliegt, gibt es keine "Gnade", da geht die Rechtssicherheit vor. Höchstens könnte es dir passieren, dass ein "Weiterbehandlungsantrag" nach Ablauf einer gesetzlichen Frist vom Prüfer als ein Antrag auf einen Feststellungsbeschluss ausgelegt wird, den du dann bekommst. Er darf dir aber sicher keinen Beschluss des Inhalts schicken, dass die gesetzlichen Folgen der Fristversäumnis nun doch nicht eintreten.

Zu § 35a gibt es die BGH-Entscheidung Polierendpunktbestimmung (BGH GRUR 2012, 91). Da wird aber mit keinem Wort eine mögliche Weiterbehandlung diskutiert.
 
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