EQE und Verfassungsklage
@pirat:
Sicher, es gibt eine hohe Zahl an Rechtsanwälten in den Mitgliedsstaaten der EPÜ, die vor dem EPA vertreten dürfen. Einige wenige vertreten sogar tatsächlich. Das sind etwa die vereinzelten Rechtsanwaltskollegen, die neben dem Jura- ein Ingenieurstudium absolviert haben. Dann gibt es Rechtsanwaltskollegen, die mit Patentanwälten vor deren EQE zusammenarbeiten und letztlich nur deren Schriftsätze unterschreiben. Dann Insolvenzverwalter, die bekanntlich ja alles können (müssen). Jeder wird weitere Einzelfälle kennen.
Wenn Deine Argumentation mit den zwei ungleich behandelten Lagern zutrifft, wären Deine Verfassungsbedenken obsolet, wenn man die EQE auch für Rechtsanwälte einführt. Schön.
Die Rechtsanwälte sind übrigens tatsächlich für die Einführung weiterer Qualifikationsnachweise, siehe zum Beispiel den "Fachanwalt für den gewerblichen Rechtsschutz", der sich ja auch auf Visitenkarten und im Branchenverzeichnis gut nutzen lässt, und die ständigen Fortbildungsnachweise. Sie werden ihre Gründe haben. Aber auch diese Fachanwälte schreiben (fast) keine Patentanmeldungen, beantworten keine Bescheide und finden auch den restlichen Patentkram eher abtörnend. Der ist ineffektiv, wenn man es nicht ständig macht.
Mich wundert, dass die eine Ungleichbehandlung (PA/RA) für Dich verfassungsmäßig relevant ist, andererseits jedoch von Dir eine andere, viel eklatantere Ungleichbehandlung gewünscht wird und Du obendrein diese auch für verfassungsmäßig irrelevant hältst. Natürlich ist es dem BVerfG egal, was die Schweizer, Belgier etc. national festlegen. Hier aber geht es um die Frage einer Gleichbehandlung vor dem EPA beziehungsweise um die Zulassungsbefugnis, die ihm durch das EPÜ eingeräumt wird. Wenn Du diese wie oben schon durchaus nachvollziehbar ausgeführt als Übertragung eines Hoheitsrechts ansiehst, so müsste aber auch eine systematische Ungleichbehandlung von Briten und Deutschen (mit Ausbildung und Prüfung) gegenüber Schweizern und Belgiern (ohne Ausbildung und Prüfung) bei der Zulassung vor dem EPA als mit Wirkung für Deutschland Patente erteilende Behörde als möglicher Eingriff in GG Art. 3 der Überprüfung durch das BVerfG zugänglich sein.
Da auch Briten (und weitere Länder) betroffen sind, fällt das Thema einer möglicherweise zulässigen Inländerbenachteiligung gleich weg.
Die Frage, ob jemand benachteiligt wird, bezieht sich wie üblich auf die gleiche Qualifikation der Betroffenen. Und diese Frage kann bei unterschiedlichen nationalen Voraussetzungen allein durch eine natürlich möglichst faire Prüfung beantwortet werden. Wie auch sonst.
Die EQE ist imho die einzige Möglichkeit, für einen fairen Vergleich der vor der Pforte des EPA stehenden Bewerber zu sorgen. Deine auf Deutschland fixierte Sicht macht mich ratlos. Es stört Dich nicht, dass die Kollegen aus diversen Ländern anders als Du weder Kandidatenzeit noch Amtsjahr machen müssen und sich einfach so "Patentanwalt" nennen dürfen? Na schön, wenn sie in ihren nationalen Verfahren nur miteinander zu tun haben. Vor kurzem gab es aber gerade unter den frischgebackenen deutschen Kollegen viel Ärger über die rund 100 (meist italienischen) Kollegen, die geschickt eine Lücke in der grandfather clause genutzt haben und über San Marino die EQE umschifft haben. Ja was denn nun, stört es oder stört es nicht? Und auf die RAe blickst Du mehr oder weniger neidisch? Das ist inkonsistent.
Mit einer Begrenzung der Zahl der zugelassenen Vertreter hat die EQE nichts zu tun. Mit dem Argument kannst Du auch die Flugscheinprüfung abschaffen und sagen, sie würde nur unnötig die Zahl der Piloten und damit den Wettbewerb begrenzen. Die EQE stellt fest, ob ein Bewerber bestimmte Spielregeln abarbeiten kann. Bewerber, die die EQE bestehen, sind höchstwahrscheinlich in der Lage, die tägliche Arbeit eines European Patent Attorneys tatsächlich machen zu können (obwohl sie damit nur "irgendwie" zu tun hat). Die Anmelder, deren Interessen dadurch gewahrt werden sollen, wissen also, wo European Patent Attorney draufsteht, der sollte es auch können. Die Logik gilt auch nur in dieser Richtung, sie muss nicht umgekehrt gelten. Der Schutz der Anmelder gegenüber nicht qualifizierter patentrechtlicher Beratung ist übrigens angesichts der Debatten über Verbraucherschutz ein nicht zu vernachlässigendes Thema. Und dass diese Qualifikation bei einem europäischen Schutzrecht irgendwie "europäisch" gleich sein muss, dürfte auch klar sein.
Übrigens liegen nach den Briten die deutschen Prüflinge im Ranking im langjährigen Mittel immer zwischen Platz 2 und 4, was die Bestehensquote angeht. Das bestätigt Deine Auffassung, das die Ausbildung offensichtlich besser ("ordentlich") ist als in den meisten anderen Mitgliedsstaaten. Es bestätigt aber auch, dass die deutschen jüngeren Kollegen einen deutlichen Vorteil an der "gleichen Prüfung für alle" haben und somit einen klaren Nachteil ohne EQE hätten. Klar ist doch wohl auch, dass die bestandene EQE der einzige Leistungsbeweis ist, den man bei Mandanten einbringen kann. Ohne EQE liefe der Wettbewerb nur noch über den Preis oder über Beziehungen.