Verfahrensfehler? (- Europäisches Patentrecht)

carookey

Schreiber
Sehr geehrte Damen und Herren,


Ich "befasse" mich zur Zeit mit einem Fall in dem ein amerikanisches Patent auch in Europa angemeldet werden soll. Das europäische Patentamt hält die Sache aber scheinbar für nicht patentierbar. Das Prüfverfahren läuft aber noch (seit 2002). In dem Bescheid der Prüfungsabteilung als Antwort auf die versuchte Patentanmeldung steht:
"....Application does not meet the requirement of the European convention....
You are invited to fill your observations and insofar if the deficiencies are such as to be rectifiable to correct the indicated deficiencies within a period of

4 months

Failure to comply with this invitation in due time will result in the application being deemed to be withdrawn (Article 96(3)EPC)"


Erst 5,5 Monate später antworten die Antragsteller und erklären dass sie einen Antrag auf Verlängerung (um 2 Monate) stellen, dem auch stattgegeben wurde.

Ca. 7 Monate später antworten sie schließlich auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung in dem die Frist von 4 Monaten gennant wurde. Auch eventuelle? 2 Monate seit dem stattgeben des Antrags auf Verlängerung wären hier überschritten.


Meine Frage nun: Hat der Antrag überhaupt noch Gültigkeit oder kann man dem ganzen Schabernack aufgrund eventueller Verfahrensfehler ein schnelles Ende bereiten?


Viele Grüße,


Carookey
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Das liegt vermutlich an der sogenannten "10-Tages-Regel" und weiteren Fristenregeln.

Eine vom EPA gesetzte Frist beginnt erst mit der Zustellung des jeweiligen Bescheids, also an dem Tag, an dem dieser beim Adressaten eingeht. Es wird unterstellt, dass dies spätestens 10 Tage nach Absendung geschieht, so dass die verfolgte Frist erst 10 Tage nach dem Datum des Bescheids beginnt.

Wenn dann noch das Ende der Frist auf einen Feiertag, Wochenende etc. fällt, wird sie erst am darauffolgenden Werktag fällig.

So ergeben sich scheinbare Fristüberschreitungen, wenn man rein auf die Daten schaut.

Aber selbst wenn eine Frist tatsächlich versäumt wurde und das EPA deswegen die Anmeldung zurückweist, gibt es noch Heilmöglichkeiten (ggf. Weiterbehandlung gegen Gebühr, unter gewissen Umständen Wiedereinsetzung in den früheren Stand).

Gruss,
Thomas
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Noch ein Nachtrag:

Bei einer Eingabe Dritter in einem Erteilungsverfahren reicht man ja man in der Regel Stand der Technik ein und/oder argumentiert gegen die Patentfähigkeit (wobei man bekanntermaßen nicht immer damit rechnen kann, dass das EPA dies auch berücksichtigt).

Frage an die Kollegen: Hat man eine Chance mit einer Eingabe, falls eine tatsächliche Fristüberschreitung (oder auch ein sonstiger Formfehler) festgestellt wird und das EPA diese übersehen hat (mag ja auch mal vorkommen ...)?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Meiner Ansicht nach sind "Einwendungen Dritter" nur sinnvoll und überhaupt erst beachtlich, wenn man damit Argumente gegen die Patentierbarkeit (also Neuheit, Erfindungshöhe, etc.) vorträgt, wie es Art. 115 EPÜ verlangt.

Einwendungen, die vermeintliche Verfahrensfehler betreffen (z.B. Fristüberschreitungen), werden wahrscheinlich gar nicht berücksichtigt.
 

Jansen

Schreiber
Ich denke, Einwendungen Dritter sind hier schon das beste Mittel, denn sie landen beim Prüfer und machen ihn auf den Verfahrensfehler aufmerksam. Im Prüfungsverfahren lässt sich der Fehler immer noch viel leichter korrigieren als in Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren gegen das trotz eines Verfahrensfehlers erteilte Patent.
 

PhD

SILBER - Mitglied
etwas OT:

Mir fällt hier immer wieder auf, dass die Begriffe "Patentierbarkeit" und "Patentfähigkeit" durcheinander geworfen werden.

Also: Patentierbarkeit ist die Möglichkeit, etwas überhaupt patentiert zu bekommen. s. Art. 52, 53 EPÜ. Also sind z.B. medizinische Verfahren am menschlichen Körper nicht patentierbar.

Neuheit, erf. Tät., gewerbeliche Anwendbarkeit (also Art. 52 (1) EPÜ) sind die Erfordernisse der Patentfähigkeit.

Somit kann etwas patentfähig, aber nicht patentierbar sein (z.B. ein neues und erfinscherisches medizinisches Verfahren). Andersrum kann etwas patentierbar, aber nicht patentfähig sein (z.B. ein bekannter Stoff).
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
PhD schrieb:
etwas OT:

Mir fällt hier immer wieder auf, dass die Begriffe "Patentierbarkeit" und "Patentfähigkeit" durcheinander geworfen werden.

Also: Patentierbarkeit ist die Möglichkeit, etwas überhaupt patentiert zu bekommen. s. Art. 52, 53 EPÜ. Also sind z.B. medizinische Verfahren am menschlichen Körper nicht patentierbar.

Neuheit, erf. Tät., gewerbeliche Anwendbarkeit (also Art. 52 (1) EPÜ) sind die Erfordernisse der Patentfähigkeit.

Somit kann etwas patentfähig, aber nicht patentierbar sein (z.B. ein neues und erfinscherisches medizinisches Verfahren). Andersrum kann etwas patentierbar, aber nicht patentfähig sein (z.B. ein bekannter Stoff).
Interessante Haarspalterei ;-)

Dem kann ich aber nicht zustimmen - das EPÜ kennt nämlich den Begriff der Patentfähigkeit gar nicht, dort ist ausschliesslich von Patentierbarkeit die Rede.
Auch Neuheit etc. stehen unter "Patentierbarkeit" (Art. 52(1)); siehe auch Art. 54 (4), wo im Zusammenhang mit dem Stand der Technik, also dem Neuheitserfordernis, der Begriff "Patentierbarkeit" verwendet wird.
Wenn z.B. in Entscheidungen der Beschwerdekammern der Begriff der Patentfähigkeit gebraucht wird, scheint mir das eher synonym zu dem der Patentierbarkeit zu geschehen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
PhD schrieb:
Mir fällt hier immer wieder auf, dass die Begriffe "Patentierbarkeit" und "Patentfähigkeit" durcheinander geworfen werden.
Also, ich weiß ja nicht ...

Wenn Du mit Deiner Ansicht Recht hättest, würde das ja bedeuten, dass Einwendungen Dritter sich nicht gegen Neuheit und Erfindungshöhe (= "Patentfähigkeit" nach Deinen Ausführungen) richten könnten, denn im Wortlaut des Art. 115 steht ja "Patentierbarkeit".
 

Groucho

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Also, ich weiß ja nicht ...

Wenn Du mit Deiner Ansicht Recht hättest, würde das ja bedeuten, dass Einwendungen Dritter sich nicht gegen Neuheit und Erfindungshöhe (= "Patentfähigkeit" nach Deinen Ausführungen) richten könnten, denn im Wortlaut des Art. 115 steht ja "Patentierbarkeit".
Schön bemerkt. Auch Artikel 100(a) EPÜ würde dann weitgehend leer laufen, weil danach der Einspruch nur darauf gestützt werden kann, dass der Patentgegenstand nach den Artikeln 52 bis 57 nicht patentierbar ist. Ein nur auf fehlende Neuheut und mangelnde Erfindungshöhe gerichteter Einspruch wäre dann unzulässig, da nur mangelnde Patenfähigkeit, nicht aber fehlende Patentierbarkeit geltend gemacht wird -:)

Die Unterscheidung gibt es meines Erachtens auch im PatG nicht, dort werden die Erfordernisse der §§ 1 bis 5 stets alle zur Patentfähigkeit gerechnet (etwa § 21(1) 1 oder § 44(1)).

In § 1 (4) wird sogar ausdrücklich gesagt, dass Absatz 3, der die ausgeschlossenen Gegenstände angibt, der Patentfähigkeit nur insoweit entgegensteht, als für die Gegenstände als solche Schutz begehrt wird.

Insgesamt scheint also Patentierbarkeit dasselbe wie Patentfähigkeit zu sein, wobei für dieselben Sachverhalte das EPÜ den Begriff Patentierbarkeit, das PatG den Begriff Patentfähigkeit benutzt.
 

Tiger-Pat-Ente

SILBER - Mitglied
Hat denn eine(r) hier eine Rechtsgrundlage zur Hand, um einen Verfahrensfehler nachträglich geltend zu machen?

Im Einspruch würde das sicherlich nicht gehen, da kein Grund nach Art. 100.

Meines Wissens geht das nicht. Im Gegenteil, wenn der Anmelder den Bescheid beantwortet hat (wenn auch zu spät) und das EPA die Prüfung fortsetzt, könnte sich der Anmelder auch auf Vertrauensschutz berufen. (Art. 125 und Wiener Übereinkuft)

Zudem weiss das EPA ja nicht, wann der Bescheid beim Anmelder eingetroffen ist. Im Zweifel wäre die Beweislast hier übrigens beim EPA (R 126(2)).
 

grond

*** KT-HERO ***
Tiger-Pat-Ente schrieb:
Hat denn eine(r) hier eine Rechtsgrundlage zur Hand, um einen Verfahrensfehler nachträglich geltend zu machen?
Das geht grundsätzlich nicht. Solche Fehler werden spätestens durch die Erteilung geheilt.
 
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