Unzulässige Erweiterung

N

Niemand

Guest
Hallo,

ich habe ein Problem mit der unzulässigen Erweiterung nach Art. 123 (2) EPÜ. Folgender Fall:

In der EP-Anmeldung fehlt in der Beschreibung Merkmal A, welches (nicht-europäische) Prioritätsschrift offenbart ist. Kann ich im Erteilungs- oder Einspruchsverfahren auf das Merkmal A zurückgreifen ohne gegen Art. 123 (2) zu verstoßen ??

In der Literatur, die ich bisher gefunden habe, wird leider immer nur von der Ursprungsanmeldung gesprochen, womit im vorliegenden Fall wohl die EP-Anmeldung gemeint sein dürfte...

Ich bin sicher das steht irgendwo, ich hab's nur noch nicht gefunden. Bin für jeden Hinweis dankbar.

N.
 
G

gast

Guest
Die Prioritätsunterlagen gehören nicht zur der europäischen Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (T 260/85; siehe auch "Rechtsprechung der Beschwerdekammern").

Man kann also nicht auf die Prio zurückgreifen.
 

Patman

GOLD - Mitglied
unzulässige Erweiterung

Ich versuchs mal an einem analogen Bespiel.

Stellt Euch vor ich melde eine Tasse an mit folgenden Merkmale im Hauptanspruch: Tassenkörper (A), Henkel (B),

Unteranspruch lautet: Tasse nach Anpruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Tasse einen verschiebaren Boden hat (C) und im Fassungvolumen veränderlich ist (D).

In der Beschreibung taucht die Volumenveränderlichkiet nur in Verbindung mit dem verschiebbaren Boden auf, so daß als einzige Möglichkeit der Realisierung dieser Veränderlichkeit der verschiebbare Boden offenbart wurde. z.B. "Die Tasse weist einen verschiebbaren Boden auf, so dass das Fassungsvolumen veränderlich ist."

Jetzt kommt der Prüfungsbescheid und, na klar, Anspruch 1 ist nicht neu, "aber die Offenbarung zeigt einige Merkmale, für die eine Patenterteilung in Frage kommen würde".

Ich möchte nun den Anspruch 1 einschränken und das Merkmal (D) einbeziehen.

Meine Frage nun, darf ich das, oder ist das unzulässig erweitert. Normalerweise kann ich jedes Merkmal raufnehmen, aber in diesem Fall ist mir das nicht klar, da das Merkmal D ohne Merkmal C ja nicht kann.
Ich würde ja plötzlich jede Form von im Fassungvolumen veränderlichen Tassen beanspruchen, auch wenn die Veränderlichkeit nicht durch Boden sondern durch ein anderes Merkmal realisiert wird. Das habe ich dann allerdings nicht offenbart.

Bin auf Eure hochgeschätzte (bauchpinsel) Meinung sehr gespannt.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Re: unzulässige Erweiterung

Bescheid des EPA oder DPMA?

wenn du nur Merkmal D aufnehmen willst, hättest du ein funktionelles Merkmal, das du so vermutlich eh nicht durchbringen würdest, selbst wenn es keine unzulässige Erweiterung wäre.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Re: unzulässige Erweiterung

dann wird es schwierig, wenn es nur den zitierten Satz in der Anmeldung gibt, der Merkmal D offenbart. und wie schon gesagt, einen Klarheitseinwand gibt´s gleich gratis dazu.
 

Patman

GOLD - Mitglied
Re: unzulässige Erweiterung

Mal Klarheitsfrage beiseite gestellt. Wenn die Offenbarung
Patman schrieb:
"Die Tasse weist einen verschiebbaren Boden auf, so dass das Fassungsvolumen veränderlich ist."
nun wie folgt lauten würde:

"Das Fassungsvolumen der Tasse ist veränderlich (D). Vorzugsweise weist die Tasse dafür einen verschiebbaren Boden auf (C). (Es sind auch andere Möglichkeiten denkbar)"

Das ist zwar jetzt nur umgedreht, aber Merkmal D ist nun nicht mehr zwangläufig auf C angewiesen.
Wäre das Problem damit gelöst, die Klarheitsfrage mal beiseite gestellt?
 
P

ppa

Guest
Re: unzulässige Erweiterung

Dann ist das Merkmal nicht nur in Kombination mit C, sondern auch in Alleinstellung offenbart. somit kann D sicher auch alleine aufgenommen werden.

Meine Erfahrung ist, dass das EPA bei Fragen der Offenbarung zum Teil viel formalistischer ist als das DPMA; das DPMA beanstandet so etwas seltener.

Die traurige Folge ist eigentlich, dass man seine Beschreibung mit fakultativen Wörtern wie zB vorzugsweise, ... vollpumpt, worunter die Lesbarkeit leidet.
 
P

Patato

Guest
Re: unzulässige Erweiterung

Zur Frage der Klarheit des funktionellen Merkmals: Schaut Euch mal die A- und B-Teile der EQE der letzten Jahre an. Das ist m.E. genau die Art von funktionellem Merkmal, wie sie dort erwartet wird. Ich weiss zwar, dass die EQE nicht die Realität ist, und mir fehlt die extensive Erfahrung mit derartigen Merkmalen, um die Realität wirklich einschätzen zu können, aber es würde mich doch sehr wundern, wenn ein solches Merkmal vor dem EPA als unklar beanstandet würde.

Hinsichtlich 123(2) würde ich aus dem Bauch heraus den Vorrednern zustimmen. Andererseits möchte ich den Wesentlichkeitstest aus RiLi C-VI 5.3.10 und T331/87 in die Diskussion werfen. Meines Erachtens sind die dort angegebenen drei Kriterien auch in Patmans erstem Beispiel erfüllt, so dass er selbst bei diesem Beispiel das veränderliche Volumen ohne den verschiebbaren Boden banspruchen kann.

Ein weiterer Diskussionpunkt wäre, ob dieser Test hier überhaupt einschlägig ist, da nicht etwas aus einem Anspruch gestrichen werden soll, sondern ein Merkmal isoliert in einen Anspruch aufgenommen werden soll. Ich würde sagen, ja, einschlägig: Es kann keine Rolle spielen, ob ich erst A1+A2 zusammenlege und dann ein Merkmal weglasse, so dass ich den Test anwenden kann, oder ob ich nur eines der Merkmale in A1 heraufziehe.

Wie gesagt, gegen das Bauchgefühl, das mit das Gegenteil sagt... Deshalb wäre ich um weitere Meinungen froh.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Re: unzulässige Erweiterung

Patman schrieb:
Meine Frage nun, darf ich das, oder ist das unzulässig erweitert.
Ich will ja mal nicht allzu kleinlich sein, aber vielleicht trägt das ein bißchen zum Verständnis bei:

Unzulässige Erweiterung im Prüfungsverfahren gibt es eigentlich nicht. Diese ist nur als Nichtigkeitsgrund über Art. 138 (1) d EPÜ im Rahmen einer deutschen Nichtigkeitsklage über IntPatÜG und § 81 PatG zu klären oder nach Rechtsprechung im Einspruch, wenn der Patentinhaber seinen Schutz einschränken will.

Unzulässige Erweiterung bedeutet immer: es ist etwas geschützt, was vorher nicht geschützt war. Das setzt aber voraus, dass überhaupt mal etwas geschützt war, was im Anmeldeverfahren nie so war.

Daher ist hier eigentlich die Frage das Thema, ob der Gegenstand durch die Änderung mit Merkmal D in Alleinstellung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (vgl Art. 100 c EPÜ).

Sofern diese Differenzierung zunächst etwas kleinlich erscheint, macht sie hier doch einen Unterschied, denn man muss nach der Offenbarung und nicht nach dem Schutzbereich fragen.

Hinsichtlich der Rechtssprechung des EPA kann ich nicht viel beitragen. Der BGH äußert sich immer sehr allgemein. Nachfolgend ein paar Zitate. Sie stammen meines Erachtens alle entweder aus der Entscheidung "Luftverteiler" oder der Entscheidung "Spleißkammer". Sind beide lesenswert. Das EPA wird sich vermutlich nicht sonderlich dafür interessieren, aber die Kommentarliteratur müsste da doch was hergeben, oder? Vielleicht hilft es ja trotzdem.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist allerdings über das Beschriebene hinaus durch eine zum Stand der Technik gehörende Schrift i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG und des Art. 54 Abs. 2 EPÜ alles als offenbart und damit als vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerläßlich zu ergänzen ist oder was er bei aufmerksamer Lektüre der Schrift ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest.
(müsste dann m.E. für die ursprüngliche Offenbarung auch gelten)

Denn der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen, um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren wäre es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden.

Zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und deshalb der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren umfaßt. Den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu.

Deshalb hat es der Schutzrechtsinhaber in der Hand, sein Schutzrecht durch die Aufnahme einzelner oder mehrerer Merkmale, die in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannt werden, zu beschränken, wenn und soweit diese Merkmale jedes für sich oder auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg befördern Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll.

Die Kombination muß vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt.

Maßgebend ist, was der Fachmann als zur angemeldeten Erfindung gehörig erkennen kann.
 
P

Patato

Guest
Re: unzulässige Erweiterung

@Gast:

Interessante Zitate. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass uns die Zitate im konkreten Fall weiter bringen, ausser dass manches beim BGH auf den ersten Blick etwas liberaler aussieht als beim EPA.

Was den Begriff "unzulässige Erweiterung" angeht, hast Du natürlich prinzipiell recht. Aber erstens war klar, was Patman fragen wollte, und zweitens benutzen mindestens 95% der Patentanwälte den Begriff "unzulässige Erweiterung" nicht für die von Dir genannte Situation des Art. 123(3) EPÜ (= Erweiterung des Schutzbereichs), sondern für die des Art. 123(2) EPÜ (= Hinausgehen über das ursprünglich Offenbarte) - es fehlt für letzteres eben ein griffiges Schlagwort.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Ich komme mal auf dieses alte Thema zurück.

In der EP-Anmeldung fehlt in der Beschreibung Merkmal A, welches (nicht-europäische) Prioritätsschrift offenbart ist. Kann ich im Erteilungsverfahren auf das Merkmal A zurückgreifen ohne gegen Art. 123 (2) zu verstoßen??
Der Fall ist ja normalerweise umgekehrt: man schreibt etwas in die Nachanmeldung, was in der Prioritätsanmeldung nicht steht, und verliert dadurch z.B. das Prioritätsdatum.

In meinem vorliegenden Fall sei es aber so, dass in der EP-Nachanmeldung Merkmale fehlen, die allerdings in der Prioritätsanmeldung vorhanden sind.

Es werde im EP-Prüfungsverfahren beispielsweise beanstandet, die Merkmale A, B, und C seien in den Anmeldungsunterlagen nicht klar offenbart, und auch den Figuren nicht zu entnehmen, weshalb die Merkmale aus dem Patentanspruch gestrichen werden müssten.

Ich kann nun also im Gegenzug tatsächlich nicht auf die Offenbarung der Prioritätsanmeldung zurückgreifen, in der die fraglichen Merkmale A, B, und C ausführlich erläutert und auch in diversen Figuren erkennbar sind, um den Offenbarungsmangel der EP-Anmeldung zu heilen?

Gruß
Marc
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich kann nun also im Gegenzug tatsächlich nicht auf die Offenbarung der Prioritätsanmeldung zurückgreifen, in der die fraglichen Merkmale A, B, und C ausführlich erläutert und auch in diversen Figuren erkennbar sind, um den Offenbarungsmangel der EP-Anmeldung zu heilen?
Nein, kannst du tatsächlich nicht.

Einzige Ausnahme: Du reichst nach R. 56(3) innerhalb von zwei Monaten nach Anmeldetag diese Passagen nach. Dann behältst du den alten Anmeldetag. Wenn man aber schon in der Prüfung angekommen ist, ist der Zug abgefahren.

So ist das halt: Wer etwas in einer Anmeldung offenbart haben will, muss es in die Anmeldung schreiben.
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Die Priorität an sich dient eben nur dem Zeitrang und nicht der Offenbarung. Es gibt auch die Entscheidung G2/95 der Grossen Beschwerdekammer, in der ein Anmelder versucht hatte, die gesamte Anmeldung aufgrund der Prioritätsunterlagen auszutauschen, als Berichtigungsantrag gemäss R. 88 EPÜ 1973. Die Kammer hatte dieses abgelehnt.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Ok besten Dank euch.

Die Priorität an sich dient eben nur dem Zeitrang und nicht der Offenbarung.

Wenn man aber schon in der Prüfung angekommen ist, ist der Zug abgefahren.

Tja. Dann dürfte die Anmeldung hier im Eimer sein.

Erstanmeldung mit provisorischen aber dafür umfangreichen Unterlagen, im Prioritätsjahr Änderung der "Prioritäten" am tatsächlichen Produkt, dann Nachanmeldung mit ganz anderem technischem Schwerpunkt, wobei der Inhalt der Prioanmeldung vom Verfasser der Nachanmeldung sozusagen in Gedanken mitgelesen (mitgeschrieben), aber eben nicht hingeschrieben wurde.

So ist das halt: Wer etwas in einer Anmeldung offenbart haben will, muss es in die Anmeldung schreiben.
Etwas anderes scheint nur im deutschen Recht hinsichtlich Teilanmeldungen zu gelten, wie neulich herausgearbeitet...

Sorry wenn ich das Ergebnis nochMAHL hinschreibe -- nur weil ich es immer noch kaum glauben kann, es nach der vorliegenden Analyse aber definitiv zuzutreffen scheint.
  • Ein Teilpatent, dessen Gegenstand¹ über den Offenbarungsumfang seiner eigenen Anmeldungsunterlagen oder über seine eigene erteilte Fassung² hinausgeht (jedoch innerhalb der Ursprungsoffenbarung der Stammanmeldung bleibt), ist nach aktueller deutscher Rechtsauffassung rechtsbeständig.
--
¹) nicht: "dessen Schutzbereich"
²) z.B. nach Einspruch oder Nichtigkeitsklage
Gruß
Marc
 
Zuletzt bearbeitet:

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,

nachdem hier einige Zeit vergangen ist, nochmal kurz zur Frage des Offenbarungspools der Nachanmeldung.

Folgender Fall:

Prioanmeldung DE-P offenbart:
A
B
A+B


Anhängige Nachanmeldungen
DE-N
EP
US
CN
TW
JP
...

sowie diverse international anhängige Teilanmeldungen TA offenbaren und beanspruchen:
A

Gibt es (ggf. in irgendeiner Jurisdiktion) noch irgendeine Möglichkeit, A+B in einer der Nach- oder Teilanmeldungen zu beanspruchen?
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Also fürs EPÜ geht es ja z.B. hieraus hervor, dass es im obigen Fall definitiv ausgeschlossen ist, A+B noch in Nach- oder Teilanmeldungen aufzunehmen:
Die Bestimmungen der Regel 56 (3) gelten ausschließlich für die Anmeldephase: so ist es insbesondere nicht zulässig, sich in späteren Verfahrensstadien auf Prioritätsdokumente zu berufen, um die ursprünglich eingereichte Fassung der Anmeldung zu berichtigen oder zu ändern (in Übereinstimmung mit G 3/89 und G 11/91).

Hat jemand vielleicht eine entsprechende Fundstelle seitens DPMA oder BPatG zur Hand?
 
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