EPÜ Übergangsmaßnahmen des EPA vor Inkrafttreten des EPGÜ

cotardious

Vielschreiber
Hallo miteinander,
im Rahmen von Vorbereitungen zum Opt-Out Verfahren sind wir bei den Übergangsmaßnahmen des EPÜ über Unklarheiten gestoßen, die sich für uns einfach nicht auflösen wollen. Ich hoffe jemand kann da etwas Licht in die Sache bringen :) Falls nein, dann hoffe ich wenigstens, dass es für euch auch relevant ist!

Man unterscheidet zwischen dem "Frühen Antrag auf einheitliche Wirkung" und dem "Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents".
Zu beachten ist, folgender Satz aus der Mitteilung des EPA bzgl. des frühen Antrags:
Es wird daran erinnert, dass das EPA die einheitliche Wirkung nur für europäische Patente eintragen kann, die an oder nach dem Tag des Geltungsbeginns der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 erteilt werden. (Aus ABl, EPA 2022, A 105).

Nehmen wir an unser Mandant hat eine 71(3) Mitteilung erhalten und möchte unbedingt die einheitliche Wirkung beantragen. Bei zwei Konstellationen gibt es dabei mE nach Probleme.

(Hinweis: Auf Wochenend- und Feiertage achte ich im Folgenden nicht und die 10-Tage-Regel vernachlässige ich auch)

Fall 1: 71(3) Mitteilung geht ein am 02.10.22, alle Erfordernisse werden bis zum 2.2.23 erfüllt und innerhalb dieser 4 Monate wird ein "früher Antrag auf einheitliche Wirkung" gestellt. Die Erteilung erfolgt am 2.3.23.
Jetzt haben wir den Fall, dass das Patent erteilt wurde vor Inkrafttreten des EPGÜ am (voraussichtlich) 1.6.23.
Fragen: Was passiert nun? Wird das Patent in der Übergangsphase (2.3.23 - 31.5.23) wie ein "normales" europäisches Patent behandelt und ab Inkrafttreten des EPGÜ automatisch als ein Einheitspatent im Register eingetragen? Oder verliert der "frühe Antrag" seine Funktion, da das Patent erteilt ist und ich habe "nur" ein "normales" europäisches Patent?
Das Beispiel 1 des EPA (https://www.epo.org/applying/europe...itional-arrangements-for-early-uptake_de.html) zeigt lediglich den Fall, wie es wäre, wenn alle Erfordernisse zum 26.5.23 erfüllt werden, also ein paar Tage vor Inkrafttreten des EPGÜ und bevor es zur Erteilung kommt.

Fall 2a: 71(3) Mitteilung geht ein am 02.1.23. Die 4 Monatsfrist endet also am 2.5.23. Der Mandant möchte das Patent so schnell es geht zur Erteilung bringen und einheitliche Wirkung haben. Am 4.1.23 sind alle Erfordernisse der 71(3)-Mitteilung erfüllt und ein "früher Antrag" gestellt worden. Es kommt zur Erteilung am 4.2.23.
Hier stellen sich die gleichen Fragen wie oben.

Fall 2b: 71(3) Mitteilung geht ein am 02.1.23. Die 4 Monatsfrist endet also am 2.5.23. Alle Erfordernisse werden bis zum 2.5.23 erfüllt und ein "früher Antrag" gestellt. Das EPA arbeitet nun besonders schnell und am 25.5. kommt es zur Erteilung.
Fragen: Was nun? Verliert der frühe Antrag seine Wirkung? Falls ja, könnte es sein, dass man die 1-Monats-Frist nutzen könnte, um den "normalen" Antrag auf einheitliche Wirkung zu stellen. Aber: Beginnt diese Frist vor Inkrafttreten des EPGÜ oder erst am 1.6.23?

Bei allen Fällen: Ist eine Kombination mit dem "Antrag auf Verschiebung" möglich? Ausdrücklich erlaubt wird es mE nirgends, aber eben auch nicht ausgeschlossen. Dann wäre der "frühe Antrag" wirksam, da es zu einer Erteilung gar nicht erst vor Inkrafttreten des EPGÜ kommen würde. Geht das aus irgendwas hervor? Übersehen wir etwas?

Danke im Voraus und LG
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Also, zunächst einmal: Wenn vor dem 1.6. erteilt wird, gibt es keine einheitliche Wirkung. Egal wann man was beantragt hat. In Fall 1 und Fall 2a kriegt man kein Einheitspatent. Nicht jetzt, und auch nicht später.

Der frühe Antrag auf einheitliche Wirkung ist daher nur im Zusammenhang mit dem Antrag auf Verschiebung der Erteilung sinnvoll. Der Zweck ist, das EPA zu entlasten: Es wird erwartet, dass viele Anträge auf Verschiebung gestellt werden. Diese Patente werden dann alle in einem großen Schwung Anfang Juni erteilt. Für alle diese Anmelder liefe dann die 1-Monats-Frist zum Beantragen der einheitlichen Wirkung parallel und gleichzeitig aus. Konsequenz: Das EPA würde Ende Juni / Anfang Juli mit einer Flut von Anträgen und Übersetzungen überschwemmt, die geprüft werden müssen. Sehr unangenehm.

Also wird die Möglichkeit geschaffen, den Antrag auf einheitliche Wirkung schon mal "vorab" stellen und prüfen lassen zu können, bevor das Patent überhaupt erteilt ist. Auch Mängel können vorab beseitigt werden. Wenn dann im Juni das Abkommen in Kraft tritt, kann das EPA erteilen und sofort die einheitliche Wirkung eintragen, da der Antrag ja schon geprüft und genehmigungsreif auf Halde liegt.
 

NiceGuyEddie

BRONZE - Mitglied
Ich stimme meinem Vor-Poster zu: kommt es zu einer Erteilung vor Inkrafttreten des UPCA (wann auch immer das sein wird, aktuell geplant: 1. Juni), dann kann unter keinen Umständen einheitliche Wirkung erlangt werden.

Eines Kollegen LinkedIn-Posts zufolge äußerte sich das EPA ihm gegenüber zur Kombination "Verschiebungs-" und "Frühe Wirkungs-" Anträgen. Im Zweifel immer beide Anträge kombinieren so der Kollege.

https://www.linkedin.com/posts/matt...HQ?utm_source=share&utm_medium=member_desktop

Fall 1: ja, der frühere Antrag ist wirkungslos
Fall 2a: ja, der frühere Antrag ist wirkungslos
Fall 2b: das EPA nennt den 2. Mai als Cut-off Tag, vgl. Beispiel 1 des EPA Link: https://www.epo.org/applying/europe...gements-for-early-uptake/figure-1-en-big.jpeg
Werden R. 71(3) Erfordernisse am 2. Mai erfüllt, wird die Erteilung erst am 7. Juni veröffentlicht.

Gedankenspiel: könnte man es trotz beider Anträge versemmeln?
Ja klar, kaputt kriegt man alles. Beispielsweise so:

Achtung, falscher Weg!!
  1. Antrag auf "Frühe Wirkung" gestellt
  2. R. 71(3) Erfordernisse vor dem 2. Mai erfüllt
  3. Antrag auf "Verzögerung" gestellt
Achtung, falscher Weg!!

Antrag auf Verzögerung gilt in diesem Fall als nicht gestellt, weil Antrag nur wirksam gestellt werden kann für EPAn, bei denen dem Anmelder die für die Erteilung vorgesehene Fassung durch eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ mitgeteilt wurde, er sich aber noch nicht mit dieser Fassung einverstanden erklärt hat

Artikel 1 Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 11. November 2022 über die bevorstehende Einführung des einheitlichen Patents und die Möglichkeit, in Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ eine Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents zu beantragen

https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/official-journal/2022/11/a102_de.html
 
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