Hallo Hans35
Wir sprechen wohl immer noch etwas aneinander vorbei (und unsere Logikausbildung scheint unterschiedlich gelaufen zu sein
). Wogegen ich mich wehre, ist deine Aussage am Anfang „dann und nur dann“. Aber auch das wäre noch kein Grund für mich, weil nicht jeder hat meine (gute oder schlechte, völlig egal) Logikausbildung. Wenn es aber noch an eine abwertende Äußerung („Trägheit“) über die, die deine (für mich falsche) Logik nicht nachvollziehen und danach handeln, gekoppelt ist, dann kann ich mich nicht zurückhalten dagegen zu argumentieren, da du mit der Aussage von dir eine Abwertung einer Gruppe vollziehst, der ich auch angehöre. Soviel als Vorbemerkung.
Deine Aussage „dann und nur dann“ zusammen mit der Aussage, dass Beweisanzeichen nicht zu berücksichtigen wären, entspricht der Aussage, dass die erfinderische Tätigkeit nur nachweisbar ist, wenn man über „nicht naheliegend“ argumentiert und keine andere Argumentationsmöglichkeiten zugelassen wären. Das steht aber nicht im Gesetz. Im Gesetz steht nur, dass aus „nicht naheliegen“ folgt, dass etwas erfinderisch ist. Als einfaches Beispiel vielleicht: Die Gesetzesformulierung entspricht logisch der Aussage: Das Ergebnis einer Addition ist 4 (entspricht dem erfinderisch), wenn die zwei Summanden 2 und 2 (entspricht dem nicht naheliegend) sind. Daraus kann ich doch aber nicht ableiten, dass ein Ergebnis einer Addition dann und nur dann gleich 4 ist, wenn die Summanden 2 und 2 sind. 1 und 3 gibt doch auch 4
. Aber wegen der Gesetzesformulierung kann das Amt natürlich nicht eine Anmeldung zurückweisen, wenn du ein „nicht naheliegen“ beweisen würdest, weil „gilt“ eine nicht widerlegbare gesetzliche Fiktion (aber keine Definition) ist. Jetzt taucht aber erkenntnistheoretisch das Problem auf, dass du dabei ein negatives Merkmal beweisen müsstest, da „nicht naheliegend“ eine Verneinung ist, und ein „natürliches Verständnis“ (was sich bei den Menschen aber auch unterscheiden kann) nur für „naheliegend“ (es gab Hinweise/Anregungen) vorhanden ist. Solche negativen Merkmale sind logisch aber (in nicht abgeschlossenen Systemen) grundsätzlich gar nicht zu beweisen. Logisch geht hier nur etwas Positives zu beweisen. Als Beispiel wieder: du kannst faktisch nicht nachweisen, dass es auf der Welt (in dem Sinne nicht abgeschlossen, weil für dich nicht auf einmal „übersehbar“) keine Dinosaurier gibt. Du könntest nur beweisen, dass es einen gibt, indem du ihn vorweist (positiv) oder, dass es in deiner Wohnung (abgeschlossenes System, weil „überschaubar“ für dich) keinen gibt. Man argumentiert logisch in einer Erwiderung gegen die Behauptung, dass etwas naheliegend wäre, indem man die Behauptung falsifiziert und kann dann womöglich sagen, dass die Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem zitierten Stand der Technik beruht (damit abgeschlossenes System). Der prinzipielle Unterschied zwischen der Argumentation über „nicht naheliegend“ und über die Beweisanzeichen ist, dass die Beweisanzeichen positive Merkmale betreffen, d.h. ich kann die beweisen. Es ist möglich nachzuweisen, dass andere etwas kopieren, dass ich einen unheimlichen Gewinn mache usw..
Man wählt als Patentanwalt in meinen Augen sinnvoller Weise die Möglichkeit zur Argumentation, die man vernünftig einsetzen kann. Wenn ich den Nachweis des „Erfolges“ führen kann (und der Mandant das überhaupt will, weil manche Mandanten wollen ja auch nichts in Richtung ihrer Geschäftszahlen veröffentlichen) dann setzt man natürlich auch die positive Argumentationslinie, des „Erfolgs“ der Erfindung ein. Wobei man die „Zahlen“ ja während der Prüfung und auch noch während des Einspruchsverfahrens oft noch gar nicht hat (was wohl auch ein Grund sein dürfte, warum die eher seltener im Prüfungsverfahren und Einspruchsverfahren und wenn, eher in der Nichtigkeit kommen dürften). Und wie von anderen auch schon gesagt, die Argumentation der Beweisanzeichen fügt sich doch hervorragend in ein „nicht-naheliegen“ ein, weil „naheliegen“ nach natürlichen Wortverständnis, eher unwahrscheinlich ist, wenn niemand es gemacht hat, obwohl es viel Geld bringt, obwohl es ein langes Bedürfnis gab, obwohl es jetzt von allen gleich kopiert wird usw..
Hinsichtlich deiner Nachfrage im letzten Post noch der Hinweis. Bist du dir sicher, dass denn alle (gut ausgebildeten) Leute das gleiche Maß dafür haben, was „ausreichende Anregungen“ bzw. „nicht ausreichende Anregungen“ sind bzw. dass es da ein richtiges Maß gibt? Hast du irgendwo ein Verfahren beigebracht bekommen, den Grad der Anregung in ein hierarchisches System einzuordnen, wo du dann eine Grenze zwischen „noch nicht ausreichend“ und „gerade ausreichend“ ziehen kannst?
Hinsichtlich der 99% bist du da der Meinung, dass die 99% quantitativ optimistisch sind, also es vielleicht auch nur 90% oder 80% sein können, aber eigentlich alle Leute zu dem gleichen Ergebnis kommen sollten und es nur an deren schlechten Ausbildung liegt, dass die nicht zu dem gleichen „richtigen“ Ergebnis kommen oder „qualitativ“ optimistisch, das heißt, dass selbst bei guter Ausbildung Leute zu unterschiedlichen Ansichten kommen können, du dir aber wünscht, dass sie alle zu dem gleichen Ergebnis kommen (d.h. du dir wünscht, dass die Welt so wäre)? Wenn du das im ersten Sinne meintest, dass (jetzt noch) nicht alle zum gleichen Ergebnis kommen, das aber mit guter/besserer Ausbildung zu beheben wäre, dann widerspreche ich dir. Das geht schon alleine aus dem oben angedeuteten Grund, dass es (zumindest meines Wissens) dieses hierarchische System bzw. die entsprechende Ordnungsvorschrift und damit die festlegbare Grenze zwischen „noch nicht“ und „gerade“ ausreichend nicht gibt. Anders ausgedrückt, du wirst leider damit leben müssen, dass es immer unterschiedliche Meinungen geben wird, welche nicht durch „Mandantenfärbung“ verursacht sind (schon alleine aus den genannten Gründen), und dass du es nicht einfach auf die schlechte Ausbildung der anderen schieben kannst. Ich frage mich auch immer woran man sicher erkennen kann, dass die anderen und nicht ich selber die schlechte Ausbildung genossen habe
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