EPÜ Technizität und unterbrochene technische Kette

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hi Forum,

Der Patentanspruch laute wie folgt:

System mit den Merkmalen ABC, wobei A eine elektrische Nudelmaschine, B eine rote Lampe zur Alarmierung eines Nutzers nach Nudeldurchlauf, und C ein Schlüsselschalter zur Abschaltung der Nudelmaschine durch den Nutzer ist, wenn dieser die rote Lampe bemerkt.

Die Nudelmaschine sei aus dem SdT bekannt, nicht jedoch die Alarmlampe und der Schlüsselschalter.

Prüfer meint,
1.) der Nutzereingriff unterbricht die technische Kette, und daher ist der gesamte Anspruch nicht technisch (gemäß der Entscheidungen T1741/08 und T 1670/07).

2.) Außerdem sei die Abschaltung der Nudelmaschine nach Durchlauf "nur eine Maßnahme zur Energieeinsparung", weshalb die Aufgabe (Energieersparnis) nicht technisch, sondern "nur wirtschaftlich" sei. Da demnach kein technisches sondern ein ökonomisches Problem vorliege, seien die (zwar neuen und technischen) Unterschiedsmerkmale (Alarmlampe, Schlüsselschalter) auch nicht erfinderisch.

Jedenfalls das zweite Argument, das offenbar irgendwie das Thema "nicht patentierbare Geschäftsmethode" heranziehen will, ist wohl nicht stichhaltig.

Wie sieht es aber mit der ersten Prüferbemängelung aus -- kann der Patentanspruch so geändert werden, dass er wieder technisch wird? Muss der Patentanspruch womöglich geändert werden wie folgt, durch Streichung des Nutzereingriffs sowie aller mit dem Nutzereingriff verbundener Merkmale (hier Schlüsselschalter), um die Technizität zu erfüllen:

System mit den Merkmalen AB, wobei A eine elektrische Nudelmaschine und B eine rote Lampe zur Alarmierung eines Nutzers nach erfolgtem Nudeldurchlauf ist.

Danke für Meinungen,
Marc
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Ich habe jetzt nicht die angeführten Entscheidungen und die sonstige Literatur im Detail studiert, aber ich halte die die Ausführungen des Prüfers zu 1. (zu 2. sowieso) schlicht für derartigen Quatsch, dass es mir schwerfällt, dazu etwas zu sagen.

Zunächst einmal geht es in den angeführten Entscheidungen zur "Unterbrechung einer technischen Kette" um Verfahrensansprüche, nicht wie hier um einen System- und damit um einen Vorrichtungsanspruch. Eine "technische Kette" kann aber, so wie die Entscheidungen auf den ersten Blick begründet zu sein scheinen, nur durch eine nicht-technische Handlung unterbrochen werden, die wiederrum nur bei einem Verfahren, nicht aber bei einem Systemanspruch relevant sein kann. Ein Systemanspruch ist schließlich auf die Vorrichtung an sich und damit auf räumlich-körperliche Merkmale gerichtet.

Eine Nudelmaschine mit Warnlampe und Schlüsselschalter ist per se technischer Natur. Daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Man kann sicherlich darüber streiten, welches objektive technische Problem sich stellt und welche Aufgabe der Erfindung zugrunde liegt und ob das Ganze dann neu und erfinderisch ist. Jede elektrische Nudelmaschine (annähernd jedes elektrische Grät) wird einen An/Aus-Schalter haben. Und derartige Küchengeräte haben auch oft Warnlampen, die etwas anzeigen, wenn das, was damit zubereitet wird, fertig ist und sich dann ggf. sogar automatisch abschalten (man denke an Waffeleisen, die Lampen haben, die an- oder ausgehen, wenn die Waffel fertig ist, oder an Toaster). Aber hier mit fehlender Technizität des ganzen Anspruchs zu kommen, ist schlicht Blödsinn.

Der Prüfer kann die fehlende Technizität des Anspruchs im Ganzen nicht bemängeln (weil schon eine Nudelmaschine derartig eindeutig per se technisch ist, dass das offensichtlich nicht möglich ist). Er kann höchstens die technische Wirkung eines bestimmten Merkmals verneinen und dieses dann bei der Beurteilung von Neuheit und Erfindungshöhe außer Acht lassen. Aber ich kann kein kein nicht-technisches Merkmal erkennen. Nicht technisch könnte - wenn überhaupt - das implizierte Merkmal (die Zweckbestimmung) sein, dass der Nutzer, wenn er die Lampe bemerkt, die Maschine ausschalten kann. Aber selbst hier gilt das nur, wenn man dieses Merkmal bzw. diese Zweckbestimmung isoliert betrachtet und nicht in den technischen Gesamtzusammenhang setzt. Denn dann ist das Merkmal insoweit technisch, als dass es zusammen mit der Überlegung, unter welcher Bedingung und zu welchem Zweck denn die Lampe angehen soll, eine technische Funktionalität beschreibt (Lampe und damit deren Ansteuerung ist derart eingerichtet, dass sie nach Nudeldurchlauf angeht (also nicht beliebig), so dass dem Nutzer angezeigt wird, dass der Arbeitsschritt beendet ist und die Maschine nun ausgeschaltet werden kann). Das ist zwar ein breites und funktionales (und wahrscheinlich naheliegendes) Merkmal, aber trotzdem nicht nicht-technisch.

Ich würde den Anspruch einfach so verteidigen, wie er ist. Dein Vorschlag zur Anspruchsänderung ist im Grunde auch ok und vielleicht im patentrechtlichen Sinne "sauberer", aber er sollte eigentlich nicht als notwendig erachtet werden.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
OK besten Dank Dir für Deine Stellungnahme.

Der EPO- Ansatz aus den beiden oben genannten Entscheidungen mit der "broken technical chain fallacy" geht wohl so, dass eine bereits per se nichttechnische Darstellung von Informationen nicht dadurch technisch gemacht werden kann, dass ein User diese Information betrachtet und daraufhin einen durchaus technischen Prozess in Gang setzt (Schalterbetätigung).

Gerade die Unterbrechung (broken technical chain) durch den Nutzereingriff macht in diesem Fall den Gesamtanspruch nicht technisch.

Wie von Dir richtigerweise ausgeführt, kann dieser Ansatz aber wohl allenfalls auf Verfahrensansprüche angewendet werden. Insofern ist der eingangs angegebene Vorrichtungsanspruch bezüglich Technizität (+) wohl schon auf der sicheren Seite.

Wie sieht es aber mit dem vorliegend ebenfalls vorhandenen Verfahrensanspruch aus, der laute wie folgt:

Verfahren zur energiesparenden Steuerung einer elektrischen Nudelmaschine ABC
mit den Verfahrensschritten 123,
wobei in einem ersten Schritt 1 nach Nudeldurchlauf eine rote Lampe B aufleuchtet,
wodurch in einem nächsten Schritt 2 ein User alarmiert wird,
welcher in einem weiteren Schritt 3 einen Schlüsselschalter C zur Abschaltung der Nudelmaschine betätigen kann.


Müsste man in diesem Fall nicht mit der Entscheidung T 1000/09 (Vehicle monitoring/BOEING -- wo es um die Anzeige des Störungszustands eines Fahrzeugs geht) zu dem Schluss kommen:

"Schlussendlich dient die aufleuchtende rote Lampe nur der Wiedergabe einer Information für den Benutzer, der dann über geeignete technische Maßnahmen (Störungsbeseitigung, Schalterbetätigung) entscheidet. Der kognitive Inhalt der Informationsanzeige ist jedoch keine technische Eigenschaft, und dieselbe wird auch nicht dadurch technisch, dass die Anzeige den Benutzer zum Starten einer technischen Aktion auffordert ("broken technical chain fallacy" nach T1741/08 und T 1670/07)."
[Sinngemäß nach T 1000/09]

Müsste also zumindest der Verfahrensanspruch wohl umformuliert werden wie folgt:

Verfahren zur energiesparenden Steuerung einer elektrischen Nudelmaschine A mit einer roten Lampe B zur Alarmierung eines Users nach Nudeldurchlauf, sowie mit einem Schlüsselschalter C zur Abschaltung der Nudelmaschine durch den User,
mit dem Verfahrensschritt 1, in welchem nach Nudeldurchlauf die rote Lampe B aufleuchtet.


Oder ist das auch wieder nur eine "Wiedergabe von Informationen" und damit nicht patentfähig?

Die RiLi schreiben hierzu allerdings folgendes:
Im Bereich der automatisierten Systeme und insbesondere der Computer wird das optische Anzeigen eines automatisch erfassten Ereignisses, das im System selbst auftritt, um eine menschliche Interaktion mit dem System hervorzurufen, z. B. zur Verhinderung einer technischen Fehlfunktion, in der Regel als technischer Beitrag betrachtet. Eine optische Anzeige, die ausschließlich auf die mentalen Aktivitäten des Betrachters und insbesondere auf die Vorbereitung der relevanten Daten für einen nichttechnischen Entscheidungsfindungsprozess durch den Nutzer als Endadressat ausgerichtet ist, wird dagegen normalerweise nicht als technischer Beitrag betrachtet (T 756/06).

Hier wird also doch wieder auf die nachfolgende Art der Nutzeraktivität abgestellt, welche die Anzeige entweder technisch macht oder eben nicht -- damit ein Widerspruch zum eingangs genannten "broken technical chain fallacy"-Prinzip, nach dem alleine schon der dazwischenliegende Nutzereingriff die Technizität ausschließt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich habe das so verstanden, dass das "technical chain"-Erfordernis sich sehr wohl auf Vorrichtungsansprüche bezieht. Man kann mit dem Argument einer "technischen Kette" ein an sich nicht-technisches Merkmal "technisch machen", wenn dieses Merkmal trotzdem durch eine ununterbrochene technische Kette ein technisches Problem löst. Wie von Fip ausgeführt, brauchst du das hier nicht, da alle deine Merkmale technisch sind (ausgenommen vielleicht des Merkmals, dass die Lampe "rot" ist. Sie könnte ja auch blau oder gelb sein, die rote Farbe löst kein technisches Problem).

In den Ausgangsfällen dieser BoA-Entscheidungen war es anders, weil es gerade auf das an sich nicht-technische Merkmal (Anordnung der Icons auf dem Display) ankam. Weder das Display noch das Telefon noch die Elektronik waren ja an sich neu oder erfinderisch. Sollte also die rote Farbe der Lampe nicht das Merkmal sein, auf das du deinen erfinderischen Schritt aufbauen willst, dann spielt diese Rechtsprechung für dich keine Rolle.

Den Schalter würde ich keinesfalls aus dem Anspruch werfen. Der ist eindeutig technisch und laut deinen Ausführungen nicht offenbart. Wenn du ihn rauswirfst, hast du ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal weniger zum Stand der Technik.

Was deinen theoretischen Verfahrensanspruch angeht, ist der für mich eindeutig technisch, da gibt es überhaupt keine Probleme. Nirgendwo steht geschrieben, dass Verfahrensschritte eines patentierten Verfahrens nicht von einem Menschen ausgeführt werden dürfen, oder dass Verfahren, die von Menschen ausgeführt werden, nicht patentierbar sind. Ich würde das so formulieren:

Verfahren zur energiesparenden Steuerung einer elektrischen Nudelmaschine ABC
mit den Verfahrensschritten 12,
wobei in einem ersten Schritt 1 ein Nudeldurchlauf bis zum Aufleuchten einer roten Lampe B durchgeführt wird,
und in einem weiteren Schritt 2 nach Aufleuchten der roten Lampe ein Schlüsselschalter C zur Abschaltung der Nudelmaschine betätigt wird.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Super Devi – das bricht die Denkblockade!

Bei den eingangs bezeichneten "technical chain"-Entscheidungen (egal ob Verfahren oder Vorrichtung) ist es ja tatsächlich so, dass der jeweilige Anmelder versucht hat, einen von vorneherein sehr nichttechnischen Anspruchsgegenstand (Wiedergabe von Informationen, GUI-Gestaltung) dadurch technisch zu machen, dass ein User auf diese Informationen blickt und daraus einen Nutzen zieht, der dann irgendwie als "technisch" hingebogen wird.

Vorliegend greift das vom Prüfer entgegengehaltene "technical chain"-Argument somit keineswegs, denn der Anspruchsgegenstand (Nudelmaschine, Lampe, Schalter) ist ja von sich aus bereits klar technisch. Und wie Du völlig richtig ausführst, ist es bei einem Verfahren hinsichtlich der Frage der Patentierbarkeit egal, ob Verfahrensschritte manuell oder maschinell ausgeführt werden.

Dass auch das zweite Argument des Prüfers abstrus ist, ist klar:

2.) Außerdem sei die Abschaltung der Nudelmaschine nach Durchlauf "nur eine Maßnahme zur Energieeinsparung", weshalb die Aufgabe (Energieersparnis) nicht technisch, sondern "nur wirtschaftlich" sei. Da demnach kein technisches sondern ein ökonomisches Problem vorliege, seien die (zwar neuen und technischen) Unterschiedsmerkmale (Alarmlampe, Schlüsselschalter) auch nicht erfinderisch.

Nur wie sieht eine diesbezügliche Argumentation aus? Aus meiner Sicht könnte angeführt werden, dass keine Vorschrift des EPÜ existiert, nach der "nur wirtschaftlich nützliche" Erfindungen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind.

Denn eine "Regel für eine geschäftliche Tätigkeit", worauf der Prüfer hier offenbar hinaus wollte, kann in einem Abschaltverfahren für eine Maschine wohl kaum gesehen werden.

Grüße
Marc
 

Fip

*** KT-HERO ***
Die Argumentation liegt doch auf der Hand: Energie einzusparen ist von vorne herein ein technisches Problem! Der Prüfer liegt doch hier eindeutig falsch. Energieeinsparung soll keine technische Problemstellungen sein? Sorry, aber das ist schlicht Quatsch. Das ist eine DER technischen Problemstellungen unserer Zeit.

Patentrechtlich interresant bei Dir ist natürlich, dass die Energieeinsparung nicht dadurch erfolgt, dass die Nudelmaschine auf sich selbst einwirkt (sich selbst abschaltet), sondern nur mittelbar dadurch, dass die Vorrichtung ein Signalmittel erhält, anhand dessen der Nutzer angeregt wird, die Nudelmaschine auszuschalten und somit den Energieverbrauch abzustellen. Trotzdem bleibt es ein technisches Problem mit einer technischen Maßnahme zu dessen Lösung, nämlich die Ausstattung der Maschine mit einem Signalmittel, dessen Funktion technisch an den Zustand des Bearbeitungsprozesses gekoppelt ist. Dass die "Umsetzung" der Problemlösung, also das tatsächliche Abschalten der Maschine, durch den Nutzer unter Zwischenschaltung geistiger Verstandestätigkeit vollzogen werden muss, ändert meiner Überzeugung nichts daran, dass der Anspruch insgesamt technisch bleibt. Allein die zwischengeschaltete geistige Verständestätigkeit "rote Lampe" => "ich schalte ab" mag man als nicht-technisch ansehen. Aber das ändert nichts daran, dass der Anspruch insgesamt dadurch nicht seine Technizität einbüßen kann.
 
Oben