Neuheitsschädlichkeit der Prio-Anmeldung

Strebergarten

BRONZE - Mitglied
Servus!

Ich komme ja bis jetzt eigentlich ganz gut mit, aber ein Thema kapiere ich einfach nicht so ganz. Und zwar geht es um Priorität und Neuheitsschädlichkeit nachveröffentlichter Dokumente, ggf. auch der eigenen Voranmeldung.

Vielleicht mal ein Beispiel:

Anmeldung DE 1, Merkmale A und/oder B

Nach 6 Monate: Anmeldung DE 2, Merkmale A und/oder B, zusätzlich C in optionaler Kombination dazu und weitere Ausführungsbeispiele, Beanspruchung Priorität von Anmeldung DE 1

Nach 11 Monaten gerechnet von DE1: Anmeldung EP 1, im Prinzip wie DE 2, noch ein paar optionale Merkmale (D-F), Beanspruchung Priorität von Anmeldung DE 1 und DE 2

Im Prinzip alles ganz einfach, nur:
Im Einspruchsverfahren der EP 1 beruft sich der Einsprechende auf folgendes:
1. Neuheitsschädliche Veröffentlichung X1 der Merkmale A und B, 8 Monate nach DE 1
2. Unvollständige Offenbarung der Erfindung in DE 1 (nicht nacharbeitbar, weil Ausführungsbeispiel wiederholt nicht zum behaupteten Ergebnis führt, wobei DE 2 ein weiteres Ausführungsbeispiel offenbart, welches erfolgreich nacharbeitbar ist)
3. Aufgrund von Punkt 2 könne DE2 nicht wirksam die Priorität von DE 1 beanspruchen, weshalb DE 1 als nachveröffentlichter St.d.T neuheitsschädlich gegenüber DE 2 sei
4. Aufgrund Punkt 3 fehle auch die Grundlage für den Prioritätsanspruch von EP 1, womit Ep 1 gegenüber X1 nicht mehr neu sei, und somit nicht erteilt werden könne (zumindest nicht ohne Merkmal C im Hauptanspruch).

Kommt der Einsprechende damit durch, oder nimmt die nachveröffentlichte DE 1 die Neuheit nur für DE weg, so dass EP 1 für alle europäischen Staaten außer DE mit nur A und/oder B erteilt werden könnte?

Grüßle
Peter
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Hallo Strebergarten,

Nach 6 Monate: Anmeldung DE 2, Merkmale A und/oder B, zusätzlich C in optionaler Kombination dazu und weitere Ausführungsbeispiele, Beanspruchung Priorität von Anmeldung DE 1

Du nimmst also die innere Priorität in Anspruch.

3. Aufgrund von Punkt 2 könne DE2 nicht wirksam die Priorität von DE 1 beanspruchen, weshalb DE 1 als nachveröffentlichter St.d.T neuheitsschädlich gegenüber DE 2 sei

Wenn Du mit der DE 2 die innere Priorität der DE 1 in Anspruch genommen hast, gilt die DE 1 als zurückgenommen (§40V). Die DE 1 wird dann auch nicht veröffentlicht, kann folglich gar keinen nachveröffentlichten StdT darstellen. Oder?

Kratos
 
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ip_kandidat

GOLD - Mitglied
Wie Kratos bereits ausführt, kann DE1 kein nachveröffentlichter SdT für DE2 sein, da DE1 wegen innerer Prio als zurückgenommen gilt. Selbst wenn DE1 versehentlich doch veröffentlich werden sollte, bildet diese Veröffentlichung keinen nachveröffentlichten SdT (für EPÜ siehe RiLi C-IV-7.1.1).

3. Aufgrund von Punkt 2 könne DE2 nicht wirksam die Priorität von DE 1 beanspruchen, weshalb DE 1 als nachveröffentlichter St.d.T neuheitsschädlich gegenüber DE 2 sei

Selbst wenn DE1 vorveröffentlicht sein sollte, kann dies im Ergebnis auch nicht richtig sein:

Wenn DE2 nicht wirksam die Priorität von DE1 beansprucht, dann deswegen, da sich der Gegenstand in DE2 nicht unmittelbar und eindeutig unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens aus DE1 ergibt. Wenn sich der Gegenstand der DE2 aber nicht unmittelbar und eindeutig unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens aus DE1 ergibt, kann DE1 auch nicht neuheitsschädlich sein.
 
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Kratos

*** KT-HERO ***
Wie Kratos bereits ausführt, kann DE1 kein nachveröffentlichter SdT für DE2 sein, da DE1 wegen innerer Prio als zurückgenommen gilt. Selbst wenn DE1 versehentlich doch veröffentlich werden sollte, bildet diese Veröffentlichung keinen nachveröffentlichten SdT (für EPÜ siehe RiLi C-IV-7.1.1).

Richtig, das gilt in Deutschland entsprechend (BPatGE 33,171). Unter der Veröffentlichung ist hier im Übrigen die Offenlegung durch das Patentamt zu verstehen, nicht jedwede zufällige Veröffentlichung auf anderem Wege. Wenn das Patentamt die DE1 veröffentlicht (nach 18 Monaten), wurde bereits die innere Priorität der DE1 beansprucht, so dass die DE1 noch vor deren Veröffentlichung (Offenlegung) durch das Amt als zurückgenommen gilt. Daher ist eine wesentliche Voraussetzung für nachveröffentlichten StdT nicht gegeben, nämlich die Anhängigkeit der Anmeldung DE1 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Kratos
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo,
wenn das ein wirklicher Einspruch ist, hinkt die Argumentation des Einsprechenden an allen Ecken und Enden. Zusätzlich zu dem bisherig gesagten, ist zu beachten, dass eine deutsche Patentanmeldung NIE Stand der Technik gemäß Art 54(3) EPÜ werden kann, da sie keine europäische Patentanmeldung ist.
Ferner ist zu beachten, dass die EP1 in dem beschrieben Fall die Priorität der DE2 wirksam in Anspruch nimmt ;-). Da einerseits argumentiert wird, dass die DE2 die Priorität der DE1 nicht wirksam in Anspruch nehmen kann (mangelnde Offenbarung), stellt die DE2 die erste erste Hinterlegung auch der Merkmale A und/oder B dar. Somit erhält der Anmelder für die DE2 ein Prioritätsrecht für diese Merkmale. Da die DE2 aber 2 Monate vor der Veröffentlichung der X1 hinterlegt wurde, stellt die X1 auch kein Stand der Technik für die "Merkmale A und/oder B, zusätzlich C in optionaler Kombination dazu" dar.
Also es hinkt heftigst in der Argumentation ;-).
 

upupa

GOLD - Mitglied
Ich seh's so:

Wenn Gegenstand der DE1 ausführbar, dann:
Priobeanspruchung der EP1 auf die DE1 wirksam für A und/oder B und damit X1 kein SdT.

Wenn Gegenstand der DE1 nicht ausführbar, dann:
Jedenfalls Priobeanspruchung der EP1 auf die DE2 wirksam für A und/oder B und damit X1 weiterhin kein SdT, da X1 ja erst nach Einreichung von DE2 veröffentlicht wurde. DE1 dann auch kein SdT nach 54(3), weil keine EP Anmeldung (siehe PatFragen).
 
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Strebergarten

BRONZE - Mitglied
Servus!

Da bin ich jetzt schon ein bissel schlauer. Danke!

Dann wäre die Einspruchsbegründung also Buschgetrommel.

Wenn X1 jetzt 4 Monate früher veröffentlicht worden wäre, dann würde es anders aussehen, stimmts?

Oder wenn D2 gleich als EP1 angemeldet worden wäre (also keine innere Prio) und D1 bis zur Veröffentlichung weitergelaufen wäre.


Ich hab aber noch drei Sachen, bei dem ich ein bissel strauchle:

1. Wenn man im Laufe des Priojahres immer wieder technische Verbesserungen anmeldet, anfangs noch ein paar in DE, dann die weiteren Anmeldungen als EP, muss man dann, insbesondere bei den EP Anmeldungen jedes Mal die Prios aller vorherigen DE und auch EP Anmeldungen angeben (das wäre glaub ich keine Kettenprio, weil man ja immer wieder nur die Prio der neu dazu gekommenen Merkmale beansprucht)?
Oder reicht es, wenn man dann vor Ablauf des Priojahres die PCT einreicht, und darin die Prio von allen vorherigen Anmeldungen beansprucht?

2. Wenn man eine DE oder EP nur einreicht, um später ihre Prio zu beanspruchen, muss man dann eigentlich die Zusammenfassung nachreichen, wenn man dazu aufgefordert wird, oder ist das unnötig, weil die Prio begründet ist, auch wenn die Anmeldung als zurückgenommen gilt?

3. Und wie sieht es mit der Einreichung oder Nachreichung von Recherchenergebnissen aus (Regel 141(1)), wenn eine der DE Anmeldungen mit Recherchenentrag war, und ein Recherchenbericht ergangen ist?
Kann man das auch bleiben lassen, wenn man nur eine weitere Priobegründende Anmeldung einreichen will, oder muss man auch dann zwingend die Recherchenergebnisse einreichen?

Grüßle
Peter
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
2. Wenn man eine DE oder EP nur einreicht, um später ihre Prio zu beanspruchen, muss man dann eigentlich die Zusammenfassung nachreichen, wenn man dazu aufgefordert wird, oder ist das unnötig, weil die Prio begründet ist, auch wenn die Anmeldung als zurückgenommen gilt?

Für EP gibt Art. 87(3) EPÜ die Antwort:

"A regular national filing shall mean any filing that is sufficient to establish the date on which the application was filed, whatever the outcome of the application may be."

Du brauchst nur den Anmeldetag, was du danach mit der Anmeldung gemacht hast, ist egal.
 
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pak

*** KT-HERO ***
1. Wenn man im Laufe des Priojahres immer wieder technische Verbesserungen anmeldet, anfangs noch ein paar in DE, dann die weiteren Anmeldungen als EP, muss man dann, insbesondere bei den EP Anmeldungen jedes Mal die Prios aller vorherigen DE und auch EP Anmeldungen angeben (das wäre glaub ich keine Kettenprio, weil man ja immer wieder nur die Prio der neu dazu gekommenen Merkmale beansprucht)?
Oder reicht es, wenn man dann vor Ablauf des Priojahres die PCT einreicht, und darin die Prio von allen vorherigen Anmeldungen beansprucht?

Ich würde letzteres machen, insbesondere, wenn die zweite Anmeldung ohnehin aller Merkmale der ersten Prioanmeldung enthält. Ansonsten sind die Weiterentwicklungen in dem Priojahr nach meiner Erfahrung nicht so weltbewegend als dass man gleich mehrere Prioanmeldungen generieren müsste. In einem Ausnahmefall haben wir einmal drei Prioanmeldungen geschrieben. ME liegt eine derart hohe Anzahl von Prioanmeldungen meistens daran, dass der Erfinder die Angelegenheit nicht einmal in Ruhe zuende gedacht hat.

Grüße

pak
 

Strebergarten

BRONZE - Mitglied
Servus!

Gilt das dann auch für die Recherchenergebnisse?

Für EP gibt Art. 87(3) EPÜ die Antwort:

"A regular national filing shall mean any filing that is sufficient to establish the date on which the application was filed, whatever the outcome of the application may be."

Du brauchst nur den Anmeldetag, was du danach mit der Anmeldung gemacht hast, ist egal.

Hab ich denn damit recht gehabt:

Wenn X1 jetzt 4 Monate früher veröffentlicht worden wäre, dann würde es anders aussehen, stimmts?

Oder wenn D2 gleich als EP1 angemeldet worden wäre (also keine innere Prio) und D1 bis zur Veröffentlichung weitergelaufen wäre.


Grüßle
Peter
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Servus!

Gilt das dann auch für die Recherchenergebnisse?

Das gilt "für die Recherchenergebnisse" insofern, dass wenn deine EP-Anmeldung nur als Prio dienen soll, du eine Regel 70b Aufforderung getrost ignorieren kannst. Die EP-Anmeldung ist dann halt tot, aber ihre Prio kannst du immer noch beanspruchen.

Wenn X1 jetzt 4 Monate früher veröffentlicht worden wäre, dann würde es anders aussehen, stimmts?

Wir gehen davon aus, dass D1 nicht ausreichend offenbart ist, so dass der Prioanspruch von D2 keine Grundlage hat. Wenn X1 jetzt vor dem Anmeldedatum von D2 veröffentlicht wurde, ist D2 natürlich neuheitsschädlich getroffen (für die Merkmale A und B).

Oder wenn D2 gleich als EP1 angemeldet worden wäre (also keine innere Prio) und D1 bis zur Veröffentlichung weitergelaufen wäre.

Das wiederum müsste egal sein. Wenn D1 nicht ausreichend offenbart ist, kann es für EP1 nicht neuheitsschädlich sein. Ist D1 ausreichend offenbart, ist der Prioanspruch gültig und EP1 hat das Datum von D1.

Ganz abgesehen davon, dass ein nachveröffentlichtes D1 kein Stand der Technik nach Art. 54(3) wäre, da es eine deutsche und keine europäische Anmeldung ist.
 

Strebergarten

BRONZE - Mitglied
Servus!

Ich würde letzteres machen, insbesondere, wenn die zweite Anmeldung ohnehin aller Merkmale der ersten Prioanmeldung enthält.

Aber schaden würde es nicht, wenn man bei jeder Anmeldung die Prio aller vorigen Anmeldungen beansprucht, oder?

Und ein herzliches Dankeschön für die ganzen hilfreichen Antworten!

Grüßle
Peter
 

Karl

*** KT-HERO ***
Also, soweit ich den Post des TE richtig verstehe ist X NICHT die eigene Anmeldung, zumindest jedoch steht dies nirgendwo. Er hat nur "ggf. auch der eigenen Voranmeldung" in dem Bereich seines Posts geschrieben, in dem er schildert, mit welchem Themengebiet er noch Probleme hat.

Auch der Veröffentlichungszeitpunkt (nämlich 8 Monate nach DE1) wäre höchst ungewöhnlich, wenn X auf DE1 zurückgehen würde. Eine so frühe Veröffentlichung der DE1 könnte nur Zustande kommen, wenn der Anmelder hierauf gezielt hinwirkt (vgl. §32 (5) und §31 (2) 1.) Im übrigen ist X eine Veröffentlichung, die EP1 laut dem Beispiel als Veröffentlichung gegenübersteht, d.h. ist in diesem Zusammenhang auch egal ob X eine DE oder sonst irgendwas ist, sie ist ja scheinbar vor dem AT von EP1 veröffentlicht, d.h. 54(2) nicht 54(3).

Wenn wir Annehmen, dass X mit DE1 nicht direkt etwas zu tun hat (sprich, es ist durchaus möglich, dass X den Gegentsand A+B in ausführbarer Weise offenbart, DE 1 jedoch nicht) kann sich tatsächlich folgende Situation geben:

DE 1 offenbart A+B nicht so, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen kann. Führt man nun den Neuheitstest durch, um festzustellen, ob A+B von der Prio gedeckt ist, kommt man zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, da die Offenbarung von A+B in der DE 1 nicht hinreichend ist.

Die DE 2 offenbart A+B nur mit C zusammen in ausführbarer Weise. Das alte Ausführungsbeispiel ohne C ist weiterhin nicht ausführbar und das neue Ausführungsbeispiel weist das Merkmal C auf.

A+B wird dann vom Anmelder der DE1, DE2 und EP1 erstmalig am Anmeldetag der EP1 ausführbar offenbart. Entsprechend hat A+B den Anmeldetag der EP1 als Zeitrang. X kann dann, wenn A+B in X ausführbar offenbart ist, neuheitsschädlich sein.

Du wirst also meiner Meinung nach begründen müssen, das die DE1 oder DE2 den Gegenstand A+B (ohne C) so offenbart, dass er ausführbar ist. Hierzu vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern 2.A.4
Könnte man vieleicht vom Ausführungsbeispiel der DE2 mit A+B+C ausgehend argumentieren, dass ein Fachmann mit zumutbaren Aufwand auch A+B (ohne C) ausführen könnte?


Zum Thema eigene Anmeldung als Sdt:

Die eigene Anmeldung, deren Prio in Anspruch genommen wurde, kann meiner Auffassung nach nie neuheitsschädlich sein. Wenn eine Anmeldung EP2 die Prio von einer früheren Anmeldung EP1 (beides EP, da eine nachveröffentliche DE wie vorne schon jemand schreibt, eh kein Stand der Technik ist, vgl. EPÜ 54(3), "europäischen Patentanmeldungen", wir nehmen an, EP1 nehme selbst keine Prio in Anspruch) können zwei Fälle eintreten:

1. EP1 offenbart A+B so, dass es Ausführbar ist. In diesem Fall ist die Prio für A+B wirksam--> EP1 steht EP2 nicht entgegen.

2. EP1 offenbart A+B nicht so, dass es Ausführbar ist. In diesem Fall ist zwar die Prio nicht wirksam, A+B wird aber durch EP1 auch nicht vorweggenommen, da diese A+B nicht ausführbar offenbart (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern I.C.2.12). Soweit ich das mitbekommen habe, kann die Wirksamkeit der Prio doch über den "Neuheitstest" geprüft werden. Die Vorraussetzungen für die Wirksamkeit der Prio und die Offenbarung durch die EP1 als Stand der Technik sind also identisch.


Am interessantesten dürfte dies sein, wenn EP1 A+B+C offenbart (nicht A+B), EP2 jedoch A+B. In diesem Fall könnte man den Anspruch der EP2 jedcoh umschreiben in:

A+B = A + B NOT C oder A+B+C

A+B+C wäre von der Prio gedeckt, A+B NOT C wäre dann neu. Also dürfte Meiner Auffassung nach selbst der Fall kein Problem sein.

Mir ist nicht bekannt, wie man sich mit seiner eigenen Prioritätsbegründenen Anmeldung wegschießen kann (solange natürlich keine Probleme mit erste Anmeldung, Ablauf der Priofrist oder dergleichen hinzukommen...). Wenn jemand da schöne andere Beispiele kennt wäre ich interessiert.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Zum Thema eigene Anmeldung als Sdt:

Die eigene Anmeldung, deren Prio in Anspruch genommen wurde, kann meiner Auffassung nach nie neuheitsschädlich sein.
[...]
Mir ist nicht bekannt, wie man sich mit seiner eigenen Prioritätsbegründenen Anmeldung wegschießen kann (solange natürlich keine Probleme mit erste Anmeldung, Ablauf der Priofrist oder dergleichen hinzukommen...).

Wenn jemand da schöne andere Beispiele kennt wäre ich interessiert.

Da schließe ich mich an. Gibt es eine Möglichkeit, dass die eigene Prioanmeldung neuheitsschädlich für die Nachanmeldung wird?

Dies insbesondere in dem Fall, wo in die Nachanmeldung diverse technische Weiterentwicklungen im Laufe des Prioritätsjahres eingearbeitet werden, und (auch) die Ansprüche entsprechend umformuliert sind.

Vgl. auch hier:

Eine ergänzte Nachanmeldung mit Prio birgt die Gefahr, dass man im Prüfungsverfahren ergänzte Merkmale in den Hauptanspruch aufnimmt und so die Prio verliert. Wenn StdT aus dem Priointerval vorliegt, geht die Patentfähigkeit verloren.

Wenn die Prio unwirksam ist bzw. wird(!), z.B. durch Aufnahme zusätzlicher Merkmale, die in der Erstanmeldung nicht offenbart waren, kann Ihnen auch Ihre eigene Anmeldung entgegengehalten werden.
Aber nur bezüglich Neuheit. Und die lässt sich umschiffen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Da schließe ich mich an. Gibt es eine Möglichkeit, dass die eigene Prioanmeldung neuheitsschädlich für die Nachanmeldung wird?

Dies insbesondere in dem Fall, wo in die Nachanmeldung diverse technische Weiterentwicklungen im Laufe des Prioritätsjahres eingearbeitet werden, und (auch) die Ansprüche entsprechend umformuliert sind.

Ich meine, dass die Gefahr, dass dies passiert, seit G1/15 deutlich minimiert ist, aber ein solcher Fall nach wie vor dann denkbar ist, wenn sich die Erfindung verlagert, ohne den Gegenstand zu verändern. Ich versuche mich mal an einem Beispiel, wohl wissend, dass aus den Fingern gesaugte Beispiele nicht immer ideal und etwas konstruiert sind und dass dieses Thema schon fast eine Glaubensfrage ist. Auch lasse ich mal Fallgestaltungen, bei denen die Prioanmeldung im Prioritätsjahr vor der prioritätsbeanspruchenden Nachanmeldung veröffentlicht wurde (z.B. Prioanmeldung ist Gebrauchsmuster, direkte Patenterteilung im Priojahr, durch Anmelder beantragte umgehende Veröffentlichtung) beiseite.

Bei einer Anwendung, bei der ein Ventilkörper aus Kunststoff von einer Flüssigkeit, die abrasive Metallpartikel enthält, führt man auftretende Undichtigkeiten darauf zurück, dass die Metallpartikel die Dichtfläche des Ventilkörpers auf Dauer zerstören.

Prioanmeldung: Ventilkörper aus Kunststoff, der bei bestimmungsgemäßer Verwendung von von einer Flüssigkeit, die abrasive Metallpartikel enthält, umströmt ist und zur Vermeidung von Oberflächenabrasion bei gleichzeitiger Gewährleistung geringen Gewichts von einer aus Aluminium und Magnesium bestehenden nach Verfahren XY oberflächengehärteten Legierung ummantelt ist.

Im Priointervall stellt man fest, dass ein weiterer großer Vorteil dieser Konstruktion ist, dass die in der Flüssigkeit enthaltenen Metallpartikel, die leicht magnetisch sind, nicht an der Ummantelung haften bleiben können, weil diese nicht magnetisierbar ist. Hierzu steht aber nichts in der Prioanmeldung.

Nachanmeldung: Ventilkörper aus Kunststoff, der bei bestimmungsgemäßer Verwendung von von einer Flüssigkeit, die abrasive Metallpartikel enthält, umströmt ist und zur Vermeidung von magnetisch bedingter Haftung der Metallkörper und der damit einhergehenden Entstehung von Undichtigkeiten von einer nicht ferromagnetisierbaren Ummantelung ummantelt ist.

Man kann sich noch darüber unterhalten, ob es einen Einfluss hat, wenn die Prioanmeldung als weitere aber wegen des höheren Gewichts als nicht bevorzugte Ausführungsform auch eine ferromagnetisierbare Ummantelung offenbart. Man kann sich ferner noch darüber unterhalten, ob es einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Prio hat, wenn die Offenbarung der Nachanmeldung eine nach Verfahren XY oberflächengehärtete Al/Mg Legierung offenbart oder nicht offenbart.

Nun stehen sich zwei "Philosophien" gegenüber: Eine besagt, die Prio ist zumindest für die aus Aluminium und Magnesium bestehende nach Verfahren XY oberflächengehärtete Legierung wirksam (wenigstens Teilprio im Sinne von G1/15), weil die Erfindung in der Nachanmeldung diese Legierung ja nach dem Anspruchswortlaut zumindest auch umfasst. Eine andere Philosophie besagt (dieser Auffassung bin ich), dass die Erfindung insgesamt eine andere und die Prio daher insgesamt unwirksam ist, weil der technische Gehalt und die der beanspruchten Lehre innewohnende und sich an den Fachmann richtende technische Lehre insgesamt eine andere ist.

Es ist auch ein bisschen die Frage, ob man "dieselbe Erfindung" als bloße Merkmalsagglomeration versteht und dieses Erfordernis schon dann als erfüllt ansieht, wenn der Gegenstand, der in der Prioanmeldung insgesamt offenbart ist, sich unter den Anspruch der Nachanmeldung subsumieren lässt, oder ob man in zwei Lehren nur dann "dieselbe Erfindung" sehen will, wenn diese auch in ihrer technisch-inhaltlichen Handlungsanweisung übereinstimmen und beide Lehren insbesondere die an denselben technischen Überlegungen ausgerichteten identischen Lösungen eines bestimmten technischen Problems beschreiben.

Aus anderen Diskussionen weiß ich aber, dass sich keine Einigkeite zwischen den Lagern herstellen lässt und mir ist auch keine höchstrichterliche Entscheidung bekannt, die diese Frage eindeutig zugnsten des einen oder anderen Lagers klärt.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
OK danke Dir Fip. Ich versuche das mal noch abstrakter zu fassen:

Prioanmeldung P:
Vorrichtung AB für CD
gekennzeichnet durch
Schraube

Nachanmeldung N:
Vorrichtung AB für EF
gekennzeichnet durch
Befestigungsmittel

Prio aus P gültig beansprucht?
Nein, da "Befestigungsmittel" durch "Schraube" nicht offenbart.

P neuheitsschädlich für N?
Ja, da "Schraube" -> "Befestigungsmittel" neuheitsschädlich vorwegnimmt.

("für CD" und "für EF" bleibt bei der Neuheitsprüfung außer Betracht, da sich die Vorrichtung AB sowohl für CD als auch EF jedenfalls eignet).

Ergo: die eigene Prioanmeldung P ist neuheitsschädlich für die Nachanmeldung N.


Oder noch elementares Beispiel:

Prioanmeldung P:
Vorrichtung AB
gekennzeichnet durch
Schraube

Nachanmeldung N:
Vorrichtung AB
gekennzeichnet durch
Befestigungsmittel
 
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Fip

*** KT-HERO ***
Hallo Kurt,

ich würde sagen, dass Deine Beispiele unter G1/15 fallen. Soweit in Bezug auf die Nachanmeldung "Befestigungsmittel" eine Schraube ist, ist die Prio wirksam (Teilprio im Sinne von G1/15). Soweit das "Befestigungsmittel" keine Schraube ist, dann ist Prio unwirksam, aber die Prioanmeldung mangels Offenbarung von anderen Befestigungsmitteln als Schrauben auch nicht neuheitsschädlich. Hier ist (meiner Meinung nach) die Erfindung auch inhaltlich/technisch zumindest insofern dieselbe geblieben, als dass in der Prioanmeldung eine Schraube auch als Befestigungsmittel eingesetzt wird.
 
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