EPÜ Mündliche Verhandlungen per Video-Konferenz

Fip

*** KT-HERO ***
Nachdem das EPA in den letzten Monaten zahlreiche mündliche Verhandlungstermine (Prüfung, Einspruch, Einspruchsbeschwerde) verschoben hat und heute wieder zwei dazu gekommen sind, würde ich gerne wissen, ob jemand von Euch schon Erfahrungen mit mündlichen Verhandlungen per Video-Konferenz (ViKo) gemacht hat.

Hintergrund ist auch ein Anruf des EPA, den ich heute morgen erhalten habe. In einem Fall (Prüfungsverfahren), in dem eine mündliche Verhandlung bereits Anfang des Jahres angesetzt worden war und der nicht von dem Beschluss des Präsidenten vom 01. April erfasst ist, fragt mich die Mitarbeiterin, ob ich einer ViKo zustimmen würde. Wenn nicht, dann würde der Termin aufgehoben und zu einem neuen geladen, der dann entsprechend des Beschlusses von vorne herein als ViKo angesetzt werden würde. Wenn ich das dann nicht wolle, dann müsse ich das begründet beantragen und es würde dann EPA intern entschieden, ob meine Gründe, die ViKo abzulehnen, eine Präsenzveranstaltung rechtfertigen würden.

Bisher habe ich ViKos immer abgelehnt, frage mich aber nun natürlich, ob das unter der vorstehend beschriebenen Praxis überhaupt noch sinnvoll ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich habe sie auch immer abgelehnt, aber am 12. Oktober ist es nun soweit, erzwungenermaßen im Prüfungsverfahren. Das Equipment haben wir, mal sehen, wie es klappt. Zumindest auf Dauer wirst du sie im ex parte Verfahren nicht vermeiden können.

Bei inter partes ziert sich das EPA noch, weil die Gewährleistung der Öffentlichkeit wohl Probleme macht. Da sind ja jetzt die Testläufe geplant, wenn alle Parteien freiwillig mitmachen. Nur ist die Resonanz wohl nicht so groß, denn Patentinhaber haben im Einspruch naturgemäß kein Interesse daran. Sie können die Einsprechenden ganz einfach auf unbestimmte Zeit kaltstellen, indem sie die Zustimmung zur Viko verweigern und das Verfahren blockieren. Da wird sich das EPA etwas einfallen lassen müssen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke für die Antwort. Dann berichte doch mal, wenn Du es hinter Dich gebracht hast.


Was für "Equipment" wird denn benötigt? Genügt nicht ein halbwegs schneller, zuverlässiger Internetzugang und ein Rechner mit Frontkamera?


Unabhängig davon: Ich bin zunehmend irritiert von der Praxis des EPA, denn auch die erstinstanzlichen Einspruchverfahren und die Einspruchsbeschwerdeverfahren werden schon das ganze Jahr über immer wieder aufs Neue nach der Erstansetzung verschoben, neu angesetzt, dann wieder verschoben ... Mittlerweile jeweils mit der Anfrage nach dem Einverständnis zur ViKo. In einem Einspruchsbeschwerdeverfahren ist mir gestern schon der dritte angesetzte Termin wieder aufgehoben worden, trotz einem von der Kammer als begründet angesehenen Beschleunigungsantrag. Wie lange soll das so weitergehen und wie soll das Amt die Verfahren erledigen, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Dauer eines Beschwerdeverfahrens jetzt schon bei 5 Jahren liegt?


Einerseits schicken alle Länder die Kinder wieder in die Schule und damit die Lehrer ins Lehrerzimmer und in die Elternsprechtage, aber eine mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung eines Patentamts kann nicht stattfinden?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Was für "Equipment" wird denn benötigt? Genügt nicht ein halbwegs schneller, zuverlässiger Internetzugang und ein Rechner mit Frontkamera?
Wir haben uns eine bessere Kamera und Headsets zugelegt, da Bild und Ton sonst nicht zufriedenstellend waren. Aber ja, im Prinzip reicht das.

Unabhängig davon: Ich bin zunehmend irritiert von der Praxis des EPA, denn auch die erstinstanzlichen Einspruchverfahren und die Einspruchsbeschwerdeverfahren werden schon das ganze Jahr über immer wieder aufs Neue nach der Erstansetzung verschoben, neu angesetzt, dann wieder verschoben ... Mittlerweile jeweils mit der Anfrage nach dem Einverständnis zur ViKo. In einem Einspruchsbeschwerdeverfahren ist mir gestern schon der dritte angesetzte Termin wieder aufgehoben worden, trotz einem von der Kammer als begründet angesehenen Beschleunigungsantrag. Wie lange soll das so weitergehen und wie soll das Amt die Verfahren erledigen, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Dauer eines Beschwerdeverfahrens jetzt schon bei 5 Jahren liegt?
Interessant. Beschwerdeverfahren finden bei mir normal statt. In 2 Wochen bin ich wieder in Haar. Die einzige Einschränkung ist, dass pro Partei nur noch zwei Personen in den Raum dürfen. Was ja eigentlich Makulatur ist, denn die Verhandlungen sind ja nach wie vor öffentlich, so dass eventuelle zusätzliche Begleitpersonen sich dann eben als "Öffentlichkeit" präsentieren können.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Einerseits schicken alle Länder die Kinder wieder in die Schule und damit die Lehrer ins Lehrerzimmer und in die Elternsprechtage, aber eine mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung eines Patentamts kann nicht stattfinden?

Das Ziel von Campinos ist ganz klar, die Videokonferenzen generell verpflichtend zu machen. Dann kann er die EPA-Gebäude für die Öffentlichkeit sperren und spart sich einen Haufen Kosten. Corona ist ein willkommener Anlass. Der reitet die Welle, solange es irgendwie geht.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Was bedeutet das dann für die Öffentlichkeit der Verhandlungen?

Soll jeder die Verhandlungen mitschneiden können? Oder jedenfalls professionelle "Mitschneider", die sich regelmäßig als "Öffentlichkeit" anmelden und bei denen dann nach Aktenzeichen recherchiert werden kann? Und wo man sogar in Frage kommenden Anwälte erst mal vergleichen kann?

Jede Anhörung eine Fernseh-Show mit Selbstdarstellung! Da wäre mir nicht ganz wohl.

Und wenn die Übertragung nicht klappt, ist dann die ganze Verhandlung Makulatur?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Was bedeutet das dann für die Öffentlichkeit der Verhandlungen?

Soll jeder die Verhandlungen mitschneiden können? Oder jedenfalls professionelle "Mitschneider", die sich regelmäßig als "Öffentlichkeit" anmelden und bei denen dann nach Aktenzeichen recherchiert werden kann? Und wo man sogar in Frage kommenden Anwälte erst mal vergleichen kann?

Jede Anhörung eine Fernseh-Show mit Selbstdarstellung! Da wäre mir nicht ganz wohl.

Und wenn die Übertragung nicht klappt, ist dann die ganze Verhandlung Makulatur?

Das befürchtete Mitschneiden und Veröffentlichen ist eines der Probleme, und wie ich höre auch der Hauptgrund, warum die Beschwerdekammern bei den Vikos nicht mitmachen. Im Moment ist der Mitschnitt der Verhandlung ja verboten.

Aus der CRISPR-Verhandlung (T 844/18) wurde am ersten Tag live getwittert. Die Kammer fand das nicht amüsant und hat darauf hingewiesen, dass wenn dies nicht unverzüglich aufhört die Öffentlichkeit des Saales verwiesen wird und ihn nur gegen Abgabe aller elektronischen Geräte wieder betreten darf.

Bei einer Viko ist es völlig unmöglich, einen "Zuschauer" am Mitschneiden oder gar an einem Live-Feed zu hindern.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Bei einer Viko ist es völlig unmöglich, einen "Zuschauer" am Mitschneiden oder gar an einem Live-Feed zu hindern.
Es dürfte zunächst einmal nur völlig unmöglich sein zu verhindern, dass ein Beteiligter das für sein Gerät entschlüsselte Signal mitschneidet. Da könnten aber für Rechts- und Patentanwälte berufsständische Sanktionen ausreichen.

Die Öffentlichkeit von Verhandlungen im Sinne von § 116 EPÜ ist aber etwas anderes als Öffentlichkeit im Sinne von Livestream. Es würde ja genügen, wenn man im EPA die Viko in einem öffentlich zugänglichen Raum auf einer Leinwand betrachten kann, wo Personenzahl, Abstand, Maskenpflicht usw. kontrollierbar sind. Und wo für Bild- und Tonaufnahmen das Übliche gilt. Nur würde das wohl nicht die erwünschten Einsparungen bringen.
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Guten Abend

spannende Diskussion, die uns sicher noch eine Weile beschäftigen wird.

Aus meiner Sicht gibt es noch ein paar weitere Punkte, die es zu beachten gilt.

Aktuell ist der Mitschnitt von mdl. Verhandlungen klar verboten; vgl. https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/e/e_iii_11_6.htm unn https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/official-journal/2020/etc/se1/p86.html

Allerdings sind nicht alle EPÜ-Mitgliedsstaaten so streng wie das EPA oder deutsche Gerichte was den Mitschnitt oder insbesondere die Videoübertragung einer Verhandlung betrifft.

So werden seit kurzem z.B. Verhandlungen vor einigen Gerichten in UK ins TV übertragen: https://www.bbc.com/news/uk-51110206

Am Ende wird es, denke ich, also nicht unbedingt eine Entwicklung im Einklang mit der Situation in Deutschland geben, sondern eine Art Kompromiss unter Einbeziehung der Rechtslage in anderen Mitgliedsstaaten.

Meiner persönlichen Einschätzung nach sollten wir uns jedenfalls darauf einstellen, dass Mitschnitt und Übertragung in öffentlichen Einspruchs- und Beschwerdeverhandlungen in Zukunft erlaubt werden.

Grundsätzlich stellt sich bei Videoverhandlungen natürlich auch die Frage nach der Vertretung. Gemäss Artikel 134(2) EPÜ muss man ja u.a. einen Sitz in einem EPÜ-Staat haben, um in die Liste der Vertreter eingetragen zu werden. Ich kenne einige eingetragene Vertreter, die zwar eine Adresse angeben konnten, doch ihren permanenten Wohnsitz in den USA oder anderswo haben. Da man ja alles online über Epoline einreichen und Amtspost elektronisch erhalten kann, stellt das in der Praxis kein Problem dar.

Probleme ergaben sich bisher nur bei mdl. Verhandlungen, insb. vor der Prüfungsabteilung, da diese ja gerne sehr kurzfristig abgesagt werden.

Dieses Problem besteht bei Videoverhandlungen natürlich nicht mehr. Wie will das EPA also die Inlandsvertretung sicherstellen? Dies betrifft auch Anmeldungen von Unternehmen, die theoretisch durch einen Mitarbeiter vertreten werden können, der irgendwo auf der Welt sitzen kann.

Während das EPA in diesem Punkt noch recht flexibel sein mag, so stellt dies natürlich eine ernstzunehmende Bedrohung für unsere Tätigkeit dar. Ich denke wir sind uns einig, dass man dies nicht leichtsinnig aufgeben sollte

Dies sind meine Gedanken hierzu. Was meint ihr ?

VG
 

Fip

*** KT-HERO ***
Vielleicht sind folgende Erkenntnisse, die ich zwischenzeitlich sammeln konnte, für den ein oder anderen interessant, daher teile ich sie hier mal. Ich möchte aber betonen, dass dies nur "Stichproben"-Aussagen sind, weil ich natürlich nur das wiedergeben kann, was mir persönlich berichtet wurde bzw. was ich persönlich erfahren habe, und das muss ja nicht repräsentativ sein.



1. Mir wurde gesagt, dass es eine interne Anweisung im EPA gebe, nach der alle mündlichen ex-parte Verhandlungen (Prüfungsverfahren), die noch nicht unter die ViKo Regeln fallend angesetzt worden waren, in dem Fall, dass sich die Beteiligten auf Nachfrage hin nicht mit ViKo einverstanden erklären, abgesagt und dann für denselben Tag mit ViKo neu geladen werden soll.


2. Nach Beschwerdekammerverhandlungen (inter-partes) habe ich die Gelegenheit genutzt, die Kammermitglieder nach deren Erfahrungen mit ViKo zu fragen. Alle sagten einhellig, dass die Erfahrungen durchweg wirklich gut seien. Probleme gäbe es bisher wenn nur dann, wenn die Bandbreite bei den Vertretern nicht ausreiche.


3. Einer Aussage zufolge gäbe es wohl die Möglichkeit, eine ViKo in inter-partes Verhandlungen auch in der Form anzusetzen, dass eine Partei persönlich anwesend ist und die andere Partei per Bildschirm zugeschaltet ist (in etwa so, wie man es seit Corona aus einigen Talk-Shows kennt, in der ein Talk-Show Gast per Bildschirm "anwesend" ist). Dies kommt wohl insbesondere dann in Betracht, wenn eine Partei keine ausreichende Bandbreite ihrer Internetverbindung gewährleisten kann.


4. In inter-partes Verfahren ist wohl eine ViKo aus technischen/organisatorischen Gründen noch ausgeschlossen, wenn eine Simultanübersetzung erforderlich ist.


Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Hat zwischenzeitlich jemand weitergehende Erfahrungen gesammelt?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Zwischenzeitlich habe ich erfahren, dass ViKos mit Simultan-Übersetzungen möglich sind, wenn "Zoom", was dies als als Multi-Channel Anwendung wohl ermöglicht, zum Einsatz kommt.


@Asdevi: Du hattest berichtet, dass es am 12. Oktober bei Dir soweit sei. Wie waren Deine Erfahrungen?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
@Asdevi: Du hattest berichtet, dass es am 12. Oktober bei Dir soweit sei. Wie waren Deine Erfahrungen?[/QUOTE]

Abgesagt, weil mit den Prüfern geeinigt.

Die nächste am 2. November. Da werde ich mich mit den Prüfern sicher nicht einigen. Die findet statt, es sei denn der Anmelder zieht vorher den Stecker.
 

Langof

BRONZE - Mitglied
Meiner Meinung nach ist der Einsprechende in Vergleich zum Patentinhaber bei einer solchen Verhandlung in viel besserer Lage.

Bei einer, während der Verhandlung eingereichten, z.B. angepassten Beschreibung oder bei einem neuen Antrag, werden diese den Einsprechenden per e-mail mit Anhängen zugeschickt. Die Verhandlung kann nicht weiter gehen, biss er fürs Protokoll bestätigt, dass er diese Schriftstücke bekommen hat (Regel 127 gilt eine e-mail erst 10 Tage nach der Übermittlung als zugestellt).

Einsprechende kann sich zufällig oder mit über-voller Mailbox oder mit ausgeschaltetem Server viel Zeit verschaffen.
 
Oben