Hi Rex,
das sind dann meist die Mandanten, die die große Kanzlei zum einen locker verschmerzen, zum anderen sowieso nicht haben will, weil bei jeder Bescheidserwiderung eine Diskussion über die Höhe der Rechnung losgeht...
Wer allein über den Preis Mandate bekommen will, sägt sich mittelfristig den Ast ab, auf dem er sitzt. Der umgekehrte Weg scheint mir der Bessere: Qualität und schnelle Reaktionszeiten und dem Mandanten das Gefühl geben, daß er bevorzugt behandelt wird. Das setzt allerdings schon ein bestehendes Mandatsverhältnis voraus. Mandanten sind in gewissem Maße auch "erziehbar", sprich, wenn eine Anmeldung schnell und nach Ansicht des Mandanten gut ausgearbeitet ist, kommt schneller die nächste hinterher...
Man darf allerdings nicht vergessen...Beziehungen zw. Mandant und Kanzlei sind in der Regel über lange Jahre gewachsen, es sind eine Vielzahl von Akten in der Kanzlei und der Mandant wird i.d.R. kaum geneigt sein, wenn das Verhältnis nicht vollkommen zerrüttet ist, alle Akten zu dem neuen Anwalt zu transferieren. Gleichzeitig möchte er aber einen Ansprechpartner, sprich er will i.d.R. auch keine Korrespondenz mit zwei Kanzleien führen...Fazit: der Mandant ist sehr träge, deshalb ist auch Akquise insgesamt sehr schwierig.
Darüber hinaus darf man auch nicht vergessen...Akquise kostet viel Zeit und Aufwand (Vorträge halten, auf Messen und Konferenzen gehen)...Zeit, die man nicht abrechnen kann und der Aufwand (Reisekosten, etc.) kostet sogar noch Geld. Eine Zusatzqualifikation kostet ebenfalls Zeit und Geld und beeindruckt lokale Mandantschaft i.d.R. kaum, zudem in einer großen Kanzlei doch zumindest ein paar PA Hagen II und/oder Hagen III und/oder Rechtsanwälte auch noch mit an Bord haben.
Früher war es ebenfalls einfacher möglich, an Industrieaufträge, sprich Kollegenarbeit von der Industrie, zu kommen, insbesondere auch als Einzelanwalt. Mittlerweile gibt es auch hier Konzentrationszwang, sprich es werden zum einen nur noch sehr beschränkt überhaupt neue Kanzleien in die Verteiler für Aufträge aufgenommen, zum anderen müssen die Kanzleien eine gewisse Mindestabnahmemenge bzw. Auftragsvolumen annehmen können...damit fallen Ein- oder Zweimannkanzleien...unabhängig von der Qualität ihrer Arbeit schlicht unter den Tisch. Ich kenne ein großes Industrieunternehmen, die durch die Bank alle Ein- und Zwei-Mann-Kanzleien von heute auf morgen nicht mehr mit Aufträgen bedacht hat, weil die Firmenpolitik es so wollte...
Was früher einfach möglich war und sicherlich auch vielen "Startern" über die erste zeit hinweg geholfen hat, ist nur noch in sehr begrenztem Maß möglich. Sich als Einzelanwalt ohne eigene Mandate oder zumindest nennenswerte Kollegenarbeit durchzuschlagen ist viel schwieriger geworden. Ich kenne mehrere Kollegen, die das versucht haben, und mehr schlecht als recht "dahindümpeln", einer hat nach 1 Jahr entnervt die Notbremse gezogen und ist in die Industrie gegangen, um ein sicheres Einkommen zu haben.
Derartige Probleme oder Gegebenheiten sind für einen Kandidaten am Anfang kaum überschaubar bzw. einschätzbar. Meistens geht dieser dann davon aus, daß es bei ihm nicht so laufen wird...und wird dann i.d.R. eines Besseren belehrt.
Ciao
arcd007