Allg. Lerneffekt während der Ausbildung

stat80

BRONZE - Mitglied
Hallo Gemeinde

Wie Ihr an meinem Beitragszähler sehen könnt, bin ich noch sehr neu in der Community. Ich habe mich angemeldet, weil ich seit kurzem ein Patentanwaltskandidat bin.

Ich bin jetzt seit ein paar Wochen als Kandidat tätig, aber wirklich gelernt habe ich bisher noch nichts. Ich bekomme zwar Tag für Tag meine Akten, die ich bearbeiten soll (idR Prüfberichte und Ansprüche übersetzen und kommentieren) aber wie man zB einen Prüfbericht kommentiert, hat mir bisher niemand erklärt. Ich halte zwar in der Woche 2-3 mal Rücksprache mit meinem Ausbilder aber dabei geht es nur um die Akten, die ich aktuell bearbeite.

Lernt man als Kandidat alle Kniffe dieses Berufs frei nach dem Motto learning by doing oder setzt sich auch mal einer jemand hin und erklärt einem wie der Hase läuft?

Danke und Grüße
Stat
 

silvio_h

GOLD - Mitglied
Hallo,

das ist natülich je nach Ausbilder verschieden. Zunächst mal klingt es aber danach, als würdest du erst mal an das Tagesgeschäft herangeführt werden, und das geht zunächst mit Bescheidserwiderungen eben besser als gleich mit dem Ausarbeiten von Patentanmeldungen. Und wenn dein Ausbilder auch 2-3 mal die Woche Rücksprache mit dir hält, klingt das für mich nicht so verkehrt.

Für den Überblick über den gewerblichen Rechtsschutz insgesamt sowie die Behandlung speziellerer Themen, die vielleicht nicht immer in jeder Kanzlei anzutreffen sind, gibt es ja beispielsweise noch die Kandidaten-AGs. Besuchst du da denn keine?

Solltest du nach drei Monaten immer noch das Gefühl haben, nichts zu lernen und nur für Zuarbeit herzuhalten, solltest du das wohl offen bei deinem Ausbilder ansprechen. Oder du fragst halt konkret nach, wie so grob der Plan aussieht, wann du in der Ausbildung was in etwa lernen sollst. Mehr kann ich da von außen als Unbeteiligter dazu kaum beitragen.

Schönen Gruß und viel Erfolg
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Stat80,

wie Du schon richtig festgestellt hast, ist es in der Kandidatenzeit eher selten, dass Vorlesungen wie an der Uni gehalten oder Übungen zur praktischen Einarbeitung gegeben werden. Es wird schon deutlich mehr Eigeninitiative erwartet. Wenn Du erfreulicherweise zwei- oder dreimal in der Woche die Chance hast, Deine Arbeit mit einem der Ausbilder in der Kanzlei zu diskutieren, dann dürfte dieser eigentlich erwarten, dass Du von Dir aus auch die Fragen ansprichst, die bei Dir während der Bearbeitung der Akte im Grunde zwangsläufig anfallen sollten. Wenn Du keine Fragen hast, bist Du aus seiner Sicht entweder genial oder uninteressiert.

Wenn Du wie in Deiner Fragestellung Probleme mit der Kommentierung eines Prüfungsbescheides für den Mandanten hast, dann solltest Du normalerweise in der Lage sein, die Position des Mandanten einzunehmen, denn Du könntest tatsächlich einer sein, ob nun an der Hochschule oder in einem Industrieunternehmen. Was würdest Du als Mandant denn in dem Brief als Information haben und lesen wollen? Das sollte da natürlich auch drinstehen und ob das so in Deinem Bericht der Fall ist, darüber kannst Du natürlich mit dem Ausbilder sprechen.

Und wenn Du Patentansprüche in einer Akte hast, kannst Du Dich fragen, warum die in der anderen Akte vom Tag vorher so anders lauteten. Hätte man hier nicht auch ein Verfahren beanspruchen können? Wenn nein, warum nicht? Warum beides in einer Anmeldung? Oder eine Verwendung, wozu braucht man das? Natürlich solltest Du Dir eine Meinung anhand der Literatur bilden, die Ihr habt, aber mit dieser Vorbereitung solltest Du so eine Wendung des Gesprächs schon herbeiführen können. Das muss dann nicht ausufern, aber da der Beispielfall ja schon vor Euch liegt und Ihr beide wisst, um was es technisch geht, sollte das kurz und effektiv zu machen sein.

Die echten Kniffe des Berufes kommen viel, viel später, keine Sorge.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

arcd007

*** KT-HERO ***
Hi allerseits,

wie schon mein Vorredner sagte, es wird Eigeninitiative erwartet. Spätestens nach der zweiten "Z"-Korrektur sollte man dann doch mal beim Ausbilder aufkreuzen und nachfragen, sich mal eine Musterakte geben lassen, etc., um mal nachzuschauen, wo der Hund begraben liegt.

Ich wurde damals ins kalte Wasser geschmissen, mein erster EPA-Bescheid war natürlich nicht nach Aufgabe-Lösung aufgebaut, womit ich dann bei dem entsprechenden Anwalt (nicht mein Ausbilder) blankes Entsetzen hervorrief ("wie kann man das denn immer noch nicht kennen!?", hatte bisher nur DE Sachen gemacht) und mir dann einige Nachtschichten einbrachte (selbst "auferlegt")...um den Bescheid dann noch "hinzubiegen". Danach habe ich mir Musterakte geholt, studiert, Bücher gelesen, etc. mir meinen eigenen Aufbau zusammengeschustert, der dann sehr gut rüberkam.

Fazit: Selber aktiv werden, fragen, verschiedene Akten einfordern (Patentanmeldungen, Bescheide Gebrauchsmuster, Löschung, Einspruch, Markenanmeldung, etc.)...nur so lernt man. Von Anspruchsübersetzungen allein ist noch niemand Patentanwalt geworden...

Ciao

arcd007

P.S.: wenn es ein gemeinsames Mittagessen gibt, kann man hier auch immer Tips oder auch Kurioses abgreifen oder kann auch ein paar Fragen eher ungezwungen loswerden.
 
Zuletzt bearbeitet:

stat80

BRONZE - Mitglied
Hallo nochmals

Vielen Dank für eure Beiträge. Ich muss zugeben, dass mein erster Beitrag nach einem Tag auf Arbeit entstanden ist, wo ich echt verzweifelt war, weil einfach zu viel neues auf einmal auf meinem Schreibtisch lag.

Mittlerweile haben sich meine Nerven gelegt, ich habe fast automatisch das Selbststudium begonnen und mittlerweile werden Bescheidserwiederungen nach einer kurzen stilistischen Anpassung von meinem Ausbilder an den Mandanten geschickt.

arcd007 und Blood für PMZ haben Fachliteratur erwähnt, könnt ihr zufällig 2-3 konkrete Bücher empfehlen? Ich arbeite zZ mit Witte/Vollrath Praxis der Patent- und Gebrauchsmusteranmeldung und muss zugeben, dass das Buch mir schon viele hilfreiche Tipps offenbart hat.

Vielen Dank
Grüße Stat
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Stat80,

eine sehr pragmatische Empfehlung zur Fachliteratur: Wende Dich dazu an Deinen Ausbilder.

Der Grund dafür: Deine Ausbildung erfolgt (oder sollte erfolgen) in Diskussionen mit ihm/ihr. Und dann ist es für Dich von Vorteil, wenn Du Dich mit den Fachbüchern vorbereitest, die er/sie auch heranzieht. Vereinfacht: Du tickst dann wie er/sie. Das mag einem freien Geist nach Uni-Studium arg widerstreben, spart jetzt zu Beginn aber wirklich Zeit und Nerven. Für das Bilden abweichender patentrechtlicher Auffassungen und Mindermeinungen gibt's später noch viel Gelegenheit.

Weiterer Vorteil: Diese Fachbücher befinden sich alle in Eurer Kanzleibibliothek. Die solltest Du auch verwenden, denn da sind eventuell aufschlussreiche handschriftliche Anmerkungen des Ausbilders drin, etwa eine neueste Präzedenzentscheidung, die der Kommentar noch nicht enthält ...

Bei den Kommentaren gibt es einen Haufen (PatG, GbmG, MarkenG, GMV, GGV, PatO, etc) blaue und einen Haufen orange, dazu einige dicke weißgraue, dicke knallrote und noch ein paar grüne. Allesamt sollten eigentlich bei Euch vorhanden sein. Kaufen solltest Du daher genau jetzt eigentlich nichts. Bis zur Prüfung solltest Du alle kennen und etwa wissen, was man wo findet und mit was Du am Besten klar kommst. Jeder Patentanwalt hat irgendwann eine Tendenz entwickelt, wo er zuerst nachschaut, ob er blau oder orange besser findet oder gleich zu den dicken greift, und kann das auch ganz genau begründen. Natürlich hat er auch vollkommen recht. Nur ist die Präferenz quasireligiös, so ähnlich etwa wie die Antwort auf die Frage, ob man nun Daimler, BMW oder Audi fährt.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 
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