Patentheini

Vielschreiber
Hallo zusammen,

das Thema wurde zwar schon in der Vergangenheit besprochen, aber da ich an einer aktuellen Meinung interessiert bin, eröffne ich einen neuen Thread.

Es gibt um die Frage, die sich wohl viele Patentanwälte stellen: Bleibe ich in einer Kanzlei (und strebe eventuell die Partnerschaft an) oder wechsel ich in die Industrie?

Meine Einschätzung der derzeitigen Lage (ich bin für Input offen):
- die Industrie drückt immer mehr die Preise (vermutlich bedingt durch Mondpreise, die manche Kollegen verlangt haben und immer noch verlangen)
- die Patentstrategie (also der spannende beratende Teil) verschiebt sich immer mehr in Richtung Inhouse Patentabteilungen
- in der Kanzlei arbeitet man entweder effizient Akten der Großindustrie ab (und kann dann sehr gut davon leben) oder man ist im Rahmen von mittelständischen Mandaten auch beratend tätig (kämpft dann aber, ein Einkommen, das unsere lange Ausbildung wiederspiegelt, zu erhalten) - die eierlegende Wollmilchsau (gutes Gehalt + spannende Tätigkeiten) gibt es kaum noch
- selbst wenn man Partner wird, ist das Risiko sehr hoch, dass das Einkommensniveau sinkt; und bis dahin wird der Kostendruck nach unten (sprich: PaFas, Junganwälte) weitergegeben


Welche Gründe sprechen eurer Meinung nach für die Industrie und welche für die Kanzlei? Ich bitte um eine respektvolle und konstruktive Diskussion.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Patentheini,

an der grundsätzlichen Problematik hat sich hier in den letzten 70 Jahren nichts geändert. Jeder muss selbst entscheiden, was und wie er arbeiten möchte. Und wir haben sogar unverändert den Vorteil, beides innerhalb unseres Berufslebens nacheinander austesten zu können.

Die Industrie hat zu allen Zeiten versucht, die "Preise zu drücken". Jeder Mensch und natürlich genauso auch jedes Unternehmen kennt das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Auch die für das Beschaffungswesen in der Kanzlei zuständige Mitarbeiterin hat üblicherweise den Auftrag, zu schauen, ob das Kopierpapier, der WC-Reiniger oder der Weiterbildungskurs in der gleichen Qualität auch günstiger zu bekommen sind. Und jeder von uns hat schon Gebrauchtwagen gekauft oder verkauft. Der Preis für unsere Dienstleistung fällt nur dann, wenn wir ihn fallen lassen. Muss man einen bestimmten Auftrag denn unbedingt haben? Die Großindustrie und die Auslandskollegen haben schon in den 1960er Jahren versucht, Sonderpreise für sich auszuhandeln und Büros miteinander zu vergleichen. Und jeder von uns schaut, ob er die Kosten eines Auslandskollegen eigentlich seinen Mandanten zumuten kann oder ob er da einschreiten muss, wenn er seinen eigenen Mandanten nicht verprellen will.

Kollegen mit "Mondpreisen" halten das Niveau eher oben. Ist doch toll, wenn man sie einfach mit üblichen Sätzen automatisch unterbietet.

Ich kann keine Tendenz erkennen, dass sich die Patentstrategie in die interne Patentabteilung der Unternehmen verschiebt. Da war sie schon immer. Dort werden die Entscheidungen getroffen. Wir als Freiberufler empfehlen, wir beraten, und wir führen dann auch aus.

Als freiberuflicher Patentanwalt ebenso wie als Architekt, Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts oder Chef eines Fitnessstudios muss man immer entscheiden: Man kann nicht alles haben. Wenn ich als Standort der Kanzlei gerne Helgoland hätte, könnte es schwierig sein, dort Mandanten und qualifiziertes Büropersonal aufzutreiben. Wenn ich meine Kanzlei in München haben möchte, sollte ich mich nicht über hohe Mieten und Kosten wundern. Auch das war schon immer so.

Und ich entscheide auch, ob ich in einer Kanzlei mit 95 Sozien oder lieber mit 8 Sozien oder nur mit 2 Sozien arbeiten möchte. Oder überhaupt solo, wenn man eine Kollegenallergie hat. Je mehr Sozien, desto größer sind die Fälle, an denen man vielleicht mitwirken kann. Je weniger Sozien, desto mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten hat man. Und sei es die Frage, wo dieses Jahr die Betriebsweihnachtsfeier stattfindet.

Und wer in einer Industriekanzlei arbeitet, bekommt vergleichsweise zuverlässig sein Gehalt und andere Vorteile, während der freiberufliche Patentanwalt während seines Urlaubs noch Geld aus dem Privatvermögen zubuttern muss, damit die Kanzlei weiterläuft und die Jahresgebühren und die Gehälter der Angestellten verauslagt werden können. Und vielleicht geht auch der größte Mandant spontan weg oder meldet Insolvenz an. Dafür kann es wie gerade geschehen aber auch passieren, dass eine komplette Patentabteilung mit allen Mitarbeitern aus Deutschland in den mittleren Westen der USA verlegt wird. Immerhin: Der Umzug der Mitarbeiter mit ihren Familien wird bezuschusst. Englisch ist ja ohnehin Konzernsprache. Und die Buchhaltung sitzt jetzt in Litauen. Auch ein schönes Land, die Familie würde sich sicherlich freuen. Und andere Unternehmen haben ihre Patentabteilungen komplett aufgelöst, ausgesourced oder in anderer Form reorganisiert.

Frohes schaffen!

Blood für PMZ
 

Industrie_EPA

BRONZE - Mitglied
Hallo Patentheini,

vorweg, ich kenne drei Beschäftigungsarten aus eigener Erfahrung: Selbstständigkeit, Kanzleien unterschiedlicher Größen und Industriepatentabteilung.

Momentan fühle ich mich in der Industriepatentabteilung wohl, weil diese Art der Beschäftigung zu meinem Lebensplan gerade sehr gut passt. Ich kann mir aber auch vorstellen irgendwann wieder in die Selbstständigkeit bzw. eine Kanzlei zurückzukehren.

Erlaube mir, Dir einen Rat anstatt einer konkreten Antwort auf Deine Frage mitzugeben:
Die Art der Beschäftigung sollte zu Deinen persönlichen Vorstellungen passen. Wenn Du Dir nicht sicher bist welche das ist, so ist natürlich eine Möglichkeit andere hier im Forum nach deren Meinung zu fragen. Letzlich kannst Du aber aus den Erfahrungen anderer vor allem aufgrund deren aktueller Lebenssituationen wenig für Dich ableiten. Ich rate Dir deshalb, dass Du die verschiedenen Optionen mit Menschen diskutierst, die Dich gut kennen. Auch ein Business Coach kann Dir bei einer so grundlegenden Weichenstellung weiterhelfen.

Kurz gesagt, finde heraus, was Dir wichtig ist, wer Du bist und wo Deine Ziele liegen. Dann ergibt sich die Antwort automatisch.

Industrie_EPA
 

Patentheini

Vielschreiber
Hallo Blood für PMZ und Industrie_EPA,

vielen Dank für eure Beiträge. Ich befürchte, ich habe die Frage etwas zu sehr auf mich bezogen formuliert. Die Entscheidung (Kanzlei oder Industrie) habe ich bereits (nach vielen Gesprächen mit engen Vertrauten) getroffen.

Bei den Diskussionen mit Bekannten ist mir aber aufgefallen, dass
1. gar kein Foren-Beitrag zu diesem doch interessanten Thema existiert und
2. sich die Einschätzung der Arbeit in der Industrie bei vielen stark gewandelt hat. Früher wurde meiner Ansicht nach die Arbeit in der Industrie etwas "belächelt" (nach dem Motto: "Wer nicht das Zeug zum Partner hat, geht in die Industrie"). Mittlerweile wird dieser Tätigkeit aber mehr Zukunftspotential zugeschrieben.

Da aber mein Bekanntenkreis statistisch nicht repräsentativ ist, wollte ich die Frage in die allgemeine Runde werfen:
Was spricht (in euren Augen) für die Industrie, was für die Kanzlei? Hat sich (in euren Augen) an der jeweiligen Tätigkeit in den letzten Jahren etwas geändert und wird sich in Zukunft etwas ändern?

Viele Grüße
Der Heini
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich meine, dass man diese Frage so pauschal nicht beantworten kann; das hängt sehr stark von der jeweiligen Stelle ab, sowohl in der Kanzlei als auch in der Industrie.

Beispiele:
Ist (und bleibt) man in einer Kanzlei "nur" Associate, wird man u.U. wenig wirklich interessante oder große Fälle bearbeiten; aber man hat sein Auskommen, wenig Verantwortung und kann sich auf die anwaltliche Arbeit konzentrieren. Manchen wird das zufrieden stellen, andere nicht. Als Partner hingegen dreht man u.U. größere Räder, hat mehr Management-Aufgaben, muss sich um die Akquise kümmern (das liegt auch nicht jedem) und trägt das wirtschaftliche Risiko. Und dann gibt es noch die Unterschiede zwischen großen und kleinen Kanzleien; wer auch gerne mal einen Marken- oder Designfall macht, ist in der kleineren an der richtigen Stelle.

In der Industrie gibt es Stellen, die mehr verwaltenden Charakter haben; hier steht die Evaluierung der Erfindungen und die (am wirtschaftlichen Erfolg orientierte) Begleitung über den Lebenszyklus im Vordergrund. Die eigentliche anwaltliche Arbeit wird von externen Kanzleien erledigt. Wer richtig anwaltlich arbeiten will, kommt dabei zu kurz. Es gibt aber natürlich auch Stellen, die eher anwaltlich geprägt sind, so dass man jeweils seine Vorlieben mit der Stellenbeschreibung abgleichen muss. Es wird aber oft eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angewendet, d.h. es wird auch mal ein Amtsbescheid nicht oder nur lapidar beantwortet, wenn der Fall es nicht wert zu sein scheint. Dem Anwalt geht das mitunter gegen den Strich ...

Generell dürfte aber in der Industrie gelten, dass ein gewisser Anteil an Verwaltungskram zu erledigen ist; Assistenz- oder Sekretariatsstellen werden eher abgebaut, so dass man z.B. seine Reisekostenabrechnung selbst machen muss. Ferner wird immer mal wieder reorganisiert, insbesondere in großen Konzernen; das bedeutet ggf. Änderungen der Arbeitsgebiete und Arbeitsweisen, die man oftmals selbst mitgestalten darf (oder muss). Im Effekt arbeitet man häufig nur 50-70% der Zeit als Anwalt.

Andererseits bietet die Industrie Tätigkeitsfelder, in die man als Kanzleianwalt seltener gerät, etwa Patentstrategie, Portfoliomanagement, die Beteiligung an Lizenzdiskussionen, Lobbyarbeit etc. Und generell arbeitet man mehr im Team als in der Kanzlei.

Insofern ist die Tätigkeit in der Industrie keineswegs weniger oder mehr herausfordernd als in der Kanzlei, sondern lediglich "anders". Wie anders, hängt vom Unternehmen und der jeweiligen Stelle ab. Und was einem davon zusagt oder nicht, ist dabei höchst individuell.

Was sich ändert, ist schwer vorauszusagen. Es gilt allerdings, dass überall Kosten gespart werden müssen. Das kann heißen, dass mehr Anwaltliches intern erledigt wird, es kann aber auch mehr Outsourcing bedeuten. Aber _dass_ sich ständig irgendetwas ändert, ist klar. Das kann auch in Wellen passieren, d.h. was vor fünf Jahren als obsolet abgeschafft wurde, wird mit großem Brimborium, eventuell leicht modifiziert, neu eingeführt. Oft ändert das aber an der individuellen Arbeit auch nicht viel ;-)
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Patentheini,

Pat-Ente hat schon diverse Aspekte richtig aufgeführt, auch gelten die schon auf Dich bezogenen Überlegungen weiter oben auch allgemein zum Thema.

Bei den Diskussionen mit Bekannten ist mir aber aufgefallen, dass
1. gar kein Foren-Beitrag zu diesem doch interessanten Thema existiert
Hmm. Also bei mir werden unterhalb dieses Threads gleich eine ganze Reihe von Diskussionsfäden zu dieser Thematik aus den letzten 10 Jahren angezeigt.

und
2. sich die Einschätzung der Arbeit in der Industrie bei vielen stark gewandelt hat. Früher wurde meiner Ansicht nach die Arbeit in der Industrie etwas "belächelt" (nach dem Motto: "Wer nicht das Zeug zum Partner hat, geht in die Industrie"). Mittlerweile wird dieser Tätigkeit aber mehr Zukunftspotential zugeschrieben.

Ich sehe eigentlich nicht, dass sich hier im Laufe der Zeit eine Änderung vollzogen hätte.

Es hat schon zu allen Zeiten Wechsel zwischen den Patentabteilungen in der Industrie und
den Patentanwaltskanzleien gegeben, und zwar in beide Richtungen.

In der Patentabteilung ärgert man sich möglicherweise darüber, dass die Unternehmensleitung personelle, finanzielle und organisatorische Fehlentscheidungen trifft, die es verwehren, so gut zu sein, wie man könnte. Dann versucht man eben, seinen eigenen Laden aufzumachen oder irgendwo einzusteigen, wo man sich besser selbst verwirklichen kann.

Und in der Kanzlei ärgert man sich über falsche Entscheidungen der Mandanten, die suboptimale oder viel zu späte Weisungen geben oder Rechnungen nicht bezahlen. Dann geht man eben dahin, wo man selbst entscheidet, wann etwas gemacht wird und ob Jahresgebühren bezahlt oder Beschwerden eingelegt werden. Und man ärgert sich natürlich auch darüber, dass man in einer wie auch immer gearteten Gesellschaft mehrerer Kollegen die suboptimalen Entscheidungen der Kollegen mittragen muss, beispielsweise die Kosten eines weiteren nicht effektiven Standortes oder von regelmäßigen Kongressbesuchen anderer Sozien. Nun, dann geht man eben dahin, wo man diese Kosten nicht persönlich tragen muss. Das war 1967 so und gilt auch noch 2017.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Nachdem ich ca. 6 Jahre in einer Kanzlei gearbeitet habe und dort beide Zulassungen gemacht habe, habe ich letztes Jahr in eine Industriepatentabteilung gewechselt. Momentan sehe ich die Sache so:


Pro Kanzlei:
-Der "Thrill" der Jagd: mehr Geld, mehr Fälle, mehr Mandanten. Das kann unglaublich aufregend und motivierend sein.
-Viel mehr Fälle: fast jeden Tag echte materielle Patentarbeit, d.h. Bescheidserwiderungen, Neuanmeldungen etc. Man lernt unglaublich viel und schnell im Vergleich zur Industrie. In der Industrie ist man auch oft der "Erklärbär" und muss beispielsweise Stunden damit verbringen, einem Abteilungsleiter zu erklären, was Neuheit ist. Als gestandener Patentanwalt lernt man dabei selber nichts mehr.
-Unterschiedliche technische Fachgebiete: ich denke kaum jemand arbeitet tatsächlich ausschliesslich für nur einen Mandanten und oft kommen auch mal richtige Nischengebiete dran, z.B. von Kollegen im Ausland. Das kann sehr interessant und lehrreich sein.
-Vielleicht ein insgesamt höheres fachliches Niveau: beide Zulassungen und Promotion sind fast schon Standard in den grösseren Kanzleien, in der Industrie ist das formale Qualifikationsniveau etwas niedriger meiner Ansicht nach. Je mehr die Kollegen können und wissen, desto mehr kann man selber lernen.
-Vielleicht etwas flexiblere Arbeitsverhältnisse als im Großkonzern: solange man ordentlich Umsatz macht und gut arbeitet, kann man meiner Ansicht nach in einer Kanzlei eigentlich machen was man will: keine Urlaubsanträge, keine Chefgespräche, keine fragwürdigen Schulungen ("MS Office Basics"), home office nach Lust und Laune. Das gilt natürlich nicht unbedingt für Kandidaten.
-Deutsche Patentanwaltsausbildung: man lernt wirklich viel viel mehr als die Kollegen, die "nur" die EP-Zulassung haben bzw. machen.


Pro Industrie:
-es ist viel einfacher, ein hohes Gehalt zu erzielen
-kürzere Arbeitszeiten
-Einblick in andere Fachbereiche: Lizenzverträge, Kooperationsverträge, Due Dilligence, M&A, Arbeitnehmererfindergesetz, Steuerrecht. In einer Kanzlei hat man als Patentanwalt solche Fälle/Fragestellungen eher selten.
-anderes Verhältnis zu Risiko/Haftung: nach einer internen Diskussion kann man durchaus mal das eine odere andere rechtliche "Husarenstück" wagen, das eine Kanzlei aus Haftungsfragen niemals vorgeschlagen oder durchgeführt hätte.
-Keine schlaflosen Nächte wegen irgendwelcher Fälle, siehe oben.
-Mehr Reisen (je nach Unternehmen)
-evtl. höhere Jobsicherheit im Großkonzern und weitere kleine Boni: Dienstwagen, private Altersvorsorge, etc. (je nach Unternehmen)
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass bekanntlich morgen früh in München das Herbstseminar des Bundesverbandes der Patentanwälte zu genau diesem Thema eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Teilnehmer auf dem Podium sind unter anderem der Leiter der Patentabteilung von BMW (Joseph Dirscherl) und die frühere Präsidentin der Patentanwaltskammer (Brigitte Böhm). Zielgruppe sind Patentanwaltskandidaten und jüngere Patentanwaltskollegen, die vor genau dieser Frage stehen.

Soweit ich gehört habe, werden auch viele vor Ort sein, obwohl es natürlich was kostet. Wer keine Chance zur Teilnahme hat, wird sich sicherlich von den Teilnehmern anschließend eine Zusammenfassung geben lassen können.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ

Blood für PMZ
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Hallo

es wurden ja schon einige Unterschiede genannt aus denen man sich seine eigene Entscheidung basteln kann, ob man nun in der Industrie arbeiten möchte oder in einer Kanzlei bzw. der eigenen Kanzlei.

Einen kleinen Punkt möchte ich noch ergänzen, der für mich persönlich wichtig war nach der Ausbildung in der Kanzlei zu bleiben: Ich arbeite mit vielen Industriekollegen zusammen, wir erarbeiten Strategien und vertreten diese dann gegenüber den Entscheidungsträgern im Konzern. Für diese ist Patentrecht aber nur eine Nebenbaustelle, eher eine Frage der Risikoabschätzung was oft darauf hinausläuft, dass die "wie viel muss ich wem zahlen damit das Thema vom Tisch ist"-Frage aufkommt. Und nun trennt sich die Tätigkeit des Syndikuskollegen und die von uns:

Der Kollege aus der Industrie muss diese Entscheidung nun mittragen und verkaufen, egal was er selbst darüber denkt. Für ihn ist sie unumstößlich, er muss irgendwie versuchen seine Patentstrategie anzupassen und selbst wenn er in eine glasklare Verletzungsproblematik reinläuft. In einer Kanzlei hingegen, arbeite ich zwar auch in Richtung der Weisungen des Mandanten aber ich darf noch meine eigene Meinung haben und meine eigene Sichtweise des Falls. Zur Not darf ich das Mandant niederlegen, was zugegebenermaßen nie passiert. Aber selbst wenn nicht, so kann ich mir sicher sein am Nachmittag dem nächsten Mandanten eine Strategie vorzuschlagen und sie wird so übernommen. Der angestellte Anwalt jedoch, in den meisten Großkonzernen, hat 2-3 Patentfamilien zu betreuen und muss sich nun den ganzen Tag mit seinem verhassten, strategischen Selbstmord beschäftigen :) Arme Sau...!

Kurzum, die dem Angestelltenverhältnis innewohnende Weisungsgebundenheit war für mich ausschlaggebend nicht in die Industrie zu gehen. Ich finde als jemand mit Naturwissenschaftsstudium, Doktor, Hagen und Amtsjahr hab ich es mir verdient frei zu sein und nicht auf BWLer hören zu müssen :)
 

franzp

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,

das Thema wurde zwar schon in der Vergangenheit besprochen, aber da ich an einer aktuellen Meinung interessiert bin, eröffne ich einen neuen Thread.

Es gibt um die Frage, die sich wohl viele Patentanwälte stellen: Bleibe ich in einer Kanzlei (und strebe eventuell die Partnerschaft an) oder wechsel ich in die Industrie?

Meine Einschätzung der derzeitigen Lage (ich bin für Input offen):
- die Industrie drückt immer mehr die Preise (vermutlich bedingt durch Mondpreise, die manche Kollegen verlangt haben und immer noch verlangen)

Kann ich bestätigen.

- die Patentstrategie (also der spannende beratende Teil) verschiebt sich immer mehr in Richtung Inhouse Patentabteilungen

Kann ich bestätigen, war immer schon inhouse.

- in der Kanzlei arbeitet man entweder effizient Akten der Großindustrie ab (und kann dann sehr gut davon leben)

Kann ich bestätigen für die Großindustrie als Auftraggeber.
Stelle ich mir als Kanzleimitarbeiter recht frustrierend vor, eine Anmeldung nach der Anderen eines Großkonzerns abzuarbeiten, insbesondere wenn es auch noch dasselbe Gebiet ist.

oder man ist im Rahmen von mittelständischen Mandaten auch beratend tätig (kämpft dann aber, ein Einkommen, das unsere lange Ausbildung wiederspiegelt, zu erhalten) - die eierlegende Wollmilchsau (gutes Gehalt + spannende Tätigkeiten) gibt es kaum noch

- selbst wenn man Partner wird, ist das Risiko sehr hoch, dass das Einkommensniveau sinkt; und bis dahin wird der Kostendruck nach unten (sprich: PaFas, Junganwälte) weitergegeben


Welche Gründe sprechen eurer Meinung nach für die Industrie und welche für die Kanzlei? Ich bitte um eine respektvolle und konstruktive Diskussion.

Nach meiner Einschätzung kommt in der Industrie das anwaltliche Arbeiten (materielles Patentrecht, Verhandlungen etc.) zu kurz. Es geht mehr um das Thema Portfoliomanagement, Erfindungsmeldungen abgreifen, vorgegebene Zahlenziele erreichen, Bürokratie, verwaltung etc.

In einer Kanzlei würde ich mir erhoffen, dass man sich auf sein Fach, nämlich Patentrecht und Technik, konzentrieren kann und das Aufgabengebiet vielfältiger ist (wenn man nicht nur für einen Großkonzern Anmeldungen schreibt). Wie sehr Ihr das ?
 
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