Ist das Wörtchen "erfindungsgemäß" schädlich?

Kurt

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

schon von mehreren Seiten vernehme ich inzwischen, dass man das Wort "erfindungsgemäß" im Anmeldungstext möglichst nicht verwenden sollte.

Sprich, Sätze wie "der Ölbrenner gemäß Patentanspruch 1 zeichnet sich erfindungsgemäß durch ABC und XYZ aus" sind "verboten", damit nicht später womöglich jemand kommt und sagt, XYZ=erfindungsgemäß=wesentlich, deswegen darfst Du pöhser Pursche jetzt nicht "XYZ" aus dem Patentanspruch streichen.

Stimmt's, oder Quatsch?

Gruß
Kurt
 

grond

*** KT-HERO ***
Das stimmt, deshalb benutze ich aber trotzdem das Wort, nämlich genau dort, wo es hingehört: bei der Beschreibung der erfindungswesentlichen Aspekte, die sich auch im kennzeichnenden Teil der unabhängigen Ansprüche finden. Wenn ich die später rausstreichen wollte, müsste ich schon etwas sehr falsch gemacht haben. Von daher kommt eine Regel "verwende niemals das Wort 'erfindungsgemäß'" wohl eher von den Patentparanoikern, bei denen ich immer den Verdacht habe, dass sie im tiefsten Innern wohl nicht Herr der Materie sind.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Die Meinung erfindungsgemäß=wesentlich kann ich schon sprachlich nicht nachvollziehen.

"Erfindungswesentlich" sind die Merkmale des unabhängigen Anspruchs (oder mehrerer), durch die die Aufgabe gelöst wird. Daraus ergibt sich, dass es auch "erfindungsunwesentliche" Merkmale geben muss, die zur Erfindung gehören, sonst gibt der Begriff "erfindungswesentlich" keinen Sinn.

"Erfindungsgemäß" hat die Bedeutung "gemäß der Erfindung".

Die "Erfindung" ist doch wohl die gesamte offenbarte technische Lehre einschließlich der abhängigen Ansprüche mit den erfindungsunwesentlichen Merkmalen. Dies ergibt sich z.B. aus Ri C III 3.4, wonach eine besondere Ausführungsart eine "spezifischere Offenbarung der Erfindung als die im unabhängigen Anspruch" ist. Also umfasst die "Erfindung" auch besondere Ausführungsarten und dementsprechend kann sich "erfindungsgemäß" auch auf abhängige Ansprüche und erfindungsunwesentliche Merkmale beziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich verwende "erfindungsgemäß" nur in der Zusammenfassung der Erfindung (Summary section), bei der Darstellung der abhängigen Ansprüche aber so, dass die Optionalität der Merkmale klar wird ("erfindungsgemäß kann ferner vorgesehen sein ...", "gemäß einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung ..." o.Ä.).

In der Figurenbeschreibung (detailed description) lasse ich es schon aus praktischen Erwägungen lieber weg, um diese später nicht anpassen zu müssen, wenn etwa ein Beispiel nicht mehr unter den geänderten Hauptanspruch fällt.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
O.K. vielen Dank für die sehr hilfreichen Erfahrungswerte.

Praktisch gesehen würde es mich halt interessieren, ob irgendjemand TATSÄCHLICH schonmal Schwierigkeiten in einem Verfahren wegen der Verwendung dieses Worts bekommen hat -- oder ob Zeitgenossen, die das Wort "erfindungsgemäß" aus Anmeldungsentwürfen gestrichen haben wollen, womöglich einfach nur kein anderer (z.B. inhaltlicher) Kommentar mehr eingefallen ist.

Grüße
Kurt
 

grond

*** KT-HERO ***
Da ich der Meinung anhänge, dass der Einsatz des Wortes "erfindungsgemäß" nur mit Bedacht erfolgen sollte, fühle ich mich verpflichtet, dazu etwas zu sagen: nein, ich habe das noch nicht erlebt, allerdings: wie sollte ich auch? Ich habe das ja nie anders gemacht. Manchmal übernimmt man Akten von (hauptsächlich älteren) Kollegen, dann stehen einem schon einmal die Haare zu Berge. Meist erstaunt es dann um so mehr, wie gnädig (oder unwissend) die Prüfer dann doch sind. Ich habe selbst schon erlebt, dass Passagen mit Einleitungen wie "besonders wichtig ist..." nicht zu einer Aufforderung führten, das Merkmal in den unabhängigen Anspruch aufzunehmen. Wir sind uns aber doch wohl wenigstens hier einig, dass eine solche Formulierung, nunja, mindestens fahrlässig ist, oder?

Im übrigen stimme ich aber zu, dass es auf den Zusammenhang ankommt. Eine Formulierung wie "bei einer weiteren erfindungsgemäßen Ausführungsform kann zusätzlich blabla vorgesehen sein" würde ich auch nicht kritisch sehen. Wie gesagt, wer die "Regel" streng auslegt, ist meiner Meinung nach Patentparanoiker (die Sorte, die jedes Merkmal als optional beschreibt und immer betont, dass aber auch alles ganz anders sein könnte).
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Vielen Dank grond.

Das mit dem 'Haare zu Berge stehen' kann ich natürlich bestätigen. Ich hatte da neulich einen, da stand in jedem Patentanspruch mindestens fünf mal das Wort "insbesondere" (und zwar genau vor jedem einzelnen Merkmal des jeweiligen Anspruchs). Dies aber nur am Rande...

Bezüglich der Verwendung von "erfindungsgemäß" muss ich nach kurzer Durchsicht einiger Anmeldungen allerdings zugeben, dass ich das Wort nicht nur in der Beschreibung des Hauptanspruchs und in der Zusammenfassung, sondern auch öfters mal in der Zeichnungsbeschreibung verwendet habe.

Letzteres sollte ich vielleicht zukünftig ein bisschen reduzieren.

Grüße
Kurt
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich denke, Pat-Entes Anmerkung ist hier die wertvollste: in der Beschreibung der Figuren kann es dazu führen, dass bestimmte, nach einem harten Prüfungsverfahren von den Ansprüchen nicht mehr erfasste Ausführungsformen nicht mehr "erfindungsgemäß" sind. Nerviges Streichen/Umformulieren dieser Passagen kann man dann mindestens reduzieren, wenn man sparsam mit dem Wort umgeht. Wenn man einmal eine 60seitige EP-Anmeldung aus US zu betreuen hatte, zu der man keinen computerlesbaren Text zur Verfügung hatte und bei der ständig "according to the invention" verwendet wird, merkt man sich das schnell...

Deshalb leite ich die Figurenbeschreibung auch immer nur ein mit "Fig. X zeigt ein X-tes Ausführungsbeispiel der Erfindung.", danach wird "Erfindung" so wenig wie möglich verwendet. Das lässt sich dann in einem solchen Fall leichter editieren.

Aus Deinen Zeilen lese ich aber, dass Du in einer Art Abnahmeverzugssituation bist, Deine Arbeit also als noch nicht "gut genug" angesehen wird. Da wirst Du Dich wohl an das Dienstleistercredo "der Kunde bestimmt, was 'gut' ist" halten müssen. Fällt mir auch oft schwer, wenn der Kunde auf das Falsche besteht. Wenn es aber nur Kosmetik ist, bitte schön...
 

Rex

*** KT-HERO ***
Meist erstaunt es dann um so mehr, wie gnädig (oder unwissend) die Prüfer dann doch sind. Ich habe selbst schon erlebt, dass Passagen mit Einleitungen wie "besonders wichtig ist..." nicht zu einer Aufforderung führten, das Merkmal in den unabhängigen Anspruch aufzunehmen.

Wieso denn das?

Es liegt doch lediglich ein Widerspruch im Wortlaut vor. "In diesem Fall kann der Widerspruch entweder durch Erweiterung der Beschreibung ODER durch Beschränkung der Patentansprüche behoben werden", um mal wieder die Richtlinien zu zitieren. Welche der beiden Maßnahmen durchgeführt wird, ergibt sich im Einzelfall aus dem allg. Fachwissen und dem Gesamtzusammenhang der Beschreibung.

Warum sollte eine sprachliche Ungenauigkeit immer zulasten des Anmelders ausgelegt werden? Eine Prüferin im Amtsjahr hat bei einer ähnlichen Frage mal gesagt: "Wir sind doch keine Bestrafungsbehörde!"
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Aus Deinen Zeilen lese ich aber, dass Du in einer Art Abnahmeverzugssituation bist, Deine Arbeit also als noch nicht "gut genug" angesehen wird. Da wirst Du Dich wohl an das Dienstleistercredo "der Kunde bestimmt, was 'gut' ist" halten müssen. Fällt mir auch oft schwer, wenn der Kunde auf das Falsche besteht. Wenn es aber nur Kosmetik ist, bitte schön...

Genau, und sogar umso lieber, wenn an der Bemängelung sogar was dran ist (wie wir hier ja in Bezug auf die Verwendung des fraglichen Begriffs zumindest in der Zeichnungsbeschreibung übereingekommen sind).

Dank und Grüße
Kurt
 

grond

*** KT-HERO ***
Es liegt doch lediglich ein Widerspruch im Wortlaut vor. "In diesem Fall kann der Widerspruch entweder durch Erweiterung der Beschreibung ODER durch Beschränkung der Patentansprüche behoben werden", um mal wieder die Richtlinien zu zitieren. Welche der beiden Maßnahmen durchgeführt wird, ergibt sich im Einzelfall aus dem allg. Fachwissen und dem Gesamtzusammenhang der Beschreibung.

Welche RiLi zitierst Du denn da? Für mich ist das nicht lediglich ein Widerspruch im Wortlaut, sondern wirft eine Frage hinsichtlich des tatsächlichen Erfindungsgegenstandes und dessen Erfindungsbesitzes zum Anmeldezeitpunkt auf.


Warum sollte eine sprachliche Ungenauigkeit immer zulasten des Anmelders ausgelegt werden? Eine Prüferin im Amtsjahr hat bei einer ähnlichen Frage mal gesagt: "Wir sind doch keine Bestrafungsbehörde!"

Ich hatte bei mancher mündlichen Verhandlung schon das Gefühl, vor einer Art Kriegsgericht zu stehen. Man nahm es einmal offenbar sogar persönlich, dass man nicht schon beim ersten Bescheid dem Prüfer Glauben geschenkt hat.

Man muss schon sehr von seinem Standpunkt überzeugt sein, wenn man auf Kosten des Anmelders derlei (vermeidbare) Dinge durch die Instanzen hindurch klären will. Diese Streitmöglichkeiten würde ich mir lieber für den Kern der Sache, Neuheit und erfinderische Tätigkeit, aufheben.
 

union

*** KT-HERO ***
Hinsichtlich des Worts "erfindungsgemäß" sollte nicht vergessen werden, dass die hierzulande entworfene Anmeldung ja unter Umständen Basis einer Prioritätsnachanmeldung sein könnte.

Angeblich gibt es zum Beispiel in den USA Rechtsprechung, derzufolge mehr oder weniger alles was in einem Satz steht, der auch das Wort "invention" enthält, als wesentlich anzusehen ist. Jedenfalls kenn ich mehrere US Anmelder, die Manuals zum Entwerfen von Patentanmeldungen herausgeben, in welchen vorgeschrieben wird, dass das Wort "invention" nirgends im Anmeldetext vorkommen soll.

union
 

Kurt

*** KT-HERO ***
O-ha! Von daher (wohl wg. "best mode requirement") könnte der Wind natürlich auch wehen.

Danke
Grüße Kurt
 

Rex

*** KT-HERO ***
@grond:
Aus EPA RiLi C III 4.3 i) Widerspruch im Wortlaut und ii) Widerspruch betreffend offensichtlich wesentliche Merkmale.

Deine Erfahrungen mit dem "Kriegsgericht" kann ich bestätigen. Meiner Meinung nach ist das psychologisch erklärbar. Weil die PAs immer damit prahlen, wie gut sie verdienen, entsteht möglicherweise eine Art Neidkomplex. Wenn dann noch Inkompetenz vermutet wird, will man dem PA natürlich zeigen, wo Barthel den Most holt.:)
---

Die Gleichsetzung von "Erfindung" bzw. "erfindungsgemäß" mit "erfindungswesentlich" kann ich weiterhin nicht nachvollziehen. Hier hat bisher auch keiner auch nur eine einzige Entscheidung oder eine Stelle im Kommentar genannt, die diese Behauptung stützt.
 

pirat

SILBER - Mitglied
Bevor man sich darüber Gedanken macht, ob das Wort "erfindungsgemäß" schädlch sein könnte, sollte man sich dessen Bedeutung klar machen.

Ich würde "erfindungsgemäß" mit "gemäß der Erfindung" oder "in Übereinstimmung mit der Erfindung" gleichsetzen. Ob man nun eine "Ausführungsform der Erfindung" oder eine "erfindungsgemäße Ausführungsform" schreibt, ist meines Erachtens vollkommen egal.

Viel wichtiger ist, sich dazu klarzumachen, was mit dem Begriff der "Erfindung" gemeint sein könnte und wie dieser auszulegen ist.

Hierzu hilft vielleicht der Schulte mit seiner Definition §1 RN 18:

"Eine Erfindung ist eine technische Lehre. Usw ....".

Die technische Lehre wird jedoch nicht nur durch den Gegenstand nach einem unabhängigen Anspruch gebildet (wie es hier teilweise angenommen wird), sondern wird durch die gesamte Anmeldung ohne Zusammenfassung gebildet. Dabei kann die technische Lehre auch mehrere Erfindungen umfassen, wie es ja typischerweise durch Unteransprüche zum Ausdruck gebracht wird.

Danach könnte man "erfindungsgemäß" auch mit "gemäß der technischen Lehre" oder mit "gemäß der Anmeldung" übersetzen.

Also ich zumindest kann nicht erkennen, dass die Verwendung von "erfindungsgemäß" in irgeneiner Weise nachteilig sein könnte - zumindest nicht im deutschen und europäischen Verfahren.
 
Zuletzt bearbeitet:

Rex

*** KT-HERO ***
@ pirat

Sehr schön, besser hätte ich es auch nicht schreiben können. Dafür habe ich Dir einen Punkt gegeben.
 

pirat

SILBER - Mitglied
Danke! Weitaus problematischer, um in dem Eingangs zitierten beispiel zu bleiben, sind Formulierungen:

"Der Ölbrenner zeichnet sich aus ..."

"Wesentlich für den Ölbrenner ist ..."

"Besonders wichtig ist, dass der Ölbrenner ..."

oder Ähnliches.

Hierdurch wird implizit ausgedrückt, dass es ohne das entsprechende Merkmal nicht geht.
 

ppa

GOLD - Mitglied
ich seh das auch nicht so problematisch.

"ein erfindungsgemäßer Vorteil liegt darin ..."
dürfte wohl unproblematisch sein; es wird ein Vorteil der patentgemäßen Lehre angeführt, gut so.

Bei Würdigung der Lösung der Erfindung (im allgemeinen Teil der Beschreibung) können so die Merkmale des Anspruchs 1 erläutert werden , also zB "die erfindungsgemäß vorgesehene Betätigungseinrichtung",
wenn diese tatsächlich so im Anspruch 1 steht.
Und fakultative Formulierungen wie "Vorzugsweise ist erfindungsgemäß ein Doppelhebel vorgesehen" sind eh nicht einschränkend.

Problematisch sind eher "zwingende Formulierungen" mit "müssen" oder auch wie "Hierzu ist der Doppelhebel an einem Träger anzulenken", da dies inhaltlich einem Muss entspricht.
 

union

*** KT-HERO ***
schon von mehreren Seiten vernehme ich inzwischen, dass man das Wort "erfindungsgemäß" im Anmeldungstext möglichst nicht verwenden sollte.

Mal anders herum gefragt: Was soll die Verwendung des Wortes "erfindungsgemäß" eigentlich für einen Vorteil bringen?

Also warum

"...der Ölbrenner gemäß Patentanspruch 1 zeichnet sich erfindungsgemäß durch ABC und XYZ aus..."

statt

"...der Ölbrenner gemäß Patentanspruch 1 zeichnet sich durch ABC und XYZ aus..."

?
 

smartpat

SILBER - Mitglied
In meiner Praxis streiche ich bei Anmeldungen in den USA regelmäßig das Wort "erfindungsgemäß" aus deutschen Prioritätsanmeldungen. Die Logik ist relativ einfach:
Die Erfindung wird durch die Patentansprüche definiert. Punkt. Die Beschreibung ermöglicht andere, die Erfindung zu praktizieren, sollte aber nicht definieren, was die Erfindung ist.

Ein "erfindungsgemäß" in der Beschreibung kann von einem Verletzer genutzt werden, die Erfindung über die Ansprüche hinaus einzuschränken. Wenn ich z.B. in den Patentansprüchen eine Maschine mit A, B, und C beanspruche, in der Beschreibung aber steht daß die erfindungsgemäße Maschine auch D hat, dann ist eine Maschine ohne D also nicht erfunden worden.
 
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