EPÜ Hilfestellung durch Prüfer in mündlicher Verhandlung

Fip

*** KT-HERO ***
Nachdem wir für einen Mandanten eine Einwendung Dritter (Art. 115 EPÜ) eingereicht hatten und alles danach aussah, dass die Prüfungsabteilung aufgrund unserer Eingabe die Anmeldung zurückweisen würde, stelle ich nun fest, dass nach einer mündlichen Verhandlung eine R 71 (3) Mitteilung erlassen würde. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung steht weitgehend wörtlich (!):


"Der Vorsitzende wies darauf hin, dass ein Anspruch, der auf ... [es folgt der Hinweis auf den möglichen Wechsel auf einen übergeordneten Gegenstand sowie Hinweise auf die expliziten Stellen der Beschreibung, die die notwendige Offenbarung für weitere Einschränkungen enthalten] ... gerichtet ist, möglicherweise gewährbar sei. Unter der Anleitung der Prüfungsabteilung änderte der Vertreter die Ansprüche in einer Weise, dass diese durch die ursprünglich eingereichte Beschreibung gestützt sind, Art. 123 (2) und Art. 84 genügen und außerdem als neu und erfinderisch anzusehen sind."


Ist das noch normal? Ich befürchte, ich kenne die Antwort schon, aber trotzdem: Kann man da was machen?
 

Gonzo

*** KT-HERO ***
Kannst einsprechen.
Sonst kannste machen nix.
War ja keine Einspruchsverhandlung, oder?

Grüsse,

G
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Kann man da was machen?

Einspruch einlegen ;-)

[Ja, ja, Gonzo war schneller]

Da hier der Patentanmelder der einzige Beteiligte ist, darf die Prüfungsabteilung ihn durchaus auf möglicherweise gewährbare Gegenstände in der Anmeldung hinweisen ohne dabei andere zu benachteiligen. Schliesslich hat die Öffentlichkeit (zu der der "Dritteingebende" als nicht am Verfahren Beteiligter zählt) lediglich das berechtigte Interesse daran, dass nur Patente erteilt werden, die den Anforderungen des EPÜ genügen, was hier zumindest nach Auffassung der Prüfungsabteilung der Fall ist.

Außer dem Einspruch sieht das EPÜ hier jedenfalls kein der Öffentlichkeit zugängliches Rechtsmittel vor.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke für den Hinweis, dass ich Einspruch einlegen kann. Aber apropos Einspruch: Was ist das nochmal?

Mich hat das trotzdem überrascht. Immer, wenn ich mündliche Verhandlung im Anmeldeverfahren habe und "ins Schwimmen" gerate, höre ich von der Prüfungsabteilung immer nur, dass ich die gewährbaren Ansprüche schon selber formulieren müsse, da die Prüfungsabteilung ein gewisses Maß an Neutralität zu wahren habe und schließlich der Anmelder Herr des Verfahrens sei und die Anträge selber stellen müsse ... Wie immer gibt es wohl solche und solche ... Trotzdem finde ich es recht "krass", es in der Niederschrift auch noch zu dokumentieren, dass die Prüfungsabteilung dem Vertreter einen gewährbaren Anspruch in die Feder diktiert und auch noch darauf hinweist, wo in der Offenbarung die relevanten Merkmale stehen. Scheinbar war in den Augen dieser Prüfungsabteilung der Kunde (=Anmelder) tatsächlich "König".
 

Patentonkel

GOLD - Mitglied
Meines Erachtens geht das Vorgehen der Abteilung in Ordnung

RiLi B-XI, 3.8

der vorschlag ist zwar schon sehr konkret, aber eine rechtsfehlerhafte behandlung wirst du da nicht argumentieren können
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Meines Erachtens geht das Vorgehen der Abteilung in Ordnung

RiLi B-XI, 3.8

der vorschlag ist zwar schon sehr konkret, aber eine rechtsfehlerhafte behandlung wirst du da nicht argumentieren können

Aber selbst wenn sie rechtsfehlerhaft zugunsten des Anmelders gewesen wäre, welches Rechtsmittel könnte eingelegt werden und von wem? Ich kann mir hier nichts vorstellen außer einer neuen Eingabe Dritter - aber der Anmelder kennt nunmal die gewährbaren Ansprüche, und die Prüfungsabteilung würde diese wohl nicht zurückweisen können.
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Da kannst du rein gar nichts machen. Auf welcher Basis auch? Verstoß gegen die Richtlinien (wenn überhaupt)?

Ganz abgesehen davon scheinen die finalen Ansprüche ja nun den Erfordernissen des EPÜ zu genügen. Dein Mandant sollte damit also kein Problem mehr haben. Wenn doch kannst du Einspruch einlegen und neu argumentieren.

Nebenbei gesagt halte ich das Vorgehen vieler Mandanten bzw. Anwälte inzwischen für fast schon rechtsmissbräuchlich, da Einwendungen Dritter als "Einspruch light" eingereicht werden, vor allem um Kosten zu sparen. Da die Prüfer neuerdings solche Einwendungen nicht mehr einfach ignorieren können, sondern immer eine Stellungnahme des Anmelders einholen müssen, können sich Erteilungsverfahren stark verzögern, was meiner Ansicht nach schon stark fragwürdig ist. Zumal Einwendungen oftmals schlecht begründet sind und nur dazu dienen das Verfahren zu verzögern. Wir haben mehrere solcher Fälle in unserer Praxis!

Ich finde es grundsätzlich nicht so schlimm, wenn die Prüfungsabteilung etwas nachhilft. In Prüfbescheiden liest man solche Hinweise ja auch ständig. Die Erteilung ist schlussendlich ja ohnehin an die Konformität mit EPÜ gebunden und auch an den Antrag des Anmelders. Dieser kann also immer noch entscheiden welche Strategie er verfolgt. Er sollte außerdem nicht durch mangelhafte Rechtsberatung durch seinen Vertreter benachteiligt werden.
 

grond

*** KT-HERO ***
Immer, wenn ich mündliche Verhandlung im Anmeldeverfahren habe und "ins Schwimmen" gerate, höre ich von der Prüfungsabteilung immer nur, dass ich die gewährbaren Ansprüche schon selber formulieren müsse, da die Prüfungsabteilung ein gewisses Maß an Neutralität zu wahren habe und schließlich der Anmelder Herr des Verfahrens sei und die Anträge selber stellen müsse

Das hängt stark von der Prüfungsabteilung ab und auch stark vom Auftreten des Anmeldervertreters. Wer schneidig Forderungen stellt und sämtliche Federn der Rechtsprechung spreizt, wird weniger wahrscheinlich Hilfsstellungen beim Formulieren von Ansprüchen bekommen als ein unbeholfener mit Firmenvollmacht ausgestatteter Patentingenieur. Die Prüfungsabteilungen sind auch an einer Erledigung interessiert und daher nicht selten bereit, kollegial zu handeln. Ich habe daher durchaus schon mündliche Verhandlungen gehabt, wo man gemeinsam hypothetische neue Anträge diskutiert hat, bevor die dann tatsächlich (in der zufälligerweise gewährbaren Form) gestellt und nach minimaler Beratungszeit positiv beschieden wurden. Warum sollte man den Anmeldervertreter auch mit Anträgen aufs Geratewohl umständlich herausfinden lassen, woran es hapert? Patentanwaltshermeneutik?


Trotzdem finde ich es recht "krass", es in der Niederschrift auch noch zu dokumentieren, dass die Prüfungsabteilung dem Vertreter einen gewährbaren Anspruch in die Feder diktiert und auch noch darauf hinweist, wo in der Offenbarung die relevanten Merkmale stehen. Scheinbar war in den Augen dieser Prüfungsabteilung der Kunde (=Anmelder) tatsächlich "König".

Wo siehst Du jetzt aber das Unrecht? Zudem: es gibt nur Gleichheit im Recht, nicht jedoch Gleichheit im Unrecht.


Nebenbei gesagt halte ich das Vorgehen vieler Mandanten bzw. Anwälte inzwischen für fast schon rechtsmissbräuchlich, da Einwendungen Dritter als "Einspruch light" eingereicht werden, vor allem um Kosten zu sparen.

Nach meiner Erfahrung spielt da weniger eine Kostenersparnis eine Rolle (ich rechne da ähnlich ab wie bei Einsprüchen und arbeite auch ähnlich detailliert), sondern das Interesse, sich nicht selbst durch einen Einspruch als potentieller Verletzer zu outen. Eine Strohmannkonstruktion bei einem Einspruch ist schwieriger aufrechtzuerhalten als mal eben einen Anwaltskollegen eine Einwendung Dritter in eigenem Namen einreichen zu lassen.
 

pak

*** KT-HERO ***
Die erfinderische Tätigkeit oder was das EPA darunter versteht wird von einigen unserer Mandanten mittlerweile als derart fragwürdig angesehen ("Hauptsache Aufrechterhaltung"), dass diese gar keine Einsprüche oder gar Eingaben Dritter mehr machen, sondern es im Notfall lieber auf ein Nichtigkeitsverfahren oder einen Vergleich ankommen lassen. Kann ich durchaus nachvollziehen ...

Gruß

pak
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Nebenbei gesagt halte ich das Vorgehen vieler Mandanten bzw. Anwälte inzwischen für fast schon rechtsmissbräuchlich, da Einwendungen Dritter als "Einspruch light" eingereicht werden, vor allem um Kosten zu sparen. Da die Prüfer neuerdings solche Einwendungen nicht mehr einfach ignorieren können, sondern immer eine Stellungnahme des Anmelders einholen müssen, können sich Erteilungsverfahren stark verzögern, was meiner Ansicht nach schon stark fragwürdig ist. Zumal Einwendungen oftmals schlecht begründet sind und nur dazu dienen das Verfahren zu verzögern. Wir haben mehrere solcher Fälle in unserer Praxis!
Wie grond schon gesagt hat, werden da nicht wirklich Kosten gespart. Wir haben jedenfalls einen Mandanten, der keine Kosten scheut, seinen Hauptkonkurrenten bei jeder Patentanmeldung auf Schritt und Tritt mit Einwendungen Dritter zu überziehen. Und das nicht mal anonym, die sollen schon sehen wer die Hosen anhat...

Nebenbei sind diese in manchen Fällen auch unerlässlich: Unklare Ansprüche kriegst du nur vor Erteilung tot. Auch Uneinheitlichkeit kannst du im Einspruch nicht mehr anbringen.
 
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