Interessant könnte die Frage sein, wie Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen (nach abgelaufener EPÜ-Einspruchsfrist) behandelt werden, da ein einheitliches Gerichtssystem wohl vorerst nicht in Sicht ist. Offensichtlich ist hier der Sitz des Patentinhabers entscheidend, siehe Artikel 10.
Verletzung und Nichtigkeit sind nach meinem Verständnis in diesem Vorschlag gar nicht geregelt. Der genannte Art. 10 betrifft meines Erachtens nur die Frage, welches Recht für die Vorschriften über das Patent oder die Anmeldung als
Gegenstand des Vermögens relevant sind, d.h. für Fragen wie Pfändbarkeit, Verwertung in Insolvenz etc. Insoweit scheint das im Hinblick darauf, was geregelt werden soll, ähnlich wie Art. 66 EPÜ zu sein. Nur wird natürlich wegen der Einheitlichkeit des Unionspatents nicht wie im EPÜ für unterschiedliche Staaten unterschiedlich angeknüpft, sondern es gibt eine einheitliche Anknüpfung, die für das gesamte Patent gilt.
Ich vermute, dass die Streitregelung in einer separaten Verordnung oder (falls das wegen IT und ES nicht geht) in einem weiteren Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 EUV geregelt werden soll. Bei einem GRUR-Vortrag eines damit befassten Mitarbeiters der Kommission habe ich es so aufgefasst, dass mit der Aufsplittung in unterschiedliche Rechtsakte (einer für Unionspatent, einer für Streitregelung, einer für Sprachenregelung) sichergestellt werden soll, dass eine Verabschiedung zumindest für die Teile möglich ist, bei denen eine Einigung erzielt werden kann.
Zur Streitregelung: Das weitere Vorgehen ist nach dem EuGH-Gutachten momentan wieder ziemlich offen. Pagenberg hat in einem Artikel in den Mitteilungen vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass der - vom EuGH abgelehnte - Entwurf für die Streitregelung Ausgangspunkt für neue Rechtsakte zur Streitregelung sein kann (als eine Art EPLA 2, die aber sehr auf dem Ratsentwurf aufbaut). Wenn man die Streitregelung nur auf das künftige Unionspatent beschränkt (also nicht mehr wie im abgelehnten Vorschlag die EP-Patente mit einbeziehen will), und sicherstellt, dass nur EU-Mitglieder bei der gemeinsamen Streitregelung mitmachen (und nicht mehr wie im abgelehnten Vorschlag auch andere EPÜ-Vertragsstaaten), bestehen die vom EuGH im Gutachten 1/09 aufgezeigten Probleme nicht - alle Gerichte wären dann in das EU-Gerichtssystem eingebunden.
Falls die Streitreglung im Wesentlichen wie im Vorschlag
Ratsdokument 7928/09 wäre, dann würde nach meiner Auffassung gelten (siehe Art. 15, 15a):
- für nicht im Wege der Widerklage erhobene Nichtigkeitsklagen ist die zentrale Kammer zuständig;
- für Verletzungsklagen ist die zentrale Kammer oder wahlweise die lokale oder regionale Kammer am Ort der unerlaubten Handlung zuständig;
- für Nichtigkeits-Widerklagen kann ausnahmsweise auch das Verletzungsgericht zuständig sein, falls nicht eine Verweisung an die zentrale Kammer erfolgt.
Eine alternative Lösung, die in der Kammerversammlung letzte Woche genannt wurde, wäre, das Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren ähnlich wie bei Gemeinschaftsmarke und -geschmacksmuster zu lösen. D.h. man würde einfach nationale Gerichte zu "Gemeinschaftspatentgerichten" erklären. Dabei hapert es aber meiner Meinung nach ein wenig daran, dass es bei GM und GGM ein zeitlich unbeschränktes amtliches Verfahren zur Vernichtung für das Schutzrecht gibt. Für nicht im Wege der Widerklage erhobene Nichtigkeitsklagen gegen Unionspatente müsste man also eine ganz neue Regelung für die Zuständigkeit schaffen.
Da das alles so im Fluss ist, kann man wohl noch auf Überraschungen gefasst sein.