EPÜ EURO-PCT, Wiederaufnahme von freiwillig gestrichenen Ansprüchen

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

bei Einleitung der europäischen Phase einer PCT-Anmeldung sollen etliche Ansprüche gestrichen werden, um Anspruchsgebühren zu sparen.

Ist es möglich (unter Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren), den Gegenstand eines gestrichenen Anspruchs später wieder in den Hauptanspruch aufzunehmen?

M.E. liegt hier ein Fall von "Zusätzliche Recherchen während der Prüfung" gem. RiLi C-VI, 7.2 iv) vor:

Eine zusätzliche Recherche kann erforderlich sein,
[...]
iv)
wenn die Ansprüche in einem Maße geändert worden sind, dass sie nicht mehr in vollem Umfang durch die ursprüngliche Recherche erfasst werden

Korrekt?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Der von dir verlinkte Abschnitt bezieht sich auf eine zusätzliche Recherche, die zwar faktisch, aber nicht rechtlich "notwendig geworden" ist. Sprich: Recherchegebühren sind dafür nicht zu zahlen, das gilt als nachgeholter Teil der ursprünglichen Recherche.

Du kannst Ansprüche, die bei EP-Eintritt gestrichen wurden, prinzipiell später wieder einführen. Das steht allerdings unter Vorbehalten:
1. Wenn ein mit den restlichen Ansprüchen nicht einheitlicher Gegenstand eingeführt werden soll, geht das nicht (R. 137(5)).
2. Nach der ersten Änderung kann sowieso jeder neue Anspruch nach Tagesform und Laune des Prüfers zurückgewiesen werden (R. 137(3)).
 

Fip

*** KT-HERO ***
2. Nach der ersten Änderung kann sowieso jeder neue Anspruch nach Tagesform und Laune des Prüfers zurückgewiesen werden (R. 137(3)).

Das stimmt so nicht so ganz. Man kann immer ändern, wenn die Änderungen nach dem jeweiligen Verfahrensstand möglich sein müssen bzw. von den Vorschriften her vorgesehen sind. Bei Euro-PCT Anmeldungen (hierzu war die Eingangsfrage gestellt worden) also mindestens in Reaktion auf die Regel 161/162 Mitteilung und in Reaktion auf die Regel 70a Mitteilung (wenn EPA nicht ISA) "von sich aus". Und in Reaktion auf einen Prüfungsbescheid (Art 94 (3)) kann man dann auch nochmal Änderungen einreichen (was dann allerdings nicht "von sich aus" ist).

Wenn man also mit der Euro-PCT keinen glatten Durchschuss erlebt, dann hat man (abhängig davon, ob es einen erweiterten Recherchenbericht des EPA gibt) mindestens zwei oder drei Mal die Möglichkeit theoretisch sogar nochmal nach Erhalt einer R 71 (3) Mitteilung, wenn man die Zustimmung verweigert), Änderungen einzureichen.

Diese Änderungen darf der Prüfer nicht nach "Tagesform und Laune" zurückweisen, weil diese Änderungen sich im Rahmen von R 137 (2) bzw. Art. 94 (3) bewegen und daher - will der Prüfer diese zurückweisen - einer begründeten Zurückweisung bedürfen. Nur "weitere" Änderungen (siehe den Wortlaut von R 137 (3), der sich in Abrenzung von R 137 (2) auf "weitere" Änderungen bezieht) darf der Prüfer weitgehend nach "Tagesform und Laune" (gemeint ist unter bloßem Hinweis auf R 137 (3) bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Aspekten Fairneß, Sachdienlichkeit und Verfahrensökonmie) zurückweisen.

Bei Streichung von Ansprüchen (z.B. zur wenigstens vorläufigen Vermeidung von Anspruchsgebühren) können gestrichene Ansprüche später wieder eingeführt werden, insbesondere können die Merkmale von gestrichenen Unteransprüchen zur Abgrenzung vom Stand der Technik wieder in den Hauptanspruch aufgenommen werden. Allerdings müssen diese Änderungen natürlich zulässig sein (d.h. Art. 123, R 43, R 137(5), etc. genügen), um nicht zurückgewiesen zu werden. Die Streichung ist so vorzunehmen, dass sie nicht als Verzicht ausgeleget werden kann. Bei einer Euro-PCT gilt der Inhalt der ursprünglich eingereichten PCT Anmeldung als "ursprünglich eingereicht", so dass man aus diesem ursprünglichen Offenbarungsgehalt, zu dem auch später gestrichene Unteransprüche gehören, schöpfen kann.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wenn man also mit der Euro-PCT keinen glatten Durchschuss erlebt, dann hat man (abhängig davon, ob es einen erweiterten Recherchenbericht des EPA gibt) mindestens zwei oder drei Mal die Möglichkeit theoretisch sogar nochmal nach Erhalt einer R 71 (3) Mitteilung, wenn man die Zustimmung verweigert), Änderungen einzureichen.

Diese Änderungen darf der Prüfer nicht nach "Tagesform und Laune" zurückweisen, weil diese Änderungen sich im Rahmen von R 137 (2) bzw. Art. 94 (3) bewegen und daher - will der Prüfer diese zurückweisen - einer begründeten Zurückweisung bedürfen.

Das sehe ich nun wirklich nicht so. Regel 137(2) gibt einem genau eine einzige Möglichkeit zur Änderung von Ansprüchen, die der Prüfer inhaltlich prüfen muss: Nämlich die Antwort auf die Regel 70a-Mitteilung oder die Antwort auf die Regel 161(1)-Mitteilung (weil es in dem Fall keine Regel 70a-Mitteilung gibt). Außerdem hat man noch bei der Euro-PCT evtl. eine zusätzliche Möglichkeit vorher bei der Regel 161(2)-Mitteilung. Das sind dann maximal zwei "freie" Änderungen. Alles andere kann schon formal zurückgewiesen werden.

Das heißt für Marcs Frage: Ich trete in die europäische Phase eine und schmeiße ein paar Ansprüche raus. Wenn ich danach eine 70a kriege, dann kann ich als direkte Antwort die Ansprüche wieder reinbringen und der Prüfer kann das nicht formal zurückweisen. Danach bin ich seiner Gnade ausgeliefert.

Wenn EPA ISA war, dann habe ich nicht einmal diese Möglichkeit, denn dann kann ich nur auf die 161(1) frei ändern. Dort darf ich aber die gestrichenen Ansprüche noch nicht wieder einführen, denn ich müsste ja nach R. 162 für sie zahlen. Hier muss man also hoffen, dass der Prüfer nach dem ersten Prüfbescheid so gnädig ist, die neuen Ansprüche noch reinzulassen. Das muss er nämlich nicht!
 

Fip

*** KT-HERO ***
Sorry, aber da muss ich widersprechen. Wenn ich Ansprüche (rechtzeitig) freiwillig gestrichen habe, habe ich nicht auf sie verzichtet. Regel 162 (4) greift nicht, weil ich Gebühren, die nie fällig waren, nicht "nicht rechtzeitig" zahlen kann und weil diese Ansprüche, die ich "bei Einleitung der regionalen Phase" streiche (siehe Ausgangsfrage) außerdem nie zu den Ansprüchen gehört haben, die dem europäischen Erteilungsverfahren zugrunde zu legen sind (R 162 (1)).

Das, was in diesen Ansprüchen offenbart ist, ist aber Teil der ursprünglichen Offenbarung. Und ich kann Änderungen des Patentbegehrens unter Rückgriff auf die ursprüngliche Offenbarung vornehmen. Merkmale, die in ursprünglich eingereichten und vorläufig gestrichenen Ansprüchen stehen, sind dabei nicht anders zu beurteilen bzw. "schlechter gestellt" als Merkmale, die in der ursprünglichen Beschreibung oder den Zeichnungen zu finden sind. Wenn die Änderung eine echte Einschränkung darstellt, die ich zweifellos etwa dann vornehmen dürfte, wenn dieses Merkmal als bevorzugtes Ausführungsbeispiel (nur) in der Beschreibung stünde, dann darf ich diese Änderung auch vornehmen, wenn das Merkmal (nur) in einem ursprünglichen (und bei Einleitung der regionalen Phase gestrichenen) Unteranspruch stand.

Wenn also weiter - und hierauf richtete sich die Frage - der (ich vermute mal aufgrund des Standes der Technik nicht patentfähige) Hauptanspruch (zur Abgrenzung vom Stand der Technik) mit Merkmalen eingeschränkt werden soll, die in einem ursprünglich offenbarten und dann (zunächst) gestrichenen Unteranspruch standen, ist das zulässig, und zwar auch im Rahmen der Erwiderung auf einen Prüfungsbescheid, der die mangelnde Patentfähigkeit beanstandet und im Rahmen dessen der Anmelder aufgefordert wird, eine Stellungnahme einzureichen und, vorbehaltlich des Art. 123, die Anmeldung zu ändern. Ich musste das übrigens schon mehrmals machen und es hat noch kein Prüfer gemeckert.

Anders sieht es ggf. dann aus, wenn sich durch die Hinzunahme der Merkmale des (gestrichenen) Unteranspruchs in den Hauptanspruch ein anderer Gegenstand ergibt, der z.B. als eine Art Aliud zur zunächst beanspruchten Erfindung angesehen werden kann und der nicht recherchiert ist (R 137 (5)). Nach Erstellung des europäischen Recherchenberichts eine Änderung vorzunehmen, die eigentlich eine zusätzliche Recherchegebühr erforderlich machen würde, geht sicher nicht. Hierauf deutet die Ausgangsfrage zugegebener Maßen auch ein wenig hin. Allerdings ist zu unterscheiden zwischen einer zusätzlich fällig werdenden Recherchegebühr, die z.B. anfällt, weil es um Uneinheitlichkeit geht (erster Fall), und einer Nachrecherche (zweiter Fall), die erforderlich werden kann, wenn der Anmelder sich in zulässiger Weise mit einem ursprungsoffenbarten Merkmal einschränkt, welches der Prüfer - etwa weil es in den Ansprüchen nicht vorkam - bei der Erstrecherche zunächst nicht berücksichtigt hat. Im ersteren Fall wäre im Übrigen aber auch die Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung problematisch. Für den zweiten Fall sehen die Prüfungsrichtlinien ja gerade die Möglichkeit einer Nachrecherche vor (siehe Hinweis in der Ausgangsfrage), die im Übrigen dann nichts extra kostet.

Möglicherweise sieht es auch dann anders aus, wenn R 162 (4) greift, aber das lässt sich ja vermeiden. Im Übrigen findet sich der Anspruchswortlaut regelmäßig auch in der Beschreibung wieder. Selbst wenn ich nach R 162 (4) auf den Patentanspruch verzichtet habe, bedeutet dies möglicherweise nicht zwingend, dass ich damit auch auf die Offenbarung des entsprechenden Merkmals in der Beschreibung verzichtet habe (wobei man sich hierüber sicherlich streiten kann und ich weiß nicht, ob das schon entschieden ist ...). Aber hierzu gibt die Ausgangsfrage nichts her.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Also ich denke, das ist nicht ein Problem der Offenbarung, sondern "unsearched matter". In diesem Fall musst Du halt ne Teilanmeldung einreichen, wenn Du auf nicht-rechecherchierte Ansprüche zurückgreifen willst...

Dass ein Prüfer hier freiwillig eine Nachrecherche wegen bei Einleitung der EP-Phase gestrichener Ansprüche macht, kann ich mir nicht vorstellen ("Erst Anspruchsgebühren sparen wollen, und dann noch ne kostenlose Nachrecherche ???")

Grüße
Ah-No Nym
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Mit Dank für die bisherigen Beiträge noch die (von den meisten wohl schon richtig implizierte) Zusatzinformation, dass es in der WO-ISA keinerlei Einheitlichkeitsbeanstandungen gab.

Ich schließe aus dem Bisherigen, dass vor Eintritt in die Europäische Phase gestrichene Ansprüche ohne weiteres wieder in den Hauptanspruch aufgenommen werden können (sollten), beispielsweise nach einem ungünstigen Prüfungsbescheid. Dies normalerweise auch ohne dass eine zusätzliche Recherche erforderlich wird.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
"Ich schließe aus dem Bisherigen, dass vor Eintritt in die Europäische Phase gestrichene Ansprüche ohne weiteres wieder in den Hauptanspruch aufgenommen werden können (sollten), beispielsweise nach einem ungünstigen Prüfungsbescheid. Dies normalerweise auch ohne dass eine zusätzliche Recherche erforderlich wird."

Wie beste, das stimmt meiner Erfahrung nach definitiv nicht, da der Prüfer sofort auf "unsearched matter" einschwenken wird. Und dann bleibt Dir nur die Teilanmeldung...

Grüße

Ah-No Nym

PS: Wobei dies natürlich nur der Fall ist, wenn das EPA nicht ISA war und es somit eine Supplementary Search gibt, die dann nur auf die nach Streichung verbleibenden Ansprüche gerichtet war ...
 
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