Coffee break Question (EPÜ)

TalentAmwald

Schreiber
Die EQE Coffee break Frage vom 24.07 lautete:
Is the following statement true or false?

When proceedings for grant of a European patent application are stayed following the institution of entitlement proceedings, renewal fees which fall due during the period of stay can be paid up to the date of resumption of the proceedings for grant.
  • True
  • False

Die Musterantwort lautet:
The correct answer is B, False.

In the event of a stay of proceedings all periods other than those for the payment of renewal fees are interrupted (Rule 14(4) EPC, implementing Article 61(1) EPC). The application will lapse if the renewal fees are not paid. If the application has lapsed and it is adjudged that a person other than the applicant is entitled to the grant of the European patent, that person may still file a new European patent application in respect of the same invention under Article 61(1)(b) EPC (G 3/92, headnote).

Allerdings habe ich in E-VII, 1.5 der Guidelines folgendes dazu gefunden:
In Bezug auf Jahresgebühren, die während der Unterbrechung fällig werden, ist Regel 142 (4) so zu verstehen, dass sich der Fälligkeitstag für ihre Entrichtung bis zu dem Tag verschiebt, an dem das Verfahren wieder aufgenommen wird (J 902/87). Sie können also ohne Zuschlagsgebühr am Wiederaufnahmetag in der an diesem Tag geltenden Höhe entrichtet werden. Sie können auch noch innerhalb von sechs Monaten nach diesem Tag entrichtet werden, sofern innerhalb dieser Frist eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird (Regel 51 (2)).

Was stimmt denn nun? Wenn ich mir die zitierte J-Entscheidung ansehe, dann sehe ich auch keinen klaren Hinweis darauf, dass sich die Frist zu Zahlung der Jahresgebühr im Allgemeinen verschiebt. In der Entscheidung geht es um die Geschäftsunfähigkeit des gesetzlichen Vertreters, also eher speziell.
 

Dr. Obvious

Vielschreiber
EinTipp für die EQE und für das Leben danach: schaue niemals nur auf die Vorschrift selbst die du gefunden hast. Der Kontext, vor allem auch die Paragraphen/Artikel/Absätze davor und dahinter sind ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger.

Mit diesem Wissen lese dir einmal R. 142 EPC komplett durch. Dann weißt du in welchen Fällen Absatz 4 gilt.

Und wenn du keine Geduld hast: schau dir einmal die Überschriften zu R 142 und zu R 14 an.
 

TalentAmwald

Schreiber
Mal ganz dumm gefragt: Meint "stay of proceedings" und "interruption of proceedings" nicht dasselbe, bzw. sind die Begriffe "Unterbrechung" und "Aussetzung" nicht synonym zu verstehen?

Aber mal abhängig von dem Kontext, für sich genommen sind die Regel 14(4) und 142(4) doch auch analog zu einander zu verstehen, oder nicht?

R14(4) All periods, other than those for the payment of renewal fees, running at the date of the stay of proceedings shall be interrupted by such stay. The time which has not yet elapsed shall begin to run from the date on which proceedings are resumed. However, the time still to run after such resumption shall not be less than two months.
R142(4) Any periods, other than those for requesting examination and paying renewal fees, in force at the date of interruption of the proceedings, shall begin again as from the day on which the proceedings are resumed. If such date is less than two months before the end of the period within which the request for examination must be filed, such a request may be filed within two months of such date.

In beiden Fällen geht es darum, dass die Jahresgebühren nicht von der Fristunterbrechung betroffen sind. Witzigerweise existiert aber auch zu den entsprechenden Zahlungsfristen in R14(4) ein Absatz in den Guidelines, der tatsächlich konform mit der Antwort der Coffee Break Frage ist:

Die am Tag der Aussetzung laufenden Fristen mit Ausnahme der Fristen zur Zahlung der Jahresgebühren werden durch die Aussetzung gehemmt. An dem Tag der Fortsetzung des Verfahrens beginnt der noch nicht verstrichene Teil einer Frist zu laufen; die nach Fortsetzung des Verfahrens verbleibende Frist beträgt jedoch mindestens zwei Monate. Jahresgebühren sind während der Aussetzung weiterhin fällig. Nicht gehemmt wird nach Regel 14 (4) auch die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlagsgebühr nach Regel 51 (2).
 

Dr. Obvious

Vielschreiber
Nein, sie sind nicht synonym. Es sind zwei komplett verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Auswirkungen. Und sogar unterschiedlichen Namen.

Auch sind die Abs. nicht gleich und aufgrund der unterschiedlichen Verfahren nicht analog. Auswirkung A für Verfahren A, gilt nicht für Verfahren B, wenn hier Auswirkung B festgelegt wurde. Außer es ist etwas anderes explizit festgelegt.

Bei R. 14 (4) EPC steht, dass die Fristen gehemmt sind (sie laufen wieder für die restliche Zeit nach Ende Aussetzung) . Dahingehend sind sie in R142(4) komplett aufgehoben (fangen wieder an zu laufen nach dem Ende). Wieso gilt es nicht für die Jahresgebühren? Gebühren kann jeder, auch Dritte zahlen, daher hat der Gesetzgeber hier keine Notwendigkeit gesehen auf sein Geld zu verzichten. Wieso gibt es nach J902/87 für die Unterbrechung eine Ausnahme bei JG: ich habe mir die Entscheidung nicht angeschaut, aber wenn du dir die Ursachen wann R142 gilt anschaust, erkennt man, dass es womöglich niemanden gibt, der ein Interesse an der Zahlung hat oder überhaupt weiß, das es was zu zahlen gibt oder schlicht und einfach kein Geld da ist. Daher um unbillige Härte zu vermeiden diese salomonische Regelung. Bei der Aussetzung dagegen gibt esmind. zwei Parteien, die ein Interesse haben. Viel interessanter ist für mich die Frage, ob ein ausgesetztes Verfahren noch unterbrochen werden kann. Ich finde ja, es kann beides geben.
 

Don K. Schote

Vielschreiber
Die Begriffe sind anscheinend unterschiedlich gewählt, um unterschiedliche Dinge zu bezeichnen. Dass sie ohne Kontext (bzw. Legaldefinition) vielleicht eine ähnliche Bedeutung hätten, ist dann irrelevant.

R142 betrifft Fälle, in denen die Handlungsfähigkeit des Anmelders entfällt, also womöglich keinerlei Aktionen (inkl. Zahlung der JG) mehr möglich sind. R14 hingegen betrifft Fälle, in denen ein Rechtsstreit vorliegt, Jahresgebühren jedoch problemlos gezahlt werden können und Artikel 61(1)(b) EPÜ als Ausweg vorhanden ist, wenn der Anmelder die Anmeldung schnell noch fallen lässt. Daher ist eine unterschiedliche Behandlung schon sachgerecht.

Aber ja, die Formulierungen allein der Regeln würden erstmal ein analoges Ergebnis erwarten lassen, da stimme ich zu. Deswegen brauchte es ja auch eine J-Entscheidung, um das klarzustellen.

Wichtig zu beachten ist auch, dass die Fristen einmal weiterlaufen und einmal neu gestartet werden.

Davon aber mal ganz unabhängig ein Tipp für die Zukunft: Solche Gedanken musst du dir selbst machen. Für die EQE musst du lernen, schnell und mit korrektem Ergebnis die Antwort auf Fragen zu finden, deren Antwort du nicht kennst. Das musst du üben und dafür musst du üben, dich selbst so lange durch Artikel und Regeln und Guidelines zu wühlen, bist du mit hoher Wahrscheinlichkeit die richtige Antwort hast. Jetzt hast du die richtige Antwort hier bekommen, aber genau das, was in der EQE wichtig ist, übersprungen.
 

Dr. Obvious

Vielschreiber
Davon aber mal ganz unabhängig ein Tipp für die Zukunft: Solche Gedanken musst du dir selbst machen. Für die EQE musst du lernen, schnell und mit korrektem Ergebnis die Antwort auf Fragen zu finden, deren Antwort du nicht kennst. Das musst du üben und dafür musst du üben, dich selbst so lange durch Artikel und Regeln und Guidelines zu wühlen, bist du mit hoher Wahrscheinlichkeit die richtige Antwort hast. Jetzt hast du die richtige Antwort hier bekommen, aber genau das, was in der EQE wichtig ist, übersprungen.
Dem kann ich nur zustimmen.

Nicht falsch verstehen: die Frage wieso es die Ausnahme bei R142 aber nicht bei R14 gibt ist mehr als du für die EQE brauchst und wäre als solche durchaus berechtigt. ABER: um diese Frage zu stellen muss man erstmal erkennen, dass es zwei unterschiedliche Verfahren sind. Dafür musst du die Regeln komplett lesen und nicht nur etwas ähnliches in den Guidelines finden und denken "passt schon". Ein anderer Tipp für die EQE, der da helfen könnte: nimm dir ein Glas Wein und lies dir den gesamtn EPC mal an einem Abend durch (für PCT empfehle ich etwas härteres. Ist schon harter Tobak). Da lernt man dass sich der Gesetzgeber da durchaus etwas gedacht hat, auch in der Reihenfolge der Artikel und Regeln. Und auch wieso der alte Spruch noch immer richtig und wichtig ist: ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Im Fall der Prüfung weißt du dann, wo du was findest.
 
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