Teil C C-Teil 2009 -- war das jetzt normal oder...?

pat_book

BRONZE - Mitglied
Ja, im Rechtsprechungsbuch steht ganz eindeutig, dass eine fehlende Prioerklärung vor Veröffentlichung auf alle Fälle korrigiert werden kann. J9/91.

Zu dem Metallproblem:

Ich denke, dieses Problem soll den Unterschied zwischen "Listenprinzip" und "generisch vs. spezifisch" klarmachen.

  • "ALLE Metalle" ist für mich eine klar definierte, konkrete, endliche Liste, die ich dem Periodensystem entnehmen kann. Aus dieser Liste werden die beiden Metalle Kupfer und Aluminium ausgenommen. Eisen ist ein Element dieser verbleibenden Liste. Auswahl aus einer konkret offenbarten Liste macht nicht neu, siehe RiLi.
  • Der Begriff "Metall" an sich ist ein generischer Begriff, der "Eisen" nicht vorwegnimmt. Wenn das also gestanden hätte "metallbeschichtetes Geschirr kann verwendet werden..." wäre eisenbeschichtetes Geschirr nicht vorweggenommen gewesen.

 

patentklaus

Vielschreiber
Hallo Patente24,

deine Lösung hört sich zumindest gut an.


Noch eine Frage, wie habt Ihr die Tatsache "verwurstet", dass das
Geschirr in A3 nicht glasiert war, und dementsprechend Flüssigkeiten eindringen können und es dann beim Erhitzen zerberstet? War das für irgendwas zu gebrauchen?
 

patentklaus

Vielschreiber
Hallo Patente24,

deine Lösung hört sich zumindest gut an.


Noch eine Frage, wie habt Ihr die Tatsache "verwurstet", dass das
Geschirr in A3 nicht glasiert war, und dementsprechend Flüssigkeiten eindringen können und es dann beim Erhitzen zerberstet? War das für irgendwas zu gebrauchen?
 

patentklaus

Vielschreiber
Nochmal zur erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1:

Nach meiner Meinung kann der Tisch (A2) nicht der nächstliegende Stand der Technik sein, da Anspruch 1 einen Tisch zum induktiven Erwärmen offenbart. Bevor man aber die Lehre aus A3 nicht kennt, weiss man gar nicht, ob ein Tisch gemäß A2 zum induktiven Wärmen geeignet ist. Danach ist meiner Auffassung nach nur der Angriff aus A3 sinnvoll.


Und zu der berichtigten Priorität:
Es galt doch noch EPÜ 1973 zum Zeitpunkt der Berichtigung. War es "damals" überhaupt möglich den Prioanspruch zu berichtigen?
 

Kurt

*** KT-HERO ***
patentklaus schrieb:
Nach meiner Meinung kann der Tisch (A2) nicht der nächstliegende Stand der Technik sein, da Anspruch 1 einen Tisch zum induktiven Erwärmen offenbart. Bevor man aber die Lehre aus A3 nicht kennt, weiss man gar nicht, ob ein Tisch gemäß A2 zum induktiven Wärmen geeignet ist. Danach ist meiner Auffassung nach nur der Angriff aus A3 sinnvoll.
Ich zitiere hierzu mal Knesch:
(Hervorhebungen hinzugefügt)
"It has to be emphasized that a document which is most relevant for assessing novelty under Article 54(2) is not necessarily the most relevant prior art for assessing inventive step. It is not the highest number of common features which qualifies a document as the most relevant prior art; the crucial question is whether the man skilled in the art would really have chosen that document as the starting point."
und
"Der nächstliegende Stand der Technik ist der theoretische oder vielmehr "objektive" Ausgangspunkt des Erfinders, von dem aus die Aufgabe formuliert wird. Normalerweise ist dies zwar das Dokument mit der größtmöglichen Zahl übereinstimmender Merkmale, jedoch ist Ähnlichkeit der Aufgabe wichtiger als strukturelle Ähnlichkeit. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist der nächstliegende Stand der Technik, anhand dessen die erfinderische Tätigkeit objektiv festgestellt werden könne, im allgemeinen derjenige, der sich auf einen ähnlichen Zweck bezieht, weil er die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erforderlich macht."
Da stellt sich einmal wieder die Frage, wie man bittesehr den nächstliegenden Stand der Technik für einen Patentanspruch (nicht für ein Patent) finden soll. Denn hierzu müsste man zuerst einmal die (objektive?) Aufgabe des fraglichen Patentanspruchs definieren (welche durchaus von der Aufgabe des Patents abweichen kann, denn sonst hätten ja alle Patentansprüche dieselbe objektive Aufgabe), um ausgehend hiervon den nächstliegenden Stand der Technik zu finden. Zur Definition der objektiven Aufgabe braucht man aber zunächst einmal den nächstliegenden Stand der Technik. Ein Teufelskreis. Hierzu ist m.W. noch nirgends in der Literatur etwas zu finden.

Soll man etwa anhand des Patentanspruchs erstmal die "ungefähre Aufgabe" per Daumen abschätzen, dann anhand der "ungefähren Aufgabe" den nächstliegenden Stand der Technik suchen, und dann anhand der Differenz zwischen dem nächstliegenden Stand der Technik und dem Patentanspruch die objektive Aufgabe ermitteln? Oder wie.

Wie auch immer, bezüglich Anspruch 1 bin ich allerdings der Meinung, dass bei der Suche nach dem nächstliegenden Stand der Technik das Wort "induktiv" nichts zu suchen hat, denn induktives Erwärmen ist hier die erfindungsgemäße Lösung, nicht die Aufgabe. Die Aufgabe ist es, einen Tisch zum Erwärmen von Speisen zu verbessern. Daher ist nächstliegender Stand der Technik ein Tisch zum Erwärmen von Speisen, und nicht eine Vorrichtung zum induktiven Erwärmen von Speisen.

Grüße Kurt
 

patentklaus

Vielschreiber
Aber wieso sollte man, wenn man das Erwärmen von Speisen berücksichtigt, die Tatsache, dass es sich um "induktives" Erwärmen handelt, nicht berücksichtigen?

Wenn ich dann von A3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehe, war die Aufgabe dann, einen Tisch zur Verfügung zu
stellen, der es erlaubt die Speisen zu erhitzen, ohne das Platz
auf dem Tisch benötigt wird.



Alles in allem könne wir aber gerne festhalten, dass es schon eine
sehr "fiese" Aufgabenstellung war, wenn es nicht eindeutig ist,
was hier der nächstliegende SdT ist.
 

grond

*** KT-HERO ***
patentklaus schrieb:
Nochmal zur erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1:

Nach meiner Meinung kann der Tisch (A2) nicht der nächstliegende Stand der Technik sein, da Anspruch 1 einen Tisch zum induktiven Erwärmen offenbart. Bevor man aber die Lehre aus A3 nicht kennt, weiss man gar nicht, ob ein Tisch gemäß A2 zum induktiven Wärmen geeignet ist. Danach ist meiner Auffassung nach nur der Angriff aus A3 sinnvoll.
Warum muss es denn ein Tisch zum induktiven Erwärmen von Speisen sein? A2 offenbarte alle Merkmale des Anspruchs außer der Art der Wärmequelle (die gar nicht spezifiziert war, außer dass es eine elektrische Wärmequelle war). Deshalb ist A2 für mich eindeutig und unzweifelhaft der n.S.d.T., weil es eben ein Tisch zum Erwärmen von Speisen ist.

Außerdem hatte man da eben optimale Anhaltspunkte für die Argumentation: in A2 stand, dass der Tisch nicht lange betrieben werden sollte, weil sich dann die Holztischplatte erwärmt (irgendwie doof für einen Tisch zum Erwärmen von Speisen, nur kurzzeitig betrieben werden zu können...), in A3 stand, dass sich die Umgebung der induktiven Spulen nicht erwärmt, bingo, schon ist das zusammengefügt. Andersherum gibt es jedoch überhaupt keinen Grund, das Förderband zu einem Tisch mit einer Holzplatte zu machen.


Und zu der berichtigten Priorität:
Es galt doch noch EPÜ 1973 zum Zeitpunkt der Berichtigung. War es "damals" überhaupt möglich den Prioanspruch zu berichtigen?
Ja, war es, haben wir doch schon geklärt.
 

grond

*** KT-HERO ***
patentklaus schrieb:
Wenn ich dann von A3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehe, war die Aufgabe dann, einen Tisch zur Verfügung zu
stellen, der es erlaubt die Speisen zu erhitzen, ohne das Platz
auf dem Tisch benötigt wird.
Wieso? In A2 war die Wärmequelle unter der Tischplatte angeordnet, hat also auch keinen Platz auf dem Tisch benötigt.


Alles in allem könne wir aber gerne festhalten, dass es schon eine
sehr "fiese" Aufgabenstellung war, wenn es nicht eindeutig ist,
was hier der nächstliegende SdT ist.
Hm, ist wohl eine Frage des Standpunktes. C-2007 macht einen natürlich unsicher, aber eigentlich halte ich das bei C-2009 für eindeutig.
 

grond

*** KT-HERO ***
patentklaus schrieb:
Noch eine Frage, wie habt Ihr die Tatsache "verwurstet", dass das Geschirr in A3 nicht glasiert war, und dementsprechend Flüssigkeiten eindringen können und es dann beim Erhitzen zerberstet? War das für irgendwas zu gebrauchen?
Das war die Motivation, die Glasur der A5 auf das Serviergefäß zu übertragen (Anspruch 5, wenn ich mich recht erinnere, Merkmal "wenigstens teilweise eine Glasur" oder so). In A5 war der andere "Anker", dass die Glasur wichtig sei, um den Porzellanteller flüssigkeitsundurchlässig zu machen.
 

pat_book

BRONZE - Mitglied
Also ich habe mich für A3 entschieden, weil es in alten C-Teilen oft der Fall war, dass für den nSdT nur das Dokument in Frage kommt, bei dem die im Streitpatent verwendete Spezialtechnik (hier: Erwärmen/Warmhalten mit Induktion) schon vorhanden ist.
Außerdem dachte ich mir, dass, wenn man das Fließband ausschaltet, man den Anspruch 1 schon fast neuheitsschäflich getroffen hat, da das Fließband ja auch noch aus Holzleisten besteht. Mit der in den RiLi angegebenen Frage nach demselben Zweck/Ziel bin ich nicht zurecht gekommen. Es ging in A2 und A3 jeweils um das Warmhalten von Speisen.

Wie dem auch sei: Ich bin einigermaßen schockiert, dass die Auswahl des nSdT wieder so uneindeutig war. Das war letztes Jahr anders. Aufgrund des Debakels von 2007 dachte ich mir, dass das EPA solche Späßchen in Zukunft unterlässt.

Ich finde den diesjähirgen C-Teil wieder mal höchst problematisch.
Komisch, dass es das EPA schafft, die anderen Teile MEIST so zu gestalten, dass sie von den meisten Kandidaten als weniger problematisch empfunden werden. Nur beim C-Teil gibt's oft Unstimmigkeiten.
 

patentklaus

Vielschreiber
Wenn ich dann von A3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehe, war die Aufgabe dann, einen Tisch zur Verfügung zu
stellen, der es erlaubt die Speisen zu erhitzen, ohne das Platz
auf dem Tisch benötigt wird.

Also ich habe geschrieben, dass eben nicht nur solch ein Tisch zur Verfügung gestellt werden soll, sondern dass dieser Tisch auch sicher betrieben werden kann und nur das ERhitzen der Speisen ermöglicht.


Ich denke mal, in der Praxis gibt es gute Gründe von beiden Dokumenten als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen. Bloss wird das wohl die Komission bei der Bewertung nicht interessieren, und dann gibt es 0 Punkte für den "falschen Ansatz".
Mein Kollege hat sogar beide Möglichkeiten abgegeben, wie verfährt die Komission denn mit so einem Versuch?

Und ab wann kann ich Beschwerde einlegen?
 

grond

*** KT-HERO ***
patentklaus schrieb:
Wenn ich dann von A3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehe, war die Aufgabe dann, einen Tisch zur Verfügung zu
stellen, der es erlaubt die Speisen zu erhitzen, ohne das Platz
auf dem Tisch benötigt wird.
Warum sollte das Förderband der A3 an diesem Problem leiden? Wenn ich mir die Fig. 1 ansehe, ist da kein Platz auf dem Förderband eingenommen. Im übrigen ist der Titel der A1 "Tisch zum Erwärmen von vorgekochten Speisen". Also fällt auch dort das "induktiv" unter den Tisch (Entschuldigung, habe einen Clown gefrühstückt).


Ich denke mal, in der Praxis gibt es gute Gründe von beiden Dokumenten als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen. Bloss wird das wohl die Komission bei der Bewertung nicht interessieren, und dann gibt es 0 Punkte für den "falschen Ansatz".
Das glaube ich nicht. Es wird nur wenig bis 0 Punkte für den Argumentationsteil geben. Das Identifizieren der Merkmale in A2 und A3 wird diesmal Punkte bringen. Insgesamt ist das aber sicherlich der kleinere Teil der zu erreichenden Punkte.


Mein Kollege hat sogar beide Möglichkeiten abgegeben, wie verfährt die Komission denn mit so einem Versuch?
Sie wird den "falschen" ignorieren und den richtigen normal bewerten. Negative Punkte gibt es ja nun nicht.


Und ab wann kann ich Beschwerde einlegen?
Ab Erhalt des schriftlichen Bescheides innerhalb der Rechtsmittelfrist, würde ich mal so aus dem Bauch heraus sagen.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Ich denke, der Aufgabe-Lösungs-Ansatz zur "objektiven" Ermittlung der Erfindungshöhe ist wirklich schon eine sehr gute und reproduzierbare Sache.

Bis auf das Problem der Ermittlung des nächstliegenden Standes der Technik... Denn hierfür gibt es bisher schlicht und einfach nichts konkretes vom EPA, sondern nur schwammiges Gebrabbel...

Hier nochmal "as good as it gets" mit der offiziellen Herangehensweise zur Ermittlung des nSdT (Knesch):
"Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist der nächstliegende Stand der Technik, anhand dessen die erfinderische Tätigkeit objektiv festgestellt werden könne, im allgemeinen derjenige, der sich auf einen ähnlichen Zweck bezieht, weil er die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erforderlich macht."
Was soll denn nun aber überhaupt der "Zweck" in einem Patent sein? Das kann ja wohl nur ein anderes Wort für die "Aufgabe" sein. Allerdings nicht die objektive Aufgabe, denn diese kann man ja erst ermitteln, wenn man den nächstliegenden Stand der Technik bereits hat (den man genau hier ja aber erst ermitteln will). Somit kann es sich beim "Zweck" wohl nur um die ursprüngliche, subjektive Aufgabe des Patents handeln.

Sprich, die vollständige Vorgehensweise beim Aufgabe-Lösungs-Ansatz wäre dann wie folgt:

Subjektive Aufgabe=Zweck -> Auswahl des nSdT mit demselben Zweck -> Differenzbildung zum Anspruchsgegenstand -> Objektive Aufgabe -> Bestimmung Erfindungshöhe.

So weit so gut. Wo kriege ich nun aber offiziell den Zweck oder die subjektive Aufgabe für einen Unteranspruch her?

Nehmen wir z.B. mal Patentanspruch 3 aus dem Streitpatent. "Behältnis zum Erwärmen von Speisen mittels eines Tisches, das Behältnis aufweisend Keramikkörper, Glasurschicht und metallhaltige Schicht."

Was ist hier, also spezifisch für Patentanspruch 3, der "Zweck" bzw. die Aufgabe -- und "wenn ja wo steht's im Patent"?

Die subjektive Aufgabe des Patents ist es, einen Esstisch zum Warmhalten von Speisen, bzw. ein Verfahren zur Beschichtung eines Keramikkörpers bereitzustellen. Von einem Behältnis zum Erwärmen von Speisen ist in der Aufgabenstellung des Patents jedoch überhaupt nicht die Rede. Wie bestimme ich nun also objektiv und reproduzierbar den Patentanspruch 3 zugrundeliegenden "Zweck" -- den ich ja definitiv benötige, um den nächstliegenden Stand der Technik für Patentanspruch 3 auszuwählen, denn dieser soll ja primär einem ähnlichen Zweck dienen.

Fazit: m.E. dreht man sich hier im Kreis, die Katze beißt sich in den Schwanz, und es gibt keine offizielle/reproduzierbare Vorgehensweise zur Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik, jedenfalls nicht für Unteransprüche.

Andere Meinungen?
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Ich denke, der Aufgabe-Lösungs-Ansatz zur "objektiven" Ermittlung der Erfindungshöhe ist wirklich schon eine sehr gute und reproduzierbare Sache.

Bis auf das Problem der Ermittlung des nächstliegenden Standes der Technik... Denn hierfür gibt es bisher schlicht und einfach nichts konkretes vom EPA, sondern nur schwammiges Gebrabbel...

Hier nochmal "as good as it gets" mit der offiziellen Herangehensweise zur Ermittlung des nSdT (Knesch):
"Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist der nächstliegende Stand der Technik, anhand dessen die erfinderische Tätigkeit objektiv festgestellt werden könne, im allgemeinen derjenige, der sich auf einen ähnlichen Zweck bezieht, weil er die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erforderlich macht."
Was soll denn nun aber überhaupt der "Zweck" in einem Patent sein? Das kann ja wohl nur ein anderes Wort für die "Aufgabe" sein. Allerdings nicht die objektive Aufgabe, denn diese kann man ja erst ermitteln, wenn man den nächstliegenden Stand der Technik bereits hat (den man genau hier ja aber erst ermitteln will). Somit kann es sich beim "Zweck" wohl nur um die ursprüngliche, subjektive Aufgabe des Patents handeln.

Sprich, die vollständige Vorgehensweise beim Aufgabe-Lösungs-Ansatz wäre dann wie folgt:

Subjektive Aufgabe=Zweck -> Auswahl des nSdT mit demselben Zweck -> Differenzbildung zum Anspruchsgegenstand -> Objektive Aufgabe -> Bestimmung Erfindungshöhe.

So weit so gut. Wo kriege ich nun aber offiziell den Zweck oder die subjektive Aufgabe für einen Unteranspruch her?

Nehmen wir z.B. mal Patentanspruch 3 aus dem Streitpatent. "Behältnis zum Erwärmen von Speisen mittels eines Tisches, das Behältnis aufweisend Keramikkörper, Glasurschicht und metallhaltige Schicht."

Was ist hier, also spezifisch für Patentanspruch 3, der "Zweck" bzw. die Aufgabe -- und "wenn ja wo steht's im Patent"?

Die subjektive Aufgabe des Patents ist es, einen Esstisch zum Warmhalten von Speisen, bzw. ein Verfahren zur Beschichtung eines Keramikkörpers bereitzustellen. Von einem Behältnis zum Erwärmen von Speisen ist in der Aufgabenstellung des Patents jedoch überhaupt nicht die Rede. Wie bestimme ich nun also objektiv und reproduzierbar den Patentanspruch 3 zugrundeliegenden "Zweck" -- den ich ja definitiv benötige, um den nächstliegenden Stand der Technik für Patentanspruch 3 auszuwählen, denn dieser soll ja primär einem ähnlichen Zweck dienen.

Fazit: m.E. dreht man sich hier im Kreis, die Katze beißt sich in den Schwanz, und es gibt keine offizielle/reproduzierbare Vorgehensweise zur Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik, jedenfalls nicht für Unteransprüche.

Andere Meinungen?
 

grond

*** KT-HERO ***
Kurt schrieb:
Bis auf das Problem der Ermittlung des nächstliegenden Standes der Technik... Denn hierfür gibt es bisher schlicht und einfach nichts konkretes vom EPA, sondern nur schwammiges Gebrabbel...
Das ist für mich auch der wichtigste Grund, weshalb der Standpunkt der Prüfungskommission zu C-2007 unhaltbar war. Letztlich kann man sich in der Praxis den nächstliegenden S.d.T. frei wählen. Ausschlaggebend ist allein, ob die Argumentation trägt, die dann zum Gegenstand des Anspruchs führt (wenn er es auch über eine "längere Strecke" tut, umso besser!). Es wäre mir neu, dass eine Argumentation hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit in einem Einspruch mal zurückgewiesen worden wäre, weil sie vom "falschen" n.S.d.T. ausgegangen ist, ansonsten aber zum Ziel führte.

Letztendlich ist doch auch der Textblock, der in fast jedem Examiner's Report zu diesem Punkt auftaucht, total lächerlich: es wird eine "short rationale" erwartet, weshalb ein Dokument den n.S.d.T. darstellt. In den Beispiellösungen ist diese "short rationale" dann oft nur "A? ist der n.S.d.T., weil A? sich als einziges zur Verfügung stehendes Dokument mit [Oberbegriff des Anspruchs] befasst". Ja super, und woher weiß ich, dass es kein anderes Dokument im S.d.T. gibt, das sich mit demselben Gegenstand befasst und viel näher am gesuchten Ergebnis ist? Die zitierte Muster-Begründung ist zwangsläufig total willkürlich, weil sie sich auf eine willkürliche Auswahl von Dokumenten stützt. Und daher kann man sie auch nicht zu einem entscheidenden Punkt einer Prüfung machen wie 2007. Aber der C-Teil hat seine eigenen Gesetze, die man besser nicht anzweifelt, weil es zu nichts führt.

In einem realen Einspruch, den ich mal gemacht habe, haben wir den Angriff auch von beiden Seiten durchexerziert, uns dann aber schließlich für einen von beiden entschieden, weil der andere zu schwach erschien und wir dann gefürchtet haben, dass sein Vorbringen kontraproduktiv sein könnte. Die Wahl des n.S.d.T. war jedenfalls kein wichtiger Punkt bei der Diskussion in der mündlichen Verhandlung, das Patent ist dennoch gefallen...
 

Kurt

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
"A? ist der n.S.d.T., weil A? sich als einziges zur Verfügung stehendes Dokument mit [Oberbegriff des Anspruchs] befasst."
OK, dann wäre dies bis zur Erteilung etwaiger anderslautender Anweisungen aus der Rechtsprechung also jetzt die "offizielle" und objektive Art und Weise der Ermittlung des nächstliegenden Standes der Technik.

Ein wenig genauer sollte man vielleicht noch sagen:
A? ist nächstliegender Stand der Technik, weil A? als einziges zur Verfügung stehendes Dokument auf einen [Oberbegriff des Anspruchs] gerichtet ist.
Denn es macht wahrscheinlich einen Unterschied, ob ein [Oberbegriff des Anspruchs] in dem Dokument A? überhaupt nur irgendwo vorkommt (was nicht zur Qualifikation als nSdT reichen dürfte, stattdessen aber ggf. für die Neuheitsprüfung relevant ist), oder aber ob das Dokument A? spezifisch auf ein [Oberbegriff des Anspruchs] gerichtet ist, insbesondere im Titel und in der Aufgabe des Dokuments A?.

Grüße Kurt
 

pat_book

BRONZE - Mitglied
Das heißt quasi, dass das EPA beim nSdT nur auf den Oberbegriff schaut. Das war mir bisher nicht so bewußt und ist doch teilweise auch absurd.

Ich kann doch nicht sagen, dass sich ein SdT als nSdT disqualifiziert, weil er eben nicht zur Gattung des beanspruchten Gegenstands gehört, obwohl er alle anderen - darunter auch wesentliche - Merkmale des Anspruchs enthält. Während ein anderer SdT, der nichts anderes tut, als zurselben Gattung des beanspruchten Gegenstands zu gehören, aber sonst keine Merkmale zeigt, zum nSdT gekrönt wird.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Zu Eurem Thema und zu der objektiven Aufgabe folgende Zitate (nur als Anregung für die weitere Diskussion, es gäbe noch viel mehr):


Examiner's report 2003, 3.1:

"It should be noted that the closest prior art may not only disclose the features of the preamble, but also features of the characterizing portion of the claim; consequently features from both parts of the claim may need to considered when choosing th closest prior art."


Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Aufl., S. 140:

In T 967/97 führte die Beschwerdekammer aus, dass der Aufgabe-Lösungs-Ansatz im Wesentlichen auf tatsächlichen Feststellungen über technische Aufgaben und Wege zu deren technischer Lösung beruht, die dem Kenntnisstand und Können des Fachmanns objektiv, d. h. ohne Kenntnis der Patentanmeldung und der Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, zum Prioritätszeitpunkt zuzurechnen waren. Stehen dem Fachmann mehrere gangbare Lösungswege offen, die die Erfindung nahe legen könnten, dann erfordert es die Ratio des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes, die Erfindung in Bezug auf alle diese Lösungswege zu prüfen, bevor ein die erfinderische Tätigkeit bestätigendes Urteil getroffen wird. Bei Verneinung der erfinderischen Tätigkeit bedarf es keiner besonderen Begründung für eine Vorauswahl von Entgegenhaltungen, auch wenn dem Fachmann mehrere gangbare Lösungswege zur Verfügung stehen. Zweck der Begründung ist alleine, aufzu-zeigen, dass sich die Erfindung für den Fachmann in Bezug auf (mindestens) einen dieser Lösungswege in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (s. auch T 558/00, T 970/00, T 172/03, T 323/03).


Im Hinblick auf C-2007 folgendes Gedankenspiel:

Anspruch des Streitpatents (grob wiedergegeben):
"Behälter für heiße Getränke ?, dadurch gekennzeichnet, dass er von einer Isolationsmanschette umgeben ist."

Alternativ:
"Behälter, umgeben von einer Isolationsmanschette ?, dadurch gekennzeichnet, dass er für heiße Getränke geeignet ist."

Geschützt ist doch beide Male dasselbe. Und jetzt soll eines (möglicherweise) erfinderisch sein, weil jeweils von einem anderen nSdT auszugehen wäre und die Erfindung (möglicherweise) ausgehend von dem einen nSdT nahe liegt, von dem anderen aber nicht? Das wäre ja unerträglich.


Zur objektiven Aufgabe (Zitat T 1410/06):

"Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass es eine "vordringlichere" Aufgabe gebe, welche nicht in naheliegender Weise zum Anspruchsgegenstand führe, weshalb der neue Anspruch 1 erfinderisch sei. Dem ist schon deshalb zu widersprechen, weil es für ein Naheliegen ausreicht, wenn eine naheliegende Aufgabe in naheliegender Weise zum Anspruchsgegenstand führt. Ob es noch weitere Aufgaben gibt, die nicht in nahe liegender Weise zum Anspruchsgegenstand führen, ist dabei irrelevant."
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Die letzgenannte T-Entscheidung steht allerdings im Widerspruch zu den Prüfungsrichtlinien, die immer nur von dem nächstliegenden Stand der Technik ausgehen.

D.h. von allen Entgegenhaltungen ist genau eine der nächstliegende Stand der Technik, den es herauszufinden gilt.

Es gibt nicht zwei oder mehrere nächstliegende Stände der Technik.
 

grond

*** KT-HERO ***
patenanwalt schrieb:
Die letzgenannte T-Entscheidung steht allerdings im Widerspruch zu den Prüfungsrichtlinien
Eine T-Entscheidung ist aber eine sekundäre Rechtsquelle, die Prüfungsrichtlinien sind gerade einmal ein an den Prüfer gerichteter Kommentar.

Prinzipiell bestätigt Fips sehr gute Zusammenstellung von Zitaten das, was ich oben gesagt hatte: wenn der Angriff von einem beliebigen Dokument plausibel ist, beruht der angegriffene Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Damit bedarf es streng genommen keiner Erörterung der Frage, was n.S.d.T. ist. Und prüfungsentscheidend darf die Frage für sich genommen schon gar nicht sein.
 
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