DE Beschränkungsverfahren nach §64 PatG Dauer

Johanna

Vielschreiber
Hallo zusammen,

hat hier jemand Erfahrungen mit einem Beschränkungsverfahren nach §64 PatG und könnte mir etwas zum Ablauf erklären? Vor allem möchte ich herausfinden, wie lange so etwas ungefähr dauert (noch einmal so lang wie im Erteilungsverfahren?) und in welchem Zusammenhang (je nach Dauer...) ein solches Verfahren dann überhaupt sinnvoll erscheint.

Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen. Viele Grüße!
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Das Beschränkungsverfahren nach § 64 betrifft ein erteiltes Patent, und daher ist die Patentabteilung zuständig. Abgesehen vom Beschluss wird aber der Hauptklasse-Prüfer meist alles allein machen. Das kann schnell gehen oder auch langsam, je nach dessen Mentalität; m.W. gibt es keine Vorschrift, wie solche seltenen Verfahren in die Folge der "normalen" Prüfungen und Einsprüche einzusortieren sind. Ggf. wäre eine Beschleunigungsgesuch zu empfehlen.

Wie immer wird es eher schnell gehen, wenn durch den Patentinhaber alles gut vorbereitet ist. Das bedeutet, es muss ein einschlägiger Stand der Technik eingereicht werden, gegen den der Hauptanspruch abgegrenzt werden soll, so dass unmittelbar sichtbar wird, worin die beabsichtigte Beschränkung besteht.

Bei der Prüfung der beantragten Ansprüche geht es im Wesentlichen um die Zulässigkeit, d.h. der beanspruchte Gegenstand muss in den Ursprungsunterlagen offenbart sein, die Ausführbarkeit (hinsichtlich der ergänzten Merkmale) kann ein Thema sein, und der Schutzbereich darf ebenfalls nicht erweitert werden. Neuheit und erfinderische Tätigkeit sind hingegen kein Thema, denn es erfolgt keine ergänzende Recherche durch das Amt; allerdings wird der Patentinhaber wohl einen Hinweis erhalten, wenn der Prüfer den vom Patentinhaber vorgelegten Stand der Technik für neuheitsschädlich hält. Und es muss sich tatsächlich um eine Beschränkung handeln, und nicht nur um eine "Neuformulierung" oder "Berichtigung" der Ansprüche. Wenn es schnell gehen soll, sollte all das im Vorfeld genau angeschaut werden.

Das Patent wird nur widerrufen (d.h. Beschränkung auf null), wenn dies ausdrücklich (auch: hilfsweise) beantragt wird. Wenn die Patentabteilung die beantragte Beschränkung für nicht zulässig hält (und der Patentinhaber trotzdem darauf besteht), wird der Beschränkungsantrag abgelehnt, und das Patent bleibt, wie es ist. Dann kann man sich beschweren und hat es dann mit dem BPatG zu tun, oder man kann, wenn man will, es noch einmal anders versuchen.
 
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Johanna

Vielschreiber
Wow! Vielen lieben Dank für die schnelle und ausführliche Antwort und für die vielen hilfreichen Tipps!
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Vielleicht noch zum Sinn des Beschränkungsverfahrens:

Es ist für den Fall gedacht, dass der Patentinhaber selbst einen Stand der Technik auffindet (oder ein Marktteilnehmer ihn auf diesen hinweist), der dem Bestand des Patents entgegensteht, wobei aber eine beschränkte Fassung des Patents Bestand hätte. Dann muss er nicht abwarten, bis eine Nichtigkeitsklage eingereicht wird (was zu entsprechenden Kosten führt), sondern er kann mit einem entsprechenden Beschränkungsantrag ein absehbares Ergebnis eines solchen Nichtigkeitsverfahrens kostengünstig selbst vorwegnehmen. Dabei trägt er allerdings das Risiko, dass er sich nicht genügend einschränkt (und dann doch noch ein Nichtigkeitsverfahren folgt), oder dass er sich überflüssiger Weise zu sehr einschränkt.

Voraussetzung ist die entsprechende Beratung (auch über die Risiken) und die Einsichtsfähigkeit des Patentinhabers.

Zusätzlich kann es ggf. von Vorteil sein, wenn die Patentansprüche in Kenntnis eines nunmehr absehbaren Verletzungsgegenstands umformuliert werden.
 

Johanna

Vielschreiber
Hallo Hans35, vielen Dank noch einmal, dass Du Dir so viel Zeit für meine Frage nimmst. Deine Antworten sind wirklich hilfreich und verständlich!

Darf ich Dir noch eine Frage stellen? Deine Bezugnahme auf den "Verletzungsgegenstand" sagt mir, dass ein Beschränkungsantrag auch vor einer Verletzungsklage eingereicht werden könnte. Ich frage mich, ob das so sinnvoll ist, weil (nach dem was ich bisher gelernt habe...) ja auf eine Verletzungsklage meistens mit einer Nichtigkeitsklage reagiert wird. Wenn so ein Beschränkungsverfahren dann vielleicht Monate dauert (und ja auch ein bisschen was kostet) ist es dann nicht eigentlich sinnvoller, die Beschränkung erst im Nichtigkeitsverfahren zu beantragen? Oder können Nichtigkeitsklagen oft durch vorherige Beschränkung verhindert werden?
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Ein Beschränkungsverfahren, das "ein paar Monate" dauert, ist kein Vergleich zu einem Nichtigkeitsverfahren, dass sich über Jahre ziehen kann, insbesondere wenn es in die Nichtigkeitsberufung vor den BGH geht.

Wie @Hans35 schon sagte, der "Hauptvorteil" sind hier die Kosten. Ein Beschränkungsverfahren kostet 120 amtliche Gebühr zzgl. ein paar wenige Stunden Anwaltssstundensatz. Das ist NICHTS im Vergleich zu den Kosten die ein Nichtigkeitsverfahren erzeugt. Man darf auch nicht vergessen, dass nebenher in der Regel ein Verletzungsprozess läuft, der auch Kosten verursacht.

Meine Meinung: Wenn dem Patentinhaber Stand der Technik bekannt ist, der die Durchsetzungsfähigkeit des Patents in Frage stellt, ist ein Angriff aus dem jeweiligen Patent nicht sinnvoll. Der Patentinhaber läuft Gefahr, dass ihm sowohl der Verletzungsprozess als auch die Nichtigkeitsklage um die Ohren fliegen. Und das könnte man durch ein Beschränkungsverfahren vor der Durchsetzung verhindern.
 
Zuletzt bearbeitet:

Johanna

Vielschreiber
Vielen lieben Dank auch für Deine Antwort der_markus, das hilft mir wirklich sehr!

Also würdest Du sagen, es wäre eigentlich am besten, vor einer Verletzungsklage immer nochmal selber eine Stand der Technik Recherche zu machen? Und das Patent dann in dem Fall, dass man etwas findet, dementsprechend zu beschränken?

Ich hatte mich nur gefragt: So wie ich das bisher verstanden habe (ich bin aber noch nicht lange Kandidatin und habe noch keinerlei Erfahrung mit Litigation) ist es eigentlich üblich, dass auf eine Verletzungsklage mit einer Nichtigkeitsklage geantwortet wird. Wenn jetzt aber (egal ob ich vorher beschränkt habe oder nicht) der Nichtigkeitsprozess folgt, sollte ich mir und dem Mandanten dann nicht die Zeit und Kosten des Beschränkungsverfahrens sparen (auch wenn die natürlich im Vergleich zum Nichtigkeitsverfahren sehr viel geringer sind)? Also die eigentliche Frage: Für wie wahrscheinlich hältst Du es, dass durch die Beschränkung eine Nichtigkeitsklage tatsächlich verhindert werden kann?
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Das kann im Einzelfall durchaus eine Überlegung wert. Insbesondere Stand der Technik in Form von Nichtpatentliteratur, also Vorveröffentlichungen oder Vorbenutzungen finden Patentprüfer in der Regel nicht. Wenn man also vorher recherchieren möchte, da z.B. auf dem jeweiligen Gebiet der Technik viel anderweitig veröffentlicht wurde, würde ich eine Recherche dann aber auch auf Nichtpatentliteratur begrenzen.
Ob du mit einem Beschränkungsverfahren jedoch eine Nichtigkeitsklage verhinderst ist nicht gesichert, schließlich kann man niemandem das Klagen verbieten. Es erhöht nur die Chancen dass die Nichtigkeitsklage abgewiesen wird.
 

Johanna

Vielschreiber
Vielen vielen Dank der_markus und Hans35, ihr habt mir sehr geholfen! Mir ist jetzt einiges klarer geworden!
 

Fip

*** KT-HERO ***
@Johanna: Mit Blick auf ein Verletzungsverfahren solltest Du vielleicht noch Bedenken, dass Du ja im Verletzungsverfahren von vorneherein das Patent nur in dem Umfang geltend machen kannst, wie Du es vor dem Hintergrund etwaigen Standes der Technik für durchsetzbar hälst und wie es für die anzugreifende Verletzungsform erforderlich ist. Keiner zwingt Dich, den Klageantrag im Vereltzungsverfahren allein auf den breiten Hauptanspruch zu stützen. Und wenn Du weißt, dass das Patent sich im Nichtigkeitsverfahren im erteilten Umfang als nicht rechtsbeständig erweisen wird, dann wird die eingeschränkte Geltendmachung im Verletzungsverfahren einer etwaigen Aussetzungsneigung des Verletzungsgerichts vorbeugen.



Wenn Du ohnehin eine Nichtigkeitsklage erwartest, macht ein vorher sozusagen im vorauseilenden Gehorsam durchgeführtes Beschränkungsverfahren meines Erachtens wenig Sinn. Von der Nichtigkeitsklage kannst Du ja niemanden abhalten. Wenn aber der Verletzungsbeklagte sieht, dass das Patent nur im einem eingeschränkten Umfang geltend gemacht wird, in dem es sich vermutlich auch als rechtsbeständig erweisen wird, dann erhöht das meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit, dass der Verletzungsbeklagte von einem Rechtsbeständigkeitsverfahren absieht.
 

Johanna

Vielschreiber
Vielen Dank Fip für den tollen Tipp! Auf diese Weise könnte man sich ja im besten Fall das Beschränkungsverfahren sparen und trotzdem eine Nichtigkeitsklage vermeiden.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Und wenn Du weißt, dass das Patent sich im Nichtigkeitsverfahren im erteilten Umfang als nicht rechtsbeständig erweisen wird, dann wird die eingeschränkte Geltendmachung im Verletzungsverfahren einer etwaigen Aussetzungsneigung des Verletzungsgerichts vorbeugen.
Vermutlich meinst du mit einer "eingeschränkten Geltendmachung" den Verweis des Patentinhabers darauf, dass die Verletzungsform nicht nur durch den (evtl. nicht rechtsbeständigen) Hauptanspruch, sondern auch durch einen Unteranspruch (mit zusätzlichen Merkmalen) getroffen ist. Davon ist der fragliche Stand der Technik aber weder in das Verfahren eingeführt, noch wird der Patentinhaber ihn ergänzend im Verletzungsverfahren selbst vorbringen.

Das Beschränkungsverfahren ist nach meiner Auffassung die für den Patentinhaber wirtschaftlichste Art, einen ihm zusätzlich bekannt gewordenen Stand der Technik in das Verfahren selbst einzuführen. In jedem Fall sind die Kosten, mit denen der Patentinhaber im Fall einer Teilnichtigkeit rechnen muss, unvergleichlich viel höher, und zudem bietet das Beschränkungsverfahren mehr Möglichkeiten als die bloße Beschränkung auf einen bereits erteilten Unteranspruch.

Eine Aussetzung des Verletzungsprozesses ist ja nur zu befürchten, wenn dann trotz der erfolgreichen Beschränkung tatsächlich noch Nichtigkeitsklage erhoben wird.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Vermutlich meinst du mit einer "eingeschränkten Geltendmachung" den Verweis des Patentinhabers darauf, dass die Verletzungsform nicht nur durch den (evtl. nicht rechtsbeständigen) Hauptanspruch, sondern auch durch einen Unteranspruch (mit zusätzlichen Merkmalen) getroffen ist. Davon ist der fragliche Stand der Technik aber weder in das Verfahren eingeführt, noch wird der Patentinhaber ihn ergänzend im Verletzungsverfahren selbst vorbringen.

Nein, das meine ich nicht. Ich meine, dass ich das Klagebegehren tatsächlich einschränke. Das ist nicht nur ein "Verweis des Patentinhabers", sondern das ist eine echte Einschränkung des Streitgegenstands.

Es geht darum, dass eine Aussetzung nur in Betracht kommt, wenn das Nichtigkeitsverfahren auch vorgreiflich ist. Die Vorgreiflichkeit entfällt aber, wenn ich den Streitgegenstand auf etwas beschränke, für das das Ergebnis des Nichtigkeitsverfahren keine Relevanz mehr hat (natürlich immer vorausgesetzt, das Patent überlebt das Rechtsbeständigkeitsverfahren in dem Umfang, in dem es für die Patentverletzungsklage vonnöten ist).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Wodurch kann man eine solche "Beschränkung des Streitgegenstands" im Verletzungsverfahren bewirken? Mein Verständnis ist so:

Der Patentverletzer ist mit einem bestimmten Gegenstand am Markt, und der Patentinhaber will
mittels seines Patents z.B. erreichen, dass diese Waren vernichtet werden. Der Streitgegenstand wird durch diesen Verletzungsgegenstand bestimmt, denn das Gericht hat im Verletzungsverfahren zu entscheiden, ob er in den Schutzbereich des Patents fällt.

Egal, ob der Gegenstand des Patents eng oder breit ist, oder ob er sich durch ein Beschränkungsverfahren oder eine Teilnichtigkeit ändert: Solange der Verletzungsgegenstand tatsächlich in den Schutzbereich des (verbleibenden) Patent fällt, wird die Patentverletzung in gleicher Weise festgestellt. Was das Patent sonst noch alles unter Schutz stellt, spielt dafür keine Rolle. Der "Streitgegenstand" des Verletzungsverfahrens in diesem Sinne ändert sich durch ein Beschränkungs- oder Nichtigkeitsverfahren nicht nicht. Es sind und bleiben z.B. die 30000 Wolldecken, die auf dem Frachter XY importiert wurden, und dadurch ist insbesondere auch der Gegenstandswert bestimmt.

Dann kann es bei dem fraglichen "Umfang des Streitgegenstands" nur noch darum gehen, dem Patentverletzer für die Zukunft Ungemach (in Form eines Titels) anzudrohen, und zwar auch für den Fall, dass er dann "bloß" Abwandlungen des (bisherigen) Verletzungsgegenstands in Verkehr bringt, wobei der Umfang dieser Abwandlungen eine gewisse Breite haben kann, die sich an der "gesicherten" Breite des Patentanspruchs orientieren sollte.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Der Streitgegenstand ergibt sich aus dem der Klage zugrunde liegenden Lebenssachverhalt und dem seitens des Klägers zu formulierenden Klageantrag.

Angenommen, das Patent schützt
Anspruch 1: Wolldecke mit Spezialwebstruktur
Anspruch 2: Wolldecke nach Anspruch 1, d.g.d. das die Wolle ist mit Beschichtung X versehen ist.

Anspruch 1 sei ersichtlich nicht rechtsbeständig, Anspruch 2 aber sehr wohl.

Wenn der Kläger dann bereits den Klageantrag auf Anspruch 2 einschränkt, also nur Unterlassung, Vernichtung, Schadenersatz, etc. in Bezug auf solche Wolldecken nach Anspruch 1 beantragt, die außerdem mit Beschichtung X nach Anspruch 2 versehen sind, dann werden Wolldecken ohne Beschichtung X nicht streitgegenständlich. Dann wäre eine Nichtigkeitsklage, die Anspruch 1 zu Fall bringt, Anspruch 2 aber nicht, für den Streitgegenstand nicht vorgreiflich. Eine Aussetzung käme nicht in Betracht.

Ergänzend: Der Streitgegenstand im Verletzungsverfahren ändert sich durch ein Nichtigkeitsverfahren, in dem das Patent eingeschränkt wird, tatsächlich streng genommen erst einmal nicht. Allerdings tut er es in dem Moment, in dem der Kläger den Streitgegenstand in Einklang mit der Nichtigkeitsentscheidung ebenfalls einschränkt. Und da der Kläger im Verletzungsverfahren den Klageantrag an den Umfang der Teilnichtigerklärung anpassen muss, wenn der ursprüngliche Klageantrag über das, was vom Patent übrig geblieben ist, hinausging, wird er dies auch tun. Täte er dies nicht, dann müsste das Gericht die Klage abweisen, weil es der Klage im ursprünglich eingereichten Umfang nicht (mehr) stattgeben dürfte, da das teilnichtig erklärte Patent den ursprünglichen Streitgegenstand nicht mehr "abdeckt". Deswegen wird der Kläger im Verletzungsverfahren im Übrigen auch einen Teil der Kosten tragen müssen.
 
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