EPÜ Behandlung von Fristen bei Absage mündlicher Verhandlungen

Fip

*** KT-HERO ***
Mal eine Frage, die derzeit vermutlich viele Anwälte betrifft. Eigentlich hätte ich erwartet, dass das Amt diese Frage öffentlich beantwortet, aber vielleicht habe ich da etwas übersehen:


Wenn Ladungen zu mündlichen Verhanldungen vor Prüfungs- und Einspruchsabteilungen bereits ergangen sind und die mündliche Verhandlung in 2020 terminiert wurde, dann wird diese mündliche Verhandlung nach der gestrigen Mitteilung (siehe:[FONT=&quot]https://www.epo.org/news-events/covid-19/oral-proceedings-examination-opposition_de.html[/FONT]) verschoben.


Was passiert mit bereits gesetzten Fristen (z.B. nach R.116 EPÜ), wenn die Verhandlung nicht per Video-Konferenz abgehalten wird? Es macht ja (eigentlich) keinen Sinn, eine Partei zu zwingen, sagen wir noch im September eine Eingabe mit Hilfsanträgen und weiteren Ausführungen zu machen, wenn die mündliche Verhandlung irgendwann zu einem noch nicht bestimmten Zeitpunkt in 2021 oder gar 2022 stattfinden wird.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich hatte einen Fall (allerdings natürlich vor dieser Mitteilung), in dem eine bereits geladene Verhandlung im Einspruchsverfahren verlegt wurde. Dazu wurde eine neue Ladung (Termin in 2021) mit neuen Eingabefristen versandt. Ich nehme an, dass das auch in Zukunft so gehandhabt wird.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke erstmal für die Antwort. Ich gehe eigentlich auch fest davon aus, dass das so gehandhabt wird, tue mich aber schwer, hierfür eine rechtssicher belastbare Gesetzes-, Richtlinien- oder sonstige Literaturstelle zu finden.

Bei mir sieht die Sache derzeit grob so aus: Erstinstanzliches Einspruchsverfahren, R.116 Frist Ende August, mündliche Verhandlung Ende Oktober, außerdem Aufforderung, bis zum Tag der R.116 Frist zu erklären, ob man mit einer Video-Konferenz einverstanden ist. Ich vertrete den Patentinhaber.

Mal folgendes Gedankenspiel: Mein Mandant ist mit Video- Konferenz einverstanden. Ob die mündliche Verhandlung aber dann per Video-Konferenz am ursprünglich terminierten Tag per Video-Konferenz stattfindet, hängt davon ab, ob die Gegenseite auch einverstanden ist. Wenn nicht, wird verschoben. Ob die Gegenseite einverstanden ist, weiß ich aber ggf. erst, wenn die R.116 schon abgelaufen ist, weil das davon abhängt, wann die Gegenseite sich erklärt. Und die hat bis zum letzten Tag der R.116 Frist hierfür Zeit. Muss ich also vor Ablauf der R.116 Frist (vorsorglich) noch ein Eingabe mit Hilfsanträge einreichen, auf die Gefahr hin, dass auch der Einsprechende sich mit der Video-Konferenz einverstanden erklärt, obwohl ich gar nicht weiß, ob diese Frist nicht ohnehin verschoben wird?

Das ist die eine Überlegung. Die andere ist, dass ich letztlich keine verlässliche Stelle finden kann, die sagt, dass eine einmal gesetzte R.116 Frist nicht auch bei Verschieben der mündlichen Verhandlung Ihre Gültigkeit behält. Theoretisch ließe sich ja auch eine mündliche Verhandlung sagen wir von einem Dienstag auf den darauffolgenden Donnerstag oder um lediglich eine Woche auf den nächsten Dienstag verschieben. Das führt ja dann wohl auch nicht dazu, dass die einmal gesetzte R.116 Frist sich automatisch um die wenigen Tage nach hinten verschiebt. Es gibt hier meines Erachtens keinen Automatismus. Ich habe aber auch noch nicht erlebt, dass die R.116 formell aufgehoben worden wäre.
 

patachon

GOLD - Mitglied
Ich habe es bei Verschiebungen bisher auch nur so erlebt, dass mit der neuen Ladung eine neue Frist gesetzt wird. Eine rechtliche Grundlage für einen Anspruch darauf wüsste ich aber auch nicht, da ja normalerweise nicht die Ladung an sich, sondern nur der gesetzte Termin aufgehoben wird. Die Mitteilung nach R.116 sollte auch erstmal unabhängig sein von der Ladung nach R.115. Zur Ladungsfrist gibt es einen Absatz in den Richtlinien, zum Rest nicht.

Im hier beschriebenen Fall, in dem mindestens eine Seite einverstanden ist, die Verhandlung auf eine Videokonferenz zu verlegen, würde ich wohl einreichen - auch wenn es womöglich umsonst ist. Die Konstellation wäre mir zu wacklig.

Ein etwas anders gelagerter, aber entfernt verwandter Fall, den ich erlebt habe:

Es gab im Einspruch eine erste mündliche Verhandlung mit entsprechenden fristgerechten Eingaben beider Parteien. Diese Verhandlung zog sich letztendlich unerwartet und auch mit neuen Themen bis tief in die Nacht (kein Witz), so dass ein zweiter Termin angekündigt wurde, zu dem ein Jahr später mit einer erneut festgesetzten Frist nach R.116 geladen wurde. Im Verfahren wurde dann aber quasi alles, was fristgerecht (?) vor dieser zweiten Verhandlung eingereicht wurde, als verspätet nicht mehr zugelassen.

Die anschließende Beschwerde haben wir aus anderen Gründen vollumfänglich gewonnen, es wurde daher leider über die Frage, welche Bedeutung diese zweite Frist hatte und ob für neue Sachverhalte dann noch einmal eingereicht werden darf, nicht entschieden.
(aber ja: hier ist die Sache anders, weil die erste Verhandlung tatsächlich stattfand und auch mit der ersten Frist schon eingereicht wurde.)
 

Fip

*** KT-HERO ***
@patachon: Danke für die Antwort.


In etwa das, was Du andeutest, macht mir auch Sorgen. Anders als mein oben angeführtes "Gedankenspiel" möchte mein Mandant - wie sich gestern herausgestellt hat - keine mündliche Verhandlung per Video. Also wird verschoben. Und er drängt mich, eine Eingabe so spät wie möglich einreichen.



Was ich vermeiden will, ist natürlich, dass ich mich darauf verlasse, dass die ursprüngliche R.116 Frist mit verschoben wird und dann eine neue R.116 Frist gesetzt wird, ich erst zur neuen R.116 Frist Hilfsanträge einreiche und ich mir dann von der Einspruchsabteilung oder der Gegenseite sagen lassen muss, die seien verspätet, weil die ursprüngliche Frist trotz des Verschiebens der Verhandlung nach wie vor Geltung hatte.


Ich glaube zwar nicht, dass das Amt damit durchkäme (z.B. wegen Vertrauensschutz), aber die Situation wäre erstmal suboptimal.
 
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