Allg. Ausbildung jetzt noch beginnen?

McNase

Schreiber
Hallo Forum,
nachdem ich hier schon länger (mehrere Jahre) mitlese hab ich mich grad angemeldet, weil mich Eure Meinung interessiert.

Ich überlege gerade, ob ich nun im zarten Alter von 30 den Schritt wagen soll, eine PA Ausbildung anzufangen.
Folgende Situation: bin Dipl.-Ing. in Luft-& Raumfahrttechnik, seit 5 Jahren im Job bei einem KFZ-Hersteller (festangestellt von Beginn an).
Studium und Diplom gut bis sehr gut (ohne jetzt megamäig überragend zu sein), viel Auslandserfahrung, jetzt interessanter Job als Entwicklungsingenieur.
Hatte damals nach dem Studium schon mit einer PA Ausbildung geliebäuelt, auch einige Bewerbungen abgeschickt und daraufhin 2 Stellenangebote bei PAs in München bekommen.
Aufgrund der finanziellen Umstände habe ich mich damals für den Job in der Industrie entschieden, in dem ich damals als Einsteiger schon gut und heute nach 5 Jahren fürstlich verdiene (~80k€ + günstiges Jahreswagenleasing).

Die Lage ist nun so, dass es im Großkonzern recht starr zugeht und mein Gehalt nun erstmal "Endstation" ist, egal wie gut ich fachlich bin. Der nächste Schritt wäre Führungsebene / AT, in der Fachlaufbahn kann nun maximal noch Inflationsausgleich / Tariferhöhung 2-3% jedes Jahr kommen.
Auf Führungslaufbahn habe ich aber nicht unbedingt Lust und möchte lieber selbständiger und fachbezogen arbeiten, und es soll mir natürlich trotzdem gut dabei gehen :) - Will sagen, ich möchte nun nicht die nächsten 35 Jahre bis zur Rente den gleichen Mist weiter machen. Ich träume schon ein wenig von einer eigenen Kanzlei wenn ich ehrlich bin. Auch bereue ich ein wenig meine Wahl des Ingenieurstudiums, ich hätte lieber Jura oder Medizin gemacht, weil dort einfach die Jobmöglichkeiten eher meinem Naturell entsprechen.

Nun ist das Problem, dass ich als Standart-Kandidat vermutlich erstmal (wenns gut läuft) ca. die Hälfte verglichen mit jetzt verdienen würde. Außerdem habe ich keinen Dr., den ich als potenzieller selbständiger PA aber gefühlsmäßig voraussetzen würde (ich persönlich würde einen PA mit Dr. bevorzugen wenn ich Kunde wäre, auch wenns eigentlich fachlich gesehen Quatsch/unnötig ist...)
Die Fragen an Euch daher:
  • Kennt ihr Möglichkeiten für einigermaßen Berufserfahrene wie mich eine Ausbildung berufsbegleitend zu machen? Auch mit Hinblick auf das Gehalt.
  • Könnte man Promotion und PA Ausbildung verknüpfen?
  • Ich bin fachlich auf meinem Gebiet relativ gut angesehen im jetzigen Job - wie kann ich vermeiden, als Kandidat wieder als "gefühlter Azubi" anfangen zu müssen?
  • Ganz allgemein: Wie würdet ihr in meiner Lage handeln?
Viele Grüße
Uli
 

Lysios

*** KT-HERO ***
McNase schrieb:
- Kennt ihr Möglichkeiten für einigermaßen Berufserfahrene wie mich eine Ausbildung berufsbegleitend zu machen? Auch mit Hinblick auf das Gehalt.
Es gibt Kanzleien, die bieten die Möglichkeit, als Patentsachbearbeiter zu arbeiten. D.h., zuerst die europäische Prüfung und nach Bestehen zusätzlich Kandidat. In einer Patentabteilung ist das mittlerweile sowieso normal. Wenn Du aber Dein jetziges Gehalt in voller Höhe behalten willst, wird das nur in der Patentabteilung Deiner jetzigen Firma möglich sein.

McNase schrieb:
- Könnte man Promotion und PA Ausbildung verknüpfen?
Eine parallele Promotion scheint mir kaum vorstellbar. Du solltest den zeitlichen Aufwand für die Ausbildung nicht unterschätzen.

Du kannst aber mit deutscher oder europäischer Zulassung einen LL.M. in Hagen machen (2 Jahre und nicht billig) und mit guten Noten danach in Hagen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes promovieren (Dr. jur.).

McNase schrieb:
- Ich bin fachlich auf meinem Gebiet relativ gut angesehen im jetzigen Job - wie kann ich vermeiden, als Kandidat wieder als "gefühlter Azubi" anfangen zu müssen?
Das wird nur in der Patentabteilung Deiner jetzigen Firma gehen und dort auch nur begrenzt. Du musst runter von Deinem hohen Ross und akzeptieren, dass Du hier einige Jahre Lehrling bist. Selbt mit den Zulassungen wirst Du noch sehr viel Erfahrung sammeln müssen.

Generell solltest Du Dich fragen, ob Du bereit bist, die Ochsentour dieser Ausbildung über viele Jahre auf Dich zu nehmen. Wenn es Dir nur um eine Gehaltsverbesserung geht, dann ist das sicherlich nicht der richtige Weg für Dich.

Wenn Du Dich aber in Deinem Job intellektuell unterfordert fühlst, und Du Dich zu stark eingeengt fühlst, nur auf einem kleinen technischen Gebiet zu arbeiten und Du dort nur Dein Wissen nur in einer Dimension vertiefen kannst, dann könnte die Ochsentour das Richtige für Dich sein.
 

Aktenwaelzer

SILBER - Mitglied
Hallo McNase,

Du hast im Prinzip schon alle Fakten beieinander, Du musst nur noch die Entscheidung treffen;-)

30 ist für einen Einstieg in die Patentwelt nicht zu spät, ich kenne viele, die in diesem Alter angefangen haben. Es schadet nicht, vorher mal was "richtiges" gemacht zu haben. Allerdings lässt sich eine Azubi-ähnliche Situation kaum vermeiden, das ist einfach so, wenn man wo neu anfängt und es andere gibt, sie sowas schon länger machen. Es kommt auch besser an, sich dieser Situation bewusst zu sein.

Ich bin auch mit 30 eingestiegen, allerdings aus erwähnten Gründen (Gehalt als Kandidat eher mau) nicht in einer Kanzlei, obwohl ich das hätte tun können.

Wenn Du keine wesentlichen finanziellen Abstriche machen kannst oder willst, bleiben eigentlich nur die Wege (a) Kanzlei, aber als Sachbearbeiter, d. h. erst EPA-Zulassung und danach die deutsche extern, (b) Patentabteilung Deines (oder eines anderen) Unternehmens mit Ausbildungen nebenbei (Du könntest ja versuchen, ob sie Dich als Kandidaten melden, zumindest ging das früher mal), oder (c) Prüfer am EPA. Alle drei Wege haben ihre eigenen Vor- und Nachteile.

Wenn Dein Traum aber ist, möglichst schnell die Zulassungen zu bekommen und dann eine eigene Kanzlei aufzumachen, wird Dir die Kandidatenschiene kaum erspart bleiben. Es ist eben in gewisser Weise eine Lebensentscheidung und man kann sich nicht beliebig lange alle Optionen offenhalten.

Und was die Promotion anbelangt glaube ich, dass Deine Arbeitserfahrung das locker ausgleichen sollte. Ich persönlich würde zumindest eher zu einem Patentanwalt gehen, der das richtige Leben als Entwickler kennt, als zu jemandem, der die Zeit an der Uni verbracht hat. Sowieso ein nur deutsches/österreichisches Phänomen, dieser lächerliche hype um die zwei Buchstaben.
 

MPS

GOLD - Mitglied
Ich glaube, die beiden Antworen, die Sie bekommen haben, sind im wesentlichen richtig und vollständig. Damit sollten Sie in der Lage sein, Ihre Entscheidung zu treffen.

Hinzufügen möchte ich noch, dass Sie sich fragen müssen, inwieweit Sie derzeit in der Lage sind, eine langfristige Stabilität Ihrer beruflichen Situation ins Auge zu fassen.
Ich fühle in Ihrem Schreiben einerseit das Erschrecken, jetzt dreissig zu sein und noch nichts zu Ihrer Unsterblichkeit beigetragen zu haben, andereseits aber die Befürchtung, bis zur Rente in Ihrem Konzern beruflich nichts interessantes mehr zu sehen, und drittens aber auch die Furcht vor der Bindung an eine vor langer Zeit getroffene fachliche Wahl, die Ihnen jetzt weiger einleuchtet als früher.
Wenn dem so ist, könnte ein unzureichend bedachter Neuanfang (für den es vom Alter her nicht zu spät ist) auch eine Flucht nach vorn sein.
Insofern kann ich meinen Vorrednern nur zustimmen, dass Sie vielleicht am besten versuchen sollten, in der Patentabteilung Ihres Unternehmens unterzukommen.
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Ich würde mir an Deiner Stelle einen Job bei einem kleinen aber innovativen Betrieb (kaum Produktion, viel Entwicklung) suchen, bei dem die realistische Chance darauf besteht, selbst etwas zu bewegen. Ich kenne reihenweise einige Klitschen am Land, die händeringend junge Ings mit ein paar Jahren Berufserfahrung suchen mit dem expliziten Ziel der späteren Geschäftsführung oder gar Übernahme.

Die Gründe:

Man spürt deutlich die "Kandidatenschwemme"; früher, d.h. bis vor etwa 7-10 Jahren, gab es im Kammerrundschreiben reihenweise Anzeigen "junger Kollege für spätere Kanzleiübernahme gesucht" - jetzt heisst es dort meist: "bieten jungem PA mit möglichst eigenem Mandantenstamm Zimmer zur Untermiete, Büroinfrastruktur kann mitgenutzt werden". Man besorge sich mal Rundschreiben aus den ausgehenden 90ern.... Angesichts der Kandidatenzahlen wird das eher noch schlimmer werden.

Finanziell wird es sich daher nicht oder, falls die obige Prognose falsch ist, nur ganz knapp lohnen, es kommt eine Durststrecke, die mit Zinsen erstmal wieder aufgefüllt werden muss.

Offensichtlich geht es Dir mehr um die Arbeitsumstände (selbständig/angestellt; immer das Gleiche machen etc.) als um die eigentliche Tätigkeit. Abwechlungsreich ist PA auch nicht unbedingt - in Zukunft sicher noch spezialisierter und "einfältiger".

Und wenn Du Personalverantwortung nicht willst, dann ist freiberuflicher PA auch nicht unbedingt das gelbe vom Ei.
 

Dr. No

SILBER - Mitglied
Nachfolgend noch ein paar Anmerkungen von mir:

Kennt ihr Möglichkeiten für einigermaßen Berufserfahrene wie mich eine Ausbildung berufsbegleitend zu machen? Auch mit Hinblick auf das Gehalt.
Hier kann ich nur wiederholen: Als Sachbearbeiter (ohne Kandidatenstatus) in einer Kanzlei oder in der Industrie. Allerdings dauert die Ausbildung zum deutschen PA dann mindestens 8 Jahre, d.h. Du wärst dann beinahe 40.

Ich bin fachlich auf meinem Gebiet relativ gut angesehen im jetzigen Job - wie kann ich vermeiden, als Kandidat wieder als "gefühlter Azubi" anfangen zu müssen?
Das wird sich so gut wie gar nicht vermeiden lassen. Am eigenverantwortlichsten wirst Du vermutlich in der Industrie arbeiten können.

Will sagen, ich möchte nun nicht die nächsten 35 Jahre bis zur Rente den gleichen Mist weiter machen.
Als PA wirst Du den Rest Deines Lebens immer den gleichen "Mist" machen.

Ich träume schon ein wenig von einer eigenen Kanzlei wenn ich ehrlich bin.
Ja, wer träumt davon nicht? Die Realisierung ist jedoch äußerst schwierig. Dies liegt zum einen an der bereits angesprochenen "Kandidatenschwemme", zum anderen an der Tatsache, dass die meisten Mandanten bereits an etablierte Kanzleien vergeben sind. Es ist zudem äußerst schwer diesen Mandanten klar zu machen, dass sie bei den etablierten Kanzleien oftmals horrende Summen dafür zahlen, dass ihre Aufträge von Patentingenieuren bearbeitet werden, während die großen Meister (Partner) sich auf ungemein wichtigen Kongressen tummeln oder auf Dienstreise sind.

Die momentane wirtschaftliche Situation ist zudem nicht förderlich für die Gründung einer eigenen Kanzlei (das kann sich in den nächsten Jahren natürlich wieder ändern).

Aufgrund der finanziellen Umstände habe ich mich damals für den Job in der Industrie entschieden, in dem ich damals als Einsteiger schon gut und heute nach 5 Jahren fürstlich verdiene (~80k€ + günstiges Jahreswagenleasing).

Die Lage ist nun so, dass es im Großkonzern recht starr zugeht und mein Gehalt nun erstmal "Endstation" ist, egal wie gut ich fachlich bin. Der nächste Schritt wäre Führungsebene / AT, in der Fachlaufbahn kann nun maximal noch Inflationsausgleich / Tariferhöhung 2-3% jedes Jahr kommen.
Falls Du, in Zukunft, als PA in der Industrie arbeitest, wirst Du kaum mehr verdienen als das was Du jetzt verdienst. Insofern wäre auch dann "Endstation". Als freier Mitarbeiter in einer etablierten Kanzlei magst Du ein paar Euro mehr verdienen können, musst natürlich andererseits vollständig für Deine(n) Altersvorsorge/Gesundheitsvorsorge/Verdienstausfall aufkommen. Ich glaube nicht, dass sich das netto gegenüber Deinem jetzigen Einkommen rechnet.

Auch die Möglichkeiten in eine etablierte Kanzlei als Partner einzusteigen werden zumindest in München immer seltener (nur dann würdest Du vermutlich einiges mehr verdienen als jetzt). Meines Wissens nehmen momentan sogar einige Münchner Kanzleien überhaupt keine neuen (Voll-)Partner mehr auf (es gibt wenige Ausnahmen). Können das die mitlesenden Kollegen bestätigen?

Kurz um, ich würde den Schritt an Deiner Stelle nicht tun, sondern nach einer eigenverantwortlicheren Position in Deiner momentanen Branche Ausschau halten.
 

studi

GOLD - Mitglied
Lysios schrieb:
Du kannst aber mit deutscher oder europäischer Zulassung einen LL.M. in Hagen machen (2 Jahre und nicht billig) und mit guten Noten danach in Hagen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes promovieren (Dr. jur.).
Es geht auch eventuell anders, wenn du den Dr. iur. brauchst: Mach einen Fern- LL.M. im Ausland mit guten Noten. Zusammen mit 2 großen Scheinen der Rechtswissenschaft (ggfs. auch ein Seminar mit gut o.ä.) erfüllst du die Voraussetzungen der Promotionsordnungen der meisten jur. Fakultäten.

Die Profs im gewerblichen Rechtsschutz freuen sich auch mal über einen Ingenieur als externen Doktoranden. Ohne die Kandidatenausbildung wirst du es aber vermutlich nicht hinkriegen, weil dir natürlich elementare Inhalte und Methodik für eine Diss. fehlen. Du könntest aber schon eher beginnen, als bei der Variante von Lysios. Auch bekommt man einen als gut benoteten LL.M. im Ausland einfacherer als in Hagen.


Die LL.M. Programme im Ausland setzen meistens nur einen Abschluss in Irgendwas voraus. Du musst nicht fachgebunden Recht studiert haben, lediglich zu den besten 30% deines Jahres gehören(First oder second-first degree). Ach ja, und > 10k bezahlen. Der LL.M. wird meist auch als "Fernstudium" angeboten, dass nennt sich dann LL.M. via Dissertation. Deine Anwesenheit dort beschränkt sich auf die Einführungs- und Kontrollveranstaltungen.
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
@Dr. No: Das passt. "Zweite Ebene" heisst das Zauberwort....

Man sehe sich die durchschnittliche Altersstruktur in den Kanzleien an. Zwischen etwa 1990 und 2005 sind aus den (geburtenstarken) Jahrgängen 60-70 haufenweise Partner hervorgegangen als die Kanzleien noch nicht zu groß waren. Inzwischen sind in vielen interessanten Kanzleien 10-15 Partner und dann ist meist eine Grenze für die archaischen BGB-Gesellschaftsstrukturen erreicht, dann müssen andere Modelle her. Und natürlich sitzen die Jungen in diesen Modellen nicht mehr in der ersten Reihe ("zweite Ebene"). Man kann da niemand einen Vorwurf machen, die Welt ist so geworden, wie sie ist und man kann sich auch in dieser Welt noch zurechtfinden - nur so einfach wie vor 10 Jahren ist es nicht mehr.
 

Dr. No

SILBER - Mitglied
Inzwischen sind in vielen interessanten Kanzleien 10-15 Partner und dann ist meist eine Grenze für die archaischen BGB-Gesellschaftsstrukturen erreicht, dann müssen andere Modelle her. Und natürlich sitzen die Jungen in diesen Modellen nicht mehr in der ersten Reihe ("zweite Ebene").
Die "zweite Ebene" wird in der Tat in immer mehr Kanzleien zum Thema. Einer der Hauptgründe dafür ist der von Dir genannte "Bauch" aus Partnern im Alter 40+. Auf Grund dieser Altersstruktur scheiden nur wenige Partner in den nächsten Jahren aus, während die 40+ Partner noch lange im Geschäft sind. Insofern ist es verständlich, dass letztere nicht so viele Jungpartner aufnehmen wollen.

Könnte man nicht andererseits argumentieren, dass die 40+ Partner doch gerade dazu gezwungen sind, nun die nächste Generation von Partnern (ca. 10 jahre jünger) aufzunehmen? Oder wird einfach eine Generation überprungen, um dann erst in weiteren 10 Jahren eine neue Ebene zu schaffen?
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Dr. No schrieb:
Könnte man nicht andererseits argumentieren, dass die 40+ Partner doch gerade dazu gezwungen sind, nun die nächste Generation von Partnern (ca. 10 jahre jünger) aufzunehmen? Oder wird einfach eine Generation überprungen, um dann erst in weiteren 10 Jahren eine neue Ebene zu schaffen?
Warum sollten die gezwungen sein? Darüber kann man bei 55+ oder 60+ diskutieren. Die Aufnahme neuer Partner ergibt nur dann Sinn, wenn entweder ein anderer ausscheidet oder in naher Zukunft ausscheidet oder wenn sich das Geschäft derart entwickelt, dass man mehr Verantwortliche braucht. Und bei bereits 15 Partnern ist aus anderen Gründen in der Regel Schluss.
 

grond

*** KT-HERO ***
Dr. No schrieb:
Könnte man nicht andererseits argumentieren, dass die 40+ Partner doch gerade dazu gezwungen sind, nun die nächste Generation von Partnern (ca. 10 jahre jünger) aufzunehmen?
Das ist ja gerade das Problem, das einige Kanzleien zur wirtschaftlichen Implosion bringen wird. Die jetzigen Partner wollen im Ruhestand ja auch keine Einbußen beim Einkommen hinnehmen, sondern im Zweifel noch ein dickes Altersgeld mitnehmen. Die Zeiten, in denen die Betriebskosten direkt durch Grundgebühren und dergleichen wieder eingespielt wurden, neigen sich auch eher dem Ende zu, wenn sie nicht sogar schon lange passé sind. Das bedeutet, dass vom Kanzleianteil der freien Mitarbeiter auch Kosten bestritten werden müssen. Wenn man also beim ursprünglichen Einkommen aus Eigenarbeit und Gewinnanteil wenigstens halbwegs anschließen will, müssen auf jeden ausscheidenden Anwalt >1 jüngere Anwälte kommen (zumal ja auch die weiterhin aktiven Partner ihre Gewinnanteile einstreichen wollen). Und damit haben wir ein Pyramidenspiel, das nur in Zeiten von Wachstum durchzuhalten ist.

Bei vielen Kanzleien sind nach meinem Eindruck ca. 60% der Partner zwischen 40 und 50 Jahre alt. Sich da einzureihen, um denen ihr Altersruhegeld zu verdienen, ist nicht sonderlich attraktiv. Die Chancen stehen m.E. nicht schlecht, zu der Generation zu gehören, die sich teuer einkauft, aber selbst unter dem Strich nicht wirklich profitiert. Ich persönlich erhalte mir da lieber die Flexibilität des freien Mitarbeiters, der auch nicht fürchterlich schlecht verdient, dafür sich aber immer ein anderes Arbeitsumfeld suchen kann. Wenn ich überhaupt Partner würde, dann nur, wenn effektiv bei der Abrechnung letztlich nur von "umsatzbezogen" auf "gewinnbezogen" umgestellt wird. Einkaufen werde ich mich nicht.
 

Gonzo

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Wenn ich überhaupt Partner würde, dann nur, wenn effektiv bei der Abrechnung letztlich nur von "umsatzbezogen" auf "gewinnbezogen" umgestellt wird.
Hallo Grond,

ich bin mir nicht ganz sicher ob ich komplett verstanden habe, warum die Umstellung von "umsatzbezogen" auf "gewinnbezogen" vorteilhaft(er) erscheint. Könntest Du das kurz erläutern?

Danke,

Gonzo
 

Dr. No

SILBER - Mitglied
Schöne Diskussion, auch wenn sie nicht direkt zum Thema gehört.

Warum sollten die gezwungen sein? Darüber kann man bei 55+ oder 60+ diskutieren.
So kann man argumentieren. Aber ist es nicht auch sinnvoll (auch in Bezug auf die Außenwahrnehmung der Mandanten) einen kontinuierlichen Übergang vorzunehmen? Mit anderen Worten, ist es nicht besser eine kontinuerliche Altersstruktur zu bilden, bei welcher z.B. zwischen den einzelnen Altersschichten jeweils ca. 10 Jahre liegen, als 20 Jahre oder länger überhaupt niemanden aufzunehmen?

Die Zeiten, in denen die Betriebskosten direkt durch Grundgebühren und dergleichen wieder eingespielt wurden, neigen sich auch eher dem Ende zu, wenn sie nicht sogar schon lange passé sind. Das bedeutet, dass vom Kanzleianteil der freien Mitarbeiter auch Kosten bestritten werden müssen.
Ich denke auch, dass die Zeiten der hohen Grundgebühren vorbei sind. Die Mandanten sind gerne bereit für gute Arbeit zu bezahlen, wollen aber einen Gegenwert sehen. Wenn die Grundgebühren geringer werden, müssten die PAe jedoch dazu übergehen, restriktiver ihre geleisteten Stunden abzurechnen. In den meisten Kanzleien ist es doch momentan üblich, täglich zwischen 4 und 6 Stunden in Rechnung zu stellen. Sinken die Grundgebühren, muss diese Zahl auf 7 bis 9 Stunden erhöht werden (siehe Rechtsanwälte).

Wenn man also beim ursprünglichen Einkommen aus Eigenarbeit und Gewinnanteil wenigstens halbwegs anschließen will, müssen auf jeden ausscheidenden Anwalt >1 jüngere Anwälte kommen (zumal ja auch die weiterhin aktiven Partner ihre Gewinnanteile einstreichen wollen).
Woraus resultiert dann die momentane restriktive Haltung einiger (Münchner) Kanzleien? Müssten diese nicht wie wild Partner aufnehmen, um die 40+/50+ Generation abzusichern?

Sich da einzureihen, um denen ihr Altersruhegeld zu verdienen, ist nicht sonderlich attraktiv.
Das kommt natürlich auch auf die Höhe des Ruhegeldes an (mir sind Größenordnungen zwischen 20% und 100% der vorherigen Entnahme bekannt).
 

Rex

*** KT-HERO ***
Dr. No schrieb:
Wenn man also beim ursprünglichen Einkommen aus Eigenarbeit und Gewinnanteil wenigstens halbwegs anschließen will, müssen auf jeden ausscheidenden Anwalt >1 jüngere Anwälte kommen (zumal ja auch die weiterhin aktiven Partner ihre Gewinnanteile einstreichen wollen).
Woraus resultiert dann die momentane restriktive Haltung einiger (Münchner) Kanzleien? Müssten diese nicht wie wild Partner aufnehmen, um die 40+/50+ Generation abzusichern?
 

Rex

*** KT-HERO ***
Mein Gott! Der Markt ist gesättigt bzw. schrumpft und die Mandanten sind bereits aufgeteilt. Wer PAs einstellt, muss sie auch beschäftigen können. Weiteres (individuelles) Wachstum ist nur noch durch einen Verdrängungswettbewerb möglich, d.h. ich muss gezielt von anderen Kanzleien abwerben. Viel Spaß!
 

grond

*** KT-HERO ***
Gonzo schrieb:
ich bin mir nicht ganz sicher ob ich komplett verstanden habe, warum die Umstellung von "umsatzbezogen" auf "gewinnbezogen" vorteilhaft(er) erscheint.
"Vorteilhaft" habe ich nicht gesagt. Als Partner ist man am Geschäftsrisiko beteiligt. Wenn die Kosten so hoch sind, dass sie den Umsatz auffressen, verdient man nichts. Wird viel Umsatz geschafft, dann wird auch der Gewinn groß sein. Bei rein umsatzbezogener Abrechnung (als freier Mitarbeiter) bekommt der freie Mitarbeiter immer seinen Anteil, auch wenn die Kanzlei im Minus ist. Die obenzitierte Umstellung heißt einfach nur, dass eine komplett andere Grundlage für die Berechnung des Einkommens gewählt wird. Es kann für die Kanzlei dann auch günstiger sein, gewinnorientiert zu zahlen (nämlich dann, wenn kaum, keiner oder gar Verluste anfallen). In guten Zeiten wird der Gewinn dann halt auf mehr Partner aufgeteilt. Das ist dann für die Kanzlei wieder teurer, als freie Mitarbeiter wären. Man kann aber nicht wirklich immer alles haben.

In eine Kanzlei einkaufen, wenn ich auch die Mandate umsatzbezogen als freier Mitarbeiter betreuen kann, würde ich mich halt nicht. Dafür ist mir die Gefahr, als Partner, der auch noch für seinen Partnerstatus bezahlt hat, durch enorme Betriebskosten in wirtschaftlich schlechten Zeiten zum zweiten Mal dafür zu bezahlen, zu hoch.


Dr. No schrieb:
Woraus resultiert dann die momentane restriktive Haltung einiger (Münchner) Kanzleien? Müssten diese nicht wie wild Partner aufnehmen, um die 40+/50+ Generation abzusichern?
Darüber wird sich die 40+/50+-Generation Gedanken machen, wenn sie 60+ sind. Bis dahin wird abgeschöpft, weil die Suppe eh schon so verdünnt ist...
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Dr. No schrieb:
Schöne Diskussion, auch wenn sie nicht direkt zum Thema gehört.

Warum sollten die gezwungen sein? Darüber kann man bei 55+ oder 60+ diskutieren.
So kann man argumentieren. Aber ist es nicht auch sinnvoll (auch in Bezug auf die Außenwahrnehmung der Mandanten) einen kontinuierlichen Übergang vorzunehmen? Mit anderen Worten, ist es nicht besser eine kontinuerliche Altersstruktur zu bilden, bei welcher z.B. zwischen den einzelnen Altersschichten jeweils ca. 10 Jahre liegen, als 20 Jahre oder länger überhaupt niemanden aufzunehmen?
zur Diskussion und dem Thema: Man kann das "jetzt noch beginnen" auch auf die Branche beziehen, da bin ich der Meinung: In München eher nicht.

zu den Mandanten und der Alterstruktur: Die Übergabe erfolgt auch bei gleichmäßiger Altersstruktur in der Regel von dem ältesten auf einen der Jüngeren, sonst müssten ja dauernd neue Anwälte vorgestellt werden. So lange die Nachfolger gefunden werden, wenn sie gebraucht werden (und davon kann man in München ausgehen), ist eine unausgewogene Altersstruktur kein großes Problem.
 

corvinus

SILBER - Mitglied
@das gelbe U

was machst Du denn am Sonntag mittag im Netz, sag bloß Du Du bist am arbeiten?

An die anderen:

Er, also das gelbe U, hat grundsätzlich Recht, aber wir machen gerade die Erfahrung, dass es von (wirtschaftlichen) Vorteil ist, wenn man die Altersstruktur eines Unternehmens (sprich des oder der Mandate) "abbildet", also eher eine kontinuierliche Altersstruktur als Kanzlei hat, um schon frühzeitig die zweite Ebene im Unternehmen einzubinden. Die Kehrseite der Medaille ist, dass dies dazu führt, dass die schöne freiberufliche Heldenanwaltswelt geopfert werden muß zugunsten eines betriebswirtschaftlich klar strukturierten und mit klaren Hierarchien geführten Unternehmens und somit dem Anwalt der Schein des selbstbestimmten Arbeitens genommen wird. Das ist für viele Kollegen in diesem an überdimensíonierten egos überreich gesegneten Beruf schwer zu akzeptieren.
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
corvinus schrieb:
wir machen gerade die Erfahrung, dass es von (wirtschaftlichen) Vorteil ist,
Hahaha. Klar ist das von wirtschaftlichem Vorteil - für die Altpartner. Fazit: Junge Kerle sind schon toll, eine zweite Ebene in der Kanzlei noch besser. So geht's in München.

P.S.: Klar bin ich am arbeiten, hab ja keine Heerscharen von Kandidaten und Junganwälten hier.
 
Oben