EPÜ Art. 61

newpatent

*** KT-HERO ***
Wenn der Anspruch auf Erteilung auf das Patent einem Dritten zugesprochen wird, kommt dies einer Übertragung einer Anmeldung gleich oder gilt der Dritte als Anmelder von vornherein?

Welchen Einfluss hätte die Gewährung eines Anspruchs auf Patenterteilung eines Dritten auf die Priorität?

Bspw. Hat unberechtigter Anmelder X eine Anmeldung EP-X beim EPA eingereicht am 10.10.2017 und einem Dritten Y wurde der Anspruch am 20.10.2020 zugesprochen. Der Dritte Y hat aber am 10.04.2018 von der Anmeldungseinreichung durch Umwege erfahren. Und daher am 20.04.2018 eine Anmeldung EP-Y unter Inanspruchnahme der Priorität der EP-X eingereicht?

Wenn EP-X dem Dritten Y zugesprochen wird, bleibt der Prioritätsanspruch erhalten?
(Wäre durch den Zuspruch der EP-X, der Dritte Y fiktiv am Tag der Einreichung der EP-Y bereits Anmelder gewesen, sodass es sich um den gleichen Anmelder nach A87(1) handelt?)

Wird das EPA die Priorität vorher als ungültig erklären?

Kann dem EPA gegenüber im Bezug EP-Y erklärt werden, dass die Priorität im Verfahren zu EP-X geklärt werden muss?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn der Anspruch auf Erteilung auf das Patent einem Dritten zugesprochen wird, kommt dies einer Übertragung einer Anmeldung gleich oder gilt der Dritte als Anmelder von vornherein?
Der Dritte wird Rechtsnachfolger (Vindikation), nicht anders als bei einer Übertragung durch Vertrag. Die mögliche Aussetzung des Erteilungsverfahrens während des Vindikationsprozesses gewährleistet, dass der Nichtberechtigte in dieser Zeit dem Berechtigten nicht durch Verfahrenshandlungen schaden kann. Alle Fristen sind in dieser Zeit gem. R. 14 (4) gehemmt, auch das Prioritätsjahr.

Die "Entscheidung" in Art. 61 (1) (d.h. die Vindikationsentscheidung) wird sich idR nicht auf den "Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents" beschränken, sondern sich auf alle unrechtmäßig genutzten Rechte an der fraglichen Erfindung erstrecken, und damit ggf. auch die Rechtsnachfolge in der Prioritätsanmeldung bewirken. Dem rechtmäßigen Anmelder geht dann nichts verloren.

Wie sich die Vindikations-Entscheidung in anderen Ländern auswirkt, insbes. für ein Patent in dem Land, in dem die Prioritätsanmeldung eingereicht wurde, regelt sich nach dessen Rechtsordnung.
 

newpatent

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,

wird die Prioritätsfrist gehemmt?

Betrifft die Aussetzung des Erteilungsverfahrens nicht nur das Verfahren für die betreffende Anmeldung?

Wenn die Vindikation ähnlich zu einer Übertragung ist, existiert das Recht nur ex nunc und nicht ex tunc?
 
Zuletzt bearbeitet:

Hans35

*** KT-HERO ***
Wird die Prioritätsfrist gehemmt?
Ja, R. 14 (4) ist da eindeutig.

Betrifft die Aussetzung des Erteilungsverfahrens nicht nur das Verfahren für die betreffende Anmeldung?
In jedem von der beantragten Vindikation betroffene Verfahren muss die Aussetzung gesondert beantragt werden.

Wenn die Vindikation ähnlich zu einer Übertragung ist, existiert das Recht nur ex nunc und nicht ex tunc?
Was meinst du damit? - Ein Dritter kann z.B. rückwirkend ab dem Offenlegungstag auf Schadenersatz belangt werden, auch wenn der Anmelder/Patentinhaber danach wechselt.
 

newpatent

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,

vielen Dank für die Antwort.

Regel 14(4) lautet wie folgt:

"(4) Alle am Tag der Aussetzung laufenden Fristen mit Ausnahme der Fristen zur Zahlung der Jahresgebühren werden durch die Aussetzung gehemmt. An dem Tag der Fortsetzung des Verfahrens beginnt der noch nicht verstrichene Teil einer Frist zu laufen. Die nach der Fortsetzung verbleibende Frist beträgt jedoch mindestens zwei Monate."

Was vermutlich zusammen mit R 14(1) gelesen werden sollte:

"(1)Weist ein Dritter nach, dass er ein Verfahren gegen den Anmelder eingeleitet hat mit dem Ziel, eine Entscheidung im Sinne des Artikels 61 Absatz 1 zu erwirken, so wird das Erteilungsverfahren ausgesetzt,..."​

Demnach werden wahrscheinlich nur die Fristen für das Erteilungsverfahren ausgesetzt. Die Prioritätsfrist ist eine Frist unabhängig von der Anmeldung.

Es ist auch interessant, da ich nirgendwo gefunden habe, dass eine Nachanmeldung unter Beanspruchung der Priorität eines Patents, welches unter einer Vindikationsklage steht, nicht eingereicht werden könnte.

Dies liegt vermutlich daran, dass ein Anmelder in der Regel erst davon erfährt, wenn die Anmeldung bereits publiziert wurde und die Prio dann ohnehin nicht mehr beansprucht werden kann. Allerdings könnte aber ein frühzeitige Veröffentlichung evtl eintreten oder der rechtmäßige Inhaber des Rechts erfährt auf eine andere Weise davon.
 

newpatent

*** KT-HERO ***
Wenn in einer Vindikation das Patent zugesprochen wird und der Dritte die Anmeldung nach Art. 61 weiterverfolgt, so darf dieser, wenn die 12 Monatsfrist nach A87(1) nicht abgelaufen ist, die Priorität der Anmeldung beantragen, aber erst bei erfolgreicher Vindikation.

Wenn ich aber die Priorität bereits vorher beanspruche durch eine Nachanmeldung und dann die Vindikation erfolgreich ist, so wäre die Priorität ungültig, da die Nachanmeldung eingereicht wurde, als der Dritte noch nicht Rechtsnachfolger war.

Korrekt?
 

newpatent

*** KT-HERO ***
Wann kann die Priorität beansprucht werden, sobald die Vindikationsklage erfolgreich war und dem Dritten der Anspruch auf die Erteilung eines Patents zugesprochen wurde oder erst nachdem der Dritte nach Art. 61 die Anmeldung als eigene weiterverfolgt oder eine eigene Anmeldung einreicht?

Wie kann die Priorität durch den Dritten alleine beansprucht werden, wenn der Anspruch auf Erteilung eines Patents teilweise beansprucht wird.

Es existiert doch eine Rechtsprechung, wonach Anmelder A+B eine rechtliche Einheit darstellen und die Priorität nur für eine Nachanmeldung beansprucht werden kann, wenn A und B Anmelder der Nachanmeldung sind.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Regel 14(4) lautet wie folgt:
...
Demnach werden wahrscheinlich nur die Fristen für das Erteilungsverfahren ausgesetzt. Die Prioritätsfrist ist eine Frist unabhängig von der Anmeldung.
Bei der Hemmung der Frist für das Prioritätsjahr geht es nicht um die (aussetzbare) Anmeldung des Nichtberechtigten, sondern um die Anmeldung des Berechtigten, die er gem. Art. 61 (1) b erst, wenn das Vindikationsurteil ergangen ist, einreichen kann. Dann wird das Prioritätsjahr idR bereits abgelaufen sein, aber die Priorität kann mittels Art. 61 (2) in Anspruch genommen werden, genau wie bei einer Teilanmeldung. Voraussetzung ist allerdings, dass der Nichtberechtigte die Erfindung bereits innerhalb des Prioritätsjahrs angemeldet hatte, und dass er dabei entweder diese Priorität beansprucht hatte oder dass die Frist dafür noch nicht abgelaufen ist, so dass sie durch Aussetzung dieser Anmeldung gehemmt werden kann.

Hat der Nichtberechtigte zwar die Erfindung in irgendeinem Land angemeldet, aber beim EPA innerhalb des Priojahres nichts getan, so wird diese Anmeldung mit Offenlegung Stand der Technik, und dem Berechtigten bleibt nur, dafür Schadenersatz zu fordern. Vom EPA bekommt er dafür dann kein Patent mehr.

Ergänzung:
In DE gilt beim Einspruch wegen "widerrechtlicher Entnahme" sogar: Wenn es bis zur Nachanmeldung durch den Berechtigten entsprechend lange dauert, kann sich - infolge der "Verlängerung" des Prioritätsjahrs nach § 7 (2) PatG - der Zeitablauf des Patents, gerechnet ab der Erstoffenbarung in der Prioanmeldung, weit über das 21. Jahr hinaus verschieben; der Anmeldetag der Nachanmeldung wird nicht fiktiv vorverlegt, wie in EP, wo stattdessen als Anmeldetag der Anmeldung des Berechtigten - in Übereinstimmung mit den Bestimmungen für eine Teilanmeldung - der Anmeldetag der Anmeldung des Nichtberechtigten fingiert wird (Art. 76 (2) ).
 
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