Anmeldestrategien

anwärter

SILBER - Mitglied
Hallo,

mich würde mal interessieren, welche Anmeldestrategien ihr bei Erstberatungen (insbesondere bei kleineren Unternehmen) typischerweise empfiehlt.

Eine befreundete (österreichische) Kanzlei geht üblicherweise den Weg, erst eine nationale Anmeldung einzureichen, und den ersten Prüfbescheid, der meist innerhalb des Prioritätsjahres erfolgt, abzuwarten.
Davon ausgehend wird mit dem Mandanten eine europäische Anmeldung, oder, wenn Interesse an 'exotischen' Ländern besteht, eine PCT-Anmeldung, innerhalb der Prioritätsfrist ausgearbeitet.

Gezielte nationale Anmeldungen (z.B. USA) werden nur in Ausnahmefällen getätigt.

Nun gibt es doch in USA die einjährige Neuheitsschonfrist, also wäre es doch sinnvoll, jedenfalls gleichzeitig mit der nationalen Anmeldung auch in den USA anzumelden, um sich einen entsprechend älteren Stand der Technik zu sichern.

Was haltet ihr davon? Wie geht ihr normalerweise bei einer Erstberatung vor?
 

grond

*** KT-HERO ***
anwärter schrieb:
mich würde mal interessieren, welche Anmeldestrategien ihr bei Erstberatungen (insbesondere bei kleineren Unternehmen) typischerweise empfiehlt.
Ich rede denen gerne aus, auch Schutz für wirtschaftlich eher unrealistische Märkte erlangen zu wollen. Sehr viele kleine Mandanten träumen erst einmal von einem "Weltpatent", obwohl sie noch nicht einmal deutschlandweit tätig sind. Ähnlich mit europäischen Patenten, wobei die natürlich sehr viel schneller sinnvoll sein können als ausgerechnet PCT-Anmeldungen für eine 3-Mann-Bude.

Als vielleicht zu ehrliche Haut erwähne ich auch schon einmal die Möglichkeit, eine deutsche Anmeldung einzureichen, aber bis zu sieben Jahre mit dem Prüfungsantrag und damit mit den wesentlichen Kosten zu warten. Erstaunlicherweise will das aber eigentlich nie jemand.


Nun gibt es doch in USA die einjährige Neuheitsschonfrist, also wäre es doch sinnvoll, jedenfalls gleichzeitig mit der nationalen Anmeldung auch in den USA anzumelden, um sich einen entsprechend älteren Stand der Technik zu sichern.
Hast Du die Neuheitsschonfrist eventuell falsch verstanden? Die erstreckt sich natürlich nur auf selbst geschaffenen Stand der Technik. Das sollte man im Beratungsgespräch natürlich abprüfen, ist aber glücklicherweise doch eher Ausnahme. Wer so unprofessionell ist, der braucht auch selten Schutz in den USA. Da reicht dann hoffentlich auch das halbe Jahr Neuheitsschonfrist für ein deutsches Gebrauchsmuster.
 

anwärter

SILBER - Mitglied
grond schrieb:
Hast Du die Neuheitsschonfrist eventuell falsch verstanden? Die erstreckt sich natürlich nur auf selbst geschaffenen Stand der Technik.
Hmm, aber in 35 U.S.C. 102 steht doch, dass der gesamte Stand der Technik erst ab ein Jahr vor US-Anmeldetag neuheitsschädlich ist:

A person shall be entitled to a patent unless -
...
(b) the invention was patented or described in a printed publication in this or a foreign country or in public use or on sale in this country, more than one year prior to the date of the application for patent in the United States,


Oder bin ich hier am falschen Dampfer?
 

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
anwärter schrieb:
Hmm, aber in 35 U.S.C. 102 steht doch, dass der gesamte Stand der Technik erst ab ein Jahr vor US-Anmeldetag neuheitsschädlich ist:
Das stimmt so nicht. 35 USC 102 lit. b muss zusammen mit 35 USC 102 lit. a betrachtet werden (der auf das Datum der Erfindung, nicht - wie lit. a - auf das Anmeldedatum abstellt):

A person shall be entitled to a patent unless -

(a) the invention was known or used by others in this country, or patented or described in a printed publication in this or a foreign country, before the invention thereof by the applicant for patent, or

Somit ist nicht nur alles Stand der Technik, was in lit. b) aufgezählt ist (älter ein Jahr vor Anmeldetag, unabhängig davon, wann die Erfindung gemacht wurde), sondern nach lit. a) alles, was vor dem Datum, an dem die Erfindung gemacht wurde, durch schriftliche Veröffentlichung oder Benutzung im Inland offenbart wurde.

Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Meiner Meinung nach kann auch von Dritten geschaffener Stand der Technik in US nicht neuheitsschädlich sein, wenn er nach dem Datum, an dem die Erfindung gemacht wurde (dann kein SdT nach lit. a)), aber innerhalb eines Jahres vor dem Anmeldedatum (dann auch kein SdT nach lit. b)) veröffentlicht wurde.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Das eine Jahr bezieht sich nur auf den Satzteil nach dem "or", also (nicht-schriftliche) Vorveröffentlichungen in den USA.

Bzgl. der USA kann aber uU einen zeitgleiche Anmeldung (idR eine provisional) notwendig sein, wenn man über PCT (Anmeldung nicht in Englisch) in die USA gehen wird und Stand der Technik am Priotag schaffen will. Das schweift aber ab.

Meistens gibt es zuerst eine deutsche Anmeldung unter gleichzeitiger Stellung des Prüfungs- oder Rechercheantrags. Basierend auf dem Ergebnis dann eine PCT (wenn der Mandant entweder noch nicht sicher bzgl. des Umfangs der Nachanmeldungen ist oder viele exotische Länder nationalisieren will, die sich am Ergebnis des IPRP orientieren) oder direkte Nachanmeldungen, wenn der Umfang überschaubar ist und/oder die Zeit drängt (bspw. der Klassiker EP/US/JP - evtl. plus CN/IN). Meistens werden die Nachanmeldungen auch schon basierend auf dem deutschen Rechercheergebnis angepasst, das verkürzt dann die Auslandsverfahren bzw. gibt einen positiven IPRP.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Bzgl. der USA kann aber uU einen zeitgleiche Anmeldung (idR eine provisional) notwendig sein, wenn man über PCT (Anmeldung nicht in Englisch) in die USA gehen wird und Stand der Technik am Priotag schaffen will. Das schweift aber ab.
Das ist aber wichtig. Normalerweise ist die PCT-Anmeldung ja nicht in Englisch abgefasst und wird erst mit der Veröffentlichung SdT. Darum ist eine zeitgleiche US-Anmeldung schon sinnvoll. Und das war ja die ursprüngliche Frage.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
EQE2009-Gast schrieb:
Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Meiner Meinung nach kann auch von Dritten geschaffener Stand der Technik in US nicht neuheitsschädlich sein, wenn er nach dem Datum, an dem die Erfindung gemacht wurde (dann kein SdT nach lit. a)), aber innerhalb eines Jahres vor dem Anmeldedatum (dann auch kein SdT nach lit. b)) veröffentlicht wurde.
Das ist eben genau das First-to-invent Prinzip in USA gegenüber dem First-Filing Prinzip im Rest der Welt: Nur der erste Erfinder hat das Recht auf das Patent. Deshalb lässt sich auch die absolute Neuheitsschonfrist rechtfertigen, während man ansonsten nur eine relative (nur wenn man selbst offenbart hat) rechtfertigen kann.
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Das ist eben genau das First-to-invent Prinzip in USA gegenüber dem First-Filing Prinzip im Rest der Welt: Nur der erste Erfinder hat das Recht auf das Patent. Deshalb lässt sich auch die absolute Neuheitsschonfrist rechtfertigen, während man ansonsten nur eine relative (nur wenn man selbst offenbart hat) rechtfertigen kann.
Erst einmal danke für die Erläuterungen, ich hatte mir offensichtlich unter der Neuheitsschonfrist in den USA etwas Falsches vorgestellt. Allerdings würde ich nicht von einer "absoluten" Neuheitsschonfrist reden. Den Amis geht es schon um objektive Neuheit, insofern ist der Begriff "Neuheitsschonfrist" eigentlich vollkommen fehl am Platze. Denn eigentlich ist das eine Jahr nur eine Ausschlussfrist: wenn Du es in der Zeit, seitdem Du die Erfindung gemacht hast (auf welches Datum es eigentlich ankommen soll), nicht wenigstens innerhalb eines Jahres geschafft hast, eine Anmeldung zu machen, dann steht Dir dafür auch SdT entgegen, der eigentlich erst nach Deiner Erfindung entstanden ist. Die Amis stellen ja in einem leicht naturrechtlichen Ansatz auf das Datum ab, an dem die Erfindung tatsächlich gemacht wurde, wollen aber dann quasi verfahrensrechtlich einen Riegel vorschieben, wenn sich jemand für "älter" als jeglicher aufgefundener SdT erklärt. Das ist diese Betonung des Gerechtigkeitsprinzips, das jedoch einer Beweishölle den Weg ebnet...
 

anwärter

SILBER - Mitglied
Rex schrieb:
Horst schrieb:
Bzgl. der USA kann aber uU einen zeitgleiche Anmeldung (idR eine provisional) notwendig sein, wenn man über PCT (Anmeldung nicht in Englisch) in die USA gehen wird und Stand der Technik am Priotag schaffen will. Das schweift aber ab.
Das ist aber wichtig. Normalerweise ist die PCT-Anmeldung ja nicht in Englisch abgefasst und wird erst mit der Veröffentlichung SdT. Darum ist eine zeitgleiche US-Anmeldung schon sinnvoll. Und das war ja die ursprüngliche Frage.
Danke an Horst und Rex für die Aufklärung, das ist genau der Punkt der für mich interessant ist!
Jetzt frage ich mich aber: Was hat der Mandant eigentlich konkret davon, in den USA Stand der Technik am Priotag zu schaffen?

Die Priorität selbst kriegt er ja ohnehin durch die Prio der PCT-Anmeldung, das ist doch das Argument für PCT. Bei späterer Patentverletzung kann der Anmelder sich doch auf diese Prio berufen.
Besteht der Vorteil darin, dass das amerikanische Patentamt bei der Prüfung entsprechend weniger Stand der Technik berücksichtigen kann (also nur SdT bis zur US-Anmeldung und nicht SdT bis zur nationalen Phase der PCT)?
 

Horst

*** KT-HERO ***
Nein, es geht darum, dass die eigene Anmeldung Stand der Technik gegen spätere US-Anmeldungen von Konkurrenten werden soll. Da möchte man ja dann auch den Priotag als Zeitrang haben. Es geht also nicht um das Schicksal der eigenen Anmeldung, sondern um die der Konkurrenten.
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Nein, es geht darum, dass die eigene Anmeldung Stand der Technik gegen spätere US-Anmeldungen von Konkurrenten werden soll.
Zumal die Amis ihre Obviousness-Argumentationen auch auf nachveröffentlichte Patentdokumente stützen, kann das einige Wirkung entfalten.
 

pat_carlsen

Schreiber
Hallo zusammen,

mich würde mal interessieren, was Ihr von folgender Anmeldestrategie haltet.

Zunächst wird ein deutsches Gebrauchsmuster angemeldet. Inhaltlich wird das Gebrauchsmuster ziemlich aufgebläht. Der Schriftsatz ist dann sehr umfangreich und umfasst beispielsweise 70 Ansprüche. Zusätzlich wird ein Antrag auf Aussetzung der Eintragung gestellt.

Ausgehend davon werden dann DE- oder EP-Patente nachangemeldet.

In welchen Fällen ist das sinnvoll und welche Nachteile können dabei entstehen?

Ich kannte bisher nur den Weg, mit einem Patent zu starten und dann ggf. ein Gebrauchsmuster abzuzweigen.

Danke schonmal für die Antworten.
 

Redakteur

Administrator
Teammitglied
Hallo zusammen,

mich würde mal interessieren, was Ihr von folgender Anmeldestrategie haltet.

Zunächst wird ein deutsches Gebrauchsmuster angemeldet. Inhaltlich wird das Gebrauchsmuster ziemlich aufgebläht. Der Schriftsatz ist dann sehr umfangreich und umfasst beispielsweise 70 Ansprüche. Zusätzlich wird ein Antrag auf Aussetzung der Eintragung gestellt.

Ausgehend davon werden dann DE- oder EP-Patente nachangemeldet.

In welchen Fällen ist das sinnvoll und welche Nachteile können dabei entstehen?

Ich kannte bisher nur den Weg, mit einem Patent zu starten und dann ggf. ein Gebrauchsmuster abzuzweigen.

Danke schonmal für die Antworten.


Hierzu bitte einen separaten Thread anlegen, keinen Sammelthread.


Danke


Red.
 
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