Ich finde dieses ganz "ich weiß was, was Du nicht weißt, verrat es aber nicht" in Bezug auf den in der Beschreibungseinleitung genannten Stand der Technik ziemlichen Unsinn. Von einer Merkregel "Nenne nur ein (!) SdT-Dokument" habe ich noch nie gehört und halte derartige selbstauferlegte Dogmen auch für Unsinn. Es gibt auch andere derartiger Dogmen wie "eine gute Anmeldung hat nie mehr als 10 Ansprüche" (weil man sich sonst offenbar nicht hinreichend auf das wesentliche konzentriert hat) oder "zu jedem Vorrichtungsanspruch gehört auch ein Verfahrensanspruch" oder "je abstrakter, desto besser", oder, oder, oder ...
Ich muss regelmäßig Patente, die ich anmelde, gegen Dritte durchsetzen und verteidigen. Dann nützt es mir am Ende des Tages gar nichts, Stand der Technik nicht in der Beschreibungseinleitung genannt zu haben. Der Gegner wird mir diesen Stand der Technik auf's Brot schmieren, ob er nun in der Beschreibungseinleitung steht oder nicht.
Außerdem: Sicher ist es so, dass in Europa Stand der Technik, der im Prüfungsverfahren berücksichtigt wurde, für einen späteren Rechtsbeständigkeitseinwand nicht in dem Maß "verbrannt" ist, wie es vielleicht in den USA oder anderen Ländern der Fall ist. Aber die Gerichte und sogar die Einspruchsabteilungen sind schon in gewissem Umfang empfänglicher für Gründe, die einen Anspruch gegenüber einem bestimmten Stand der Technik als erfinderisch erscheinen lassen, wenn der Erteilungsbeschluss unter Berücksichtigung dieses Standes der Technik ergangen ist.
Vielleicht ist das Ganze auch eine Frage der Anmeldephilosophie oder sogar nur Geschmackssache.
Richtig ist sicher, das man sich auf die wesentlichen Stand der Technik Dokumente konzentrieren und es vermeiden sollte, unnötig in Breite zu gehen. Ich fasse oft Stand der Technik Dokumente zusammen, die ein Problem, dem sich die von mir anzumeldende Erfindung widmet, anders und auf eine Weise lösen, von der ich mich zusammenfassend abgrenzen kann. Nach dem Motto:
"Grundsätzlich bekannt ist eine Ausführung einer Vorrichtung wie im Oberbegriff angegeben aus Dokumenten DE1, US2, EP3, KR4 und FR5. Eine derartige Ausführung hat allerdings die Nachteile, dass ... Einen anderen Ansatz zur Lösung desgleichen Problems, bei dem dies und das anders gemacht wird, verfolgen die Dokumente AT6, DE 7 und US 8. Aber auch diese Ansätze haben die Nachteile, dass ... Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Erfindung, ..."
Dann habe ich in wenigen Zeilen 8 SdT-Dokumente gewürdigt und (hoffentlich) auf den Punkt gebracht.
Wichtig ist meiner Meinung nach, sich die Zeit zu nehmen und zu erarbeiten, worauf es in Abgrenzung auf den Stand der Technik, der einem bekannt ist, letztlich wirklich ankommt (von Stand der Technik, den ich nicht kenne, kann ich mich ja sowieso nicht abgrenzen). Das ermöglicht einem dann, sich in der Beschreibungseinleitung kurz zu fassen und die Sache ohne viele Worte zusammenzufassen.
Am Ende entscheidend ist meiner Ansicht nach, das Beste aus dem Stand der Technik den man kennt, für die Abgrenzung der anzumeldenden Erfindung herauszuholen, und sich in der Beschreibungseinleitung auf den Stand der Technik zu konzentrieren, auf den es auch wirklich ankommt. Wenn es nur ein Dokument ist, dann ist das gut. Wenn es fünf oder sogar zehn sind, dann ist es genauso gut, solange die Erwähnung jedes Dokuments auch inhaltlich wirklich seine Berechtigung hat.