Verbietungsrecht aus einem erteilten Patent

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Liebe Kollegen,
gestern Abend hatten mein Mitbewohner und ich eine lebhafte Diskussion bzgl. folgender Frage/ folgenden Fall?

Anmelder AM hat folgenden erteilten Anspruchssatz:

1) Vorrichtung//Stoff mit A+B
2) Vorrichtung/Stoff nach Anspruch 1, d.g, +C

Ob Vorrichtung oder Stoff sei vorliegend egal! Es geht lediglich um die Kategorie. Ansprüche sind patentfähig.

Anmelder AM verkauft A+B an Käufer K

Käufer K veredelt A+B zu A+B+C und bietet A+B+C gewerblich an.

Mein Kollege löst das wie folgt:
A+B ist der maximale Schutzumfang. Durch den Verkauf ist sein Verbietungsrecht auf A+B und alle abhängigen Ansprüche abgegolten. Anmelder AM kann Käufer K das gewerbliche Anbieten eines Gegenstandes A+B+C NICHT verbieten. ==> Käufer K ist kein Verletzer!

Meine Lösung:
Durch den Verkauf des Schutzgegenstandes A+B ist das Verbietungsrecht in Bezug auf A+B erschöpft. Jedoch kann der Anmelder AM dem Käufer K das Anbieten des Schutzgegenstandes A+B+C verbieten (alleinig auf den erteilten UNTERanspruch). ==> Käufer K ist Verletzer!

Die Diskussion sei eröffnet!

Liebe Grüße
Alex
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Das Problem liegt hier in der unsauberen Handhabung von Begriffen.

A+B sind Anspruchsmerkmale, die in einer Ausführungsform verkörpert sein können. Ich schließe hier aus dem Zusammenhang, dass nur gemeint sein kann, dass AM eine Ausführungsform von A+B an K verkauft hat. Die Erschöpfung tritt nur in Bezug auf die konkret verkaufte Ausführungsform ein. Da diese nicht auch Ausführungsform für A+B+C ist, kann keine Erschöpfung für die von K zu einer Ausführungsform von A+B+C veredelte Ausführungsform von A+B eingetreten sein.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hi,

also wenn ich mir manchmal die Qualität der Unteransprüche anschaue und diesen demzufolge keine eigene erfinderische Tätigkeit sprich Schutzfähigkeit zugestehe, dann sagt mir mein gesunder Menschenverstand, dass die Erschöpfung wohl umfassend sein sollte. Ich lasse mich aber gerne eines anderen belehren...

Auch wird die eigenständige Schutzfähigkeit von Unteransprüchen ja nicht geprüft.

Hat der Verkäufer auf A+B+C ein eigenes Patent oder einen nebengeordneten Anspruch, dann schaut die Sache natürlich anders aus!

Grüße

Ah-No Nym

PS: Probleme der Erschöpfung bei Neuherstellung etc. lassen wir jetzt außen vor !!!
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Ah-No Nym schrieb:
Hi,

also wenn ich mir manchmal die Qualität der Unteransprüche anschaue und diesen demzufolge keine eigene erfinderische Tätigkeit sprich Schutzfähigkeit zugestehe, dann sagt mir mein gesunder Menschenverstand, dass die Erschöpfung wohl umfassend sein sollte.
Das ist genau die begriffliche Unsauberkeit, die ich meinte. Erschöpft ist nicht der Anspruch oder dessen Merkmale. Erschöpfung tritt nur für ein konkretes Produkt ein, das mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebracht wurde.
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Erschöpfung tritt nur für ein konkretes Produkt ein, das mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebracht wurde.
Aber das Produkt darf weiterverarbeitet oder in ein anderes Produkt integriert werden. Sonst könnte ja beispielsweise ein beim Patentinhaber gekauftes, patentgeschütztes UMTS-Modul nicht in einem Netbook verbaut und verkauft werden, was der Käufer natürlich darf. Und der Käufer muss es ja wohl auch dürfen, wenn das Patent zusätzlich noch einen Anspruch auf einen tragbaren Universalcomputer mit UMTS-Modul aufweist, oder?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
[Und der Käufer muss es ja wohl auch dürfen, wenn das Patent zusätzlich noch einen Anspruch auf einen tragbaren Universalcomputer mit UMTS-Modul aufweist, oder?
Das hast Du absolut recht.

Die Grenze für das Verbietungsrecht liegt natürlich beim bestimmungsgemäßen Gebrauch des in Verkehr gebrachten Produktes. Das folgt ja schon aus den gesetzlichen Regelungen zum Kaufvertrag.

Das UMTS-Modul ist ja gerade für diese Verwendung vorgesehen. Würde der Patentinhaber das Verbietungsrecht geltend machen, wäre das sogar ein Rechtsmangel für den Kaufvertrag. Selbst wenn er die Haftung dafür ausgeschlossen hätte, dürfte dann auch § 242 BGB greifen.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Mal zur Anregung eine Analogie:

AM1 hat ein Patent für A+B.
AM2 hat ein abhängiges Patent für A+B+C.

AM1 verkauft Produkt A+B an K, K veredelt zu A+B+C und verkauft weiter.

Verletzt K das Patent des AM2?
 

Rex

*** KT-HERO ***
Nochwas: AM könnte ja aus dem Patent ein Gebrauchsmuster abzweigen und auf den Hauptanspruch A+B verzichten, so dass A+B+C übrigbleibt.
 

Patentonkel

GOLD - Mitglied
Rex schrieb:
War auch eine rhetorische Frage.
ok, aber ich sehe die analogie zum ausgangsfall nicht, der ist schon etwas komplexer. immerhin sind beide ausführungsformen von einem patent geschützt, und man könnte auch gut vertreten, dass das recht mit dem inverkehrbringen von A+B insgesamt erschöpft ist.

allerdings wäre nach benkard, 10. aufl., Rn. 37 zu § 9 eine verletzung im ausgangsfall wohl zu bejahen.
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Patent ist erteilt GBM kann nicht mehr abgezweigt werden.

Um das Ausgangsbeispiel konkreter zu formulieren:

Anspruch 1 ASS (Wirkstoff von Aspirin)
Anspruch 2 rückbezogen auf Anspruch 1 ASS + Vitamin C

Anspr. 1 neu und erfinderisch!
Anspruch 2 wäre, falls Anspr 1 nicht neu wäre, neu und erfinderisch.

ASS wird verkauft! Der Käufer mischt Vitamin C hinzu und verkauft ASS+Vitamin C.

Das soll keine Verletzung sein? Warum mache ich Unteransprüche? Ich müsste für jedes Merkmal ein eigenes Patent formulieren, oder?

Bin verwirrt!

Gruß
Alex
 

Monk

Vielschreiber
So wie ich dass verstehe stellt die Veränderung des Erzeugnisses und der Weiterkauf grundsätzlich eine Neuherstellung und damit eine Verletzung dar, auch wenn bei der Neuherstellung statt dem im UA geschützten Merkmal C irgend ein anderes, nicht Anspruchsgegenständliches Merkmal D hinzufügt.

aber[/]

dem könnten Grenzen gesetzt sein durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch, nehmen wir einmal an, dass es sich bei dem Erzeugnis um ein typisches Zwischenprodukt handelt, für das es eigentlich keinen Endverbraucher gibt, und das normalerweise nur zu weiterverarbeitungszwecken gehandelt wird......

Vlt. wäre die Antwort denn auch eher im BGB zu suchen.

Nur son Gedanke.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Also erstmal ist ASS ja schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt und kann nicht neu und erfinderisch sein, allenfalls für eine neue medizinische Indikation oder innovative Galenik wäre das möglich.

Aber gesetzt den Fall, dem ist so, dann ist die Zugabe von Vitamin C doch niemals ein "bestimmungsgemäßer Gebrauch". Der "bestimmungsgemäße Gebrauch" ist natürlich die Einnahme des Wirkstoffs durch den Patienten, aber nicht die Zugabe von anderen Substanzen.

Nach meiner Meinung ein klarer Fall von Patentverletzung.
 

grond

*** KT-HERO ***
Monk schrieb:
So wie ich dass verstehe stellt die Veränderung des Erzeugnisses und der Weiterkauf grundsätzlich eine Neuherstellung und damit eine Verletzung dar
Und ein Chemikonzern, der sich eine patentgeschützte Chemikalie als Ausgangsstoff für irgendwelche Synthesen beim Patentinhaber kauft, darf den Stoff nur verwenden, wenn das Reaktionsergebnis nicht unter einen Unteranspruch des Patentes fällt? Das ist doch, nun ja, lebensfremd...

Das Patent hat die Wirkung, dass es Dritten nur mit Zustimmung des Inhabers erlaubt ist...

Wenn ich als Gewerbetreibender dem Inhaber etwas abkaufe, darf ich wohl mangels weiterer Bestimmungen davon ausgehen, dass ich das Produkt auch gewerblich weiterverwenden darf. Wenn mir der Verkäufer die Zustimmung für bestimmte Arten der Verwendung vorenthalten will, sollte das wohl mindestens explizit vertraglich geregelt sein.

Außerdem wird ein Patent für eine Erfindung erteilt, nicht für mehrere. Von daher sehe ich nicht, wie ein Patent nur teilweise erschöpft sein könnte. Interessanter wird es, wenn ich das Produkt tatsächlich so verändere, dass es in den nichtüberlappenden Schutzbereich eines anderen Patentes des Patentinhabers gerät.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
[Außerdem wird ein Patent für eine Erfindung erteilt, nicht für mehrere. Von daher sehe ich nicht, wie ein Patent nur teilweise erschöpft sein könnte.
Im Gegensatz zum Marken- und Urheberrecht ist die Erschöpfung im Patentrecht gesetzlich nicht geregelt. Erschöpfung findet sich daher nur in der Rechtsprechung als Ausnahmeregelung für Produkte, die mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebracht wurden. Die Zustimmung bezieht sich aber i.d.R. nur auf das jeweils in Verkehr gebrachte einzelene Produkt und nicht auf das Patent. Hier muss man begrifflich klar trennen und sich die Unterschiede zum Markenrecht und der Erschöpfung des Verbeitungsrechts im Urheberrecht klarmachen. Deshalb gibt es keine Erschöpfung des Patents. Die Zustimmung betrifft i.d.R. nur das Produkt als solches. Eine Zustimmung für ein geändertes Produkt lässt sich daher nur ableiten, wenn die Änderung sich aus dem bestimmungsgemäßen Gebrauch ergibt.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Hier noch zur Ergänzung die Erschöpfungsnormen:

  • Art. 13 GMV, § 24 MarkenG
  • §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG

 

Lysios

*** KT-HERO ***
Eine echte Erschöpfung hätte es nach Art. 28 GPÜ für das Gemeinschaftspatent gegeben, obwohl es auch dort eine Möglichkeit zur Einschränkung gegeben hätte.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Diskussion zur Einführung von Erschöpfungsregelungen in Art. 9a des PatG der Schweiz im letzten Jahr.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Jetzt habe ich auch noch einen schönen Artikel mit Verweisen auf Rechtsprechung gefunden: "Der Erschöpfungsgrundsatz im deutschen Immaterialgüterrecht" von Rolf Sack in GRUR Int 7/2000, 610.

Dort heißt es, dass auf dem Gebiet der Leistungsschutzrechte wie dem Patentrecht und dem Urheberrecht der Erschöpfungsgrundsatz nur das Verbreitungsrecht und das Werbehinweisrecht erfasst. Grundsätzlich nicht erschöpft sind hingegen das Herstellungs- und Vervielfältigungsrecht. Eine Ausnahme gibt nach dem BGH nur für Verfahrenspatente bei Veräußerung einer patentgeschützten Vorrichtung mit deren Hilfe das Verfahren ausgeübt werden kann.
 
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