EPÜ Unitary Patent Court später kompetent für ALLE europäischen Patente

Smith-O

SILBER - Mitglied
Hallo,

Ich versuche gerade, das Europäische Einheitspatent und das Unified Patent Court Agreement besser zu verstehen. Ich werde aber nicht ganz sicher, was die "Gefahr" der einheitlichen Nichtigsprechung eines europäischen Patents durch das UPC betrifft:

Gemäß der Verordnung 1257/2012 zur verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (siehe z.B. Erwägungspunkt 5) scheint es möglich einheitlichen Patentschutz zu beantragen, oder eben nicht. Wenn man einheitlichen Schutz nicht beantragt, erhält man ein normales europäisches (Bündel-)Patent, wie bisher.

Wählt man das normale (Bündel-)Patent aus, so kann man zwar ein "opt-out" vollziehen (art. 83(3) UPC Agreement); das aber nur während der Übergangsperiode von 7 (ggf. 14) Jahren. Nach der Übergangsphase fällt dann jedes europäische Patent (d.h. auch die eur. Patente, für die kein einheitlicher Schutz beantragt wurde) unter die Jurisdiktion des UPC.

Heißt das, dass spätestens 14 Jahre nach Inkrafttreten des UPC Agreements auch die Patente, für die kein einheitlicher Schutz beantragt wurde, "mit einem Schlag" in ganz Europa vernichtet werden können?

Oder fallen ggf. die nationalen Teile (das Bündel nationaler Patente) nicht mehr unter die Jurisdiktion des UPC, weil sie dann als "nationale Patente" gelten?


(Im ersteren Falle könnte m.E. das europäische Patent stark an Attraktivität verlieren, und das EPA vorsorglich schon mal über Personalabbau nachdenken ...)

Wer hat hierzu eine Meinung? ...

Danke!
 

Lysios

*** KT-HERO ***
(Im ersteren Falle könnte m.E. das europäische Patent stark an Attraktivität verlieren, und das EPA vorsorglich schon mal über Personalabbau nachdenken ...)

Genauso wird es kommen. Das ist auch teilweise politisch so beabsichtigt: Es soll nur noch das EU-Patent verwendet werden und nicht mehr das Bündelpatent.

Im Gegensatz zu den meisten Politikern glauben aber viele Patentexperten, dass dies sehr wahrscheinlich dazu führen wird, dass bestimmte nationale Patente (z.B. das deutsche Patent) auf Kosten des EPA gestärkt werden. Entscheidend wird dafür jedenfalls sein, wie die Kostenrechnung für das EU-Patent im Vergleich zu einzelnen nationalen Patenten ausfallen wird.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Heißt das, dass spätestens 14 Jahre nach Inkrafttreten des UPC Agreements auch die Patente, für die kein einheitlicher Schutz beantragt wurde, "mit einem Schlag" in ganz Europa vernichtet werden können?

Oder fallen ggf. die nationalen Teile (das Bündel nationaler Patente) nicht mehr unter die Jurisdiktion des UPC, weil sie dann als "nationale Patente" gelten?

Danke!


Meinem Verständnis des Abkommens nach verschiebt sich zunächst "nur" die gerichtliche Zuständigkeit für das Bündel-Patent. Aber auch das UPC kann ein Bündel-Patent anders als beim Einheits-Patent nicht für alle Länder auf einmal nichtig erklären, weil das Bündel-Patent eben keine einheitliche Wirkung für alle Staaten hat. Gleichwohl ist natürlich davon auszugehen, dass ein Patentinhaber, dessen z.B. französischer Teil eines Bündel-Patents nichtig erklärt wurde, kaum damit rechnen kann, dass der UPC hinsichtlich des deutschen Teils, für den der UPC ja auch zuständig wäre, eine andere Meinung vertreten wird.


Hinsichtlich Deiner zweiten Frage: Meines Erachtens ist klar, dass die nationale Teile des UPC ohne opt-out bzw. sobald opt-out nicht mehr möglich ist, unter die Zuständigkeit des UPC fallen werden. Sie gelten hinsichtlich der Zuständigkeit nicht als nationale Patente, für die nach wie vor die Zuständigkeit der nationalen Gerichte gegeben wäre.
 

HSP

SILBER - Mitglied
Doch der UPC kann - soweit kein wirksamer Opt-Out vorliegt - das Bündelpatent auch für alle Contracting Member States auf einmal für nichtig erklären, wenn dies beantragt ist. Man kann als Kläger aber auch nur die Nichtigerklärung in einem Teil der Contracting Member States beantragen. Man kann auch - etwa in Deutschland gegen das Europäische Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland vor dem Bundespatentgericht - und in anderen Ländern vor dem UPC vorgehen, dies in beliebigem Mix. Dabei wird die Frage einer etwaigen lis pendens nach Art. 24 Nr. 1 lit. a, 31 UPC-A, 29 (1) VO (EU) 1215/2012 i.V.m VO (EU) 547/2014 beantwortet. Ein Widerruf des Patents in Non-Contracting Member States - etwa in Spanien - durch den UPC ist hingegen aufgrund Art. 24 Nr. 1 lit. a, 31 UPC-A, 24 Nr. 4 VO (EU) 1215/2012 i.V.m VO (EU) 547/2014 nicht möglich, wohl aber natürlich eine Verletzungsklage oder neg. Feststellungsklage eine Patentverletzung betreffend, wenn die Zuständigkeit nach VO (EU) 1215/2012 i.V.m VO (EU) 547/2014 zu bejahen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage was zu tun ist, wenn der Beklagte die Rechtsbeständigkeit des Patents mit Wirkung etwa für Spanien angreifen will, z.B. weil ihm nur diese Verteidigung bleibt? Vor dem UPC kann er keinen nur inter-partes wirkenden Nichtigkeitseinwand erheben, Art. 47 (5) S. 2 UPC-A, und die sonst mögliche Nichtigkeitswiderklage oder isolierte Nichigkeitsklage scheidet ja wegen Art. 24 Nr. 1 lit. a, 31 UPC-A, 24 Nr. 4 VO (EU) 1215/2012 i.V.m VO (EU) 547/2014 aus. Es bleibt dann also nur die Nichtigkeitsklage in Spanien, womit sich die weitere Frage stellt, ob der UPC dann den dortigen Ausgang abwarten kann und/oder will oder nicht, bevor er über die Verletzung entscheidet. Das UPC-A sagt hierzu nichts. Evtl. kommt hier eine analoge Anwendung von Art. 33 (10) UPC-A in Anwendung des Rechtsgedankens von Art. 56 (2) UPC-A infrage. GAT/LuK in neuem Gewand läßt grüßen...
 
Zuletzt bearbeitet:

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
"Man kann auch - etwa in Deutschland gegen das Europäische Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland vor dem Bundespatentgericht - und in anderen Ländern vor dem UPC vorgehen, dies in beliebigem Mix."

Woraus leitest du das denn ab ? Ich dachte, dass der UPC bei einem nicht wirksamen Opt-Out die ausschließliche Zuständigkeit hat ?

Ah-No Nym
 

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
Ich dachte, dass der UPC bei einem nicht wirksamen Opt-Out die ausschließliche Zuständigkeit hat ?


Die Aussage von HSP hat sich auf herkömmliche Bündelpatente bezogen, für die nach Art. 83 Abs. 1 EPGÜ in der Übergangszeit die konkurrierende Zuständigkeit nationaler Gerichte und des EPG besteht. Also: Bei einem Bündelpatent ohne Opt-Out (oder nach Zurücknahme des Opt-Out) kann in der Übergangszeit sowohl national als auch vor dem UPC geklagt werden (Art. 83 Abs. 1 EPGÜ), bei einem Bündelpatent mit Opt-Out nur national. Es gibt für Bündelpatente aber kein Opt-In in dem Sinne, dass die Zuständigkeit der nationalen Gerichte derogiert wird.


Für EPs mit einheitlicher Wirkung gibt es kein Opt-Out und der UPC ist immer ausschließlich zuständig.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Danke…

das hatte ich anscheinend verdrängt :eek:

Für mich zeigt dies nur wieder, was für ein heilloses Durcheinander das ganze werden wird. Kein Wunder, das sich viele unserer Mandanten überlegen, wieder national zu gehen. Nur Frankreich mit seinem fehlenden PCT-Zugang könnte ein Problem werden.

Grüße

An-No Nym
 
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