Uneinheitliche PCT-Anmeldung, nachträgliche Recherche in der europäischen Phase

Kurt

*** KT-HERO ***
Hi Forum,

folgender Fall:

Eine PCT-Anmeldung wurde vom EPA als ISA bemängelt, da sie zwei Erfindungen X und Y enthalte. Recherchiert wurde von der ISA dann nur Erfindung X, da keine zusätzlichen Recherchegebühren gezahlt wurden.

Nun in der europäischen Phase hat sich Erfindung X als durch den Stand der Technik nahegelegt herausgestellt.

Was ist nun zu tun, um entweder:

a) Merkmale aus Beschreibung/Figuren der (nicht recherchierten) Erfindung Y in den Patentanspruch der recherchierten Erfindung X aufnehmen zu können, oder
b) das Patentbegehren stattdessen komplett auf die (nicht recherchierte) zweite Erfindung Y zu richten?

Der Wortlaut von Regel 164 (2) scheint darauf hinzudeuten, dass man zunächst entsprechend geänderte Ansprüche einreicht (die also Merkmale aus der nicht recherchierten Erfindung Y enthalten), woraufhin gemäß Regel 164 (2) a) ein Hinweis der Prüfungsabteilung mit Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren ergeht.

Anschließend sollte die Weiterverfolgung der Anmeldung mit den aus der ursprünglich nicht recherchierten zweiten Erfindung Y stammenden Patentansprüchen bzw. Merkmalen möglich sein.

Korrekt?
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Wenn das EPA ISA war, ist gar kein ergänzender europäischer Recherchenbericht (EER) notwendig. In diesem Fall gelten kann man entweder Ansprüche anpassen (solange man im Bereich der ursprünglich eingereichten Erfindung X bleibt) oder einfach für die Erfindung Y eine Teilanmeldung einreichen.

Ein EER ist nur notwendig, wenn als ISA eine andere Behörde zuständig ist:

http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/b_ii_4_3_2.htm
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Es geht ja nicht um den EER, sondern um die neuerdings mögliche nachträgliche Recherche nach Eintreten in die europäische Phase, und somit auch nachträgliche Beanspruchung in der Internationalen Phase nicht recherchierter und damit eigentlich ausgeschiedener Gegenstände -- ohne eine Teilanmeldung einreichen zu müssen.

Darauf bezieht sich die Ursprungsfrage, insbesondere auf das tatsächliche Vorgehen, damit die Mitteilung nach R.164(2)b dann auch ergeht, die ja Voraussetzung für die Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühren ist.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Danke Dir für den Link mit dem dort praktischerweise stehenden Beispiel (nachstehend nochmals exzerpiert)

Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 10. Juni 2014 über die geänderten Regeln 164 und 135 EPÜ


Ungeachtet der Regel 137 (5) EPÜ [Geänderte Patentansprüche dürfen sich nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen], dürfen sich somit geänderte Ansprüche, die innerhalb der in der Mitteilung nach Regel 161/162 EPÜ genannten Frist [zur Änderung der Anmeldung] eingereicht werden, auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen [...]; diese Gegenstände werden recherchiert, wenn für sie eine Recherchengebühr nach Regel 164 (2) a) EPÜ entrichtet wird.

Beispiel

Internationale Phase:
  • Das EPA als ISA stellt mangelnde Einheitlichkeit fest (Erfindungen A, B und C).
  • Der Anmelder entrichtet eine zusätzliche Recherchengebühr für die Erfindung B.
  • Der ISR wird für die Erfindungen A und B erstellt.
Europäische Phase:
  • Die Prüfungsabteilung ist der Auffassung, dass die Erfindungen A, B, C und D beansprucht werden (die Erfindung D wurde der Beschreibung entnommen), und fordert den Anmelder auf, je eine Recherchengebühr für die Erfindungen C und D zu entrichten (Regel 164 (2) a) EPÜ).
  • Der Anmelder entrichtet eine Recherchengebühr für die Erfindung D.
  • Der Anmelder kann im weiteren Verfahren eine der Erfindungen A, B oder D weiterverfolgen (Regel 164 (2) c) EPÜ).

Die Einreichung von Teilanmeldungen in der europäischen Phase auf ursprünglich nicht recherchierte Gegenstände ist also nicht mehr notwendig, von daher:

Allgemeines Frohlocken
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ja, die Regel ist echt eine Erleichterung. Du solltest aber beachten, dass sie nur für Änderungen im während der First der Mitteilung nach Regel 161 gilt. Dein Satz oben:

Nun in der europäischen Phase hat sich Erfindung X als durch den Stand der Technik nahegelegt herausgestellt

klingt irgendwie so, als sei man mit der Erfindung X in die Prüfung gestartet und habe nun auf Granit gebissen. Wenn bereits ein Prüfbescheid nach Art. 94(3) ergangen ist, gilt Regel 137(5) EPÜ und du kannst nicht mehr auf Y wechseln.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Danke :(

In welchem Fall findet dann aber tatsächlich (gemäß dem oben genannten Beispiel aus der EPA-Mitteilung) dies hier statt:

Internationale Phase:
  • Das EPA als ISA stellt mangelnde Einheitlichkeit fest (eine in den Ansprüchen zuerst erwähnte Erfindung A und zwei weitere Erfindungen B und C).
  • Der Anmelder entrichtet eine zusätzliche Recherchengebühr für die Erfindung B.
  • Der ISR wird dann für die Erfindungen A und B erstellt.
Europäische Phase:
  • Die Prüfungsabteilung ist der Auffassung, dass die Erfindungen A, B, C und D beansprucht werden (die Erfindung D wurde der Beschreibung entnommen), und fordert den Anmelder auf, je eine Recherchengebühr für die Erfindungen C und D zu entrichten (Regel 164 (2) a) EPÜ).
  • Der Anmelder entrichtet eine Recherchengebühr für die Erfindung D.
  • Das Ergebnis der Recherche für die Erfindung D wird dem Anmelder mitgeteilt (Regel 164 (2) b) EPÜ).
Optionen für den Anmelder:
  • Der Anmelder kann im weiteren Verfahren eine der Erfindungen A, B oder D weiterverfolgen (Regel 164 (2) c) EPÜ).
  • [...]

Wo kommt in dem Beispiel (in der europäischen Phase) plötzlich die Beanspruchung der Erfindung D her, die in der internationalen Phase offenbar noch nicht Anspruchsgegenstand war -- das kann ja eigentlich nur aufgrund einer weiteren zwischenzeitlichen Änderung der Anmeldung von sich aus vor Einleitung der europäischen Phase geschehen sein?
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Das habe ich doch geschrieben: Als Antwort auf die Mitteilung nach Regel 161.

Wenn man in die EP-Phase eintritt, kriegt man immer eine Mitteilung nach Regel 161 mit einer 6-Monats-Frist. 161(1) wenn EPA ISA war, 161(2) wenn EPA nicht ISA war. Da kann man neue Ansprüche einreichen.

Im Fall von 161(2) wird ohnehin recherchiert, und man kann jetzt weitere Gebühren zahlen wenn dabei Uneinheitlichkeit festgestellt wird (konnte man früher nicht).

Im Fall von 161(1) wird gleich von der Prüfungsabteilung geprüft. Wenn aber Uneinheitlichkeit festgestellt wird, kann man nochmal recherchieren lassen (ging früher auch nicht).

Man kann also, bevor sich die Prüfungsabteilung mit der Sache beschäftigt, bei entsprechend geänderten Ansprüchen nachrecherchieren lassen. Was nicht geht, ist, den Prüfer drei Bescheide schreiben zu lassen, merken dass die Sache nicht läuft, und ihm dann eine neue Erfindung vorsetzen mit Bitte um Recherche.
 

Aktenwaelzer

SILBER - Mitglied
Diese Regelung gab es auch bis 2007 unter dem EPÜ 1973, damals als R. 112. Die Älteren unter uns können sich vielleicht noch daran erinnern ;-)

https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/epc/1973/e/r112.html

Diese Regel galt unabhängig davon, welches Amt als ISA tätig war. Die Regelung wurde mit dem EPÜ 2000 im Falle ISA=EPO abgeschafft, mit der Begründung, dass in diesem Falle der Anmelder ja schon in der Internationalen Phase die Möglichkeit gehabt hätte, die zusätzlichen Recherchen zu bezahlen.

Jetzt hat man die Regelung mit der neuen R. 164 wieder eingeführt. Zwar komplizierter formuliert, aber im wesentlichen identisch. Mit der Begründung, europäische PCT-Anmelder nicht gegenüber nicht-europäischen PCT-Anmeldern zu benachteiligen.

Merke: Man kann durchaus gegensätzliche Standpunkte vertreten, man muss sie nur richtig begründen können :)
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Danke Aktenwälzer. Obwohl ich wohl zu den "Älteren" zähle, erinnerte ich mich nicht. Das liegt wohl auch daran, dass wir diese Möglichkeit nie in Erwägung gezogen haben, sondern immer Teilanmeldungen eingereicht haben. Das konnte man ja immer machen, sobald eine Erfindung durch diskutiert war. Erst mit der damals neuen Regel für Teilanmeldungen änderte sich diese Praxis, dann musste man die neue Frist ab ersten Prüfbescheid notieren.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Wo kommt in dem Beispiel (in der europäischen Phase) plötzlich die Beanspruchung der Erfindung D her, die in der internationalen Phase offenbar noch nicht Anspruchsgegenstand war

Das habe ich doch geschrieben: Als Antwort auf die Mitteilung nach Regel 161.

OK also dann so:

Internationale Phase:
  • Das EPA als ISA stellt [im ISR+WO] mangelnde Einheitlichkeit fest (eine in den Ansprüchen zuerst erwähnte Erfindung A und zwei weitere Erfindungen B und C).
  • Der Anmelder entrichtet eine zusätzliche Recherchengebühr für die Erfindung B.
  • Der ISR [ISR? Gemeint wohl IPRP!] wird dann für die Erfindungen A und B erstellt.

Wenn man in die EP-Phase eintritt, kriegt man immer eine Mitteilung nach Regel 161 mit einer 6-Monats-Frist. 161(1) wenn EPA ISA war, 161(2) wenn EPA nicht ISA war. Da kann man neue Ansprüche einreichen.

Im Fall von 161(1) wird gleich von der Prüfungsabteilung geprüft. Wenn aber Uneinheitlichkeit festgestellt wird, kann man nochmal recherchieren lassen (ging früher auch nicht).

Also Eintritt in die Europäische Phase: Mitteilung nach R.161/162 ergeht. 6-Monats-Frist von R.161 beginnt. Anmelder ändert die Ansprüche und nimmt dabei Erfindung D aus der Beschreibung in die Ansprüche auf.

Europäische Phase:
  • Die Prüfungsabteilung ist der Auffassung, dass die Erfindungen A, B, C und D beansprucht werden (die Erfindung D wurde der Beschreibung entnommen), und fordert den Anmelder auf, je eine Recherchengebühr für die Erfindungen C und D zu entrichten (Regel 164 (2) a) EPÜ).
  • Der Anmelder entrichtet eine Recherchengebühr für die Erfindung D.
  • Das Ergebnis der Recherche für die Erfindung D wird dem Anmelder mitgeteilt (Regel 164 (2) b) EPÜ).
Optionen für den Anmelder:
  • Der Anmelder kann im weiteren Verfahren eine der Erfindungen A, B oder D weiterverfolgen (Regel 164 (2) c) EPÜ).

Man kann also, bevor sich die Prüfungsabteilung mit der Sache beschäftigt, bei entsprechend geänderten Ansprüchen nachrecherchieren lassen.

Du meinst: bevor eine Mitteilung nach Art. 94(3) ergeht? Denn die Prüfungsabteilung hat ja bereits die Mitteilung gemäß Regel 164 (2) a) erlassen, also "sich bereits mit der Sache beschäftigt".

Was nicht geht, ist, den Prüfer drei Bescheide schreiben zu lassen, merken dass die Sache nicht läuft, und ihm dann eine neue Erfindung vorsetzen mit Bitte um Recherche.

Wohl nicht mal einen Bescheid [nach Art. 94(3)], da letzterer normalerweise kaum innerhalb von 6 Monaten nach der Mitteilung gemäß R.161/162 ergehen wird?
 
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