Spätberufen - aber zu erfahren?

D

Dirk36

Guest
Hallo,

nach einem Studium der Physik, das ich vor mehreren Jahren mit Auszeichnung abgeschlossen habe, bin ich seitdem in einem großen Konzern tätig. Begonnen mit einem internationalen Trainee-Programm habe ich mich inzwischen ins obere Management "hochgearbeitet", wo ich allerdings nach wie vor sehr enge Berührung zu hochaktuellen fachlichen Themenstellungen habe. Ich bin Mitte dreißig.

Aus meinen beruflichen Kontakten kenne ich die Tätigkeiten eines Patentanwaltes gut und mein Wunsch, diesen Beruf selbst auszuüben ist immer mehr gewachsen: Letztlich habe ich mich - nach reiflicher (!!) Überlegung - entschlossen, diesen Beruf zu ergreifen. Der finanzielle Aspekt ist für mich persönlich dabei übrigens wenig relevant.

Das Ergebnis meiner Anfragen und Bewerbungen um eine Kandidatenstelle - u.a. bei namhaften Kanzleien - ist jedoch sehr ernüchternd: Mehr oder weniger offen teilt man mir mit, dass ich von der Altersstruktur nicht in die Kanzlei passe oder auch einfach zu alt sei oder auch bereits zu viel Berufserfahrung habe. Andere teilen mir mit, dass jemand, der eine derart "hochkarätige" Position inne hat, sich schwer als "Auszubildender" integrieren und die notwendigen Aufgaben erledigen könne.

Gibt es andere "Spätberufene", die ähnliche oder - besser noch - vielleicht auch positivere Erfahrungen gemacht haben? Oder als Vergleich: Wie schwierig war es für euch, eine Kandidatenstelle zu finden (z.B. auch Anzahl eurer Bewerbungen bzw. Bewerbungszeitraum)? Würde mich sehr über entsprechende Beiträge freuen.
 
U

u. n. own

Guest
Der einzige mir bekannte Fall, in dem ein Kandidat eingestellt wurde, der über 35 Jahre alt war, lässt sich nicht direkt vegleichen: Dieser Kandidat war nämlich ziemlich lange als Postdoc beschäftigt, hatte also keine Management-Position. Immerhin fand er ziemlich rasch eine Kanzlei! Das wäre ja insofern eher ermutigend...
 
G

grond

Guest
Dirk36 schrieb:
Das Ergebnis meiner Anfragen und Bewerbungen um eine Kandidatenstelle - u.a. bei namhaften Kanzleien - ist jedoch sehr ernüchternd: Mehr oder weniger offen teilt man mir mit, dass ich von der Altersstruktur nicht in die Kanzlei passe oder auch einfach zu alt sei oder auch bereits zu viel Berufserfahrung habe.
Ist halt immer die Frage, was die Kanzlei sich für sich vom Auszubildenden erhofft. Wenn die Kanzlei ein ernsthaftes Interesse an personellem Anwaltszuwachs hat, sollte Dein Alter kein Problem darstellen. Ich habe so alte oder ältere Kandidaten kennengelernt.

"Zuviel Berufserfahrung" lässt nun wirklich fragen, in welcher Weise das negativ sein soll. Offenbar hat man Angst, dass man Dir nicht soviel zumuten kann, wie einem jüngeren Kandidaten. Diese Angst scheint immer dann vorhandenzusein, wenn der Kandidat altersmäßig zu nahe an seine Ausbilder heranrückt. Vielleicht wäre eine Kanzlei die richtige für Dich, in der die Seniorpartner ausbilden.


Andere teilen mir mit, dass jemand, der eine derart "hochkarätige" Position inne hat, sich schwer als "Auszubildender" integrieren und die notwendigen Aufgaben erledigen könne.
Jeder Patentanwaltskandidat hat als Akademiker eine vergleichsweise hochkarätige Ausbildung samt selbständigem Denken hinter sich gebracht. Jedem Patentanwaltskandidaten fällt es schwer, sich damit abzufinden, dass er erst einmal gar nichts weiß. Und sich im Stile von Aufsätzen in der Schule korrigieren lassen muss. Warum das also ein Gegenargument sein soll, kann ich auch nur bedingt nachvollziehen.

Nicht aufgeben, wenn Du es wirklich willst. Allerdings musst Du Dir auch im Klaren darüber sein, dass die meisten Kandidaten ein sehr hohes Ausbildungsniveau besitzen, ein Auszeichnungsdiplom also kein Alleinstellungsmerkmal ist. Schätzungsweise zwei Drittel aller Kandidaten sind promoviert. Vielleicht solltest Du also ein bisschen mehr das in den Vordergrund stellen, was andere nicht so leicht bieten können: Kontakte zu Unternehmen, die Mandate einbringen können. Das zieht sicher mehr...
 
S

schorschi

Guest
Versuch es doch mal bei der Patentabteilung (D)einer Firma. Hier wird Berufserfahrung sicherlich wesentlich meht gewürdigt, als bei einer Kanzlei, die mehr oder weniger Berufsanfänger oder Studienabgänger als Kandidaten nimmt.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Eventuell ist für Dich eine kleinere Kanzlei mit weniger ausgeprägten Hierarchien günstiger als eine der großen, namhaften.

Ich war zu Beginn meiner Ausbildung ebenfalls Mitte 30 (wenn ich Dein Pseudonym richtig deute, ein Jahr jünger als Du), hatte allerdings nicht so eine exponierte Stellung in der Industrie, sondern kam aus der Hochschule (wo ich, wie mancher sagen würde, viel zu lange geblieben war).

Ich hatte keine Probleme, eine Kandidatenstelle zu finden, mit einem Minimum an Bewerbungen - aber wie gesagt, in einer kleineren Kanzlei, wobei vielleicht auch eine gute Portion Glück im Spiel war.

Nichtsdestotrotz musste ich mich auch dran gewöhnen, nun nicht mehr selbst Diplom- und Seminararbeiten mit spitzem Rotstift durchzusehen, sondern selbst "Blutbäder" (so eine Kandidatenkollegin) an Schriftsätzen zurück zu erhalten.

Es ist klar, dass der Schritt in ein Ausbildungsverhältnis, wo man zunächst in Kompetenz und Hierarchie ziemlich weit unten steht, um so schwieriger ist, je mehr Macht und Verantwortung man vorher hatte. Dieser Schritt ist sicher aus einer Managementposition in der Industrie noch weit größer als aus einer Mitarbeiterposition an der Hochschule, selbst wenn man hier schon gewisse Budget- und Personalkompetenzen und großen Entscheidungsfreiraum hatte. Das ist Dir wahrscheinlich auch bewusst.

Du wirst sicherlich den Ausbildern klar machen müssen, dass Du in der Lage bist, Dich ein- und unterzuordnen und auch mal Aufgaben unter Deiner Qualifikation zu erledigen - wobei Du natürlich dennoch angemessenes Selbstbewusstsein an den Tag legen darfst. Ich gehe davon aus, dass Du gut begründen kannst, warum Du Deine aktuelle, offensichtlich recht steile Karriere an den Nagel hängst und etwas Neues anfängst. Besonders die von mir angeführten kleineren Kanzleien bilden eher für den Eigenbedarf aus und wollen daher eine gewisse Sicherheit haben, dass ihnen der jeweilige Kandidat nach der Ausbildung erhalten bleibt. Letztlich entscheiden hier der Nasenfaktor und die aktuelle Bewerbersituation ...

Also nicht aufgeben, ich wünsche Dir viel Erfolg! Sag' Bescheid, wenn's geklappt hat ...
 
P

Plempi

Guest
@ Dirk36

"Der finanzielle Aspekt ist für mich persönlich dabei übrigens wenig relevant."

Wenn dieser Punkt für Sie in der Tat irrelevant ist, dann verstehe ich nicht, wieso Sie noch keine Kandidatenstelle haben. Anstatt lange zu erklären, warum Sie erst in welchem Alter auch immer sich dazu entschlossen haben und sich anhören zu müssen wie hochqualifiziert und berufserfahren Sie sind, sollten Sie nach dem niedrigsten bezahlten Gehalt für einen Kandidaten in der betreffenden Kanzlei fragen und sich als Marktdumper für 500 € weniger im Monat anbieten. Sagen Sie einfach das, was Sie wollen, nämlich Patentanwalt werden, wobei die Bezahlung wenig relevant ist. Das sollte wohl ausreichen, um eine Stelle zu finden.

Und wenn Sie sich in der glücklichen Position befinden, dass Geld eine untergeordnete Rolle spielt, dann lassen Sie sich in einer kleinen Kanzlei ausbilden. Erstens kann dort nicht soviel gezahlt werden, so dass Sie sich gar nicht für weniger anbieten müssen, Sie bekommen automatisch ein niedriges Gebot, und zweitens ist es viel interessanter, da man unwahrscheinlicher auf eine Schiene gestellt wird, die relativ schnell eintönig werden könnte. Außerdem freut man sich in kleinen Kanzleien immer über kompetenten Zuwachs, auch wenn die Kompetenz am Anfang nicht den gewerblichen Rechtsschutzbereich betrifft, oder gar deswegen, weil man dadurch andere Bereiche abdeckt.

Und seien wir alle ehrlich zu uns selbst, jeder will doch mal ein Blutbad veranstalten (auch wenn das wie bei (übrigens immer sympathischer werdenden) Pat-Ente nur auf dem Papier der Fall ist).
 
O

Opa-Pat

Guest
@Dirk36

Auch ich war, wie Pat-Ente, Mitte 30, als ich ins Patentwesen eingestiegen bin (ich habe es übrigens nicht bereut). Wie Pat-Ente kam ich von der Hochschule, wo nach einigen Postdoc-Jahren die Luft langsam etwas dünn wurde. Ich hatte mir im Vorfeld auch andere Jobs angesehen und dabei einige Bewerbungsgespräche geführt. Dabei habe ich auch immer einige der hier geschilderten Vorbehalte zu hören bekommen ("zu gute" Noten, "zu hohe" Qualifikation usw.). Bei der Suche nach einer Ausbildungskanzlei habe ich mich daher lieber auf private Kontakte verlassen. Das hat bestens funktioniert: Ein mir bekannter (Junior-)PA wusste, dass seine Kanzlei sucht. Ein Telefonat, zwei Tage später ein Gespräch mit dem Chef, das war's. Das lässt sich natürlich nicht verallgemeinern. Aber da Du ja offenbar schon Kontakte zu PAs hast, lohnt es sich sicher, sie zu nutzen.

Ausser mir selbst kenne ich noch einige weitere "Spätberufene", die teils aus der Wirtschaft, teils aus der Wissenschaft mit Ende 30, teils erst Anfang 40 eingestiegen sind, in einem Fall mit vorheriger Karriere als Assistenz-/Juniorprofessor. Auch wenn ein Kollege, der diese Personen nicht kennt, das mal pauschal mit "total ungeeignet" qualifizierte.

Ansonsten kann ich mich Pat-Ente nur anschliessen, quak. Und zur ersten Hälfte von Plempis Beitrag kann ich nur lachen. Plempi, würdest Du Dich selbst als "Geiz-ist-geil"-Superbilligangebot einstellen? Na also.

Also: Lass Dich nicht entmutigen! Viel Erfolg bei der weiteren Suche!
 
C

corvinus

Guest
Hm, wenn ich das alles zu diesem Beitrag lese, kann ich als selbstständiger Jung-Anwalt mit Ende dreissig vielleicht folgendes zum besseren Verständnis der Kollegen sagen:

Die Ausbildung eines Kandidaten kostet Geld (mein Ausbilder meinte, dass ich ihn in damals noch 24 Monaten 250.000 DM kosten würde, da ich keine Übersetzungen machen musste)

Das muss irgendwie ja wieder reinkommen. Also am sinnvollsten, der Kandidat, sofern gut, bleibt in der Kanzlei und kauft sich ein bzw. den Altpartnern ne schöne Rente. Da ein Junganwalt typischerweise das Geld nicht cash hat, darf er sich über Jahre einkaufen (da gibts viele Modelle), dh. er wird locker Ende vierzig bis er vorne am Trog ist.

Dann gibts da noch jüngere Anwälte in pole position, die auch ganz vorne an den Trog wollen.

Und jetzt kommt jemand Ende dreißig (Ausbildung + Einkauf in Kanzlei dann ca. 50J) mit Top-Karriere - und noch schlimmer wahrscheinlich Entscheiderqualitäten, der son Laden aufmischen kann.

Hey, was glaubt ihr denn was da passiert? Die jüngeren in der pole position sind neidisch, die älteren haben Angst, dass die Kohle nicht zeitgerecht abgedrückt wird. ES gibt also Spannungen, Spannungen sind kontraproduktiv, da sie das eingespielte Kanzleisystem stressen. Das Resultat: So einen stellt eine große Kanzlei nie ein, eine mittelgroße kaum, evtl ne kleine, wo das Soziale gefüge unter den Partnern (glaubt mir, das ist hoch komplex) nicht so austariert ist.

Ich habe mir dieses Spiel auch mal angeschaut und dann meinen eigenen Laden mit ein paar Kumpeln aufgezogen und festgestellt, dass die Altvorderen hin und wieder, sogar ziemlich oft, recht haben, auch wenn man das als angry young candidate/attorney nicht so sieht. Allerdings blieben dann auch ein paar Kumpel auf der Strecke...

Ansonsten sollte das alter keine Rolle spielen
 
D

Dirk36

Guest
Vielen lieben Dank für eure/Ihre bisherigen Beiträge. Freut mich wirklich!

Als ergänzende Bemerkung:

Ich hatte mich bisher in der Tat nur bei mittleren und etwas größeren Kanzleien bemüht, weil ich einerseits denke, tendenziell etwas besser in so ein Umfeld zu passen.

Andererseits war meine Überlegung, dass dort aufgrund der größeren/vielschichtigeren Mandantschaft sowie der größeren Anzahl von Patentanwälten/Mitarbeitern u.a. auch ein breiteres Spektrum an Themen- bzw. Fragestellungen auftritt. Das fängt damit an, die gesamte Organisation einer solchen Kanzlei zu "erleben", bis hin zu den fachlichen Fragestellungen, die sich womöglich insgesamt in einer mittleren oder größeren Struktur etwas umfassender darstellen.

Ob sich mir diese Einblicke dann im Rahmen der Ausbildung auch erschließen, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt...

Das was in seinem Beitrag schreibt, scheint das ziemlich gut zu treffen, was ich als Begründung der Ablehnung zwischen den Zeilen raushören konnte. Bei der Vergütung hohe Kompromissbereitschaft zu signalisieren, half dabei bisher auch nicht.

Es könnte wohl tatsächlich so sein, dass in einer kleineren Kanzlei meine Chancen besser sind. Schaun mer mal...
 
P

Plempi

Guest
@ Opa-Pat

"Plempi, würdest Du Dich selbst als "Geiz-ist-geil"-Superbilligangebot einstellen?"

Natürlich würde ich mich selbst nicht einstellen. Wie soll das gehen? Arbeitgeber und Arbeitnehmer als eine Person? Das ist bestimmt illegal.

Aber wenn ich genug Geld hätte, wie offenbar Herr Dirk36, dann würde ich mir die vorteilhafteste Kanzlei aussuchen und mich dort ausbilden lassen. Wie Herr corvinus bestätigt, kostet die Ausbildung mehr als manche denken möchten, so dass der Ausbilder bestimmt nicht das Geld einem in den Rachen schmeissen wird.

Es geht hier nicht um "Geiz-ist-geil", sondern einfach um schlichte Zeitersparnis. Bevor ich mich z.B. Monate lang bewerbe und Absagen hinnehmen muss, weil zu alt, zu erfahren, zu klassisch, zu ethnisch, zu was weiss ich, schraube ich das Niveaux nach unten, bekomme die Stelle rascher, bin um einige Monate eher PA und eher an dem Punkt, an dem man richtiges Geld verdient. Und hochgerechnet auf beispielsweise 3 Jahre habe ich insgesamt 3*12*500=18000€ weniger eingenommen. Aber da Geld für mich kein limitierender Faktor ist, ist es mir egal, vor allem, weil ich dieses Geld als PA definitiv schneller als in drei Jahren wieder erwirtschaftet habe, wenn ich überhaupt will. Wie gesagt Geld ist eher nicht relevant.
 
G

grond

Guest
Dirk36 schrieb:
Ich hatte mich bisher in der Tat nur bei mittleren und etwas größeren Kanzleien bemüht, [...] war meine Überlegung, dass dort aufgrund der größeren/vielschichtigeren Mandantschaft sowie der größeren Anzahl von Patentanwälten/Mitarbeitern u.a. auch ein breiteres Spektrum an Themen- bzw. Fragestellungen auftritt.
Nicht notwendigerweise. In großen Kanzleien sind die Anwälte dafür umso spezialisierter, so dass ein Anwalt letztendlich auch nur ein, zwei größere Mandate auf dem immergleichen Themengebiet betreut. Wenn die anderen Anwälte dann nicht an Deiner Ausbildung teilhaben, bekommst Du eher weniger Überblick als in einer kleineren Kanzlei, wo Du Anmeldungen in vielen Fachgebieten machen musst.
 
G

grond

Guest
Dirk36 schrieb:
Ich hatte mich bisher in der Tat nur bei mittleren und etwas größeren Kanzleien bemüht, [...] war meine Überlegung, dass dort aufgrund der größeren/vielschichtigeren Mandantschaft sowie der größeren Anzahl von Patentanwälten/Mitarbeitern u.a. auch ein breiteres Spektrum an Themen- bzw. Fragestellungen auftritt.
Nicht notwendigerweise. In großen Kanzleien sind die Anwälte dafür umso spezialisierter, so dass ein Anwalt letztendlich auch nur ein, zwei größere Mandate auf dem immergleichen Themengebiet betreut. Wenn die anderen Anwälte dann nicht an Deiner Ausbildung teilhaben, bekommst Du eher weniger Überblick als in einer kleineren Kanzlei, wo Du Anmeldungen in vielen Fachgebieten machen musst.
 
L

Lisa

Guest
@corvinus:

erscheinen Dir 250.000DM, also 125.000€, wirklich als realistische Größe für die Ausbildungskosten? Das sind bei Deinen 24 Monaten über 5000€ im Monat - das kommt meiner Ansicht nach nur hin, wenn Du fast keinen Umsatz machst, und somit Dein Gehalt+Lohnnebenkosten+Miete, Schreibkraft (anteilig) und verlorene Zeit Deines Ausbilders sowie die Kosten für Hagen (Peanuts im Vergleich zum Rest) fast komplett an der Kanzlei hängenbleiben. Das mag im ersten Jahr noch zutreffen, aber inzwischen (2. Jahr) trage ich mich meiner Einschätzung nach (und mein Ausbilder stimmt mir da zu) doch im Schnitt selbst - und das ohne Übersetzungen. Oder habe ich einen Kostenfaktor vergessen?
 
L

Lisa

Guest
@corvinus:

erscheinen Dir 250.000DM, also 125.000€, wirklich als realistische Größe für die Ausbildungskosten? Das sind bei Deinen 24 Monaten über 5000€ im Monat - das kommt meiner Ansicht nach nur hin, wenn Du fast keinen Umsatz machst, und somit Dein Gehalt+Lohnnebenkosten+Miete, Schreibkraft (anteilig) und verlorene Zeit Deines Ausbilders sowie die Kosten für Hagen (Peanuts im Vergleich zum Rest) fast komplett an der Kanzlei hängenbleiben. Das mag im ersten Jahr noch zutreffen, aber inzwischen (2. Jahr) trage ich mich meiner Einschätzung nach (und mein Ausbilder stimmt mir da zu) doch im Schnitt selbst - und das ohne Übersetzungen. Oder habe ich einen Kostenfaktor vergessen?
 
G

GAST_DELETE

Guest
@ Lisa

bei meinem Ausbilder war dieser Betrag bescheiden realistisch. Ich war in einer Uraltkanzlei, wo der Umsatz eines Kandidaten nur ein müdes Lächeln generierte (wenn überhaupt), dafür wurden dann die Junganwälte gequält (Problem also auf ne andere Ebene gehoben). Typisch waren im ersten Jahr 5-8 Korrekturdurchläufe pro Bescheid (pro Korrektur ca 1h beim Meister), Zeit und Fristen oder gar Mandantenwünsche waren irrelevant, dafür waren Hagen, rechtsheoretische stunden- und abendfüllende Diskussionen zB von Entscheidungen bis hin zum Reichsgericht und dessen Aufgabe Lösungs Ansatz (ja, das gabs damals schon!) verlangt, sowie (daher auch die vielen Korrekturdurchläufe bis der Meister endlich zufrieden war) philologische Feinheiten zum Unterschied zwischen Partizipialkonstruktionen und Gerundium und deren einfluss auf das zu erstrebenede Resultat. Es wurde bis zum letzten Wort gefeilt und wenn ich die Preisstruktur in München zum besten gäbe würden dort auch etablierte Kanzleien erröten. Aber das Ergebnis war mit das beste, was ich bis jetzt oft gesehen habe.

Ergebnis: die handwerkliche Ausbildung zum Anwalt war nahezu perfekt, die "Sklaverei" hätte dort halt nach der Prüfung angefangen und wäre im Effekt bis Ende 40 gelaufen. So ab 50 waren dann die Partner dort dann auch cooler drauf.

30 Tage Urlaub waren in der Ausbildung nicht nur gerne gesehen sondern auch gefordert (dafür haben Sie später fast keinen mehr...., nutzen Sie die Zeit), und mehr als 45 h wollte einen niemand sehen (lesen Sie zu Hause lieber noch im Kommentar, später müssen Sie Geld verdienen und haben dafür keine Zeit mehr)

aber wie gesagt, das hängt ausschließlich vom Ausbilder und der Kanzlei ab. Wenn ich einen Kandidaten nicht als Investition (in meine Rente oder dgl) ansehe, sondern als kurzfristigen Umsatzfaktor, dann investiere ich weniger Zeit in ihn und versuche ihn in den wenigen Monaten auszupressen um den Profit zu maximieren ist doch klar.

Tja, jeder muß - leider - seine Erfahrungen machen, obwohl oder gerade weil es ein spannender Beruf ist
 
H

Hubert

Guest
@Gast:
toll, so eine Ausbildung hätte ich auch gerne. Ich bekomme zwar höchst selten eine Übersetzung auf den Schreibtisch, ansonsten komme ich mir aber nach einem Jahr leider wie ein Patentingenieur vor - zu einem recht dürftigen Gehalt.
Derartige geradezu ausschweifende Diskussionen finden zwischen mir und meinem Ausbilder nie statt. Davon kann ich nur träumen.

Meinem Ausbilder geht es in erster Linie darum, Arbeit abgenommen zu bekommen, obwohl das natürlich am Anfang und im Vorstellungsgespräch ganz gegenteilig dargestellt wurde.

Eigentlich sollte ich jetzt noch wechseln, obgleich es eigentlich auch etwas zu spät dafür ist. Andererseits geht es ja um meine Ausbildung, also warum nicht.
 
G

gast2000

Guest
Es wurde ja schon öfter diskutiert, dass das Niveau und die Art der Ausbildung sehr von der Ausbildungskanzlei abhängen. Dennoch erscheint mir das, was Gast hier beschreibt, eher die Ausnahme.

Und damit wieder zurück zum Kostenfaktor: Warum gibt es wohl Kanzleien, die als eine Art "Durchlauferhitzer" fungieren, also immer wieder neue Kandidaten einstellen, aber wenige übernehmen? Weil die Kandidaten so hohe Kosten verursachen? Leute, ihr träumt! Wenn die Kosten so hoch sind, liegt das an den Ausbildern, die diese Kosten nicht an den Mandanten weitergeben.
 
L

Lisa

Guest
Noch einmal zur Klarstellung:
zwar kann ich nicht behaupten, dass meine Ausbildung so umfassend wäre wie die von Gast, aber ich denke bei den von ihm geschilderten Zuständen handelt es sich in der Tat um eine Ausnahme. In meinem Fall finden Gesprähe mit dem Ausbilder oder einem der anderen Partner vor allem dann statt, wenn ich Fragen habe, die immer gerne beantwortet werden, oder wenn ich eine kompliziertere Akte bekomme. Beim 23. Bescheid gibt es aber in der Regel keine langen Diskussionen über Formulierungen mehr - was nicht heisst, dass nicht noch etwas geändert würde und ein kurzes Gespräche (max. 15 Minuten) stattfinden kann. Im Gegensatz zu einem Patentingenieur bekomme ich aber nicht nur Bescheid und Neuanmeldungen, sondern auch Einsprüche, Nichtigkeitsklagen, Verletzungsfälle usw. im Rahmen des Möglichen - was dann eben mit mehr Besprechungsaufwand verbunden ist. Ich fühle mich jedenfalls insgesamt gut ausgebildet im Vergleich zu dem, was ich von anderen höre, und bin trotzdem der Kanzlei kein finanzieller Koltz am Bein mehr - allerdings verdienen sie sicher auch nicht das große Geld an mir, ich bewege mich eher im Bereich einer schwarzen Null. Das bei einer Ausbildung wie Gast sie geschildert hat, der Kandidat in der Tat jede menge Geld kostet, kann ich nachvollziehen, das scheint mir aber nun wirklich nicht der Regelfall zu sein, und ich denke eine gute Ausbildung lässt sich auch bei nur mäßigen Kosten für die Kanzlei (wohl kaum mit Gewinn) realisieren.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Dirk36 schrieb:
Ich hatte mich bisher in der Tat nur bei mittleren und etwas größeren Kanzleien bemüht, [...] war meine Überlegung, dass dort aufgrund der größeren/vielschichtigeren Mandantschaft sowie der größeren Anzahl von Patentanwälten/Mitarbeitern u.a. auch ein breiteres Spektrum an Themen- bzw. Fragestellungen auftritt.
Nicht notwendigerweise. In großen Kanzleien sind die Anwälte dafür umso spezialisierter, so dass ein Anwalt letztendlich auch nur ein, zwei größere Mandate auf dem immergleichen Themengebiet betreut. Wenn die anderen Anwälte dann nicht an Deiner Ausbildung teilhaben, bekommst Du eher weniger Überblick als in einer kleineren Kanzlei, wo Du Anmeldungen in vielen Fachgebieten machen musst.
Da stimme ich grond zu und würde sogar noch darüber hinaus gehen: In einer kleinen Kanzlei muss der einzelne Patentanwalt (und damit im Allgemeinen auch ein Kandidat) jede anfallende Aufgabe, die in das Tätigkeitsgebiet des PA fällt, wahrnehmen.

Das bedeutet bei Patenten eine sehr große technische Bandbreite, was zwar manchmal anstrengend ist, weil man auch mal weitab von dem eigenen (bisherigen) Spezialgebiet agiert, aber dafür auch sehr interessant ist, weil man relativ weit über den Tellerrand schauen kann und muss.

Zudem hat man nicht nur Patent- sondern insbesondere auch Markenangelegenheiten (Anmeldung, Widerspruch etc.) zu bearbeiten. In größeren Kanzleien werden gerade letztere gerne ausschließlich von den Rechtsanwälten erledigt, so dass man als PA oder Kandidat in der Praxis davon wenig bis gar nichts mitkriegt. Ich hatte von Marken vorher überhaupt keine Ahnung und habe festgestellt, dass das ebenfalls ein hochinteressantes und spannendes Gebiet ist!

Das alles ist sicherlich Geschmackssache, aber wer sich zu den Generalisten zählt ([ironie]das sind die, die von allem ein wenig und nichts richtig können[/ironie]), wird möglicherweise in einer kleinen Kanzlei eher auf seine Kosten kommen.
 
U

unwissender nichtkandidat

Guest
Lisa schrieb:
Im Gegensatz zu einem Patentingenieur bekomme ich aber nicht nur Bescheid und Neuanmeldungen, sondern auch Einsprüche, Nichtigkeitsklagen, Verletzungsfälle usw. im Rahmen des Möglichen - was dann eben mit mehr Besprechungsaufwand verbunden ist.
Irgendwie habe ich als Aussenstehender immer noch nicht genau den Unterschied zwischen der Tätigkeit eines Patentanwalts und Patentingenieurs verstanden. Wenn ein Patentanwalt zum grössten Teil Neuanmeldungen macht, ist er im Prinzip ein Patentingenieur? Kann mir da vielleicht jemand mal auf die Sprünge helfen?
 
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