Praxis Privaterfinder erfolgreich ?

Kugelblitz

GOLD - Mitglied
Hallo,

bei uns kommen häufig Privaterfinder zur Erfinderberatung, die zwar kein eigenes Produkt vermarkten oder herstellen möchten, jedoch mit dem Gedanken spielen, Ihre Erfindung zu patentieren, um später Lizenzeinnahmen zu erzielen. Ich habe bislang allerdings den Eindruck gewonnen, dass Privaterfindernur in den seltensten Fällen tatsächlich Einkommen über Lizenzeinnahmen generieren und auf den für den Privaterfinder doch relativ hohen Anmelde-/Prüfungskosten sitzen bleiben. Letztlich wird das Patent noch ein paar Jahre verlängert, ehe der Erfinder/Patentinhaber merkt, dass es im Grunde nur Geld kostet.

Wie ist Eure Erfahrung? Wieviel Prozent (oder eher Promille) der Privaterfinder schaffen es tatsächlich, das für Anmeldung/Patent investierte Geld wieder einzuspielen?

Danke

Kugelblitz
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich hatte schon einmal einen Erfinder als Mandanten, der mit zwei Studienfreunden einige Erfindungen auf eigene Faust patentiert hat. Ein Patent davon wurde dann sogar tatsächlich für einen niedrigen sechsstelligen Betrag verkauft. Der Erfinder hatte allerdings einiges, was der typische Einzelerfinder nicht hat:

- absolutes Spezialwissen
- war zur richtigen Zeit am richtigen Ort (die Erfindungen waren in den späten 80ern gemacht worden, als dem Gebiet noch nicht so große Aufmerksamkeit zukam, das Patent dann nach knapp zehn Jahren verkauft worden)
- der Mandant hat für den späteren Käufer des Patents als Berater gearbeitet und kannte die richtigen Kontakte

Der Einzelerfinder versuchte in der Zeit, in der ich mit ihm zu tun hatte, den damaligen Erfolg zu wiederholen, allerdings bislang erfolglos.

Das dürfte jedoch die absolute Ausnahme sein. Ich rate deshalb Einzelerfindern gerne dazu, eine deutsche Anmeldung ohne Prüfungsantrag einzureichen, was bei minimalen Kosten (das Geld für den vom PA geschriebenen Anmeldungstext sollte man allerdings ausgeben) immerhin eine Zeit von sieben Jahren gibt, um die Vermarktungschancen zu testen. Andere Patentanwälte raten da lieber zu einem "Weltpatent" (PCT-Anmeldung), um möglichst schnell das Kapital des Einzelerfinders abzusaugen, bevor der merkt, dass er mit der Idee eh nichts erreicht...
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Etwas am Thema vorbei, aber ich halte eine US-Patentanmeldung für den besten Kompromiss für den angehenden Patenttroll: niedrige Amtskosten (micro/small entitiy; Jahresgebühren erst ab Erteilung), riesiger potentieller Markt (an den USA kommt keiner vorbei), viel Spielraum bzgl. "original disclosure" im Prüfungsverfahren, mit etwas Glück wird einfach durcherteilt, relativ aufwändiges Invalidierungsverfahren, daher relativ hoher Wert eines materiell nichtigen, aber formell bestehenden Patents, (kein Vertreterzwang).
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich rate deshalb Einzelerfindern gerne dazu, eine deutsche Anmeldung ohne Prüfungsantrag einzureichen, was bei minimalen Kosten (das Geld für den vom PA geschriebenen Anmeldungstext sollte man allerdings ausgeben) immerhin eine Zeit von sieben Jahren gibt, um die Vermarktungschancen zu testen.
Und was macht man dann, wenn man nach 4 Jahren merkt, dass die Erfindung doch ganz gut ist? Dann ist alles seit 2,5 Jahren veröffentlicht, das Priojahr ist auch rum, und jeglicher Schutz außerhalb Deutschlands prinzipiell schon mal flöten.

Andere Patentanwälte raten da lieber zu einem "Weltpatent" (PCT-Anmeldung)
Wäre für eine tatsächlich wertvolle Erfindung vielleicht die bessere Idee.
 

grond

*** KT-HERO ***
Und was macht man dann, wenn man nach 4 Jahren merkt, dass die Erfindung doch ganz gut ist? Dann ist alles seit 2,5 Jahren veröffentlicht, das Priojahr ist auch rum, und jeglicher Schutz außerhalb Deutschlands prinzipiell schon mal flöten.

Was man macht? Man freut sich, dass man trotz einer minimalen Investition diese tolle Erfindung immer noch für einen recht attraktiven Markt (Deutschland) geschützt bekommen kann. Es gibt übrigens auch manche Konzerne, die so verfahren, allerdings meist nur mit Erfindungen von zweifelhaftem Wert.

Ich habe keine grundsätzlichen Einwände gegen PCT-Anmeldungen, halte sie für Einzelerfinder aber für fast immer überdimensioniert. Die Kosten für eine PCT-Anmeldung fressen meist schon einen Großteil des dem Erfinder zur Verfügung stehenden Kapitals auf.

Nur um Missverständnisse zu vermeiden: ich beziehe mich auf Leute, die schon angesichts des Honorars für die Ausarbeitung einer Patentanmeldung stark ins Schwitzen kommen, was in meiner Praxis der typische Fall eines Einzelerfinders ist. Diese Einzelerfinder verhandeln dann gern über die Kosten, was prinzipiell ja okay ist. Da sind jedoch große Gebührenpunkte, an denen nichts zu ändern ist und die sowohl dem Mandanten, als auch dem PA verloren gehen, ärgerlich, zumal Einzelerfinder gern auch wirklich auf der Aufnahme jedes einzelnen Ausführungsbeispiels bestehen und besonders viel Arbeit verursachen.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Etwas am Thema vorbei, aber ich halte eine US-Patentanmeldung für den besten Kompromiss für den angehenden Patenttroll: niedrige Amtskosten (micro/small entitiy; Jahresgebühren erst ab Erteilung), riesiger potentieller Markt (an den USA kommt keiner vorbei), viel Spielraum bzgl. "original disclosure" im Prüfungsverfahren, mit etwas Glück wird einfach durcherteilt, relativ aufwändiges Invalidierungsverfahren, daher relativ hoher Wert eines materiell nichtigen, aber formell bestehenden Patents, (kein Vertreterzwang).

Sehe ich eher nicht so. Die US-Anwaltskosten in US sind im Vergleich zu in deutschland üblichen Kosten exorbitant hoch. Da werden Bescheidserwiderungen zu Preisen abgerechnet, zu denen man hier ne Anmeldung geschrieben bekommt.

Das Prüfungsverfahren ist auch für small entitys teuer. Meist sind RCE´s nötig. Diese führen nicht dazu, dass der Prüfer wechselt. Hat man einen etwas abgedrehteren Prüfer, der meint, dass der Fachman halt nen Fußball mit nem U-Bot und nen spaceshuttle verbindet (Tatsächlich haben US Prüfer bei Akten die ich hatte zumindest schon versucht, beschichtungen von Raketenteilen zur Argumentation zu verwenden, dass entsprechende Schichten bei Fahrzeuginnenverkleidungsteilen naheliegend seien....), wird man den nur über ne Appeal wieder los. Diese ist sehr teuer.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Zum eigendlichen Thema des Threads:

Ich glaube für Einzelerfinder lohnen Patentanmeldungen fast nie. Fast alle fälle die ich kenne, machen das eher so hobbymäßig und machen unterm Strich deutlich minus. Damit das ganze lohnt muss der Erfinder spezialwissen und exakte Kentnis des entsprechenden Marktes mitbringen. Wenn die Erfindung nicht sehr sehr wichtig ist, sodass er mehrere Firmen anschreiben und gegeneinander ausspielen kann, kriegt er eigendlich nix für sein Patent.

Große Firmen werden sich zunächst mal Anschauen, wass der Erfinder so für nen Typ ist. Eventuell gucken sie noch, ob der Erfinder das Patent deutlich unter Wert verkauft (im Wesentlichen kriegt er dann seine Kosten + nen bischen extra raus. Dafür hatte er den Aufwand + das Risiko, dass keiner eine Lizenz will). Lässt sich der Erfinder hierauf nicht ein oder hat die Firma keine Lust mit ihm zu verhandeln, werden Sie gucken, in was für einer Situation er ist.

Macht die Situation den Eindruck, dass er vermutlich nicht allzu wohlhaben ist, werden Sie ihn spüren lassen, dass sie ne Nichtigkeitsklage einreichen und so lange hinziehen können bis er

a) kein geld mehr hat
b) sein Haus verkauft hat und
c) geschieden ist.

In den seltensten Fällen könnte man einem nicht sehr wohlhabenden Erfinder empfehlen, es tatsächlich darauf ankommen zu lassen. Das Verfahren wird sich über viele Jahre ziehen. Währenddessen lebt der Erfinder ständig in der Angst am Ende völlig ruiniert zu sein. Es braucht auch nur eine Druckschrift auftauchen, die das Ganze nahelegt, und alle Kosten waren umsonst. Das passiert gerne mal, wenn die Firma auf der anderen seite mal eben 50k für ne sehr Detaillierte Recherche blecht.
 

pak

*** KT-HERO ***
Ich kann mich meinen Vorrednern hinsichtlich der Rentabilität von Patentanmeldungen durch Einzelerfinder anschließen. In derartigen Fällen neige ich - selbst wenn hierdurch das "Geschäft" flöten geht - die Vorzüge eines ausgedehnten Urlaubs mit Rundumversorgung anzusprechen, der an Stelle einer Patentanmeldung in Betracht gezogen werden könnte und ggf. eher zum Wohlbefinden beitragen kann.

Allerdings ist das in vielen Fällen schwierig, da sich der Einzelerfinder die Erfolgschancen schon ausgerechnet hat, nach dem Motto: In Deutschland gibt es 80 Millionen Menschen, davon werden sich ca. 20 Millionen für das Produkt X interessieren und wenn davon lediglich 2 Millionen das Produkt X zum Preis von 20,- EUR bei Herstellungskosten in Höhe von 5,- EUR erwerben, dann erziele ich einen Gewinn von 30 Millionen EUR. Ich denke, derartige Rechenbeispiele sind dem einen oder anderen wohlbekannt ... ;)

Gruß

pak
 

Kugelblitz

GOLD - Mitglied
Danke für Eure Antworten! Also scheint der Anteil derjeinigen Privatanmelder, die das in die Anmeldung investierte Geld wieder einspielen, tatsächlich im Promille-Bereich zu liegen.

In derartigen Fällen neige ich - selbst wenn hierdurch das "Geschäft" flöten geht - die Vorzüge eines ausgedehnten Urlaubs mit Rundumversorgung anzusprechen, der an Stelle einer Patentanmeldung in Betracht gezogen werden könnte und ggf. eher zum Wohlbefinden beitragen kann.

Ist natürlich lobenswert, setzt aber voraus, dass Du die Situation und vor allem den Privaterfinder richtig einschätzt. Vielleicht sitzt vor Dir gerade der/die eine der Wenigen ;-). Aber ein Hinweis darauf, dass es die meisten Privaterfinder nicht schaffen, und eine möglichst detaillierte Kostenabschätzung sollten tatsächlich nicht fehlen ...

Gruß

Kugelblitz
 
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