Stimmt, da war ich noch bei der Rechtslage vor G1/15 ."Generisches ODER" bedeutet gerade, dass es keine explizite Offenbarung der Alternativen gibt. Das ist ja die grundlegende Bedeutung von G1/15!
Wenn explizit Alternativen aufgeführt sind, war es schon vorher akzeptiert, dass sie unterschiedliche Prioritätstage haben können. Seit G1/15 geht das auch, wenn die Alternativen in der Nachanmeldung nicht explizit offenbart sind, sondern nur in den Anspruchsumfang fallen.
Letztlich bedeutet G1/15 also:
Wenn ich die Priorität irgendeiner Anmeldung (oder auch mehrere) in Anspruch nehme, - Frist, Anmelderindentität und sonstige Formalitäten vorausgesetzt, aber egal, was sie offenbart, - dann kann sie für die Nachanmeldung - ebenfalls egal, was dort beansprucht wird und auch egal, wie diese Ansprüche in einen späteren Verfahrensstadium geändert werden - nicht selbst SdT sein, der dort berücksichtigt werden muss. Entweder ist das vermeintlich patenthindernde Ausführungsbeispiel in der Prioanmeldung doch nicht hinlänglich "direkt – oder zumindest implizit – und eindeutig (ausführbar)" offenbart, so dass es für das in der Nachanmeldung Beanspruchte schon deshalb nicht neuheitsschädlich ist bzw. an der Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit nicht teilnehmen kann. Oder die Offenbarung genügt diesen Ansprüchen: Dann genießt dieses Ausführungsbeispiel die Teilpriorität. (Ob die Offenbarung im konkreten Fall, im obigen Beispiel "destilliertes Wasser", unter das eine oder das andere fällt, bedarf dann keiner Entscheidung.)
Und auch andere Dokumente aus dem Prioritätsintervall können nur insofern eine patenthindernde Wirkung für die Nachanmeldung haben, als sie über den Inhalt der Prioritätsanmeldung hinausgehen.
Die "toxische Wirkung" einer Prioritätsanmeldung ist damit vollständig abgeschafft; die Wirkung der Priorität erstreckt sich auf alles, was die Prioanmeldung offenbart. Die Rechtslage ist so recht übersichtlich geworden.
Oder bleibt da doch noch irgendeine "Lücke"?