Patentverletzung eines mehrstufugen Verfahren

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hallo.

Wieder mal ein Problem aus dem täglichen Leben:

EP Patent erteilt für DE mit A1:

Verfahren zur Herstellung von X, umfassend die Schritte
a) Erzeugen eines Zwischenprodukts xx
b) Weiterverarbeiten von xx zu einem Zwischenprodukt yy
c) Verarbeiten von yy zu X.

Schritt a) sei neu und erfinderisch, das Zwischenprodukt xx selbst NICHT, da vorbekannt, Schritte b) und c) S.d.T..

Schritte a), b) und c) werden von unterschiedlichen Parteien A, B und C durchgeführt. Schritt a) wird im patentfreien Ausland durchgeführt. Das Zwischenprodukt xx wird auch für zahlreiche andere weitere Verarbeitungsverfahren zur Erzeugung einer Vielzahl von Endprodukten verwendet.

Wer verletzt das Patent
1) unmittelbar
2) mittelbar ?

Ich muss zugeben, dass ich aus den Kommentaren zu dieser Problematik nicht sonderlich schlau werde. Ich tendiere dazu, dass A ggf. mittelbarer Verletzer ist, aber wohl schwer zu greifen sein dürfte (Beweislast etc.) ...

Irgendwelche interessanten Meinungen oder steh ich mal wieder im Wald :)

Grüße

Ah-No Nym
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich neige zu der Ansicht, dass A und B mittelbare und C unmittelbarer Verletzer sind.

Der erfindungswesentliche Schritt ist ja offenbar Schritt A. Art. 64 II EPÜ und §9 Nr. 3 PatG schützen das unmittelbare Produkt eines Verfahrens. Nun ist das Verfahren nur teilweise durchgeführt, aber der für sich bekannte Stoff xx ist das Ergebnis des erfindungswesentlichen Verfahrensschrittes. Für mich verletzt daher das Liefern des "unmittelbaren Zwischenproduktes" mittelbar das Patent. Sinn der zitierten Bestimmungen ist ja gerade, eine Umgehung einer Verletzung eines Patentanspruchs auf ein Herstellungsverfahren durch Verlagerung der Produktion ins Ausland und Import des Produktes zu verhindern, was den Patentschutz für Herstellungsverfahren vollständig aushöhlen würde. Dementsprechend muss aber auch der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung durch Anwendung der zitierten Rechtsvorschriften ausgedehnt werden.

B als einer, der das Zwischenprodukt anspruchsgemäß weiterverarbeitet, setzt die mittelbare Verletzung fort, C vollendet schließlich die unerlaubte Benutzung des Erfindungsgegenstandes. Eine örtliche Zergliederung des Herstellungsprozesses dergestalt, dass ein Teil außerhalb des Wirkungsgebietes des Patents stattfindet, zu erlauben, kann auch nicht gerade dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, der für den Fall der vollständigen Durchführung im Ausland ja eigens Verbote erlassen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

Rex

*** KT-HERO ***
B als einer, der das Zwischenprodukt anspruchsgemäß weiterverarbeitet, setzt die mittelbare Verletzung fort.

B verletzt mittelbar nicht durch die Weiterverarbeitung, sondern nur durch Anbieten oder Liefern von yy, denn nur diese Tatbestände werden von § 10 (1) umfasst.
A würde ebenfalls nur durch Liefern oder Anbieten in DE mittelbar verletzen. Das geht aber aus dem Sachverhalt nicht hervor.

C vollendet schließlich die unerlaubte Benutzung des Erfindungsgegenstandes.

Der Erfindungsgegenstand ist das vollständige Verfahren mit den Schritten a), b) und c). C führ nur Schritt c) aus, daher kann keine unmittelbare Verletzung vorliegen, weil es kein Teilschutz gibt. Zwar besitzt er das Erzeugnis, das im Ergebnis nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt wurde, aber der Besitz stellt nur für unmittelbar nach patentierten Verfahren hergestellte Erzeugnisse eine Verletzung da (§ 9 Nr. 3 PatG).

Eine mittelbare Verletzung durch C kommt meiner Ansicht auch nicht in Frage, weil C dann etwas liefern oder anbieten müsste, um die Erfindung, also das Verfahren als solches, zu benutzen.
 

grond

*** KT-HERO ***
B verletzt mittelbar nicht durch die Weiterverarbeitung, sondern nur durch Anbieten oder Liefern von yy, denn nur diese Tatbestände werden von § 10 (1) umfasst.

Ich habe das unpräzise ausgedrückt.


A würde ebenfalls nur durch Liefern oder Anbieten in DE mittelbar verletzen. Das geht aber aus dem Sachverhalt nicht hervor.

Das meine ich aus "Schritt a) wird im patentfreien Ausland durchgeführt." herauslesen zu dürfen. Wenn die Schritte b) und c) auch nicht in Deutschland durchgeführt werden, wäre die Diskussion über den deutschen Teil eines Europäischen Patentes reichlich sinnfrei. Irgendwie kommt das Produkt ja nun nach Deutschland. Wenn B das xx selbst importiert, verletzt A natürlich nicht.


Der Erfindungsgegenstand ist das vollständige Verfahren mit den Schritten a), b) und c). C führ nur Schritt c) aus, daher kann keine unmittelbare Verletzung vorliegen, weil es kein Teilschutz gibt. Zwar besitzt er das Erzeugnis, das im Ergebnis nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt wurde, aber der Besitz stellt nur für unmittelbar nach patentierten Verfahren hergestellte Erzeugnisse eine Verletzung da (§ 9 Nr. 3 PatG).

Das Erzeugnis, das C herstellt, ist doch unmittelbar nach dem patentierten Verfahren, nämlich durch die Schritte a), b) und c), hergestellt?
 

Rex

*** KT-HERO ***
Das Erzeugnis, das C herstellt, ist doch unmittelbar nach dem patentierten Verfahren, nämlich durch die Schritte a), b) und c), hergestellt?

Ich bin mir nicht sicher. Denn C stellt lediglich X aus yy nach Verfahrensschritt c) her, wobei Verfahrensschritt c) SdT ist.
yy ist vorher aus xx hergestellt worden, ebenfalls nach dem SdT. xx und yy sind ebenfalls SdT.

Möglicherweise kannte C den Herstellungsweg von yy nicht, insbesondere weil es seinerseits nach dem SdT aus xx hergestellt wurde, was wiederum als Stoff SdT ist.

Also stellt sich auch die Frage, ob der Schritt a) überhaupt wesentlich zur Herstellung von X beigetragen hat.
Außerdem stellt der Begriff "unmittelbares Erzeugnis" nach der Rechtsprechung auf durch das Verfahren bewirkte charakteristische Eigenschaften des Erzeugnisses ab, die hier nicht gegeben sind, eben weil das Endprodukt X SdT ist.
Also ich weiß es auch nicht.
 

grond

*** KT-HERO ***
Möglicherweise kannte C den Herstellungsweg von yy nicht, insbesondere weil es seinerseits nach dem SdT aus xx hergestellt wurde, was wiederum als Stoff SdT ist.

Damit betreten wir das weite Feld der Schuldhaftigkeit. Sicherlich ist es vorstellbar, dass C den Herstellungsweg nicht kannte oder kennen musste, aber da fangen wir mit der Sachverhaltsquetsche an. Ich würde daher diesen Aspekt genau wie Beweisfragen erst einmal ausklammern.


Also stellt sich auch die Frage, ob der Schritt a) überhaupt wesentlich zur Herstellung von X beigetragen hat.

Welcher Schritt sonst, wenn nicht derjenige, der neu und erfinderisch ist?


Außerdem stellt der Begriff "unmittelbares Erzeugnis" nach der Rechtsprechung auf durch das Verfahren bewirkte charakteristische Eigenschaften des Erzeugnisses ab, die hier nicht gegeben sind, eben weil das Endprodukt X SdT ist.

Sicher? Warum sollte die Rechtsprechung eine zusätzliche Anforderung an diese Bestimmungen aufstellen?
 

Rex

*** KT-HERO ***
Welcher Schritt sonst, wenn nicht derjenige, der neu und erfinderisch ist??

Wenn auch das Produkt xx neu und erfinderisch wäre, würde ich sofort zustimmen. Aber es kann auch durch mindestens ein anderes, bekanntes Verfahren hergestellt werden und unterscheidet sich auch qualitativ nicht. Es ist also hinsichtlich xx unerheblich, ob es nach dem SdT oder durch das neue Verfahren hergestellt wurde.

Sicher? Warum sollte die Rechtsprechung eine zusätzliche Anforderung an diese Bestimmungen aufstellen?

Der Wortlaut des Gesetzes heißt ja nicht "es ist verboten...das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, hergestellte Erzeugnis anzubieten.." sondern "...das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten...". Der Gesetzgeber hat also den Verletzungstatbestand eingeschränkt. Was ein unmittelbar hergestelltes Erzeugnis sein soll, unterliegt natürlich der Auslegung. Vielleicht könnte man eine Beziehung zur unmittelbaren oder mittelbaren Patentverletzung herstellen, aber das ist jetzt meine eigene kreative Idee.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Ist ja schön, dass ihr ähnliche Gedanken habt, wie ich...:p

Auch ich hatte Probleme mit dem Schutz des durch das Verfahren hergestellten Erzeugnisses X. Noch dazu, weil dieses wahrscheinlich selbst auch nicht neu ist...

Auf jeden Fall schon mal Danke für die Diskussion und ALLEN ein schönes Weihnachten!

Ah-No Nym
 

grond

*** KT-HERO ***
Ist ja schön, dass ihr ähnliche Gedanken habt, wie ich...:p

Vermutlich so ein bisschen so wie das figurative Engelchen und das Teufelchen auf den Schultern?

Mir ist dazu noch etwas eingefallen, was aber auch nicht wirklich weiterhilft. Ich habe vor X Jahren mal einen (GRUR?) Aufsatz gelesen, bei dem es über die Problematik "Verfahren" und "grenzübergreifend" ging. Ich meine mich zu erinnern, dass auf den "Erfolgsort" abgestellt wurde, also den Ort, an dem das Verfahren vollendet wurde. Typisches Beispiel für Verfahren, bei denen es regelmäßig zu solchen Problemen kommt, waren Kommunikationsverfahren, wo allerdings der Erfolgsort auch nicht immer trivial festzustellen ist. Irgendein Schlauer mit Brille hat sich also garantiert schon einmal tiefergehende Gedanken darüber gemacht. So, Feierabend!
 

Phish

Vielschreiber
Der Aufsatz

Fabry, B.; Trimborn, M.: "Die mittelbare Patentverletzung - Das unterschätzte Geschäftsrisiko", GRUR 2008, 10, S. 861 - 867
http://www.osborneclarke.de/~/media...bare-patentverletzung--das-unterschatzte.ashx

bietet meiner Ansicht nach eine ganz gute Zusammenfassung zu den geschilderten Sachverhalten. Demnach kommt A definitiv als mittelbarer Verletzer in Betracht. B und C könnten gemäß BGH "Rohrschweißverfahren" (auch in obigen Aufsatz angesprochen) sogar als Mit- oder Nebentäter in Frage kommen, wobei es fraglich ist, ob die von B und C ausgeführten Verfahrensschritte b) und c) als wesentlich für die Erfindung anzusehen sind.

Nebenbei habe ich auch ein Urteil des LG Mannheim gefunden, welches sich mit mittelbarer Patentverletzung beschäftigt (zugegeben auf dem Gebiet der IT, aber prinzipiell übertragbar auf den oben genannten Sachverhalt:

LG Mannheim 7 O 84/09, 12.2.2010
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=12967

Siehe dazu vor allem die Randnummern 87 bis 89.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Was einen Auslandsbezug einzelner Verfahrensschritte eines mehrstufigen Verfahrens angeht, so lässt sich das OLG Düsseldorf in einer jüngeren Entscheidung dazu aus (siehe Punkt 2. der Begründung):

http://www.duesseldorfer-archiv.de/?q=node/2773

Vielleicht hilft das ja weiter.

Falls der Link nicht funktioniert: Aktenzeichen OLG Düsseldorf "2 U 51/08"
 

grond

*** KT-HERO ***
Aktenzeichen OLG Düsseldorf "2 U 51/08"

Eine sehr gute Fundstelle!

"Eine Zurechenbarkeit kommt jedoch nicht nur dann in Betracht, wenn ein Beginn der Anwendungen im Inland und die Vollendung alsdann im Inland erfolgt. Sie ist vielmehr gerade im umgekehrten Fall möglich, wenn z. B. bei einem Herstellungsverfahren die Herstellung eines Vorprodukts mittels der ersten Verfahrensschritte im Ausland erfolgt, dieses Zwischenprodukt anschließend ins Inland verbracht wird und hier die restlichen Verfahrensschritte zur Herstellung des Endprodukts durchgeführt werden. Gerade in einem solchen Fall muss sich der Anwender regelmäßig die zuvor von ihm (oder einem Dritten) im Ausland begonnene Durchführung des Verfahrens zurechnen lassen, weil er auf diesen Maßnahmen aufbaut und sich diese im Inland zu Nutze und zu Eigen macht. Folgerichtig geht auch der Bundesgerichtshof – im Falle inländischer Benutzungshandlungen – davon aus, dass, wenn z. B. ein in mehrere Verfahrensabschnitte aufgeteiltes Schweißverfahren vorsieht, in einem ersten Teil von Verfahrensschritten einen Datenträger mit Schweißdaten herzustellen, der in einem zweiten Teil von Verfahrensschritten zur Steuerung des Schweißvorgangs benutzt wird, der Verwender des Datenträgers von dem Verfahren mit allen seinen Merkmalen Gebrauch macht, wenn er das Schweißverfahren mittels der gespeicherten Schweißdaten durchführt (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren). Ob die zur Durchführung des weiteren Verfahrens erforderliche Vorrichtung in einem derartigen Fall im Inland oder Ausland hergestellt wird, kann keinen Unterschied machen. Andernfalls wäre es dem Anwender ohne weiteres möglich, den Patentschutz zu umgehen. Sein Verhalten würde weder in dem einen Staat noch in dem anderen Staat eine Verletzung des jeweiligen Verfahrenspatents darstellen."

Den letzten Gedanken finde ich besonders wichtig, das Patent für den Herstellungsprozess A+B+C dies- und jenseits der Grenze würde den Modellfall des Diskussionsstarters nicht erfassen, weil jeweils nur die Hälfte des Verfahrens auf einer jeden Seite der Grenze durchgeführt würde. Das kann nicht angehen.

Ansonsten ist der Fall auch interessant hinsichtlich der notwendigen Sorgfalt bei Übersetzungen und somit zur Erläuterung für Kandidaten geeignet. Ich beziehe mich damit auf die Diskussion des Anspruchsmerkmals "Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank", der dazugehörigen Stelle der Beschreibung im deutschen Teil ("Selbstverständlich wird eine SCN, die einmal benutzt worden ist, automatisch aus der SCN-Datenbank des PABX gelöscht.") und der englischsprachigen Urfassung ("Obviously, a SCN that has been once used is automatically erased from the SCN data-bank of the PABX.") Die Patentschriften sind EP 0 572 991 und DE 693 05 690, wie sich leicht ermitteln lässt.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich weise rein vorsorglich auf folgenden Passus am Ende des Urteils hin:

"Der Senat lässt die Revision zu, weil die Frage, ob ein deutsches oder mit Wirkung für die Bundesrepublik A erteiltes europäisches Verfahrenspatent auch dann verletzt wird, wenn nur ein Teil der Verfahrensschritte im Inland durchgeführt wird, zu welcher – soweit ersichtlich – bislang keine Rechtsprechung vorliegt, über den Entscheidungsfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)."

Es ist also keinesfalls so, dass das OLG Düsseldorf sich seiner Sache sicher ist und gerade das OLG Düsseldorf ist in der jüngeren Vergangenheit ja doch des Öfteren aufgehoben worden.
 
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