Patent -vs.- Gebrauchsmuster

EK

*** KT-HERO ***
Student schrieb:
was bringt mir nun eigentlich der Rechercheantrag bei der Patentanmeldung?
Man erhält eine Liste des "amtlich" als relevant angesehenen Standes der Technik, ohne daß damit der Beginn des Prüfungsverfahren verbunden ist, welches zwangsläufig zu einer (zwar verzöger-, aber nicht mehr aufhaltbaren) Entscheidung (Patenterteilung oder Zurückweisung) führt, die oftmals vom Anmelder gar nicht gewünscht ist.
 

Fip

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
[Ein Gebrauchsmuster mit Antrag auf Aufschiebung der Eintragung anzumelden ist m.E. nur sinnvoll, wenn man eben gerade kein paralleles Patent anmeldet, was einem ohnehin die Geheimhaltung bis zu 18 Monate und die Möglichkeit der Abzweigung bietet. Das Argument der "Jungfräulichkeit" des GebrM bei gleichzeitiger Anmeldung von Gebrauchsmuster und Patentanmeldung leuchtet mir jedenfalls nicht ein.
Also, zunächst einmal: Ich habe mich vertan, natürlich geht es um die Aufschiebung der Eintragung, nicht die der Bekanntmachung. Das dieses offensichtliche Versehen zu einer ausfürhlichen, inhaltlichen Auseinandersetzung führt, überrascht mich dann doch.

Nun noch einmal zu den Vorteilen einer gleichzeitigen Gebrauchsmusteranmeldung neben einer inhaltsgleichen Patentanmeldung (kostet nur € 40,- mehr, dürfte also zu verkraften sein):

  • Es entsteht ein gesondertes, unabhängiges Prioritätsrecht. Wenn ich also eine EP oder PCT Nachanmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität der Gebrauchsmusteranmeldung einreiche, dann ist die parallele deutsche Patentanmeldung nicht unwirksam bzw. gilt nicht als zurückgenommen, wenn ich mit der EP oder PCT Anmeldung nach Deutschland "zurückkomme".
  • Findet der deutsche Prüfer zu der Patentanmeldung unangenehmen Stand der Technik, dann kann ich die deutsche Patentanmeldung untergehen lassen. Es besteht dann, wenn ich für Nachanmeldungen im Ausland die Prio der Gebrauchsmusteranmeldung in Anspruch genommen habe, keinerlei "Link" zu der Akte der deutschen Patentanmeldung (z.B. über die einzureichende Priotätsbescheinigung), zu der der unangenehme Stand der Technik aufgefunden wurde. Man erhält sozusagen eine zweite Chance (nämlich die, dass z.B. der EPA Prüfer oder ein späterer Verletzer den Stand der Technik nicht findet).
  • Die Aufschiebung der Eintragung ist deshalb sinnvoll, weil das vor Ablauf des Priojahres eingetragene Gebrauchsmuster bei einer gegenüber der prioritätsbegründenden Anmeldung inhaltlichen Erweiterung der Nachanmeldung für Deutschland kein (nachveröffentlichter) Stand der Technik werden kann. Wäre das Gebrauchsmuster vor Ablauf der Priofrist (und damit in aller Regel vor dem europ. oder intern. Anmeldetag) eingetragen und somit veröffentlicht, wäre es voller Stand der Technik, wenn ich bei der Nachanmeldung die Erteilung nur mit Merkmalen erreichen kann, denen die Priorität nicht zukommt.
  • Da die parallele deutsche Patentanmeldung nicht nach IntPatÜG unwirksam werden kann bzw. nicht als zurückgenommen gilt, wenn ich mit der PCT oder EP Anmeldung nach Deutschland "zurückkomme", kann ich deren Anspruch vielleicht auf etwas richten, für das ich sonst eine Teilanmeldung hätte einreichen müssen, und zwar lange über den Tag hinaus, bis zu dem eine Teilanmeldung möglich ist. Ein daraus resultierendes Schutzrecht hat natürlich nur Wirkung für Deutschland.
...

Also, im Ergebnis finde ich nicht, dass € 40,- für diese zusätzlichen, gestalterischen Freiheiten im Erteilungsverfahren vorschnell "auf den Kopp gehauen" sind.
 

upupa

GOLD - Mitglied
Bin noch recht neu in dem Fach, daher folgende Fragen:

Fip schrieb:
1. Es entsteht ein gesondertes, unabhängiges Prioritätsrecht. Wenn ich also eine EP oder PCT Nachanmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität der Gebrauchsmusteranmeldung einreiche, dann ist die parallele deutsche Patentanmeldung nicht unwirksam bzw. gilt nicht als zurückgenommen, wenn ich mit der EP oder PCT Anmeldung nach Deutschland "zurückkomme".
Worin besteht denn der Vorteil, dass ich für den hier geschilderten Fall dann zwei deutsche Patente habe, die zum Teil den gleichen Schutzbereich haben? Das Doppelschutzverbot schneidet doch sowieso nur den überlappenden Teil der ursprgl. Anmeldung raus, oder?

Fip schrieb:
2. Findet der deutsche Prüfer zu der Patentanmeldung unangenehmen Stand der Technik, dann kann ich die deutsche Patentanmeldung untergehen lassen. Es besteht dann, wenn ich für Nachanmeldungen im Ausland die Prio der Gebrauchsmusteranmeldung in Anspruch genommen habe, keinerlei "Link" zu der Akte der deutschen Patentanmeldung (z.B. über die einzureichende Priotätsbescheinigung), zu der der unangenehme Stand der Technik aufgefunden wurde. Man erhält sozusagen eine zweite Chance (nämlich die, dass z.B. der EPA Prüfer oder ein späterer Verletzer den Stand der Technik nicht findet).
Ist das nicht etwas gewagt? Findet eine EPA-Prüfer oder ein Verletzer ein derart ähnliches Schutzrecht nicht ziemlich schnell bei einer Recherche z.B. über den selben Erfinder oder eben Stichwortkombinationen die in beiden identisch vorkommen?
 

Fip

*** KT-HERO ***
upupa schrieb:
Worin besteht denn der Vorteil, dass ich für den hier geschilderten Fall dann zwei deutsche Patente habe, die zum Teil den gleichen Schutzbereich haben? Das Doppelschutzverbot schneidet doch sowieso nur den überlappenden Teil der ursprgl. Anmeldung raus, oder?
Ja und Nein. Zunächst einmal ist zu unterscheiden, ob ich eine PCT Anmeldung direkt in Deutschland nationalisiere, oder ob ich über eine EP Anmeldung nach Deutschland zurückkomme. Im ersten Fall (PCT) gilt die prioritätsbegründende Patentanmeldung von Gesetzes wegeb als zurückgenommen (unabhängig davon, ob sich etwas überschneidet oder nicht), im zweiten Fall ist die deutsche, prioritätsbegründende Anmeldung in dem Umfang unwirksam, in dem sie sich mit der EP-Anmeldung mit Wirkung für die BRD überschneidet.

Wenn ich aber von vorne herein aus der deutschen Patentanmeldung keine Prio ziehe, sondern aus einer davon unabhängig eingereichten Gebrauchsmusteranmeldung, scheiden die Rücknahme- bzw. Unwirksamkeitsfiktionen des IntPatÜG von vorne herein aus. Die deutsche Patentanmeldung bleibt "am Leben". Das ist sozusagen eine Umgehung des Doppelschutzverbots.


upupa schrieb:
Ist das nicht etwas gewagt? Findet eine EPA-Prüfer oder ein Verletzer ein derart ähnliches Schutzrecht nicht ziemlich schnell bei einer Recherche z.B. über den selben Erfinder oder eben Stichwortkombinationen die in beiden identisch vorkommen?
Auch hier gilt Ja und Nein.

Die Erfahrung zeigt, dass die Rechercheergebnisse beider Ämter oft unterschiedlich sind. Wenn beide Ämter unabhängig voneinander recherchieren und prüfen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende zumindest eines der Ämter ein Schutzrecht erteilt, höher. Entweder es wird unterschiedlicher Stand der Technik gefunden (das gilt insbesondere für Lehrbücher, Zeitschriften, etc.) oder dergleiche Stand der Technik wird unterschiedlich bewertet. Vielleicht ist einfach der eine Prüfer hochmotiviert und dem anderen ist alles mehr oder weniger egal. Es sollte (idealerweise) nicht so sein, es ist aber in der Praxis so. Für manche Anmelder geht es gar nicht so sehr darum geht, die Patente hinterher auch wirklich durchzusetzen, sondern lediglich darum, hohe Anmeldezahlen und viele Erteilungen zu haben (gut für den Aktienkurs, den Arbeitnehmererfinder sowie für Lizenzverhandlungen, bei denen möglichst viele Schutzrechte in Waagschale geworfen werden können).


Letztlich hält man sich mit den € 40,- für ein unabhängiges Gebrauchsmuster, dessen Prioritätsrecht man in den Anmeldeverfahren von Nachanmeldungen nutzt, Optionen offen. Ob man diese hinterher wirklich nutzt, steht auf einem anderen Blatt. Aber man weiß am Priotag ja nie wirklich, was nach 30/31 Monaten PCT Nationalisierungs/Regionalisierungsfrist so alles sein wird, was die Prüfer finden werden oder auf welche Gegenstände man sich hinterher zurückziehen muss etc.
 

grond

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Also, im Ergebnis finde ich nicht, dass € 40,- für diese zusätzlichen, gestalterischen Freiheiten im Erteilungsverfahren vorschnell "auf den Kopp gehauen" sind.
Nun gut, Du hast ein paar Argumente gebracht, die für taktische, hm, Finessen gut sein mögen, eben in Fällen, in denen z.B. dem Schutzrechtsinhaber die Bestandsfähigkeit seiner Schutzrechte eher egal ist. Dasselbe könnte man dann aber auch haben, wenn man am selben Tag dieselbe Patentanmeldung zweimal einreicht, wobei man dann sogar 18 Monate Offenlegungsfrist genießen könnte und nicht einmal die Verfahrensansprüche streichen müsste. Insofern sehe ich kein besonderes Argument dafür, immer ein unabhängiges Gebrauchsmuster anzumelden.
 

EK

*** KT-HERO ***
@ grond

Glücklicherweise kann es ja jeder machen, wie er will, gell?

@Fip

Hast Dir wirklich Mühe gegeben, leider umsonst. Eine wirklich gute Zusammenfassung!
 

Kurt

*** KT-HERO ***
AW: Re: Patent -vs.- Gebrauchsmuster

Also, im Ergebnis finde ich nicht, dass € 40,- für diese zusätzlichen, gestalterischen Freiheiten im Erteilungsverfahren vorschnell "auf den Kopp gehauen" sind.
Da ich gerade diesen Thread finde: Obiges scheinbar äußerst vorteilhafte Kosten-/Nutzen-Verhältnis ist doch aber eher theoretisch bzw. nur für Selber-Anmelder zutreffend.

Sobald der Patentanwalt ins Spiel kommt, vervielfachen sich doch die Kosten für ein zusätzliches Gebrauchsmuster, Stichwort Grundgebühr für Vertretungsübernahme, Aktenanlage usw.

Oder legt ihr ein paralleles Gebrauchsmuster einfach so zur Patentakte, ohne dafür Grundgebühren zu erheben?

Grüße Kurt
 
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