Offenlegung schon vor Ablauf von 18 Monaten nach Anmeldung

J

Jürgen

Guest
Hallo zusammen,

in welchen Fällen wird eigentlich eine Patentschrift schon vor Ablauf der 18 Monate nach Anmeldung offengelegt? Ich sehe öfter bei depatisnet Schriften von 2006.

Gruß,
Jürgen
 
G

GAST_DELETE

Guest
Auf Antrag des Anmelders (wenn er möglichst schnell Stand der Technik generieren will). Gilt für europ. und deutsche Anmeldungen.
 
J

Jürgen

Guest
Danke. Und welche Gründe gibt es, schnell einen Stand der Technik generieren zu wollen? Normalerweise ist man als Anmelder doch froh, wenn das eigene Know-how so spät wie möglich veröffentlicht wird? Gibt's dazu Erfahrungen?
 
G

GAST_DELETE

Guest
Damit bei einer ähnlichen Anmeldung durch einen Konkurrenten innerhalb der 18 Monate die eigene Anmeldung vorveröffentlichter Stand der Technik ist und somit für Neuheit und Erfindungshöhe relevant. Meldet der Konkurrent nämlich noch vor der Veröffentlichung an, so ist die Veröffentlichung trotz älterem Anmeldedatum höchstens für Neuheit relevant (nur wenn ebenfalls DE oder EP Anmeldung, im letzten Fall nur für identisch und wirksam benannte Staaten).
 
X

XYZ

Guest
Wenn er zum Beispiel mit dem Zusatz "zum Patent angemeldet" werben will, meine ich.
 
G

Gast (von oben)

Guest
XYZ schrieb:
Wenn er zum Beispiel mit dem Zusatz "zum Patent angemeldet" werben will, meine ich.
Ja, natürlich auch das, oder wenn er den vorläufigen Schutz bereits aus der Anmeldung will (allerdings etwas heikel)
 
J

Jürgen

Guest
Ah, danke, das leuchtet alles ein, obwohl wir schon sagen "zum Patent angemeldet" wenn die Anmeldung noch nicht veröffentlicht ist. Gelogen ist das ja auch nicht, meine ich.
 
S

Schmunzler

Guest
Vorsicht, Jürgen: In der Kanzlei könnt ihr da gerne Romane erzählen über "angemeldet", sobald es beim Amt ist. Aber in der Werbung oder Mitbewerbern gegenüber ist das nicht gestattet!

Denn: Wie soll bei einer noch nicht veröffentlichten Anmeldung der Mitbewerber wissen, was GENAU er nicht nachmachen sollte? Die Rechtsunsicherheit wäre ernorm.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Ein Blick im Gesetz erleichtert of die Rechtsfindung: §33PatG bzw. Art. 67 EPÜ: einstweiliger Schutz erst nach Veröffentlichung der Anmeldung
 
G

gastII

Guest
Schmunzler schrieb:
Vorsicht, Jürgen: In der Kanzlei könnt ihr da gerne Romane erzählen über "angemeldet", sobald es beim Amt ist. Aber in der Werbung oder Mitbewerbern gegenüber ist das nicht gestattet!

Denn: Wie soll bei einer noch nicht veröffentlichten Anmeldung der Mitbewerber wissen, was GENAU er nicht nachmachen sollte? Die Rechtsunsicherheit wäre ernorm.
Gestattet ist das schon, der Mitbewerber hat bei noch nicht veröffentlichter Anmeldung einen Auskunftsanspruch (§146 PatG). Sollte der Anmelder dem Mitbewerber der Verletzung bezichtigen, düfrte ein Recht zur Einsichtnahme in die noch nicht veröffentlichte Amtsakte bestehen.
 
P

ppa

Guest
gastII schrieb:
Schmunzler schrieb:
Vorsicht, Jürgen: In der Kanzlei könnt ihr da gerne Romane erzählen über "angemeldet", sobald es beim Amt ist. Aber in der Werbung oder Mitbewerbern gegenüber ist das nicht gestattet!

Denn: Wie soll bei einer noch nicht veröffentlichten Anmeldung der Mitbewerber wissen, was GENAU er nicht nachmachen sollte? Die Rechtsunsicherheit wäre ernorm.
Gestattet ist das schon, der Mitbewerber hat bei noch nicht veröffentlichter Anmeldung einen Auskunftsanspruch (§146 PatG). Sollte der Anmelder dem Mitbewerber der Verletzung bezichtigen, düfrte ein Recht zur Einsichtnahme in die noch nicht veröffentlichte Amtsakte bestehen.
Den Auskunftsanspruch hat der Mitwettbewerber nur, wenn damit gemäß 146 PatG offen geworben wird. Mitwettbewerbern kann man das schon mitteilen, z.b. im Gespräch oder einem Anschreiben, ohne dass diese gleich den Auskunftsanspruch haben.

Und die Rechtsprechung mit unzulässiger Werbung bei noch nicht offengelegter Anmeldung begründet sich nur aus UWG, nicht aus PatG.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
AW: Re: Offenlegung schon vor Ablauf von 18 Monaten nach Anmeldung

...wenn er möglichst schnell Stand der Technik generieren will...

Inwieweit muss eine Veröffentlichung eigentlich "auffindbar" sein, um als relevanter Stand der Technik zu gelten?

Klar, eine vorzeitige Veröffentlichung durch das Patentamt auf Antrag ist zu 100% relevant, aber auch zu 100% schädlich für eigene Nachanmeldungen.

Eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift, die das Fachgebiet der Erfindung zum Thema hat, wohl auch.

Wie sieht es aber mit einer eher verdeckten Veröffentlichung aus? Also quasi der Veranstaltung eines Seminars mit recht wenigen Teilnehmern und der Aushändigung eines entsprechenden Flyers?
Will man gegen die Anmeldung eines Konkurrenten vorgehen, kann man das dann aus dem Hut zaubern, bei einer eigenständigen Weiterentwicklung und Nachanmeldung besteht dann ja die Chance, dass von den Teilnehmern keiner mehr den Flyer hat, oder gar nichts von der Patentanmeldung mitbekommt, bzw. kein Interesse an einer Anfechtung hat.
Es gibt da glaube ich diverse "Tricks", wie z.B. das Aushängen der Patentanmeldung am Firmentor oder Firmenbriefkasten übers Wochenende, einen Artikel im Mitteilungsblatt des Nachbarkaffs, Positionierung auf der Firmenwebsite für ein paar Sonntage, aber nur durch ein paar Klicks zu erreichen, die eher unwahrscheinlich aber eben möglich sind, usw.
Jeweils natürlich irgendwie belegbar durch notarielle Bestätigung des Aushangs, Exemplar des Flyers, Websitearchive etc.

Ab wann zählt das eigentlich als relevant?

Gruß
Gerd
 

pak

*** KT-HERO ***
AW: Re: Offenlegung schon vor Ablauf von 18 Monaten nach Anmeldung

Inwieweit muss eine Veröffentlichung eigentlich "auffindbar" sein, um als relevanter Stand der Technik zu gelten?

"Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag ... der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind."(§3(1)2 PatG)

Öffentlichkeit = ein unbegrenzter Personenkreis hat oder hatte die Möglichkeit zur Kenntnisnahme
Zugänglichkeit = Objektive Möglichkeit, das Fachleute das Wesen der Erfindung zu erkennen vermögen

Anhand dieser Angaben kannst Du recht schnell feststellen, ob etwas Stand der Technik geworden ist oder nicht. Auch ist ersichtlich, dass beispielsweise das spätere Schicksal eines Flyers o. ä. nach öffentlicher Zugänglichkeit unerheblich ist.

Gruß

pak
 
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Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

einerseits hat Du ja recht, aaaber... ;-)

Für die Neuheit ist es bei einer bereits erfolgten Anmeldung, die "veröffentlicht" werden soll, ja eh egal, da hier der Inhalt der Anmeldung am dem Anmeldetag relevant ist.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit könnte es aber anders aussehen.
Damit ein Konkurrent kein Patent erteilt bekommen kann, das sich vielleicht nur in einem zusätzlichen Merkmal unterscheidet, was zwar gegenüber der eigenen Anmeldung (ggf. in Verbindung mit weitrerem Stand der Technik) naheliegend ist, aber eben auch neu, muss der Fachmann doch zumindest in Betracht ziehen, sich die Veröffentlichung anzuschauen, oder?

Wenn ich also ein Dokument A (meine Anmeldung), das sich auf die Konstruktion eines nuklearen Interstellarantriebes bezieht, in der Zeitschrift "Sockenstricken für Anfänger" veröffentliche, welches zusammen mit Dokument B (irgendein Artikel auf der Homepage der NASA) das zusätzliche Merkmal der Konkurrenzanmeldung naheliegend werden lässt, hätte ich jetzt glaube ich so meine Zweifel, dass dies am Ende als naheliegend und nicht patentierbar gewertet werden würde, oder?

Wenn jetzt das Dokument A schon alleine aufgrund normaler logischer Überlegungen das zusätzliche Merkmal nahelegt, könnte es dann evtl. besser aussehen, trotz Strickzeitschrift?

Gruß
Gerd
 
Zuletzt bearbeitet:

pak

*** KT-HERO ***
Wenn ich also ein Dokument A (meine Anmeldung), das sich auf die Konstruktion eines nuklearen Interstellarantriebes bezieht, in der Zeitschrift "Sockenstricken für Anfänger" veröffentliche, welches zusammen mit Dokument B (irgendein Artikel auf der Homepage der NASA) das zusätzliche Merkmal der Konkurrenzanmeldung naheliegend werden lässt, hätte ich jetzt glaube ich so meine Zweifel, dass dies am Ende als naheliegend und nicht patentierbar gewertet werden würde, oder?

Hallo Gerd,

ich verstehe Deine Frage nicht ganz. Beide Veröffentlichungen (Strickzeitschrift und NASA-Artikel) müssen dahingehend überprüft werden, ob es sich jeweils um Stand der Technik handelt (also Öffentlichkeit und Zugänglichkeit). Wird dies für beide bejaht, können die Offenbarungen selbstverständlich auch zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen und gegebenenfalls kombiniert werden. Oder übersehe ich etwas in der Fallgestaltung?

Gruß

pak
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

da ein Fachmann für interstellare Antriebe wohl eher nicht in einer Strickzeitschrift nach relevanten Informationen suchen würde, wären dort veröffentlichte Merkmale eventuell nicht naheliegend. Einfach auch aus dem Grund, weil es nicht naheliegend ist, Infos aus Strickzeitschriften für die Raumfahrttechnik zu verwenden.

So habe ich das bisher zumindest immer interpretiert.

Gruß
Gerd
P.S.:
Hier: http://www.liedtke-patent.de/public.php wird so etwas scheinbar regelmäßig gemacht. Auch hier die Frage, inwieweit es naheliegend wäre, dass dies dem Fachmann bekannt sein konnte, aber das sollte natürlich relevanter sein, als eine Veröffentlichung in der Strickzeitschrift.

Und noch ein Link:
http://wikipatent.latscha.info/doku.php?id=ep:epue2000:a56 (Fachmann und Fachwissen ff.)
 
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Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hallo,

ist es nicht so, dass der nur "theoretisch" existierende Durchschnittsfachmann grundsätzlich Zugriff auf den gesamten druckschriftlichen Stand der Technik hat, also auch die Mongolische Bäckerzeitung und den Tasmanischen Strandkurier?

Dies Frage des Naheliegens bezieht sich doch nur auf die Kombination zweier Druckschriften aus diesem unerschöpflichen Fundus an Druckschriften und nicht auf das ggf. nicht ganz einfache Auffinden...

Ah-No Nym
 
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pak

*** KT-HERO ***
Hallo Gerd,

da Du in Deinen Beiträgen stets den Begriff "nahe liegend" verwendest, sollte man vielleicht hier nochmal nachhaken.

Was Stand der Technik ist, definiert Art. 54(2) EPÜ:
"Den Stand der Technik bildet alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist."

Stand der Technik ist also - um beim Beispiel zu bleiben - die Offenbarung in der Strickzeitschrift und die Offenbarung in dem NASA-Artikel. Von diesem Stand der Technik geht man auch bei der Beurteilung der erifnderischen Tätigkeit aus:

Art. 56 EPÜ:
"Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt."

Man kann also nicht bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit plötzlich von einem anderen Stand der Technik ausgehen. "Nahe liegend" bedeutet in diesem Zusammenhang NICHT, dass es für einen Raketentechniker "nahe liegend" sein muss, den Stand der Technik einer Strickzeitschrift zu entnehmen.

Um anschaulicher zu sein: Lisbeth Müller, 90 Jahre, Strickfan, liest die Strickzeitschrift, findet den Artikel. Da ihr Neffe bei der ESA arbeitet, schickt Sie ihm eine Kopie des Artikels aus der Strickzeitschrift, da der Junge ja noch etwas dazulernen könnte ...

Gruß

pak
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

ich zitiere mal aus dem zweiten Link oben:

T 172/03: Der Fachmann würde nur technische Dokumente in Betracht ziehen und keine Geschäfts- oder wirtschaftliche Literatur

T 426/88: Das Fachwissen umfasst Fach- und Handbücher in allen Sprachen

Das schließt m.E. im Falle eines Antriebsingenieurs eher keine Strickzeitschriften oder mongolische Bäckerzeitschriften ein.

Dann noch:

T 142/84: Dokumente dürfen nur kombiniert werden, wenn sie für den Fachmann offensichtlich sind

Tja, und was nun?
Ich bin jetzt aber grad nur Advocatus Diavoli. Wenn Ihr sagen würdet "nicht relevant" würde ich natürlich Argumente für "relevant" suchen :)

Trotzdem würde mich interessieren, wie es nun wirklich gehandhabt wird...

Gruß
Gerd
 
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