LLMs als Brücke für Nachweis "naheliegend"

PatentJo

Schreiber
Guten Morgen zusammen,

beim Vorbereiten eines Einspruchs gegen ein europäisches Patent kam bei mir der Gedanke auf, ob man AI/KI, genauer LLMs, nicht zum Nachweis eines Veranlassens für den Durchschnittsfachmann, in Richtung der Erfindung zu arbeiten, nutzen könnte.

Ausgangssituation:
- LLM, das zu einem verifizierbaren Zeitpunkt trainiert wurde, der vor dem Anmeldetag einer Patentanmeldung liegt
- das in der Patentanmeldung genannte Problem, das durch die offenbarte Erfindung gelöst werden soll, ist bereits aus dem Stand der Technik bekannt
- das LLM schlägt zum Lösen dieses Problems mehr oder weniger die Erfindung vor, weist auf jeden Fall in diese Richtung

Fragen:
1. ist damit die Erfindung als für einen Durchschnittsfachmann naheliegend anzusehen und somit nicht mehr patentierbar?
2. falls die Antwort zu 1. "nein" lautet: warum ist die Erfindung trotzdem nicht naheliegend ?
3. falls die Antwort zu 1. "ja" lautet: ab welcher Stabilität zählen Antworten eines LLMs zu "Veranlassung" für einen Durchschnittsfachmann, in Richtung der Erfindung zu arbeiten ?

Vielen Dank im Voraus für Eure Kommentare.
 

der_markus

*** KT-HERO ***
Also ein LLM direkt als Fachmann anzusehen würde ich mich nicht trauen, da der Fachmann bekanntlich in der Praxis als Ingenieur (FH) oder Meister o.ä., also als natürliche Person, "mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Erfindung" definiert wird.

Ich weiß nicht genau, wie LLMs im Hintergrund funktionieren. Da die Einspruchsabteilung das wahrscheinlich auch nicht weiß, wird die Beweislast im Zweifel bei dir liegen. (Viel Spaß dabei.)
Wenn das LLM einerseits nur darauf trainiert ist, zum Abfragezeitpunkt das Internet zu durchforsten und somit die Daten in Echtzeit zu beziehen, wirst du Schwierigkeiten haben nachzuweisen, dass die jeweilige Kenntnis bereits vor dem relevanten Anmelde-/Prioritätstag bekannt war.
Wenn man andererseits davon ausgeht, dass das LLM auf einen, zu einem feststellbaren und beweisbaren Zeitpunkt bestehenden, inhaltlich abgrenzbaren Wissensschatz zurückgreift ("Datenbank mit Stand 01.01.20xx"), könnte man argumentieren, dass der Umstand, dass das LLM die jeweilige Kenntnis produzieren kann, als Nachweis angesehen werden kann, dass die Kenntnis zum Zeitpunkt der Erstellung des Wissenschatzes bekannt war. Da der Fachmann im Patentrecht ja eine fiktive Figur ist, die über sämtliche Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet der Technik verfügt, könnte man dann folgern, dass der Fachmann über die in der Datenbank enthaltene Kenntnis verfügt hat. Und da der Fachmann im EPÜ keinen Anlass braucht, um auf sein Fachwissen zurückzugreifen, da er dieses laut Richtlinien "immer präsent hat", könnte man die Kenntnis als naheliegend ansehen.

Was in diesem Zusammenhang allerdings noch zu bedenken ist, ist dass nicht jede (spezielle) Kenntnis zum allgemeinen Fachwissen zählt. In der Regel bedarf es eines Nachweises durch ein anerkanntes Nachschlagewerk um argumentieren zu können, dass ein bestimmter Umstand "Fachwissen" darstellt. Um auf "spezielle Kenntnisse" zurückzugreifen, ist dann wieder ein Anlass erforderlich.

Unterm Strich wäre mir persönlich die Argumentation mit einem LLM zu gewagt. Aber warum nicht, führ das doch mal ins Feld und schau wie die Einspruchsabteilung reagiert. Aber eine "handelsübliche" Argumentationslinie solltest du auf jeden Fall auch noch parat haben.
 
Zuletzt bearbeitet:

Lysios

*** KT-HERO ***
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