Kanzleisuche für Kandidaten

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Aus gegebenem Anlass (siehe Berlin-Thread) ein paar Hinweise für die geneigten Kandidaten-Bewerber. Namen nennen finde ich falsch, genauso wie versteckte Hinweise auf bestimmte Kanzleien. Das öffnet das Tor zu gezielter und womöglich ungerechtfertigter Diffamierung. Es geht auch anders und mit ein bischen Köpfchen käme man sogar ohne die unten stehenden Hinweise aus, denn an sich sind die Phänomene nachvollziehbar und logisch.

Die meisten Kanzleien bilden durchschnittlich gut (oder schlecht) aus und übernehmen in der Regel einen Teil ihrer Kandidaten als vollwertige Partner. Einige gute Kanzleien suchen sich sehr gezielt ihre Kandidaten, bilden sehr gut aus und übernehmen dann fast alle Kandidaten (manche wenige Kandidaten gehen auch selber). Natürlich stellen sich im Vorstellungsgespräch alle so dar. Es gibt aber auch "schwarze Schafe" bei den Ausbildern. Es sind nicht viel, das Problem ist aber, dass sie einen derartigen Verschleiß an Kandidaten haben (durch Rausschmiss, Vergraulen, später werden die Leute nicht Partner, so dass neue Kandidaten her müssen), dass es am Ende zahlenmäßig übermäßig viele Kandidaten trifft. Das Problem: Wie erkenne ich die guten und die schlechten? Es gibt ein paar Indizien:

  • Die Anzahl der Inserate sollte nicht inflationär in Bezug auf die Größe der Kanzlei sein. Dass große Kanzleien mehr Recruiting betreiben ist logisch. Wenn kleinere und mittlere Kanzleien oft inserieren sollte man sich fragen warum das so ist. Also mal schön die alten Kammerrundschreiben zusammensuchen (vielleicht von einem befreundeten Anwalt/Kandidaten o.ä.) und forschen. Zu Kanzleien, die anonym inserieren, muss ich hoffentlich nichts sagen....
  • Anzahl Partner (nicht Anwälte!) zu Anzahl Kandidaten: Das Verhältnis sollte möglichst größer 2:1 oder besser 3:1 sein. Ausnahme: junge, stark expandierende Kanzleien. Bei alten Patentanwälten mit vielen Kandidaten (Verhältnis kleiner 2:1 oder gar 1:1): Finger weg. Gilt erst recht für Kanzleien mit 1-2 Partnern und einem Verhältnis um 1:1.
  • Web-archive: Da kann man oft schön sehen, was sich so auf dem Briefkopf und manchmal auch bei den Kandidaten tut. Wenn da viel Wechsel ist, ist die Lage eigentlich auch klar: schlecht.
  • Allgemein gilt: Umso unauffälliger (wenig Inserate, wenig Wechsel bei den Mitarbeitern), umso besser und vice versa. Ganz kritisch sind auch Brüche in der Kanzleihistorie zu sehen, besonders, wenn sie gehäuft bei einer kleineren Kanzlei auftreten. Dass große Läden auseinanderbrechen oder es Ausgründungen gibt ist die Regel und meist ein gutes Indiz für den aus einer Großkanzlei herausbrechenden Teil. Über den verbleibenden, alten großen Rest sagt das allerdings meist wenig aus, außer dass der Laden anscheinend zu groß geworden ist, um integrationsfähig zu bleiben.
  • Im Gespräch offen ansprechen: Wieviele Kandidaten waren da, was wurde aus ihnen etc. Ausflüchte a la "die waren schlecht /nicht leistungsbereit / Querkopf" sind eher eine Aussage über den Ausbilder, seine Ausbildung und die Fähigkeit, gute Leute zu suchen, als über die gegangenen Kandidaten selber.
  • In der Provinz (außerhalb der vier, fünf größten Städte und insbesondere weg von München) ist die Lage grundsätzlich besser.
  • Wenn vom Kandidaten im ersten Jahr erwartet wird, dass er sich selber trägt: schlecht. Das ist bei einer guten Ausbildung eigentlich fast nicht zu schaffen - zumindest wenn man die Zeit mit einrechnet, die der PA durch die Ausbildung verliert.
Wie gesagt, es gibt gute und sehr gute Ausbilder, man muss nur suchen und vielleicht auch Initiativbewerbung betreiben, dann findet man auch welche. Übrigens sagen weit über die Hälfte der PAs, dass sie einen überdruchschnittlich guten Ausbilder hatten;-)
 

eqe-berlin

SILBER - Mitglied
Vorweg: die Tips sind zweifelsohne gut.


Das gelbe U schrieb:
Namen nennen finde ich falsch, genauso wie versteckte Hinweise auf bestimmte Kanzleien. Das öffnet das Tor zu gezielter und womöglich ungerechtfertigter Diffamierung.
Namen nennen ist hier ja explizit verboten, die versteckten Hinweise sind dann ein Weg, das Verbot zu umgehen, was die Sache nicht unbedingt besser macht, als den Namen direkt zu nennen. Aber spricht man dem Leser nicht die Kompetenz ab, Informationen, die sich allein auf Hörensagen stützen, als solche selbst zu werten, wenn man jegliche Negativäußerung über Ausbildungskanzleien unterbindet? Die im "Berlin"-Thread gemachten Äußerungen lassen sich eindeutig einer bestimmten Kanzlei zuordnen, und zwar nicht, weil Angaben über den Ort des Büros gemacht wurden, sondern weil der Ruf des Ausbilders stadtweit bekannt ist. Ich kenne eine ganze Anzahl Leute, die selbst Erste-Hand-Erfahrungen gesammelt haben, und kann nur bestätigen, dass der Ausbilder einen sehr schlechten Ruf hat. Das ist eine Tatsache. Dass der Ruf gerechtfertigt sei, behaupte ich hingegen nicht, weil ich selbst keine Erfahrungen mit dem Ausbilder gesammelt habe.


Übrigens sagen weit über die Hälfte der PAs, dass sie einen überdruchschnittlich guten Ausbilder hatten;-)
:)

Wobei "weit über die Hälfte der PAs" und "überdurchschnittlich" kein Widerspruch sind. Die verbleibenden PAs könnten so schlechte Ausbilder gehabt haben, dass sie den Durchschnitt so weit runtergezogen haben, dass er unterhalb des Medians lag.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Das gelbe U schrieb:
2. Anzahl Partner (nicht Anwälte!) zu Anzahl Kandidaten: Das Verhältnis sollte möglichst größer 2:1 oder besser 3:1 sein. Ausnahme: junge, stark expandierende Kanzleien. Bei alten Patentanwälten mit vielen Kandidaten (Verhältnis kleiner 2:1 oder gar 1:1): Finger weg. Gilt erst recht für Kanzleien mit 1-2 Partnern und einem Verhältnis um 1:1.
Wenn also ein Einzelanwalt ausbildet (z.B. um seine Nachfolge zu regeln), ist er von vornherein verdächtig, oder wie ist das zu verstehen? Generell sind solche Zahlenspiele aufgrund der Vielzahl an Kanzleimodellen und Charakteren in dem Bereich mit Vorsicht zu genießen.

Ansonsten kann ich den Ratschlägen zustimmen.

Was ich für extrem wichtig halte: Gut auf das Bauchgefühl achten! Erzählt wird viel, und nicht alles spiegelt sich in der Realität wieder. Bei einem Vorstellungsgespräch wird man nicht in der Lage sein, die Situation vollständig zu durchschauen. Aber in der Regel merkt man doch, ob man über den Tisch gezogen werden soll oder nicht ... das gilt übrigens auch für den eventuellen Beitritt zu einer Partnerschaft.
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Pat-Ente schrieb:
Wenn also ein Einzelanwalt ausbildet (z.B. um seine Nachfolge zu regeln), ist er von vornherein verdächtig, oder wie ist das zu verstehen?
Wenn der Einzelanwalt 60 oder darüber ist und in einer Großstadt mit vielen Patentanwälten sitzt: ein klares Ja. Es hat seinen Grund, warum die Leute nach 30 Jahren immer noch alleine herumsitzen. Jeder PA mit ordentlichem Mandantenstamm und vernüftigem Sozialverhalten hat die Möglichkeit sich frühzeitig vor der Rente einer Kanzlei anzuschließen um seine Mandanten bei größtmöglicher Kontinuität zu versilbern. Wenn er diese Option nicht gewählt hat, stehen die Chancen, dass der hoffnungsvolle Kandidat später mal den Laden zu vernüftigen Konditionen bekommt, erfahrungsgemäß eher schlecht bis aussichtlos.

Wie immer gibt es Ausnahmen: Der Einzelanwalt in entlegenen Gebieten abseits der Großstädte. Hier würde ich aber immer nachfragen, was aus ehemaligen anwaltlichen Mitarbeitern wurde und ob es schon vorher Kandidaten gab. Außerdem ist in dieser Situation die Frage nach der betriebswirtschaftlichen Situation der Kanzlei bereits im Vorstellungsgespräch unumgänglich.

Pat-Ente schrieb:
Generell sind solche Zahlenspiele aufgrund der Vielzahl an Kanzleimodellen und Charakteren in dem Bereich mit Vorsicht zu genießen.
Wie schon gesagt, Nachdenken und Intelligenz ist gefragt. Für jeden einzelnen der obigen Punkte gibt es Ausnahmen. Ich würde aber, weil es so eine wichtige Entscheidung ist, kein unnötiges Risiko eingehen.

Pat-Ente schrieb:
Ansonsten kann ich den Ratschlägen zustimmen.
Vielen Dank, da stecke ich auch nicht alleine dahinter....

Pat-Ente schrieb:
Was ich für extrem wichtig halte: Gut auf das Bauchgefühl achten! Erzählt wird viel, und nicht alles spiegelt sich in der Realität wieder. Bei einem Vorstellungsgespräch wird man nicht in der Lage sein, die Situation vollständig zu durchschauen. Aber in der Regel merkt man doch, ob man über den Tisch gezogen werden soll oder nicht ... das gilt übrigens auch für den eventuellen Beitritt zu einer Partnerschaft.
Das mit dem Bauchgefühl ist so ne Sache - oft können die größten Rattenfänger der Branche (erzählt wird wahrlich viel) einen auch am besten Einlullen. Die Erfahrung zeigt, dass unbeteiligte Frauen ein hervorragendes Gespür (Bauchgefühl) für diese Fälle haben - wenn man also die Chance hat, eine Frau mitzunehmen, die dann den späteren Ausbilder kruz kennenlernt: nur zu! Die Damen merken das bereits nach ein, zwei Minuten Händeschütteln und Small-Talk. Komischerweise sind Frauen, wenn sie selbst als Kandidaten anheuern, aber dann oft noch verblendeter als die männlichen Mitbewerber. Mit dem Thema könnten wir Bücher füllen. Alles Empirie und ohne Erklärungsversuche.
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Nachdem wieder eine Frage in die Richtung "ist alles wirklich so schlimm"? aufgetaucht ist, möchte ich noch geschätzte Zahlen anfügen: Die Frage "Wieviele beenden ihre Ausbildung?" ist in meinen Augen nicht die richtige Frage. Die richtige Frage lautet "Wieviele sind nach ihrer Ausbildung enttäuscht, weil sich ihre anfänglichen Vorstellungen nicht mal im Ansatz verwirklichen und weil auch Alternativen schief laufen?". Das sind ziemlich viele, ich würde sagen 50%. Noch eine Zahl gibt es: etwa 20%-25% bleiben bei ihrer Ausbildungskanzlei und werden dort Partner, auf dem Land mehr, in München nochmals weniger. Ich bin aber der Meinung, dass man (immer noch, es wird schiweriger) mit geschickter Auswahl der Ausbildungskanzlei die Wahrscheinlichkeit auf Enttäuschung deutlich reduzieren kann.
 
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