Jetzt nochmal richtig: Verhalten in der mündlichen Verhandlung?

Kurt

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

inzwischen hat freundlicherweise der Redakteur all die leeren Threads zum vorliegenden Thema gelöscht, die aufgrund der gestrigen Serverprobleme entstanden sind. Daher nochmal neu meine Frage zu der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts.

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Zwar war ich schon als Gast oder Kandidat in der einen oder anderen Verhandlung, ist aber wohl auch schon ein paar Jahre her. Nun soll ich also zum ersten Mal in eine Verhandlung vor dem Beschwerdesenat entsandt werden, und würde mich hierzu über ein paar Insidertipps natürlich freuen.

Zunächst mal die Formalien wie Begrüßung und Anrede: gibt es etablierte Standards, dass man einen Satz möglichst mit "Herr Vorsitzender" oder "Herr Beisitzer" beginnen sollte? Die Toga ist ja offenbar obligatorisch - wie sieht es mit Krawatte aus: Farbe weiß(?), oder egal?

Bei den Anträgen: müssen die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen eine "erteilungsfähige" Reinschrift darstellen, oder kann eine Reinschrift beispielsweise der überarbeiteten Beschreibung noch ein paar Tage nach der mündlichen Verhandlung eingereicht werden?

Und sollte man bei den Anträgen immer förmlich sagen "die Patentinhaberin beantragt bla bla bla...", oder kann ich auch einfach äußern "in diesem Fall beantrage ich, die Patentansprüche wie folgt zu ändern bla bla bla..."

Wird der Senat zuerst seine vorläufige Ansicht nach Lage der Akten äußern und mich zur Stellungnahme auffordern, oder wird zuerst der Vertreter aufgefordert, seinen Antrag zu stellen?

Und wenn am Schluss verkündet wird, dass mein Patent keinen Bestand hat, sage ich dann Schönen Dank auch, oder raffe ich einfach meine Unterlagen zusammen und stolpere von dannen...?

Über Antworten, Anekdoten aus der mündlichen Verhandlung und 'Verhaltensrichtlinien' würde ich mich freuen,

Grüße Kurt.
 

gastII

SILBER - Mitglied
> Die Toga ist ja offenbar obligatorisch

Ja. Wenn man sie vergisst, hängen immer ein paar Notexemplare in Kleiderschrank im Anwaltszimmer.

>wie sieht es mit Krawatte aus: Farbe weiß(?), oder egal?

im prinzip egal. Beim BPatG gibt es mW keine diesbezüglichen Vorschriften. Bei einigen LGs oder OLGs schon.

> Bei den Anträgen: müssen die in der mündlichen Verhandlung
> vorgelegten Unterlagen eine "erteilungsfähige" Reinschrift
> darstellen, oder kann eine Reinschrift beispielsweise der
> überarbeiteten Beschreibung noch ein paar Tage nach der
> mündlichen Verhandlung eingereicht werden?

Naja, es soll ja ein abschließender Beschluß verkündet werden. Daher müssen erteilungsreife Unterlagen vor Beschlussverkündung vorliegen. In der Praxis reichen Kopien mit handschriftlichen ergänzungen aus. Um diese noch zu erstellen, kann man ggf. eine Unterbrechung beantragen und erforderliche Kopien beim Sitzungsdienst anfertigen.

> Und sollte man bei den Anträgen immer förmlich sagen "die
> Patentinhaberin beantragt bla bla bla...", oder kann ich auch
> einfach äußern "in diesem Fall beantrage ich, die
> Patentansprüche wie folgt zu ändern bla bla bla..."

vollkommen egal. In der Regel lesen die Richter die Anträge vor und Du nickst sie ab. Sagen brauchst Du nichts.

> Wird der Senat zuerst seine vorläufige Ansicht nach Lage der
> Akten äußern und mich zur Stellungnahme auffordern, oder wird
> zuerst der Vertreter aufgefordert, seinen Antrag zu stellen?

Bei einer Anmelderbeschwerde wird der Vorsitzende zu beginn in der Regel die vorläufige Sicht des Senats mitteilen. GGf. bastelt man zusammen an einer gewährbaren Fassung, ist mir auch schon passiert.

Beim zweiseitigen Verfahren kommt es gelegentlich auch vor, dass der Senat eine vorläufige Meinung abgibt. Es bringt erfahrungsgemäß nichts, einen kompletten Vortrag auszuarbeiten, man sollte auf die Fragen eingehen, die vom Senat aufgeworfen werden.
 

PatFan

GOLD - Mitglied
Hallo Kurt,

dann mal auf in die Welt der Pinguine. Ist alles halb so wild, als erstes gilt es cool zu bleiben und nicht durch die eigene Aufregung den Überblick verlieren. Zum Glück bist Du ja erstmal im einseitigen Verfahren, so dass Dir wenigstens der gehässige Kollege auf der anderen Seite erspart bleibt :)

Kurt schrieb:
Zunächst mal die Formalien wie Begrüßung und Anrede: gibt es etablierte Standards, dass man einen Satz möglichst mit "Herr Vorsitzender" oder "Herr Beisitzer" beginnen sollte? Die Toga ist ja offenbar obligatorisch - wie sieht es mit Krawatte aus: Farbe weiß(?), oder egal?
Die Toga ist obligatorisch. Krawatte auch, aber weiß muss sie nicht sein. Es genügt jede andere (meines Wissens gehört sie sogar nichtmal zur offiziellen PA-Kluft, sondern ist nur bei RAs vorgeschrieben - aber selbst die tragen weiß ja meist nur beim OLG). Wenn Du Deine Robe vergessen hast, im Anwaltszimmer hängen immer ein paar alte zum Leihen.

Die Begrüßung ist ganz normal "Guten Morgen". Wenn Du den Vorsitzenden direkt ansprichst kannst Du "Herr Vorsitzender" sagen, aber meist redest Du ja mit dem ganzen Senat, so dass ich diese Anrede eigentlich nie gebrauche, sonst kommen sich 2 Beisitzer ziemlich ausgegrenzt vor. Wenn Du die Namen kennst kannst Du sie auch mit Namen ansprechen, etwa wenn Du eine Frage an einen bestimmten Beisitzer richten möchtest. Herr Beisitzer ist eher ungewöhnlich, lieber Herr Richter.

Kurt schrieb:
Bei den Anträgen: müssen die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen eine "erteilungsfähige" Reinschrift darstellen, oder kann eine Reinschrift beispielsweise der überarbeiteten Beschreibung noch ein paar Tage nach der mündlichen Verhandlung eingereicht werden?
Du beantragst zunächstmal den neuen Anspruch, solltest natürlich einen Hilfsantrag vorbereitet haben. Wenn es aber eng wird bekommst Du auf Antrag aber auch eine Pause, um die Offenbarung nochmal angesichts des Gesagten durchzusehen. Rein vorsorglich kannst Du ja auch schon mal den Satz "Ich erkläre die Teilung der Anmeldung" auswendig lernen, damit wenigstens eine Teilanmeldung ein eventuelles Gemetzel überlebt.

In Sachen der Beschreibung sagt Dir der Vorsitzende schon, was er möchte. Er kann es sofort ändern und das Patent erteilen, er kann einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmen und Dir aufgeben, bis dahin die geänderte Einleitung einzureichen oder er kann auch ins schriftliche Verfahren übergehen. Meist wird er aber versuchen, die Sache an dem Tag abzuschließen.

Kurt schrieb:
Und sollte man bei den Anträgen immer förmlich sagen "die Patentinhaberin beantragt bla bla bla...", oder kann ich auch einfach äußern "in diesem Fall beantrage ich, die Patentansprüche wie folgt zu ändern bla bla bla..."
Achtung: "die Patentinhaberin beantragt bla bla bla..." bedeutet meist: Ich will ja so einen Quatsch eigentlich nicht vortragen, werde aber vom Mandanten dazu gezwungen. Diese Floskel ist schon fast eine Entschuldigung für das eigene Gefasel.

Lieber "ich beantrage ..."


Kurt schrieb:
Wird der Senat zuerst seine vorläufige Ansicht nach Lage der Akten äußern und mich zur Stellungnahme auffordern, oder wird zuerst der Vertreter aufgefordert, seinen Antrag zu stellen?

Und wenn am Schluss verkündet wird, dass mein Patent keinen Bestand hat, sage ich dann Schönen Dank auch, oder raffe ich einfach meine Unterlagen zusammen und stolpere von dannen...?

Über Antworten, Anekdoten aus der mündlichen Verhandlung und 'Verhaltensrichtlinien' würde ich mich freuen,
Der Vorsitzende führt in der Regel in den Streitgegenstand ein und teilt Dir die Meinung des Senats mit. Dann kannst Du darauf erwidern und eventuell neue Anträge/Hilfsanträge stellen, ansonsten ist das Gespräch meist recht konstruktiv.

Nach der Verkündung packst Du die Sachen zusammen und verabschiedest Dich mit einem normalen "Auf Wiedersehen". Es kann übrigens auch durchaus sein, dass eine normale Konversation über die Probleme mit dem Mandanten, die Heimfahrt oder sonstwas zustandekommt, schließlich sind Richter auch (nette) Menschen.

Gruß PatFan
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Erstmal vielen Dank für die netten und hilfreichen Antworten.
PatFan schrieb:
Zum Glück bist Du ja erstmal im einseitigen Verfahren, so dass Dir wenigstens der gehässige Kollege auf der anderen Seite erspart bleibt :)
Ähm PatFan, woher weißt'n das jetzt schon wieder, habe ich doch gar nicht geschrieben, dass ich im einseitigen Verfahren bin :) ?
PatFan schrieb:
Die Begrüßung ist ganz normal "Guten Morgen".
Wie ist das eigentlich: von wem und wo werde ich aufgerufen? Muss ich direkt vor der Türe herumlungern, oder kann ich mich auch beim Sitzungsdienst auf das Sofa setzen (das es dort meiner schwachen Erinnerung nach gibt)? Fangen die Verhandlungen vormittags üblicherweise pünktlich an...?
PatFan schrieb:
Rein vorsorglich kannst Du ja auch schon mal den Satz "Ich erkläre die Teilung der Anmeldung" auswendig lernen, damit wenigstens eine Teilanmeldung ein eventuelles Gemetzel überlebt.
Oops, waren wir nicht neulich zu dem Schluss gekommen, dass Teilung im Einspruchsverfahren neuerdings nicht mehr möglich ist?
PatFan schrieb:
Achtung: "die Patentinhaberin beantragt bla bla bla..." bedeutet meist: Ich will ja so einen Quatsch eigentlich nicht vortragen, werde aber vom Mandanten dazu gezwungen. Diese Floskel ist schon fast eine Entschuldigung für das eigene Gefasel.
Aahhhhh, danke...
PatFan schrieb:
Nach der Verkündung packst Du die Sachen zusammen und verabschiedest Dich mit einem normalen "Auf Wiedersehen". Es kann übrigens auch durchaus sein, dass eine normale Konversation über die Probleme mit dem Mandanten, die Heimfahrt oder sonstwas zustandekommt, schließlich sind Richter auch (nette) Menschen.
OK...

Jetzt noch das Thema, ähm, Laptop...

Wie sind die Erfahrungen mit Laptop in der mündlichen Verhandlung? Ich meine, nicht um ständig darauf herumzutippen, sondern um nicht die ganze Akte in Papierform mitschleppen zu müssen (ist ungefähr einen halben Meter hoch)?

Grüße Kurt
 

Horst

*** KT-HERO ***
Nur kurz zu einigen Punkten:

Man lungert tatsächlich irgendwo im BPatG herum und wir dann
ausgerufen. Die Verhandlungen gehen idR pünktlich los.

Die meisten tragen eine weiße Krawatte und Anzug. Patentanwälte heben sich aber manchmal auch durch Jeans und Karohemd von Rechtsanwälten ab.

Nach der Verkündung des Beschlusses sagen die meisten tatsächlich "Vielen Dank.".

Wenn Du als Patentanwalt für einen Mandanten auftrittst, dann trägst Du eine Robe. Wenn Du als Patentassessor für Deinen Arbeitgeber auftrittst, trägst Du keine Robe.

Insgesamt herrscht eine kollegiale Atmospähre. Ich wüßte auch nicht was gegen ein Notebook spricht, es sei denn, es hat den Lautstärkepegel eines startenden Airbus.
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Ich wüßte auch nicht was gegen ein Notebook spricht, es sei denn, es hat den Lautstärkepegel eines startenden Airbus.
Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass es nicht gerade Sympathie schafft, wenn man bei der Bedienung des Laptops den Eindruck erregt, nicht Herr der Lage zu sein. Ich persönlich würde lieber mit einem eigens angefertigten Auszug aus dem halben Meter Akten arbeiten als mit einer elektronischen Vollversion der Akte auf einem Laptop...
 

PatFan

GOLD - Mitglied
[quote:Kurt]Erstmal vielen Dank für die netten und hilfreichen Antworten.
PatFan schrieb:
Zum Glück bist Du ja erstmal im einseitigen Verfahren, so dass Dir wenigstens der gehässige Kollege auf der anderen Seite erspart bleibt :)
Hatte ich aus der Frage nach den erteilungsfühigen Unterlagen geschlossen, in der Einspruchsbeschwerde hätte es ja schon ein erteiltes Patent gegeben.

Gruß PatFan
 

Kurt

*** KT-HERO ***
PatFan schrieb:
Hatte ich aus der Frage nach den erteilungsfühigen Unterlagen geschlossen, in der Einspruchsbeschwerde hätte es ja schon ein erteiltes Patent gegeben.
Achso, nee, Patent ist schon erteilt, Gegenseite erscheint aber nicht in der Verhandlung.

Mit erteilungsfähigen Unterlagen meine ich, ob ich zu jedem Hilfsantrag auch schon die passend geänderte Beschreibung dabei haben muss?

Danke schonmal und Grüße Kurt.
 
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