Das zitierte Urteil ist in der Tat hoch interessant.
Es setzt meines Erachtens die ständige, Patentinhaber-freundliche Rechtsprechung des LG Düsseldorf fort, mit der dieses seinen Ruf als attraktiver Gerichtsstandort für Patentverletzungsklagen weiter ausbauen will. Schließlich verdient man mit diesen Klagen eine Menge Geld und erwirbt sich einen Ruf als DAS Patentgericht in Europa (das ist natürlich ein rein subjektiver Eindruck ...). Unabhängig davon, dass ich die Ansicht des LG Düsseldorf nicht teile, geht es mir gegen den Strich, dass mal wieder überhaupt nicht danach gefragt wird, was den mit dem Interesse der des vermeintlichen Verletzers oder der Öffentlichkeit ist (Rechtssicherheit etc.).
Außerdem ist die Begründung, die auf die Gesetzesbegründung zurückgreift, zwar "juristisch sauber", aber unvollständig. Es wird nämlich nur festgestellt, dass der Patentinhaber an dem deutschen Patent ein (formelles) rechtliches Interesse haben muss, nicht aber danach, ob dieses Interesse auch "rechtmäßig" ist bzw. gegenüber der Öffentlichkeit oder dem vermeintlichen Verletzer vertretbar ist.
Nach Ansicht des LG Düsseldorf reicht es aus, wenn
1) die Anspruchsfassungen voneinander abweichen und
2) das europäische Patent zusätzlich Merkmale enthält, die im Anspruch des deutschen Patents ersatzlos fehlen
Dies ist im Urteil Fall (c), der der Frage in diesem Forum entspricht.
Ein (formelles) rechtliches Interesse an dem weiteren Schutzbereich des deutschen Patents ist dem Patentinhaber nicht abzusprechen, das liegt auf der Hand. Das LG Düsseldorf hinterfragt allerdings nicht, wie diese unterschiedlichen Anspruchsfassung zustande kommen.
Beispiel: Das DE Patent wird mit breitem Schutzumfang erteilt, weil der Prüfer schlichtweg Stand der Technik nicht findet, den der Prüfer im EPA aber findet. Der Patentinhaber sieht sich gezwungen, aufgrund des im europäischen Erteilungsverfahren aufgefundenen Stand der Technik den Erteilungsantrag zum EP-Patent einzuschränken. Das DE Patent wird hingegen mit breitem Schutzumfang erteilt, obwohl es in Kenntnis des im EP Verfahren aufgefundenen Standes der Technik eigentlich so nicht hätte erteilt werden dürfen.
Und jetzt ist es gerechtfertigt, dem Patentinhaber den vollen Schutzumfang des DE Patents zu gewähren?
Meines Erachtens muss es mindestens eine weitere Bedingung geben: Wenn das EPA dem Patentinhaber den breiteren Schutzumfang des DE-Patents nicht gewährt hat oder der Patentinhaber diesen Schutzumfang im EP-Prüfungsverfahren "freiwillig" aufgegeben hat, dann kann er sich diesen später für DE nicht dadurch zurückholen, dass er auf das DE Patent zurückgreift.
Die Regelung des IntPatÜG dient meiner Ansicht nach auch gerade dazu, Rechtssicherheit für die Öffentlichtkeit zu schaffen. Entscheidet sich der Patentinhaber daführ, das EP-Patent in DE mit einem engeren Schutzbereich zu validieren, dann muss die Öffentlichkeit davon ausgehen dürfen, dass das DE-Patent in diesem Umfang unbeachtlich ist.
Unabhängig davon habe ich noch nie verstanden, was der Sinn dahinter ist, dass DE Patente aus PCT eine Rücknahmefiktion auslösen, während DE Patente aus EP lediglich eine Wirkungslosigkeit verursachen. Vielleicht kann mir das mal jemand erklären.