EPÜ Gemischt rückbezogene Ansprüche

Kurt

*** KT-HERO ***
Hi Forum,

was wäre zu folgender Anspruchskonstruktion hinsichtlich Zulässigkeit vor dem EPA zu sagen:

  1. Verfahren
  2. Vorrichtung
  3. Verfahren nach Anspruch 1 oder Vorrichtung nach Anspruch 2, gekennzeichnet durch...
Problem oder kein Problem?

Vielen Dank für Meinungen,

Grüße Kurt
 

Fip

*** KT-HERO ***
Das ist tägliches Brot. Ich hatte noch nie ein Problem damit.



Sicher? Ich habe noch zugegebener Maßen noch nie einen Anspruch zugelassen bekommen, dessen Anspruchskategorie nicht eindeutig festgelegt ist (und sei es nur aus rein formalen Gründen), habe es aber auch noch nie wirklich versucht und auch noch nie (wirklich nie) in einem erteilten Patent so gesehen. Kann jemand ein erteiltes Patent nennen, in dem das so drinsteht?


Wie kann ein und derselbe Anspruch sowohl Verfahrens- als auch Vorrichtungsanspruch sein, und wie sind dann die nachfolgenden Merkmale zu interpretieren, wo doch räumliche körperliche Merkmale bei Verfahrensansprüchen ggf. gar keine Bedeutung haben können und Verfahrensmerkmale umgekehrt bei Vorrichtungsansprüchen ggf. auch nicht.


Also, dass das EPA das anscheinend durchgehen lässt, wundert mich. Wäre ich Prüfer, würde ich es nicht zulassen. Und selbst wenn es nur zur Vermeidung von Anspruchsgebühren gemacht wird, würde ich es nicht zulassen (wobei ich ohnehin davon ausgehen würde, dass das EPA das erst recht nicht zulassen würde, weil für Geld sind die sich ja für nichts zu schade).
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Ich muss auch sagen, dass ich asdevi nicht zustimmen kann. Vielleicht hängt es auch von der Direktion ab, aber bei uns werden solche Ansprüche regelmäßig als unklar zurückgewiesen.

Nichtsdestotrotz sind solche Ansprüche nicht per se unklar. Es muss schon eine Begründung des Prüfers vorliegen. Hierzu die RiLis:

http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/f_iv_3_4.htm

und

http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/f_iv_3_8.htm

Kurzum, nicht per se unklar, aber häufig als unklar zurückgewiesen aus dem Grund den Fip nannte.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Sicher? Ich habe [das] aber auch noch nie wirklich versucht und auch noch nie (wirklich nie) in einem erteilten Patent so gesehen.
Hmm so gings mir ja auch, von daher fragte ich...

Aber wo Asdevi das ja anscheinend regelmäßig ("tägliches Brot") problemlos anwendet, erschien mir seine Bestätigung genügend.

@Asdevi: sicher dass Du wirklich Anspruchskonstruktionen wie eingangs genannt schon oft angewandt (und erteilt) bekommen hast?
 

Kratos

*** KT-HERO ***
1. Nussknackvorrichtung mit einem Motor und einem von dem Motor angetriebenen Knackwerkzeug.

2. Verfahren zum Nüsseknacken unter Verwendung eines von einem Motor angetriebenen Knackwerkzeugs.

3. Nussknackvorrichtung nach Anspruch 1 oder Verfahren nach Anspruch 2, bei der/dem das Knackwerkzeug ein Hackebeil ist.

Meine so etwas oder so etwas ähnliches bereits gesehen zu haben ;) und halte es auch für unbedenklich. Im Übrigen, was soll passieren, wenn die Prüfungsabteilung das nicht so sieht? Dann formuliert man einfach um.

Gruß

Kratos
 

asdm

Vielschreiber
1. Nussknackvorrichtung mit einem Motor und einem von dem Motor angetriebenen Knackwerkzeug.

2. Verfahren zum Nüsseknacken unter Verwendung eines von einem Motor angetriebenen Knackwerkzeugs.

3. Nussknackvorrichtung nach Anspruch 1 oder Verfahren nach Anspruch 2, bei der/dem das Knackwerkzeug ein Hackebeil ist.

Meine so etwas oder so etwas ähnliches bereits gesehen zu haben ;) und halte es auch für unbedenklich. Im Übrigen, was soll passieren, wenn die Prüfungsabteilung das nicht so sieht? Dann formuliert man einfach um.

Gruß

Kratos

Diese Ansprüche lassen sich umschreiben in:

1. Nussknackvorrichtung mit einem Motor und einem von dem Motor angetriebenen Knackwerkzeug.

2. Nussknackvorrichtung nach Anspruch 1 bei der das Knackwerkzeug ein Hackebeil ist.

3. Verfahren zum Nüsseknacken unter Verwendung einer Nussknackvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 oder 2.


Warum sollte man also den Prüfer die Nuss knacken lassen (auch wenn es zulässig ist), wenn man leichter mit einem solchen Anspruchssatz durchkommt?
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Warum sollte man also den Prüfer die Nuss knacken lassen (auch wenn es zulässig ist), wenn man leichter mit einem solchen Anspruchssatz durchkommt?

:D OK, das Beispiel war nicht so gut. Aber ich kenne durchaus Konstellationen, bei denen man (um die Anzahl der Ansprüche zumindest zum Zeitpunkt der Anmeldung zu reduzieren), eine derartige Vorgehensweise wählt. Sinngemäß möchte man die Merkmale, die sowohl in den Vorrichtungsanspruch als auch in den Verfahrensanspruch passen, in einem Anspruch zusammenfassen, so dass nicht für jedes dieser Merkmale zwei Ansprüche geschrieben (bezahlt) werden müssen.

Gruß

Kratos
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich muss auch sagen, dass ich asdevi nicht zustimmen kann. Vielleicht hängt es auch von der Direktion ab, aber bei uns werden solche Ansprüche regelmäßig als unklar zurückgewiesen.

Nichtsdestotrotz sind solche Ansprüche nicht per se unklar. Es muss schon eine Begründung des Prüfers vorliegen. Hierzu die RiLis:

http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/f_iv_3_4.htm

und

http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/f_iv_3_8.htm

Kurzum, nicht per se unklar, aber häufig als unklar zurückgewiesen aus dem Grund den Fip nannte.

In deinem ersten Link steht es doch klipp und klar:

"Ein abhängiger Anspruch, der sich explizit auf unabhängige Ansprüche zweier Kategorien als Alternativen bezieht, ist nicht allein aus diesem Grund zu beanstanden. Betrifft beispielsweise die Erfindung sowohl ein Stoffgemisch als auch eine Verwendung dieses Stoffgemischs, dann ist es möglich, einen weitere Merkmale des Stoffgemischs angebenden Anspruch sowohl vom unabhängigen Anspruch für das Stoffgemisch als auch vom unabhängigen Anspruch für seine Verwendung abhängig zu machen."

Das ist also möglich und nur dann zurückzuweisen, wenn es aus anderen Gründen zu Unklarheiten führt.

Gewährte Anspruchssätze mit solchen Ansprüchen sind extrem schwer zu finden, weil keine sinnvolle Stichwortsuche möglich ist. Ich bin mir jedenfalls sicher, schon oft Ansprüche wie

"The nucleic acid of claim X, the vector of claim Y or the method of claim Z, wherein the nucleic acid has the sequence of SEQ ID NO:XX"

gesehen zu haben, die zumindest nicht deshalb beanstandet wurden.

Warum denn nicht?
 

Groucho

*** KT-HERO ***
Anspruchskonstruktion:

  1. Verfahren
  2. Vorrichtung
  3. Verfahren nach Anspruch 1 oder Vorrichtung nach Anspruch 2, gekennzeichnet durch...
Leztlich wird es darauf ankommen, warum eine solche Konstruktion gewählt werden soll.

Ein problematischer Punkt liegt sicherlich darin, dass die zugefügten Merkmale ja eigentlich entweder Vorrichtungsmerkmale (Knackwerkzeug ist ein Hackebeil) oder Verfahrensmerkmale (Nuss wird vor dem Hacken dreimal um ihre Achse gedreht) sind und daher zur jeweils anderen Kategorie nicht recht passen und erst durch geeignete Auslegung passend gemacht werden müssen. Wenn es jedoch einen trifftigen Grund für die Verwendung der Konstruktion gibt, kann dieser natürlich diese Bedenken überwiegen.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Good find Asdevi! Habe das Linkziel zwar überflogen, den fraglichen Absatz aber glatt übersehen, wo die Antwort auf die Ausgangsfrage ja klipp und klar steht.

Dank und Gruß
Kurt
 

philkopter

GOLD - Mitglied
@ kurt: der link kam von mir ;)

@ asdevi: ich hab dir ja ohnehin zugestimmt, solche ansprüche sind nicht per se unklar. dennoch habe ich erst kürzlich wieder eine 94(3) auf dem tisch gehabt, in der solch eine konstruktion beanstandet wurde. der prüfer muss halt einen, wenn auch in dem fall schwachen, grund haben wieso er es nicht sehen will. vielleicht argumentieren wir ja dagegen...
 

Fip

*** KT-HERO ***
In deinem ersten Link steht es doch klipp und klar:

"Ein abhängiger Anspruch, der sich explizit auf unabhängige Ansprüche zweier Kategorien als Alternativen bezieht, ist nicht allein aus diesem Grund zu beanstanden. Betrifft beispielsweise die Erfindung sowohl ein Stoffgemisch als auch eine Verwendung dieses Stoffgemischs, dann ist es möglich, einen weitere Merkmale des Stoffgemischs angebenden Anspruch sowohl vom unabhängigen Anspruch für das Stoffgemisch als auch vom unabhängigen Anspruch für seine Verwendung abhängig zu machen."

Das ist also möglich und nur dann zurückzuweisen, wenn es aus anderen Gründen zu Unklarheiten führt.


Es gibt meiner Ansicht nach eine Reihe von Gründen, warum man das nicht ohne Weiteres zulassen sollte. Am Wesentlichsten erscheint mir, dass die Behandlung von Vorrichtungsmerkmalen in "echten" Verfahrensansprüchen bzw. die Verwendung von Verfahrensmerkmalen in "echten" Vorrichtungsansprüchen nie ganz klar ist. Ist ein Verfahrensmerkmal in einem Vorrichtungsanspruch überhaupt relevant? Kann ein solches Merkmal zur Abgrenzung vom Stand der Technik dienen und Neuheit und Erfindungshöhe begründen oder nicht? Schränkt das Merkmal den Schutzbereich ein oder nicht? Wenn ich dann einen Anspruch habe, der beides ist, also Verfahrens- und Vorrichtungsanspruch, dann halte ich das für problematisch, weil ich den Anspruch - je nach dem ob ich ihn mit der Verfahrens- oder der Vorrichtungsbrille betrachte - unterschiedlich interpretieren muss. Klarheit und damit auch Rechtssicherheit für Dritte sieht da meiner Ansicht nach anders aus.


In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Patentinhaber zum Beispiel gemäß § 9 PatG nur die "Anwendung" des Verfahrens (oder das "Anbieten der Anwendung") untersagen kann. Wie aber bitte schön soll ich die "Anwendung" eines reinen Vorrichtungsmerkmals in einem Patentanspruch interpretieren? Was bedeutet das bei der Schutzbereichsbestimmung? Was bedeutet das für die Abgrenzung vom Stand der Technik?


Was die oben zitierten RiLis angeht: Ein Verwendungsanspruch ist immer etwas "besonderes". Es ist nicht notwendiger Weise - sogar in aller Regel nicht - ein "echter" Verfahrensanspruch, der sich auf eine Handlungsanweisung bezieht, sondern ein Verwendungsanspruch ist eine Art Zwitter. Man lese hierzu die BGH Entscheidung "Arzneimittelgebrauchsmuster", bei der der BGH trotz des Anspruchswortlauts "Verwendung von Stoff XY zur therapeutischen Behandlung einer Erkrankung" und des Ausschlusses des Gebrauchsmusterschutzes für Verfahrenserfindungen den Anspruch nicht als Verfahrensanspruch angesehen hat. Insofern kann man hier meiner Meinung nach Verwendungsansprüche und Verfahrensansprüche nicht ohne weiteres über einen Kamm scheren. Man muss hier sorgsam differenzieren.


Ich will nicht ausschließen, dass es Fälle gibt, in denen das geht und nicht zu irgendwelchen Problemen führt. Aber man wird sich jeden Fall individuell ansehen müssen. Und der Begriff "täglich Brot" ging mir etwas zu weit.
 
Oben