EPÜ Frist für Europäische Teilanmeldung

pak

*** KT-HERO ***
Hallo,

in Regel 36 AO EPÜ heißt es:

Regel 36
Europäische Teilanmeldungen

(1) Der Anmelder kann eine Teilanmeldung zu jeder anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung einreichen, sofern:


a)
die Teilanmeldung vor Ablauf einer Frist von vierundzwanzig Monaten nach dem ersten Bescheid der Prüfungsabteilung nach Artikel 94 Absatz 3 und Regel 71 Absätze 1 und 2, oder Regel 71 Absatz 3 zu der frühesten Anmeldung eingereicht wird, zu der ein Bescheid ergangen ist, oder...
Zunächst mal zur Klärung. Der erste Bescheid in diesem Sinne ist

- ENTWEDER ein Bescheid nach Artikel 94 Absatz 3 (iVm Regel 71 Absätze 1 und 2) [->Anm.: Prüfungsbescheid]

- ODER eine Mitteilung nach Regel 71 Absatz 3 [->Anm.: Mitteilung über Erteilungsabsicht].

Wenn ich keine Widerworte höre, gehe ich davon aus, dass ich richtig liege ;)

In meinem Fall liegt bislang nur der Europäische Recherchebericht (+ Opinion) sowie eine Mitteilung nach Regel 70 und 70a Absatz 2 vor. Ich gehe also ferner davon aus, dass die 24 Monate, die zur Einreichung einer Teilanmeldung zur Verfügung stehen, noch nicht begonnen haben.

Gibt es hier noch irgenwelche Schlaglöcher, die ich übersehen habe, oder kann ich erst einmal dem ersten Prüfungsbescheid oder der Mitteilung der Erteilungsabsicht gelassen entgegensehen?

Gruß

pak
 

PA Baracus

Schreiber
Hallo pak,

bei alleinigem Vorliegen einer Mitteilung nach Regel 70(2) und 70a(2) EPÜ (d. h. ohne dass die Prüfungsabteilung einen Blick auf die Anmeldung riskiert hat, denn die wird nach R. 10(2) EPÜ erst mit Stellung des Prüfungsantrags zuständig) haben die 24 Monate noch nicht begonnen.

Ergänzend möchte ich aber darauf hinweisen, dass die Teilanmeldungsregelung ab 1. April 2014 anders aussehen wird: http://www.epo.org/news-issues/news/2013/20131018.html

Gruß,

PA Baracus
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
In meinem Fall liegt bislang nur der Europäische Recherchebericht (+ Opinion) sowie eine Mitteilung nach Regel 70 und 70a Absatz 2 vor. Ich gehe also ferner davon aus, dass die 24 Monate, die zur Einreichung einer Teilanmeldung zur Verfügung stehen, noch nicht begonnen haben.
Das ist korrekt. Der Recherchebericht löst die 24-Monats-Frist nicht aus. Steht auch explizit so irgendwo in den Guidelines, bin aber zu faul, es zu suchen.

Gibt es hier noch irgenwelche Schlaglöcher, die ich übersehen habe, oder kann ich erst einmal dem ersten Prüfungsbescheid oder der Mitteilung der Erteilungsabsicht gelassen entgegensehen?
Schlaglöcher nicht, aber du kannst schon deshalb gelassen sein, weil, wie Baracus sagt, diese Frist ab 1. April ohnehin abgeschafft wird. Solange sie dir also nicht in den nächsten 10 Tagen abläuft, ist sie völlig irrelevant.
 
  • Like
Reaktionen: pak

Kratos

*** KT-HERO ***
Mich beschleicht in diesem Zusammenhang das dumpfe Gefühl, dass die Entscheidung, die 24-Monats-Frist wegfallen zu lassen, der Tatsache geschuldet ist, dass viele Prüfungsverfahren sich nach dem ersten Prüfungsbescheid länger als 24 Monate hinziehen und dem Anmelder die "großzügige Chance" gegeben werden soll, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Teilanmeldung einzureichen (= sein Geld beim EPA zu lassen) ... :rolleyes:

Kratos
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Der eigentliche Grund, die Frist einzuführen, war ursprünglich doch, diese "großzügige Möglichkeit" abzuschaffen. Früher hat man ja am Vortag einer mündlichen Verhandlung immer eine Teilanmeldung eingereicht, damit, sollte die Anmeldung zurückgewiesen werden, man munter weitermachen kann. Mein Ausbilder hat mir stolz eine alte Akte aus dem Keller gezeigt, wo das 18 Jahre lang so praktiziert wurde. An der Anmeldung war zwar nichts patentierbar, aber der Hauptwettbewerber hatte die ganze Zeit das Damokles-Schwert über sich, dass vielleicht doch noch etwas erteilt wird. Das war dem Anmelder die nicht unerheblichen Jahresgebühren wohl wert. Diese für die Rechtssicherheit sehr unbefriedigende Situation sollte beendet werden, so dass nach zwei Jahren Schicht im Schacht ist und jeder weiß, mit wieviel Anmeldungen er es zu tun hat.

Allerdings hat das EPA wohl jetzt in seiner Geldknappheit festgestellt, dass sich mit "continuations" zurückgewiesener Anmeldungen doch ganz gut Geld verdienen ließ, das jetzt fehlt. Also pfeift man auf die Rechtssicherheit, und damit sich das auch richtig lohnt, wird noch eine Zusatzgebühr eingeführt.

Irgendwie typisch.
 

Groucho

*** KT-HERO ***
Allerdings hat das EPA wohl jetzt in seiner Geldknappheit festgestellt, dass sich mit "continuations" zurückgewiesener Anmeldungen doch ganz gut Geld verdienen ließ, das jetzt fehlt. Also pfeift man auf die Rechtssicherheit, und damit sich das auch richtig lohnt, wird noch eine Zusatzgebühr eingeführt.

Dem EPA Gebührenschneiderei unterstellen zu wollen, ist nun wirklich lebensfremd. Immerhin führt man gerade eine mit durchschnittlich 6,3% sehr maßvolle Gebührenerhöhung durch, ohne den Anmelder dafür mit zusätzlichen Leistungen oder einem erweiterten Länderkreis zu belasten.
 

grond

*** KT-HERO ***
Ja, am EPA scheint die Angst vor Verarmung zu grassieren. Ich muss manchmal als Terminsvertretung für einen großen Konzern in mündliche Verhandlungen. Der Mitarbeiter der Patentabteilung dieses Konzerns, der das Verfahren meist bis zu diesem Zeitpunkt selbst geführt hat, beantragt bei zweiseitigen Verfahren mit nichtdeutschen Beteiligten für die mündliche Verhandlung grundsätzlich Übersetzung. Nun kam ich also an dessen Stelle dorthin und erfrechte mich doch glatt, in einem Verfahren mit Englisch als Verfahrenssprache auch in der einleitenden Konversation ein paar englische Worte zu verlieren. Ich wurde regelrecht schneidend zur Rede gestellt, weshalb die teuren Dolmetscher nun eigens anreisen mussten, wenn ich doch Englisch spräche. Ob die nun nach hause geschickt werden könnten (auch nicht gerade fair für die Dolmetscher, oder?). Als ich vorsichtshalber (man weiß nie, wie unverständlich das Englisch eines muttersprachlichen Vertreters sowie einer paneuropäischen Einspruchsabteilung sein kann, verneinte, bestand man darauf, dass ich von jetzt an jedes Wort auf Deutsch spräche und auch immer brav die Kopfhörer aufsetzte, wenn im Raum Englisch gesprochen wurde.

All das vor dem Hintergrund, dass

1. ich die Übersetzung nicht beantragt hatte
2. der Mandant einer der größten Gebührenzahler beim EPA sein dürfte
3. Kosten für Einspruchsverhandlungen im Gesamtetat des EPA kaum ins Gewicht fallen dürften
4. das EPA eh vor Geld nur so stinkt

War schon eine besondere Erfahrung.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ich glaube auch, dass das EPA aus finanziellen Gründen die Teilanmelderegelung wieder geändert hat. Allerdings glaube ich NICHT das der Hauptpunkt tatsächlich die Gebühren für die Teilanmeldungen direkt sind, sondern die Anmeldezahlen insgesamt:

Das EPA steht in Konkurrenz mit den Nationalen Ämtern. Große Konzerne wägen sicherlich ab, ob sie EP Anmeldungen machen oder stattdessen nationale. Grade bei Gütern, die eh nur einheitlich für europa hergestellt werden können, da sonst für einzelnationale Varianten erhebliche Mehrkosten entstünden, reicht es völlig GB/FR/DE zu schützen. Wenn GB/FR/DE großzügige Teilanmeldungsregelungen haben, die dem Anmelder erlauben, für Rechtsunsicherheit zu sorgen (sicherlich eigendlich nicht wünschenswert, aber leider zumindest in DE gegeben...) und das EPA hat eine Teilanmelderegelung, die eine derartige unangemessene Bedrohung der Konkurrenz nicht gestattet, gehen die Anmelder zu den nationalen Ämtern.

Zwar werden Teilanmeldungen selbst gar nicht so einen großen Posten im gesamtgeschäft vom EPA machen, aber die Abschreckende Wirkung einer strengen Teilanmelderegelung für das Anmeldegeschäft insgesamt wird das EPA sehr deutlich spüren.
 

Aktenwaelzer

SILBER - Mitglied
Naja

Die Gründe für die Rücknahme der Teilanmeldungsbeschränkung sind hauptsächlich (a) kontinuierliche Anmelderbeschwerden, (b) Unpraktikabilität der Regelung und (c) keine Verbesserung der Rechtssicherheit. Es wurde letztes Jahr eine Konsultation der Nutzer durchgeführt (siehe http://www.epo.org/law-practice/consultation/completed_de.html).

Anmelderbeschwerden gab es hauptsächlich aus technischen Gebieten, in denen die Entwicklungszeiten so lang sind, dass zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch gar nicht klar ist, welche Teile der Anmeldung die wichtigen sind (Pharma, Bio). Solche Anmelder sind momentan gezwungen, bei Fristablauf prophylaktische (und im Nachhinein sich meist als überflüssig herausstellende) Teilanmeldungen einzureichen, um nicht zu riskieren, die gesamten Investitionen in ein Projekt in den Sand zu setzen, weil die revolutionäre Alzheimerbehandlung in einem aufgegebenen und nicht wiederzubelebenden Teil der Anmeldung enthalten war. Das geht auf die Dauer ins Geld, da auch bei späterer Rücknahme der Teilanmeldung die bis zum Einreichungszeitpunkt aufgelaufenen Jahresgebühren (im Gegensatz zur Prüfungsgebühr) nicht rückerstattet werden. Die Rückkehr zur alten Regelung führt hier eher zu einer Verminderung der Zahl der Teilanmeldungen, falls sich überhaupt was ändert.

Die Fristenüberwachung ist kompliziert für alle Beteiligten. Es gab viel Streit darüber, in welchen Fällen ein "zweiter" Einheitlichkeitseinwand eine neue Frist startet oder nicht (was bedeutet der zweite Satz der Regel 36(1)(b) in der Praxis, z. B. bei nur geringfügig verändertem Sachverhalt?). Da ist der Rechtssicherheit auch nicht geholfen, zumal ein findiger Anwalt oft Wege findet, rechtzeitig einen Einheitlichkeitseinwand zu provozieren, um die Frist neu zu starten, und die Prüfer auch keine grosse Lust haben, hier ein Katz-und-Maus-Spiel anzufangen ("ja, ich weiss ja, dass Du den Einwand willst, aber ich mach ihn Dir nicht"). Ein auf einer sozusagen zu Unrecht eingereichten Teilanmeldung basierendes Patent kann ja vermutlich auch nicht später mit Verweis auf Regel 36 angegriffen werden, da die Art. 100 und 138 abschliessende Auflistungen enthalten (hat aber, glaube ich, noch niemand durchexerziert).

Nachdem die Regelung also ausser zusätzlicher Arbeit für alle nicht viel gebracht hat, wird sie wieder abgeschafft. Die neue Zusatzgebühr beim Einreichen von Teilanmeldungen der zweiten oder höheren Generation fällt ja im Vergleich zu den bis zum Einreichungszeitpunkt angefallenen Jahresgebühren normalerweise nicht so furchtbar ins Gewicht.

Man muss allerdings dem weit verbreiteten Eindruck entgegentreten, hohe Anmeldezahlen an sich würden die Finanzen des EPA boosten. Das stimmt so nicht. Die ersten Jahre einer Anmeldung sind ein ziemliches Zuschussgeschäft, vor allem die Recherche. Das EPA arbeitet nur kostendeckend, weil die operative Arbeit durch die Jahresgebühren querfinanziert wird. Geld kommt im wesentlichen nur herein, wenn ein substantieller Teil der erteilten Patente eine Zeit lang aufrechterhalten wird (da ja das EPA gnädigerweise die Hälfte von den von den nationalen Ämtern für EP-Patente kassierten Jahresgebühren zurückerhält; soviel zur Frage, weshalb die Verfahren vor den nationalen Ämtern so billig sind, aber das ist eine andere Geschichte). Oder wenn Anmeldungen lange genug unbearbeitet herumliegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben