Allg. Fremdsprachenkenntnisse

NiceGuyEddie

BRONZE - Mitglied
Guten Abend!

Ich möchte gerne Ihre Meinung zur Relevanz von Fremdsprachen im Bewerbungsverfahren erfahren. Werden Grundkenntnisse von beispielsweise Chinesisch oder Japanisch geschätzt, oder sind diese nur in Verbindung mit einer Übersetzungstätigkeit für die Anwälte von Bedeutung. Ich denke da an Acquisevorteile (Asiaten sind ja in der Regel hoch erfreut über ein Interesse an Ihrer Sprache) oder Schriftverkehr mit dem Mandanten. (Unter Grundkenntnissen verstehe ich 2000 - 3000 Schriftzeichen- ein professioneller Übersetzer von Patentliteratur benötigt mind. die doppelte Menge.)

Mit besten Grüßen,
NiceGuy
 

pa-tent

*** KT-HERO ***
...Meinung zur Relevanz von Fremdsprachen im Bewerbungsverfahren ...

Hallo NiceGuyEddie,

falls Du mit "Bewerbungsverfahren" das Bewerbungsverfahren für eine Kandidatenstelle
meinst, hier meine Antwort, die Dich vermutlich überraschen wird:

Aus eigener Beobachtung (nicht Erfahrung am eigenen Leibe) kann ich Dir berichten,
dass ausgiebige Asien-Fremdsprachenkenntnisse auch/eher hinderlich sein können!

Ein Bewerber wurde in meiner Ausbildungskanzlei abgelehnt, da er basierend
auf seinen Japanisch-Kenntnissen eine Extra-Kandidatenvertrag-Wurst kochen wollte.

Damalige Antwort der Anwälte auf meine Frage, was denn aus der Bewerbung des
Asien-Experten geworden sei:
- Bringt nur Ärger, jetzt mit den anderen Kandidaten, nach abgeschlossener Prüfung
im Umgang unter den Anwälten
- Asien-Fremdsprachenkenntnisse bringen im Tagesgeschäft (auch einer
Kanzlei mit Auslandsgeschäft) nichts, da die Kommunikation sowieso in
"Basic English" erfolgt. Und: Wer soll die chin./jap./kor. Schriftsätze korrigieren,
wenn keiner der Ausbilder dieser Sprache(n) mächtig ist? Wer soll die entsprechenden
Akten bearbeiten, wenn der Kandidat/spätere Kandidat die Kanzlei verlässt?
Welche PaFa soll das asiatische Gedöhns zur Bearbeitung der Formalsachen entziffern?
- Extrem hohe Gefahr der späteren Abwerbung (derzeit noch) eigener asiatischer Mandanten
(engere Bindung als normal, Abwerbetendenzen in ausländischer Sprache nicht
"entzifferbar").

Gerade der letzte Aspekt wäre für mich ein Killerkriterium!

Einige Kanzleien, die das asiatische (insbesondere das chinesische) Geschäft ausbauen
wollen, stellen aber gezielt Bewerber mit asiatischem Hintergrund ein in der Hoffnung, dass
diese ihrer Ausbildungskanzlei nach bestandener Prüfung treu bleiben. Mal klappt's,
mal nicht...

Mindestens ein Kandidat mit chineschem Migrationshintergrund hat kurz nach seiner
PA-Zulassung eine eigene Kanzlei aufgemacht.
Fokus: Betreuung von DE- und EP-Nachanmeldungen im Auftrag chinesischer Mandanten.
Das Geschäft ist seiner Ausbildungskanzlei nun zumindest teilweise verloren gegangen.

Ich würde aus den obigen Gründen/Beobachtungen einer Kandidaten-Bewerbung eines Asien-Fremdsprachenexperten - höflichst formuliert - nur eine untergeordnete Präferenz einräumen.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
pa-tents Erwägungen haben sicher etwas für sich; allerdings gibt es auch Kanzleien, die ihre Kandidaten und Junganwälte ermuntern, Japanisch oder Chinesisch zu lernen. Bei einer solchen wären die Chancen vielleicht nicht schlecht.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ich glaube schon, dass asiatische Sprachkenntnisse in vielen Kanzleien gerne gesehen werden. Man sollte allerdings das Maß, in dem man diese als Vorteil betont richtig wählen, denn sie sind eine Nebenqualifikation und in der Regel nicht der Grund für eine Anstellung...Denn:

Einerseits aus den von pa-tent genannten Gründen (Abwerbegefahr, nicht nachvollziehbare Akten nach Weggang des Kandidaten) und andererseits auch aus Gründen der Qualitätskontrolle (eine Gute Kanzlei sollte niemals die Schriftsätze ihrer Kandidaten blind durchwinken... der Mandant zahl Anwaltsstunden und hat dementsprechend Recht darauf auch die entsprechende Qualität, sprich Qualitätskontrolle der Schriftsätze von einem erfahrenen Anwalt, zu bekommen.) wird es eine Kanzlei i.d.r. nicht akzeptieren, dass du mit Chinesischen oder Japanischen Kollegen in chinesisch oder Japanisch korrespondierst...

Trotzdem haben Asiatische Sprachkenntnisse (in Randbereichen) Vorteile. Kriegt man z.B. in China Anmeldungen nicht durch, bei denen man nicht versteht, warum der Stand der Technik da hinderlich sein soll, ist es toll, wenn jemand da ist, der Prüfen kann, ob der chinesische Anspruchssatz mit dem englischen übereinstimmt. Auch ist es durchaus interessant zu erfahren, ob die Argumente, die man sich mühsam ausdenkt, auch in die Bescheidserwiderung des chinesischen Vertreters einfließen. Beim US-Vertreter schaut man schnell mal die Eingabe durch, aber bei Chinesen haben die meisten keinerlei Möglichkeiten zur Kontrolle. Schlimmstenfalls ist das den chinesischen Kollegen auch noch bewusst.

Auch hilft es beim Verständnis der chinesischen Druckschriften im chinesischen Prüfungsverfahren, wenn man selbst etwas von der Sprache versteht und somit zumindest zusammen mit einer Maschinenübersetzung die Entgegenhaltungen verstehen kann (bei der üblichen Qualität der Maschinenübersetzungen kann dies bei nicht sehr Anschaulichen erfindungen sonst etwas...problematisch sein).

Manche Kanzleien mögen trotzdem vorbehalte aufgrund der von Pa-tent genannten Gründe haben, wenn du das Ganze aber so Rüberbringst, dass der Kanzlei klar wird, dass du nicht vor hast auf Chinesisch zu Korrespondieren, sondern die Sprachkenntnisse für Anwendungen wie oben beschrieben nutzt, dürftest du auch Kanzleien von den Vorteilen überzeugen können. Auch muss klar werden, dass du nicht erwartest, nur aufgrund deiner Sprachkenntnisse zusätzliche Vorteile eingeräumt zu bekommen.
 

grond

*** KT-HERO ***
Bei einem Kandidaten wäre es mir absolut egal, ob der eine asiatische Fremdsprache spricht. Überprüfen kann ich seine Behauptung kaum und auf asiatische Mandanten werde ich ihn viele Jahre nicht loslassen (zumal die dann beleidigt sein könnten, wenn ein so rangniedriger Mitarbeiter das Wort an sie richtet). Auch wenn es arrogant klingt (oder ist), wenn jemand eine solche Sprache lernt, brauch er bei mir schon eine schlüssige Begründung, warum er das getan hat, sonst halte ich ihn eher für einen Spinner und Kleinkrämer. "Schlüssige Begründung" hieße: Auslandsaufenthalt, am besten aus beruflichen Gründen (im technischen Beruf). Aber auch dann würde sich dieser Vorteil frühestens ausspielen lassen, wenn der Kandidat dann nach vielen Jahren auch Partner der Kanzlei geworden ist und seine besondere Fähigkeit für die Akquise einsetzen kann. In der Aktenarbeit würde man aus den bereits genannten Gründen niemals mehr als die Grußformeln in der Fremdsprache formulieren. Ich hatte schon amerikanische Korrespondenzanwälte, die das wegen irgendeiner deutschstämmigen Urgroßmutter gemacht haben. Das hat mein geschäftliches Verhalten denen gegenüber jedenfalls nicht massiv beeinflusst...
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Die Ausgangsfragestellung sagt nicht deutlich, für welche Position die Bewerbung erfolgen soll, pa-tent und andere haben das schon angemerkt.

NiceGuyEddie hat als Aspekt Acquisevorteile genannt. Kandidaten betreiben keine Acquise, also gibt es diesen Vorteil bei ihnen nicht.

Es gibt allerdings noch einige andere Vorteile aus Sicht der Kanzlei, wenn ein Kandidat zusätzlich zu englischen noch weitere Fremdsprachenkenntnisse hat:

1. Einschlägige Entgegenhaltungen in der "weiteren" Fremdsprache, die irgendwo in der Kanzlei relevant werden, können von dem hilfsbereiten Kandidaten "mal eben" erläutert werden. Der Kandidat kann einen Beschluss des chinesischen Patentamtes von einem irrtümlich in den gleichen Umschlag geratenen chinesischsprachigen Kochrezept unterscheiden. Und dergleichen mehr.

2. Es kann mit den von NiceGuyEddie genannten Sprachkenntnissen schon ein sinnvolles Telefonat geführt werden. Das ist bei beispielsweise Spanischkenntnissen schon ganz nützlich, um von den Vertretern in Ecuador oder so zu erfahren, was zum Teufel die mit ihrem Brief eigentlich meinen, der in einer dem Englischen entfernt ähnlichen Sprache gerade von ihnen übersandt worden ist.

3. Der Kandidat hat durch die erworbenen Fremdsprachenkenntnisse unter Beweis gestellt, dass er bei entsprechender Motivation in der Lage ist, sich halbwegs erfolgreich in ein für ihn fremdes Sachgebiet außerhalb des Scheuklappenbereiches einzuarbeiten, und zwar ohne dafür sofort Geld sehen zu müssen. Genau das wird im Patentwesen auch gebraucht.

Die genannten Vorteile können dazu führen, dass ein Bewerber bei mehreren Bewerbern um eine Kandidatenstelle in die engere Auswahl kommt, denn seine Bewerbung ist interessant und das Vorstellungsgespräch könnte weitere Möglichkeiten eröffnen. Zu höherer Vergütung werden sie aus den in den anderen Beiträgen mehrfach genannten Gründen normalerweise nicht führen. Vielleicht spendiert man ihm nach der Probezeit als Ausgleich für die Sonderdienste unter 1 und 2 einen Sprachkurs extra, eine Tastatur mit spezieller Tastenbelegung, ein Technisches Dictionary (Papier und/oder digital) oder so. Der Output des Kandidaten wird durch die Kenntnisse nicht höher und nicht besser.

Bei etwas Nachdenken wird man feststellen, dass die Vorteile von 1 bis 3 auch von einer fitten Fachangestellten mit Nutzen eingesetzt werden könnten. Und da handelt man genauso, die Chance auf einen Bonus oder eine Sprachreise auf Bürokosten mag sogar höher sein.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

NiceGuyEddie

BRONZE - Mitglied
Vielen Dank für die zahlreichen und informativen Inhalte. Mir ging es tatsächlich um die Frage, wie ich die Fremdsprache in meiner Bewerbung als Kandidat positioniere. Meine Vermutungen sehe ich weitestgehend bestätigt, danke für die Ehrlichkeit. Mir geht es im übrigen weniger um eine bessere Vergütung als Kandidat, sondern vielmehr um eine optimale Bewerbung.
Ähnlich wie bei anderen Fremdsprachen gibt es auch in den diskutierten Sprachen Instrumente, die eine Aussage über die Fähigkeiten eines Schülers erlauben.
Schlussendlich tut man sich so etwas auch nicht aus rein monetären Gesichtspunkten an, da gäbe es lukrativere Beschäftigungen.

Beste Grüße,
NiceGuy
 

grond

*** KT-HERO ***
Ähnlich wie bei anderen Fremdsprachen gibt es auch in den diskutierten Sprachen Instrumente, die eine Aussage über die Fähigkeiten eines Schülers erlauben.
Schlussendlich tut man sich so etwas auch nicht aus rein monetären Gesichtspunkten an, da gäbe es lukrativere Beschäftigungen.

Das scheint sich auf meinen Beitrag zu beziehen. Nur soviel: ich verfüge selbst über Kenntnisse einer asiatischen Sprache. Daher ja mein Misstrauen gegenüber potentiellen Bewerbern... ;)

Was die Positionierung in einer Bewerbung angeht: erwähne es ganz normal in der Abteilung "Sprachen", die in jeden Lebenslauf bzw. jede Bewerbung gehört. Patentanwälte sind recht gut darin, relevante Informationen in Druckschriften ausfindig zu machen. Wenn es interessiert, wird es auch bemerkt werden, und Du erzeugst nicht den Eindruck, eigentlich nur jemanden zu suchen, der Dir Dein Sinologie-Teilzeitstudium finanziert.
 

NiceGuyEddie

BRONZE - Mitglied
@Grond: Das entspricht auch meiner Schlussfolgerung.
Ich kenne dieses Gefühl;) .. Es gibt es immer mehr Kollegen die Asien für sich und die Karriere entdecken- aber nur wenige behalten oder verbessern die Sprachkenntnisse, wenn es zurück in die Heimat geht.

Beste Grüße,
NiceGuyEddie
 
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