Formstein-Einwand bei mittelbarer Patentverletzung

maroubra

*** KT-HERO ***
Liebe Kolleginnen und Kollegen,


§ 10 PatG
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.


(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.


(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
Der Formstein-Einwand erlaubt es meinem Verständnis nach, sich bei einer äquivalenten, unmittelbaren Verwirklichung eines geschüzten Gegenstandes darauf zu berufen, dass diese äquivalente Form aus dem Stand der Technik bekannt ist und daher das Patent nicht verletzt.


Meine Frage ist nun, ob dieser Einwand auch auf eine mittelbare Patentverletzung übertragbar ist, und man sich darauf berufen kann, dass das verwendete Mittel, welches für die mittelbare Verletzung verantwortlich sein soll, aus dem S.d.T. bekannt ist. §10(2) PatG stellt nämlich eigentlich noch höhere Anforderungen, nämlich dass das Mittel allgemein im Handel erhältlich sein muss (d.h. meinem Verständnis nach bekannt aus dem S.d.T. sein muss UND zusätzlich auch noch tatsächlich gehandelt werden muss).




Was ist Eure Meinung?
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Das dürfte genauso wie bei einer unmittelbaren Patentverletzung sein.

Angenommen, der Anspruch lautet "Fahrzeug umfassend einen Verbrennungsmotor" zum Selbstantrieb und es wäre überhaupt noch nicht bekannt, Motoren in Fahrzeuge zum Selbstantrieb zu verbauen, dann wäre ein Elektromotor wahrscheinlich eine Äquivalenzverletzung.

Beim Inverkehrbringen eines Verbrennungsmotors wäre Formstein wahrscheinlich nicht anwendbar, beim Inverkehrbringen eines Elektromotors schon.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Das dürfte genauso wie bei einer unmittelbaren Patentverletzung sein.

Der Schulte sagt dazu: "Voraussetzungen für das Eingreifen des Formstein-Einwandes ist, dass die angriffene Ausführungsform mit der Gesamtheit ihrer Merkmale im maßgeblichen Stand der Technik vorweggenommen ist oder sich aus diesem naheliegend ergibt.

Da es auf die Gesamtkombination der Merkmale und ihr Vorbekanntsein bzw Naheliegen ankommt, reicht es nicht aus, nur einzelne Merkmale durch den Stand der Technik nahegelegt nachzuweisen.

Erforderlich ist vielmehr, dass a) jedes einzelne Anspruchsmerkmal in seiner wortsinngemäßen oder äquivalenten Verwirklichung und b) die Kombination dieser Einzelmerkmale zu der bei der angegriffenen Ausführungsform gegebenen Ausgestaltung als vorbekannt oder naheliegend nachgewiesen wird."

Da bei der mittelbaren Patentverletzung der Verletzungsgegenstand ja gerade nicht die Gesamtkombination der Merkmale umfasst, dürfte der Formstein-Einwand nicht anwendbar sein.
 
Zuletzt bearbeitet:

maroubra

*** KT-HERO ***
Ich möchte die Sache noch mal anhand eines Beispiels verdeutlichen:


Es gibt ein Patent mit einem Verfahrensanspruch mit den Schritten:
-Bereitstellen von Produkt A (Beispielsweise eine Metalllegierung)
-Behandeln des Produkts A mit den Verfahrenschritten B, C, D, E.




Das Produkt A ist als solches aus dem Stand der Technik bekannt, wird aber nicht gehandelt.


Andere Verwendungen des Produkts A ausser dem patentierten Verfahren sind ohne weiteres ersichtlich.


Fraglich ist nun für mich, ob, wenn nun ein Dritter, der Produkt A verkauft, ohne B, C, D und E auszuführen, wegen mittelbarer Patentverletzung belangt wird, sich dieser Dritte auf eine analoge Anwendung des Formstein-Einwand berufen kann, da der Dritte ja leztzlich nur ein Produkt verkauft, das in seiner Gesamtheit aus dem Stand der Technik bekannt ist.


Der Formstein-Einwand besagt ja letztlich das Gleiche: bei einer wortsinngemässen Patentverletzung ist das Verletzungsgericht an die Patenterteilung gebunden und muss die Verletzung bejahen, bei einer nur äquivalenten Patentverletzung aber kann sich der Beklagte darauf berufen, dass "sein" Produkt ja aus dem Stand der Technik bekannt ist und daher nicht vom Schutzumfang erfasst sein kann.


Bei der unmittelbaren Patentverletzung des Beispiels oben liegt ja auch keine wortsinngemässe Patentverletzung vor und das verfahrensgegenständliche Produkt ist ebenfalls aus dem Stand der Technik bekannt.


Gegen eine analoge Anwendung des Formstein-Einwands spräche aber evtl. §10(2) PatG als "lex specialis".
 

Rex

*** KT-HERO ***
Bei der unmittelbaren Patentverletzung des Beispiels oben liegt ja auch keine wortsinngemässe Patentverletzung vor

Aber eine äquivalente Patentverletzung erst recht nicht, da Produkt A ja explizit im Patentanspruch genannt ist. Der Formsteineinwand ist hier also nicht anwendbar.
Ob Produkt A SdT ist oder nicht, spielt keine Rolle, denn nach § 10 PatG ist nur entscheidend, ob sich das Mittel auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, was hier wohl der Fall ist.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Fraglich ist nun für mich, ob, wenn nun ein Dritter, der Produkt A verkauft, ohne B, C, D und E auszuführen, wegen mittelbarer Patentverletzung belangt wird, sich dieser Dritte auf eine analoge Anwendung des Formstein-Einwand berufen kann, da der Dritte ja leztzlich nur ein Produkt verkauft, das in seiner Gesamtheit aus dem Stand der Technik bekannt ist.

Es ist gerade der Sinn des Konstrukts "mittelbare Patentverletzung", auch die Lieferung von bereits bekannten Produkten zu unterbinden, wenn diese offensichtlich zur Patentverletzung dienen sollen. Der ganze Paragraph liefe vollständig ins Leere, wenn man einen Formstein-Einwand hätte. Wenn §10 nur auf gegenüber dem SdT erfinderische Produkte anwendbar wäre, bräuchte man ihn überhaupt nicht, denn dann hätte der Patentinhaber diese ja ebenfalls problemlos patentieren können.
 

Dr. X

GOLD - Mitglied
Ich glaube, dass maroubra u.a. den § 10 Absatz 2 nicht ganz richtig verstanden hat.

Absatz 2 soll ja sicherstellen, dass der Dritte nicht bestraft wird, wenn er an irgendjemanden Sachen liefert, die im Handel allgemein verfügbar sind. Es geht darum, was

"Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen"

sind. Es gibt hierzu auch BGH-Rspr., bitte selber recherchieren.

Wenn jetzt im Anspruch z.B. Wasser steht, kann es ja nicht sein, dass jemand dafür als mittelbarer Patentverletzer belangt wird. Das ist der Sinn des 2. Absatzes.

Ausnahme ist natürlich wie auch im 2. Absatz formuliert,

"daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln."

Dann hat man wieder eine mPV.

P.S.: Denke auch, dass der Formstein-Einwand nur bei mittelbarer PV Sinn macht.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,
gab es da nicht mal die interessante BGH-Entscheidung "Formsand" (passend zu Formstein :) )?
Ein Fall wo sich ein Sandgrubeninhaber erst gefreut hat, dass die Nachfrage nach seinem
ganz spezifischen Sand plötzlich zunahm. Bis er dann wegen mittelbarer Patentverletzung verurteilt wurde und das obwohl er nur weiter seinen guten alten Sand verkauft hat. Bloß weil jemand ein Patent auf ein Verfahren erhalten hatte, für das sein Sand einfach super war ;-) ?

Vielleicht hilft die ja Maroubra weiter?
 
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