EPÜ Ermäßigung nach R. 7a(1) EPÜ und Angehörige iSv Art. 14(4) EPÜ

KG2011

Schreiber
Hallo zusammen,
Ich mache gerade Aufgaben aus "Main Exam Questions for Paper D" von Deltapatents und eine Antwort erschließt sich mir einfach nicht.

Die Frage lautet: "Ein Schweizer KMU mit Geschäftssitz in den USA reicht eine europäische Patentanmeldung in italienischer Sprache ein. Besteht ein Anspruch auf eine Ermäßigung der Anmeldegebühr?" (B4-01(c))

Ich hätte sowohl eine Ermäßigung nach R. 7a(1) als auch nach R. 7a(3) verneint.

Das Buch sagt jedoch, dass dem Anmelder eine Ermäßigung nach R. 7a(1) zustünde.

Auch wenn Italienisch eine Amtssprache der Schweiz (eines EPÜ-Staates) ist und die Anmeldung in italienischer Sprache eingereicht wird, befindet sich der Hauptsitz des KMU nicht in der Schweiz (oder in einem EPÜ-Staat, dessen Sprache keine EPA-Sprache ist).

Übersehe ich etwas oder ist da vielleicht ein Fehler im Buch?

Danke im Voraus!
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Geschäftssitz ungleich Hauptsitz.

Sonst ist ja auch nicht ganz klar, inwiefern das KMU ein "Schweizer" KMU sein sollte. Was macht ein KMU mit Hauptsitz in den USA zum "Schweizer KMU"?
 

KG2011

Schreiber
Ich denke hier gibt es einen Übersetzungsfehler. In der englischen Fassung der Frage heisst es "A Swiss SME, with their principle place of business in the USA, files a European patent application in Italian. ..."

Letzteres habe ich auch nicht verstanden. Wäre dann ja eigentlich ein USA KMU.

Ich hatte mich gefragt, ob es unter Art. 14(4) "Angehörigen dieses Staats mit Wohnsitz im Ausland" fallen könnte. Aber unter solche "Angehörigen" fallen keine juristischen Personen, oder?
 

Fedx

Vielschreiber
Hallo,

R7a
(1) Reicht eine in Artikel 14 Absatz 4 genannte Person eine europäische Patentanmeldung oder einen Prüfungsantrag in einer dort zugelassenen Sprache ein, so wird die Anmeldegebühr bzw. die Prüfungsgebühr nach Maßgabe der Gebührenordnung ermäßigt.

A14(4):
juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist,


Jurisitische Person (+) Sitz in vertragsstaat (Schweiz) andere Sprache als D,E;F (+) (Ita - Amtssprache Schweiz). KMU (+)

Sitz im Vertragsstaat reicht hier vollkommen. Gemäß Aufgabenstellung liegt dieser in CH vor.

LG
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich kann es mir auch nicht recht erklären.

Es ist denkbar, dass ein Unternehmen nach schweizer Recht (also in der Schweiz inkorporiert), das seinen Hauptsitz mittlerweile im Ausland hat, als "Angehörigen der Schweiz" zu betrachten. Ich frage mich aber, woher Delta Patents das so genau wissen will, denn ich habe keine einzige Entscheidung dazu gefunden. Auch in den Richtlinien steht nichts.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo,

R7a
(1) Reicht eine in Artikel 14 Absatz 4 genannte Person eine europäische Patentanmeldung oder einen Prüfungsantrag in einer dort zugelassenen Sprache ein, so wird die Anmeldegebühr bzw. die Prüfungsgebühr nach Maßgabe der Gebührenordnung ermäßigt.

A14(4):
juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist,


Jurisitische Person (+) Sitz in vertragsstaat (Schweiz) andere Sprache als D,E;F (+) (Ita - Amtssprache Schweiz). KMU (+)

Sitz im Vertragsstaat reicht hier vollkommen. Gemäß Aufgabenstellung liegt dieser in CH vor.

LG
In der englischen Version von Art. 14(4) steht aber "principal place of business". Auch auf Deutsch ist der "Sitz" eines Unternehmens die Zentrale, und nicht irgendeine Niederlassung.

Und in der Aufgabenstellung steht eben nicht, dass ein "Sitz" in der Schweiz vorhanden ist. Da steht nur, dass es ein "principal place of business" in den USA gibt.
 

KG2011

Schreiber
Hallo,

R7a
(1) Reicht eine in Artikel 14 Absatz 4 genannte Person eine europäische Patentanmeldung oder einen Prüfungsantrag in einer dort zugelassenen Sprache ein, so wird die Anmeldegebühr bzw. die Prüfungsgebühr nach Maßgabe der Gebührenordnung ermäßigt.

A14(4):
juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist,


Jurisitische Person (+) Sitz in vertragsstaat (Schweiz) andere Sprache als D,E;F (+) (Ita - Amtssprache Schweiz). KMU (+)

Sitz im Vertragsstaat reicht hier vollkommen. Gemäß Aufgabenstellung liegt dieser in CH vor.

LG

Also du gehst davon aus, dass "Schweizer Unternehmen" impliziert, dass es mindestens einen Sitz in CH gibt. Und Art. 14(4) meint nicht den Hauptsitz, sondern lediglich einen Geschäftssitz. Dann wäre es so lösbar.

Danke für die Antwort.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Im Englischen wird zwischen „registered office“ (Sitz) und „principle place of business“ (Hauptniederlassung) unterschieden (z.B. wird in den USA aus steuerlichen Gründen sehr gerne der Sitz in Delaware und die Hauptniederlassung in einem wirtschaftlich interessanteren Bundesstaat gewählt).

In der Schweiz kann man einen Satzungssitz völlig frei vereinbaren, für den eine Briefkastenadresse völlig ausreichend ist. Siehe z.B.:
https://law.ch/lawinfo/unternehmenssitz-domizil/unternehmenssitz/statutarischer-sitz/

Ich denke, auf diese Schweizer Spezialität wollte man mit der Aufgabenstellung aufmerksam machen.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
@Lysios:

Kennst du irgendeine Entscheidung, die hergibt, dass das "registered office" zur Inanspruchnahme der Gebührenermäßigung berechtigt?

Denn in Art. 14 steht nur "principal place of business", und ansonsten "nationals" eines EPÜ-Staats, die im Ausland ansässig sind.

Wenn das "principal place of business" ungleich dem "registered office" ist, hilft das nicht, denn in der Aufgabe ist ersteres ja in den USA.

Führt ein "registered office" in der Schweiz dann dazu, dass das Unternehmen als "national" der Schweiz gilt? Für mich hört sich dieser Begriff sehr danach an, als ob er nur auf natürliche Personen anwendbar wäre. Unternehmen sind nun mal keine Staatsangehörigen.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass man das nicht anders argumentieren könnte, aber damit bei einem Kurs wie Delta Patents das als eindeutig richtige Antwort gefordert werden kann, muss es dazu ja irgendeine solidere Grundlage als "möglicherweise könnte man ja" geben.
 

KG2011

Schreiber
Hallo zusammen,

Es gibt ein kleines Update: Ich habe Deltapatents angeschrieben und die Antwort war sinngemäß, dass die Antwort zu der Frage falsch ist und geändert werden muss...

Ich wollte noch anmerken, dass der Hinweis darauf, dass das Schweizer Recht vorsieht, dass man nicht seinen Hauptsitz in CH haben muss, etwas ist, dass wahrscheinlich nicht von uns verlangt wird in der EEP zu wissen, da Schweizer Gesellschaftsrecht.

Zu dem Gedanken, dass es unter den Fall "... Natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist, und die Angehörigen dieses Staats mit Wohnsitz im Ausland ..." (Art. 14(4) EPÜ) fallen könnte: Ich habe nichts Spezielles in den Richtlinien und der Rechtssprechung gefunden, aber mMn kann eine juristische Person, die zwar rechtlich gesehen einem anderen Land angehört (z.B. legally formed in CH) keinen "Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Ausland" darstellen. Wenn ihr dazu etwas anderes finden solltet, lasst es mich bitte wissen.

Also vielen Dank an alle, die geantwortet haben, aber war scheinbar nur ein Fehler.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Zu dem Gedanken, dass es unter den Fall "... Natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist, und die Angehörigen dieses Staats mit Wohnsitz im Ausland ..." (Art. 14(4) EPÜ) fallen könnte: Ich habe nichts Spezielles in den Richtlinien und der Rechtssprechung gefunden, aber mMn kann eine juristische Person, die zwar rechtlich gesehen einem anderen Land angehört (z.B. legally formed in CH) keinen "Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Ausland" darstellen. Wenn ihr dazu etwas anderes finden solltet, lasst es mich bitte wissen.
Da wir hier schon in der Schweiz sind, siehe dazu diesen schönen Artikel zur hier relevanten Unterscheidung zwischen Staatsangehörigkeit und Staatszugehörigkeit (wenn auch nicht mehr ganz aktuell z.B. durch die Bezüge auf die EG, die mittlerweile in der EU aufgegangen ist):
Andreas Kley-StruIIer, Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht 2/91:
https://www.ius.uzh.ch/dam/jcr:0000...rigkeit_juristischer_Personen_SZIER_02_91.pdf
22. Die schweizerische Bürgerrechtsgesetzgebung befasst sich mit dem Bürgerrecht der natürlichen, nicht aber der juristischen Personen. In diesem Sinne besitzen juristische Personen keine Staatsangehörigkeit und sie gehören auch nicht zum Staatsvolk. Ausserdem können manche der Rechte und Pflichten, die das Schweizer Bürgerrecht voraussetzen, die juristischen Personen schon ihrer Natur nach nicht berechtigen oder verpflichten; es ist etwa an die politischen Rechte oder an die Wehrpflicht zu denken. Die
Bezeichnung «Nationalität oder Staatsangehörigkeit der juristischen Personen» ist irreführend, denn sie legt eine in Wirklichkeit nicht bestehende Analogie zwischen natürlichen und juristischen Personen nahe.
...
61. Öffentlich-rechtliche juristische Personen besitzen die Zugehörigkeit zu demjenigen Staat, dessen Gesetzgebung sie geschaffen hat.
...
62. ...
Nach der Auffassung wichtiger Autoren ist — sofern positivrechtliche Regelungen zu dieser Frage fehlen — sinngemäss auf das Personalstatut der juristischen Personen nach den IPR-Regeln abzustellen. Danach besitzen die juristischen Personen die Staatszugehörigkeit des Inkorporationsstaates. ...
 
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